Katastrophismus statt Analyse

Eine Kritik am „Revolutionär-Kommunistischen Manifest“ der RCIT

Hanns Graaf

Die Revolutionär-Kommunistische Internationale Tendenz (RCIT), eine vor einigen Jahren aus der Liga für die Fünfte Internationale (LFI) nach der Spaltung deren österreichischer Sektion entstandene trotzkistische Organisation, geht in ihrem Grundsatzprogramm, dem „Revolutionär-Kommunistischen Manifest“ auch auf die angeblich drohende Klimakatastrophe ein. Wir wollen hier auf diesen Teil des RCIT-Manifests eingehen.

Wer auf der Homepage der RCIT nach spezielleren Beiträgen zur Klimafrage sucht, wird – wie bei fast allen linken Organisationen – enttäuscht. Schon da sollten wir uns fragen, wie eine Organisation dann trotzdem in der Lage sein will, sich adäquat zu diesem, sicher komplexen und für Laien schwierigen Thema zu äussern? Nirgends finden wir auch nur den kleinsten Ansatz einer Analyse  oder irgendeine Kritik der Klima-Positionen, die täglich von bürgerlicher Wissenschaft, Politik und Medien verbreitet werden. Insofern ist auch die RCIT an der für MarxistInnen und seriöse WissenschaftlerInnen grundlegenden Aufgabe – an allem zu zweifeln – gescheitert. Entgegen ihrer sonst durchaus richtigen Skepsis und Kritik gegenüber allem „Bürgerlichen“ dominiert hier offenbar die Gutgläubigkeit.

Der einzige Artikel, der sich überhaupt mit Umwelt- bzw. Klimafragen befasst, ist ein von der Vorgängerorganisation LFI erarbeitete Resolution „Rettet den Planeten vor der Zerstörung durch den Kapitalismus“ vom Oktober 2008, auf die man sich positiv bezieht. Dafür, dass uns angeblich eine Klimakatastrophe bevorsteht, ist das wahrlich sehr wenig an Bemühen. Ob es Bequemlichkeit, Unfähigkeit oder einfach Mangel an Ressourcen ist, die zu dieser Misere geführt hat – sie hindert die RCIT jedenfalls nicht daran, sich dazu mit großen Worten programmatisch zu äußern. Manchmal bilden minimaler Sachverstand und maximaler Anspruch eben eine absurde Symbiose.

Dass uns eine Klimakatastrophe droht und diese von der kapitalistischen Wirtschaftsweise verursacht wird, macht schon die Kapitelüberschrift deutlich: „Rettet unseren Planeten vor der kapitalistischen Klimakatastrophe!“

Kapitalismus-Analyse?

Bezeichnend ist hier schon die Sicht der RCIT auf den Kapitalismus. In diesem System ordnet die Kapitalistenklasse die gesamte Gesellschaft ihren Profitinteressen unter und gefährdet damit unser aller Zukunft. Am deutlichsten kommt dies bei der Erderwärmung und dem Klimawandel zum Ausdruck.

Die Entwicklung der wissenschaftlich-technischen Produktivkräfte (PK) im Kapitalismus wird hier nur unter dem (sicher auch vorhandenen) Aspekt ihrer destruktiven Wirkungen betrachtet. Dass diese PK aber auch die Potenzen beinhalten, die unabdingbar für eine höher organisierte, zukünftige kommunistische Gesellschaft sind, scheint der RCIT nicht klar zu sein. Die bei Marx immer wieder betonte Ambivalenz der Produktivkräfte im Kapitalismus, einerseits die Entwicklung der Menschheit voran zu treiben und andererseits bestimmte Probleme zu verschärfen und die PK in Destruktivkräfte zu verwandeln, schmilzt bei der RCIT zu einer eindimensionalen Negativsicht zusammen.

Verwunderlich – aber vielleicht auch nur schludriger Formulierung geschuldet – ist auch die Verwendung des Terminus „Klimawandel“. Einerseits wird hier der Klimawandel als etwas Neues und Bedrohliches dargestellt, obwohl sich das Klima immer schon gewandelt hat – Klima und Klimawandel sind Synonyme. In den zurückliegenden ca. 11.000 Jahren seit der letzten Eiszeit, der Klimaperiode des Holozän, hat es bereits mehrere wärmere und kältere Abschnitte gegeben – ohne jede Einwirkung des Menschen. Die Wärmephasen waren alle so warm wie heute oder sogar wärmer. Auch das Tempo der Veränderungen ist heute durchaus nicht außergewöhnlich. Insofern ist auch die Behauptung, die gegenwärtige (vor etwa 200 Jahren begonnene) leichte Erwärmung „gefährdet damit unser aller Zukunft“, eine völlig unbegründete Behauptung. Denn als es noch wärmer war, z.B. während des „Römischen Klimaoptimums“ (sic!) vor 2.000 Jahren oder vor 3.000 Jahren während der „Minoischen Warmzeit“, war von einer  Klimakatastrophe nichts zu spüren. Auch in Südeuropa, wo es schon immer so warm ist, wie es in Mitteleuropa angeblich in 100 Jahren sein soll, leben die Menschen ganz passabel, was u.a. an den riesigen Touristenströmen gen Süden  sichtbar wird.

