Gesellschaftsformation und Revolution

Hanns Graaf

Eine „Weltanschauung“, eine politische Theorie und jede Programmatik müssen sich daran messen, inwieweit sie in der Lage sind, bestimmte Epochen der Menschheitsgeschichte zu analysieren und Grundmerkmale herauszuarbeiten, durch die sie sich auszeichnen. Sie müssen in der Lage sein, den Übergang von einer Epoche zu einer anderen, etwa vom Feudalismus zum Kapitalismus, zu erklären. Allein schon der Versuch, dieses zu leisten, hebt die marxistische Geschichtskonzeption von anderen ab, die nur einzelne Phänomene, nur eine Abfolge verschiedener Ideen, Herrscher oder Staaten betrachten oder überhaupt jede Systemalternative ablehnen.

Der Marxismus ist eine materialistische Anschauung, die von der realen materiellen Welt und ihrer inneren Komplexität, Widersprüchlichkeit und Veränderlichkeit ausgeht; sie ist damit grundlegend entgegengesetzt jeder Ansicht, die die Welt als „göttliche Einrichtung“ ansieht. Marx und Hegel waren darin einig, dass die Welt sich „aufwärts“ entwickelt und dabei allgemeinen „Prinzipien“, Dialektik genannt, folgt. Sie sind aber zugleich entgegengesetzt insofern, als Marx vom Primat der materiellen Verhältnisse ausging, während Hegel einen „Weltgeist“ wirken sah.

Marx´ Geschichtsauffassung

Für Marx wird eine Gesellschaftsformation (Gesellschaftsordnung) wesentlich durch die Produktionsweise (PW) bestimmt. Diese besteht aus dem Zusammenhang von Produktivkräften (PK) und Produktionsverhältnissen (PV). Zu den PK gehören v.a. der Mensch sowie die von ihm erzeugten Produktionsmittel (PM), Wissenschaft und Technik. Die PV setzen sich aus all jenen staatlichen, politischen, rechtlichen u.a. Strukturen zusammen, unter denen das soziale Leben und v.a. die materielle und geistige Produktion der Gesellschaft stattfinden. Marx fasst diese Strukturen auch mit dem Begriff „Überbau“ über der materiell-produktiven „Basis“ zusammen. Insofern bestimmt für Marx v.a. das Sein, die materielle Lebenstätigkeit, das Bewusstsein, was jedoch kein mechanisches Verhältnis darstellt, sondern eine dialektische Wechselwirkung inkludiert.

„Gesellschaftsformation und Revolution“ weiterlesen

Neue Broschüre: Revolution und Staat

Revolution und Staat - Beiträge zur marxistischen Staatstheorie

Unsere neue Broschüre Revolution und Staat – Beiträge zur marxistischen Staatstheorie ist ab sofort bestellbar.

Gliederung

  1. Marx und Engels zum Staat
  2. Der Staat im Kapitalismus
  3. Sozialdemokratie und Staat
  4. Anarchismus und Staat
  5. Lenins Staatsauffassung
  6. Stalinismus und Staat
  7. Rätedemokratie und Selbstverwaltung
  8. Klassenkampf und Staat heute

Die Metamorphose des Marxismus

– Erster Teil –

Hanns Graaf

Vorwort

Die Geschichte des Marxismus reicht, seit Marx und Engels in den 1840ern ihre ersten publizistischen Schritte gingen, mittlerweile fast 180 Jahre zurück. In dieser Zeit hat der „Marxismus“ viele Veränderungen erlebt, schon Marx und Engels selbst veränderten ihre Auffassungen und entwickelten sie weiter, umso mehr war das bei ihren Nachfolgern der Fall.

Was die Nachfahren von Marx und Engels als „Marxismus“ vertraten, war immer eine Melange aus verschiedenen methodischen, theoretischen und programmatischen Elementen. Einerseits nahmen sie Positionen und die Methodik von Marx auf, entwickelten sie mitunter auch positiv weiter, andererseits unterschied sich ihr „Marxismus“ mitunter aber auch deutlich vom Denken der beiden Gründerväter, ja stand dazu methodisch und programmatisch oft sogar im Gegensatz zu ihnen. Angesichts dessen wundert es im Nachhinein nicht, dass Marx selbst einmal betont hat, dass er kein Marxist sei. Daraus spricht nicht nur sein Bestreben nach Abgrenzung von Menschen, Parteien, Strömungen usw., die sich – mehr oder weniger zu recht – auf ihn beriefen; es zeigt auch, dass Marx einen Horror davor hatte, als Vertreter eines kodifizierten, starren Denkgebäudes angesehen zu werden. Er lehnte es immer ab, ein „Ideologe“ zu sein, der die Welt „ummodeln“ will. Vielmehr verstand er sich als Forscher, der die Gesellschaft analysiert, ihre Widersprüche, ihre Entwicklung und ihre dynamischen Faktoren aufzeigt – um deren progressiven Elementen zum Durchbruch zu verhelfen, indem sich das Proletariat als eines historischen Subjekts der Erkenntnisse des Marxismus „bedient“ und ihn zugleich durch seine Erfahrungen bereichert und weiterentwickelt. Wenn das Proletariat sozial handelt, erwirbt es Erfahrungen, aus denen wieder neue Theorie kreiert werden kann.

„Die Metamorphose des Marxismus“ weiterlesen

ABC des Marxismus Teil V: Was ist die „Diktatur des Proletariats“?

Der Begriff “Diktatur” weckt negative Assoziationen. Wir sind dabei an undemokratische, unterdrückerische Verhältnisse erinnert, an den Stalinismus oder den Faschismus. Doch die Diktatur des Proletariats – auch Arbeiterstaat, Räterepublik oder Übergangsgesellschaft genannt – ist das Gegenteil solcher Diktaturen. „ABC des Marxismus Teil V: Was ist die „Diktatur des Proletariats“?“ weiterlesen