Hanns Graaf
„Die nächste Eiszeit könnte ausbleiben“, so überschrieb die Berliner Zeitung am 15.10.15 einen Beitrag zur Klimafrage. Sie bezog sich auf eine über dpa verbreitete Äußerung von Prof. Joachim Schellnhuber, Chef des Potsdamer PIK (Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung) auf dem 9. „Münchener Klimaherbst“.
Schellnhuber „glaubt“, dass die nächste Eiszeit aufgrund der durch die menschliche Emission mitCO2 angereicherte Atmosphäre ausfallen könnte. Nun sind ja Schellnhuber und das PIK dafür bekannt, uns fast wöchentlich mit einer neuen klimatischen Horrormeldung zu beglücken. Doch diesmal hat Schellnhuber noch einen draufgesetzt. Betrafen die „Szenarien“ bisher meist Entwicklungen für einige Jahrzehnte oder ein Jahrhundert, behauptet er nun gar, das Klima in 60.000 Jahren voraussagen zu können! Das ist nicht unclever, denn die PIK- und IPCC-Voraussagen für die Klimaentwicklung der Gegenwart lagen bisher immer weit neben der Realität. Seit etwa 18 Jahren stagniert die globale Erwärmung – trotz noch stärkerer gestiegenem CO2-Gehalt. Immerhin hat sogar das IPCC (Weltklimarat) diesen Umstand und das Versagen ihrer Klima-Modelle offiziell zugegeben – nach jahrelangem Zögern. Nachzulesen ist all das im letzten IPCC-Klimabericht AR 5, wo übrigens auch eingeräumt wird, dass von der früher oft behaupteten Zunahme von Extremwetterereignissen in den Datensätzen nichts zu merken ist. Ganz anders die deutschen Medien: Sie schwelgen weiter in düsteren Klima-Untergangsszenarien. Konnten sie sich dabei früher aber noch auf den IPCC berufen, steht dieser Alarmismus im Widerspruch zu vielen Positionen des IPCC. Diesen Umstand verschweigen unsere Qualitätsmedien aber tunlichst.
Durch den bisher erfolgten oder künftigen antropogenen (menschengemachten) CO2-Eintrag, so der PIK-Professor, könnte eine neue Eiszeit ausfallen. „Der Mensch“, so Schellnhuber, „ist bereits eine so starke geologische Kraft geworden, dass er sogar Eiszeiten unterdrücken kann.“ Was für jeden normal denkenden Menschen Anlass für Freude und Zuversicht ob der besseren Existenzbedingungen der Menschheit wäre – denn immerhin ist eine Eiszeit potentiell ein großes Problem für unsere Zivilisation – stellt der selbsternannte Futurologe Schellnhuber das ausschließlich in einen negativen Zusammenhang.
Doch schauen wir uns an, wie realistisch die Ansicht einer ausbleibenden Eiszeit überhaupt ist. Es ist bekannt, dass Eiszeiten wesentlich – wenn auch möglicherweise nicht ausschließlich – durch die Milankovitch-Zyklen ausgelöst werden. Diese beschreiben Änderungen der Umlaufbahn der Erde um die Sonne, das „Eiern“ der Erde auf ihrer Umlaufbahn sowie die Änderung der Erdachsenneigung, die dazu führen, dass die Stärke der Sonneneinwirkung auf die Erde schwankt. Natürlich ist es prinzipiell möglich, dass durch andere Faktoren dieser Wirkungsmechanismus verstärkt, abgeschwächt oder sogar aufgehoben werden kann – doch das zu behaupten, würde erfordern, konkrete wissenschaftliche Fakten anzuführen, ansonsten ist es reine Spekulation, die umso weniger Sinn macht, wenn es um die Zukunft in 60.000 Jahren geht.
Kann nun CO2 bzw. die Erhöhung des CO2-Anteils in der Atmosphäre ein Faktor sein, der das Ausbleiben einer Eiszeit bewirken könnte? Die Antwort ist eindeutig: Nein.