Die Aussagen der RCIT zeugen also zunächst einmal von ganz simpler Unwissenheit in Sachen Klimageschichte. Das wäre nun nicht weiter schlimm, da die Klimaentwicklung sicher nicht zur Kernkompetenz linker Kleingruppen gehören muss. Jedoch ein Mindestmaß an kritischer Sicht auf das, was dazu aus dem bürgerlichen Milieu an Meinungen kommt, sollte schon vorhanden sein. Hier fehlt sie komplett.

Das ist umso absurder, als die RCIT in Abschnitt 32. ihres Manifests ja sogar selbst feststellt: “Eines der Merkmale der kapitalistischen Produktion als gesellschaftliche Produktion ist die zunehmende Einbindung der Wissenschaft in die Produktion. Mit der Entwicklung der kapitalistischen Produktionsweise, wurde die Wissenschaft mehr und mehr zu einem Industriezweig und becames sogar eine Ware selbst.“ Und weiter im Teil 33.: „Die Öffnung der imperialistischen Epoche bedeutete auch eine enorme Konzentration von Forschung und Entwicklung der Naturwissenschaft in den Händen der großen Monopole, Stiftungen oder in staatlichen Institutionen, die mehr und mehr wurde direkt darauf ausgerichtet, die Interessen der kapitalistischen Klasse durch den imperialistischen Staat.“ Wenn die Wissenschaft (und damit die Wissenschaftler selbst gewissermaßen auch) zur Ware wird und den kapitalistischen Verwertungsinteressen sowie politischer Einflußnahme unterliegen, wäre Skepsis also angebracht. Aber hier war der Weg vom Programm der RCIT zu einem entsprechenden politischen Vorgehen in der Praxis offenbar zu weit.

Weiter heißt es im Text: „Der rücksichtslose Einsatz von fossilen Energieträgern zwecks rascheren Transports, der Ausbau unsicherer Atomkraftwerke, die Rodung der Regenwälder – all das hat das Profitinteresse des Monopolkapitals zur Ursache.“ Auch hier stand beim Formulieren nicht gerade die Logik Pate. Warum ist der Einsatz fossiler Energieträger für den Transport kritikwürdig? Da Elektromobilität (falls überhaupt jemals sinnvoll und möglich) bis heute nicht umfänglich möglich ist, würde ein Verzicht auf die Nutzung fossiler Brennstoffe jede Form modernen Transports verhindern. Übrig blieben dann Segelschiffe und Ochsenkarren. Ist der Weg der RCIT zum Sozialismus mit Pferdeäpfeln gepflastert?

Warum sollte es im „Profitinteresse des Monopolkapitals“ liegen, „unsichere Atomkraftwerke“ zu bauen? In der Regel versucht die Bourgeosie, ihr Kapital in Technik zu investieren, die ihnen  möglichst nicht am nächsten Tag um die Ohren fliegt. Aber vielleicht kennt die RCIT eine andere Spezies von Kapitalisten? Sicher werden Sicherheits- und Umweltaspekte vom Kapital aus Kostengründen zuweilen auch mißachtet oder es mangelt einfach an entsprechendem Wissen und Erfahrung, doch mit solchen Problemen und Risiken wäre prinzipiell auch ein Betrieb oder ein Entwicklungsbüro in Arbeiterhand konfrontiert. Es wäre darum Aufgabe der Gesellschaft, effektive (arbeiter)demokratische Mechanismen zu finden, um diese Probleme weitestgehend zu minimieren. Daran aber mangelt es im Kapitalismus (Fukushima), aber auch im Stalinismus (Tschernobyl). Mit einer unsicheren Technik an sich hat das nichts zu tun – im Grunde ist jede Technik unsicher und es bedarf Erfahrung (auch durch Unfälle) und Wissen, um sie sicherer zu machen.

Anstatt also die gesellschaftlichen, sprich: die Produktionsverhältnisse für Unfälle verantwortlich zu machen und sie zu ändern, sucht man die Schuld bei der Technik. Das hat mit Marxismus nichts, aber auch überhaupt nichts zu tun – sehr viel aber mit kleinbürgerlichem Reformismus, mit Fortschrittspessimismus und letztlich – mit Maschinenstürmerei. Zurück zur Natur, statt vorwärts zum Kommunismus?!