Zunächst einmal ist es vollkommen klar, dass die Menschheit in 60.000 Jahren ihre Energie nicht mehr durch die Verbrennung fossiler Stoffe wie Kohle, Öl und Gas gewinnen kann, denn die Vorräte an diesen Energieträgern würden schon lange vorher (egal, wie hoch der Verbrauch ist) erschöpft sein. So reichen etwa die Vorräte an Kohle bei jetzigem Verbrauch noch etwa 600 Jahre – also etwa nur für ein Prozent der 60.000 Jahre-Zeitspanne. Die Vorräte an Öl und Gas sind noch geringer. Vor allem aber ist klar, dass die Menschheit schon innerhalb der nächsten 100-200 Jahre technologisch so weit sein wird, dass sie andere, bessere Energiequellen und -techniken gefunden haben und breit nutzen wird, welche die fossilen Quellen ersetzen. Die Schellnhubersche Horror-Vision beruht also auf der völlig abwegigen Grundannahme einer unveränderten Energietechnik und ist insofern auch Ausdruck eines abstrusen Fortschritts- und Entwicklungspessimismus.
Damit stimmt der Potsdamer Professor lauthals in den Chor jener „grünen“ Schreihälse und „Experten“ a la Club of Rome ein, die uns schon seit Jahrzehnten weiß machen wollen, dass alles den Bach runtergeht, wenn wir so „weiterwurschteln“ wie bisher. Wenn wir uns aber deren konkrete „Voraussagen“ der letzten Jahrzehnte anschauen – der pik oil, das Waldsterben, die unkontrollierbare Bevölkerungsexplosion, das Umkippen der Meere usw. -, dann fällt sofort ins Auge, dass alle diese Katastrophen so nicht eingetreten sind. Das führt aber – wie bei allen Gläubigen – nicht etwa dazu, die eigene „Erkenntnis“-Methode kritisch zu hinterfragen, sondern nur dazu, umso verbissener und verbohrter neue Untergangsszenarien auszumalen.
Der methodische Grundfehler aller dieser Szenarien ist, dass sie gegenwärtige Zustände und Trends der Vergangenheit mechanisch und linear in die Zukunft projizieren; was natürlich dazu führt, dass alle Trends zu Katastrophen führen. MarxistInnen, die eine Entwicklung und die dabei wirkenden Faktoren jedoch dialektisch sehen, lehnen eine solch kurzschlüssige Betrachtungsweise ab. Sie berücksichtigen die widersprüchlichen Zusammenhänge zwischen den Faktoren, das Auftauchen neuer Faktoren sowie die Tatsache, dass jede Entwicklung ihre ursächlichen Faktoren selbst verändert. So kann ein Trend nicht nur graduell anders verlaufen, als gedacht, er kann sogar ins Gegenteil umschlagen. Und natürlich spielt für MarxistInnen der Mensch – genauer: das Proletariat – eine zentrale Rolle. All das taucht in der Methode der mehr oder weniger „grünen“ Untergangsapostel nicht oder nur am Rande auf. Daher ist es auch nicht verwunderlich, dass sie mit ihren Voraussagen meist falsch liegen.
Um kein Mißverständnis aufkommen zu lassen: Natürlich ruiniert der Kapitalismus – und nicht etwa die „Industriegesellschaft“ – tagtäglich die natürliche Umwelt (inkl. den Menschen als „besonderen“ Teil der Natur). Doch zugleich bringt diese Gesellschaft (genauer: das Proletariat) auch immerfort neue wissenschaftliche und technische Lösungen hervor, die der Menschheit ermöglichen, diese Probleme zu lösen oder zu minimieren. Dass diese Möglichkeiten aber nicht so effektiv genutzt werden, wie es eigentlich möglich und nötig wäre, liegt jedoch nicht an einer abstrakten „Industriegesellschaft“ oder daran, dass „wir“ über „unsere“ Verhältnisse leben. Der Grund sind ganz einfach die ökonomischen Strukturen des Kapitalismus: das Privateigentum an Produktionsmitteln, die Konkurrenz, der Zwang zum Profitmachen, die absurde Organisation der strukturellen (gesellschaftlichen) Produktivkräfte, das völlig unzureichende Produktdesign und der permanente Drang zur Neuproduktion von Gütern.
Anstatt die gesamte kapitalistische Produktionsweise als zentrale Ursache der Probleme, vor denen die Menschheit steht, zu begreifen und deren revolutionäre Umwälzung anzustreben, kaprizieren sich diese mehr oder weniger grünen „Weltverbesserer“ auf Einzelaspekte, die dann überhöht werden, damit sie genug „Gewicht“ bekommen.
Die Industrie- und Technikfeindlichkeit, die vermeintliche „Versündigung an der Natur“, der Fortschritts- und Entwicklungspessimismus der „grünen“ Weltretter ist in Wahrheit nichts anderes als eine spezifische ideologische Widerspiegelung bürgerlicher gesellschaftlicher Strukturen. In den „grünen“ Transformationskonzepten langt es deshalb immer nur zu einer kruden Mischung aus Depression, Maschinenstürmerei und Utopie, die nicht selten offen reaktionäre Züge annimmt. Und wozu die ganze Übung? Letztlich nur dazu, erstens die einzig realistische Lösung, den revolutionären Sturz des Kapitalismus und die Errichtung einer räte-demokratisch organisierten Gebrauchswertproduktion – sprich: den Kommunismus – auszublenden. Zweitens hat sie noch den Vorteil, dass in bestimmten Sektoren „grüne“ Investoren kräftig Profit machen können.
Auch die Visionen des Herrn Schellnhuber und seiner Mitstreiter am PIK oder im IPCC verkörpern genau diesen Reformismus. Ihr Slogan heißt „Große Transformation“. So abstrus diese auch anmutet, so folgenreich ist sie. Nicht nur deshalb, weil sie den herrschenden Eliten zu einem humanen Heiligenschein verhilft, sondern v.a. dann, wenn bestimmte Kapitalgruppen die green economy als lukratives Investment entdecken. Dass die gesamte Linke auf diese grüne Klimaschutz-Bauernfängerei hereinfällt, zeigt nur, wie degeneriert sie ist.
Wie viel CO2 wir heute oder in 100 Jahren in die Atmosphäre blasen, hat überhaupt keinen Einfluss darauf, was in 60.000 Jahren ist. Denn erstens kann – wie oben gezeigt – die derzeitige antropogene CO2-Emission nicht so weiter gehen wie bisher – ganz einfach aus Mangel an fossilen Stoffen. Zweitens ist das jetzt oder in naher Zukunft erzeugte CO2 bereits nach kurzer Zeit in der Atmosphäre abgebaut. Selbst die extremsten Annahmen (einen schlüssigen Beweis gibt es noch nicht) der Wissenschaft gehen davon aus, dass CO2 eine Verweilzeit in der Atmosphäre von 400 Jahren hat, andere Forscher gehen sogar von nur wenigen Monaten oder Jahren aus. Da ist noch etwas Spielraum bis 60.000 Jahre. Aber was scheren unseren hippeligen Professor schon ein paar zehntausend Jahre mehr oder weniger und der noch mangelhafte Kenntnisstand der Wissenschaft?!