Schließlich wird noch die Rodung der Regenwälder erwähnt. Dieses verderbliche Tun hat auch etwas mit der Jagd nach Profit zu tun, aber sicher nichts mit dem Klima. Aber es klingt ja alles so schön dramatisch …

Klimakatastrophe à la RCIT

Dramatisch geht es auch weiter: „In den nächsten 20 Jahren wird die Durchschnittstemperatur unterschiedlichen Schätzungen zufolge um bis zu 4,5 Grad ansteigen.“ Das ist purer Blödsinn. Selbst die allergrößten Klima-Alarmisten behaupten das nicht. Eine solche Steigerung würde den in den letzten 200 Jahren heftigsten Temperaturanstieg (wenn man den Daten des IPCC glaubt, was man nicht unbedingt tun sollte) in den 1980ern und 1990ern noch deutlich übersteigen. Dieser betrug damals ca. 0,4 Grad C° in ca. 20 Jahren. Lt. RCIT wäre er nun plötzlich etwa 12 Mal so stark. Ja, Wunder gibt es immer wieder. Nun könnte man ja einwenden, dass der anthropogene CO2-Ausstoß seit 2000 noch stärker gestiegen ist, und es deshalb schneller wärmer wird. Doch leider zeigt die Klima-Realität das ganze Gegenteil: die Erwärmung hat sich seitdem stark verlangsamt bzw. stagniert sogar. Wunder gibt es eben doch nicht immer. Sogar das IPCC gibt den Erwärmungsstillstand (Hiatus) zu.

Wie auch immer – es gibt lt. RCIT „jedenfalls (schon) jetzt (…) gewaltige Veränderungen in der Beschaffenheit der Erde. Immer größere Teile der Polarkappen schmelzen und der Meeresspiegel steigt. Länder wie Bangladesch mit über 140 Millionen Einwohnern könnten zu einem Gutteil bald überflutet werden. Der grauenhafte Tod von einer Viertel Million Menschen als Folge eines Tsunami in Südostasien, die Atomreaktorkatastrophe von Fukushima, die Flutkatastrophe in Pakistan und das tragische Schicksal New Orleans werden sich dann viele Male wiederholen.“

Gehen wir dieses Horrorbild Punkt für Punkt durch:

  1. Die Pole verhalten sich ganz anders als hier dargestellt. Die Antarktis nimmt seit Jahren an Ausdehnung und Eismasse zu. Die Arktis schmilzt weiter, aber nicht schneller als bisher. Das Ausbleiben weiterer Erwärmung zuletzt wird wahrscheinlich dazu führen, dass auch der Eisrückgang am Nordpol abnimmt. Die exakten „wissenschaftlichen“ Voraussagen zum Verschwinden der Arktis haben sich bisher jedenfalls alle als falsch erwiesen. Auch die Eisbären leben noch, es gibt sogar sehr viel mehr als früher.
  2. Der Meeresspiegel steigt. Das tut er allerdings schon seit dem Ende der letzten Eiszeit. Der Anstieg wird tendenziell aber immer geringer, weil immer weniger Eis da ist, das noch schmelzen kann. Der Pegelanstieg im 20. Jahrhundert betrug im globalen Mittel (soweit das überhaupt feststellbar ist) etwa 15-20 cm. Da gab es früher (Pegelmessdaten liegen tw. schon seit über 400 Jahren vor) größere Anstiege. Frage: Warum sind trotz Pegelanstiegs über Jahrunderte Städte wie Venedig oder Amsterdam nicht schon vor langer Zeit versunken??? Die Arktis ist für den Meeresspiegel übrigens irrelevant, weil schwimmendes Eis, das schmilzt, nicht zum Pegelanstieg führt (Physik Klasse 6). Jüngst warnte der Chef des PIK, Prof. Schellnhuber, vor einem Meeresspiegelanstieg bis 2100 von bis zu einem Meter – das Sechsfache des bisherigen Anstiegs! Wer bietet mehr?!

Wo befindet sich das Festlandeis der Erde? 90% in der Antarktis, ca. 8% auf Grönland (dort gibt es eine sehr sehr langsame Schmelztendenz, die in ca. 10.000 Jahren theoretisch zur Eisfreiheit führen könnte), 2% auf allen übrigen Binnengletschern. Frage: Warum sollten der Südpol oder Grönland (der Rest spielt keine große Rolle) stark abschmelzen oder gar verschwinden, wenn es früher, selbst als es über Jahrhunderte oder Jahrtausende viel wärmer war als heute, auch nicht passiert ist?! Frage: Wie soll das antarktische Eis schmelzen – bei einer Durchschnittstemperatur von -45 C° oder das Binneneis auf Grönland bei -35C°?!

  1. Der Meeresspiegel vor Bangladesh steigt nicht, er sinkt tw. sogar. Das ist möglich, weil der Meeresspiegel global nicht gleich hoch ist (wie der Alltagsverstand vielleicht meint), sondern um bis zu 120 Meter Höhe differiert. Die Landfläche von Bangladesh nimmt seit Jahrzehnten nicht ab sondern zu, aufgrund der Sedimentablagerungen durch die Flüsse. Das – oder ein – Problem Bangladeshs ist das Bevölkerungswachstum, weil fast alle Menschen von der Landwirtschaft leben und die Landfläche natürlich begrenzt ist. Hier sind nicht Wasserfluten, sondern riesige Flüchtlingsströme vorprogrammiert. Gratulation der RCIT, dass sie nicht die konkreten kapitalistischen Verhältnisse dafür verantwortlich macht, sondern ein nicht vorhandenes Klima-Problem. Das nennt sich marxistische Analyse!
  2. Der Tsunami in Südosasien und auch Fukushima haben nichts mit dem Klima zu tun. Mit weniger als einem Prozent der Klimaschutzausgaben nur Deutschlands nur eines einzigen Jahres hätte man im Indik ein Tsunami-Warn-System einrichten können. Hunderttausende Opfer wären vermieden worden. Auch Dank linker Klimakatstrophisten a la RCIT wird von den realen Problemen abgelenkt und unterstützt, dass Milliarden und Abermilliarden für den Klimaschutz zum Fenster hinaus und in den Rachen aller möglichen kleinen und großen „grünen“ Klimaretter geworfen werden, anstatt in konkrete und nützliche Umweltprojekte (die jedoch nicht so viel oder gar keine Rendite abwerfen!). Nochmal Bravo!
  3. Die Flutkatastrophe in Pakistan war wetterbedingt und hatte nichts mit dem Klima zu tun. Wer den Unterschied von Wetter und Klima nicht kennt, sollte lieber nichts dazu schreiben!
  4. Die Überflutung von New Orleans und deren fatale Auswirkungen waren einerseits einem Wetterphänomen geschuldet, andererseits der Sparpolitik der US-Regierung, die verhindert hat, dass Flutschutzanlagen genügend gewartet oder ausgebaut worden sind. Auch hier wieder Beifall (she. Punkt 3 und 4). Die Häufigkeit von Wetterereignissen wie Katrina ist seit vielen Jahren insgesamt deutlich rückläufig, wie die offiziellen Hurrican-Datensätze der USA zeigen. Dasselbe trifft insgesamt auf die Extremwetter-Trends weltweit zu, wie man dem aktuellen IPCC-Bericht (AR 5) entnehmen kann. Wer dem nicht glaubt, kann auch die Daten nationaler Wetterdienste, z.B. DWD in Deutschland, anschauen.

Was bleibt also übrig vom klimatischen Horrorszenario der RCIT? Nichts!

Wie schon erwähnt, gründet sich die Position der RCIT nicht auf eigener Analyse oder auch nur der unvoreingenommenen Durchsicht der Positionen und Diskussionen der internationalen  Klimawissenschaft; noch nicht einmal das, was das IPCC sagt, schaut man sich an. Hätte sich die RCIT diese Mühe gemacht, würde sie wahrscheinlich vorsichtiger damit sein, Untergangsszenarien zu malen. Aber natürlich: das Nachplappern all dessen, was irgendwelche links-grünen Milieus und NGOs absondern, weil es so gut in die Schublade „Antikapitalismus“ zu passen scheint, ist da einfacher – allerdings auch falsch.

Wir sparen es uns, noch auf die Vorschläge der RCIT zum „Klimaschutz“ einzugehen, da ein Klimaschutz weder nötig noch möglich ist. Weil das Klima wesentlich von astronomischen Faktoren (Milankovitch-Zyklen, Svensmark-Effekt), dem Rhythmus der Sonne, vom Wasserkreislauf und den Meeresströmungen gesteuert wird, raten wir der RCIT aber dringend dazu, in ihren Forderungskatalog noch die „Arbeiterkontrolle über Sonne und Ozeane“ aufzunehmen oder ein „Proletarisches Wetter“ zu fordern!

Darauf ein kühles Blondes aus Hopfen, Malz und Gerste, gewachsen durch Photosynthese und das „böse“ CO2, welches das Bier auch so schön prickeln lässt!

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