Nun ist es einfach das Geschäft (und das ist durchaus wörtlich zu verstehen) und auch der offen erklärte Auftrag solcher Gremien wie des PIK und tw. Auch des IPCC, eine sachliche und auf wissenschaftlichen Fakten basierende Diskussion der Klimaentwicklung, deren Folgen und eventueller sich daraus ergebender Maßnahmen der Menschheit durch einen penetranten und permanenten „Alarmismus“ zu beeinflussen und oft genug dadurch zu ersetzen. So ist Zahl der nicht eingetroffenen Klimakatastrophen-Wirkungen und die als Lügen entlarvten Medien-Enten kaum noch zu überblicken. Das hindert jedoch mainstream-Medien wie die Berliner Zeitung nicht etwa daran, an ihrer unseriösen, unwissenschaftlichen und tendenziösen Klima-Berichterstattung irgend etwas zu ändern. Zu stark ist die Verlockung, durch reißerische Schlagzeilen den Absatz anzukurbeln; zu stark ist der Druck der Politik und des „grünen“ politischen Establishements (dem sich inzwischen fast die gesamte „politische Klasse“ mehr oder weniger, teils euphorisch, teils zähneknirschend angeschlossen hat); zu stark ist der Druck von Teilen des Kapitals, die großartig am Klimaschutz a la Energiewende verdienen; zu stark ist auch die ideologische Verwirrung der „aufgeklärten“ Schreiberlinge, die glauben, dass die grundsätzliche Verbesserung der Gesellschaft nicht durch eine proletarische Revolution erfolgen muss, sondern durch Photovoltaik, Windräder und individuelle Kleingärtnerei. Don Quichotte reitet nur in die entgegengesetzte Richtung, dass der Reiter im Kopf wirrer ist als sein Pferd, ändert sich dadurch nicht.
Wie weit die Indoktrination und die wissenschaftliche Verblödung v.a. der politisch Verantwortlichen in diesem Land schon fortgeschritten sind, erkennen wir nicht nur an professoralen Dummschwätzern wie Schellnhuber. Das ist nicht neu. Schon immer war es so, dass sich für jeden noch so großen Unfug und noch so große Verbrechen irgendein Professor gefunden hat, der dafür „argumentiert“. Weit Besorgnis erregender ist, dass auch oft die Stimme der Kritik entweder fehlt oder sich auch nur noch im geistigen Tiefflug bewegt. So führt die Berliner Zeitung – man berichtet ja „ausgewogen“ – als Kritiker Prof. Hans von Storch an. Dieser bekannte Klimaforscher machte in letzter Zeit auf sich aufmerksam, weil er öffentlich den Klimawissenschaftsbetrieb und das IPCC kritisierte und ihre „gesicherten Erkenntnisse“ relativierte oder in Zweifel zog. Doch fiel seine Kritik so vorsichtig und inkonsequent aus, dass die deutschen Medien, die sonst jeden „Klimaskeptiker“ verdammen, mundtot machen und von einem angeblichen „Konsens“ in der Klima(katstrophen)wissenschaft labern, es wagen konnten, ihn immerhin ab und zu zu erwähnen – als „plurales“ Feigenblatt für eine ansonsten fast durchweg einseitige und unseriöse Berichterstattung.
Natürlich weiß von Storch als Wissenschaftler ganz genau, dass Wortmeldungen wie jene von Schellnhuber jeder wissenschaftlichen Substanz entbehren und nichts als Panikmache sind. Doch wer nun glaubt, dass von Storch das auch so sagt, der sieht sich enttäuscht, denn man möchte es sich trotz aller „Kritik“ ja nicht ganz mit den Kollegen, der „öffentlichen Meinung“ und den eigenen Geldgebern verderben. So wird er zu Schellnhubers Eiszeit-These in der Berliner Zeitung mit dem salomonischen Urteil zitiert „Ob das stimmt oder nicht, kommt natürlich nie raus.“ Natürlich nicht – bei solchen „Gutachtern“.
Leider ist der Eiszeit-Artikel nicht der einzige, in dem die Berliner Zeitung unter Beweis stellt, dass ihre Wissenschafts- und Klimaredakteure ihr Fachwissen offenbar aus der Klippschule haben. Nur wenige Tage vor der hier besprochenen Schellnhuberei wurde z.B. gemeldet, dass Offshore-Windanlagen ja den Vorteil hätten, dass auf dem Meer „immer der Wind weht“. Da fragt man sich nur, warum die Seefahrer vergangener Zeiten öfter Mal über Flauten geklagt haben und ob denn Wind und Wetter 10 Meilen vor der Küste ganz anders sind als 10 Meilen landeinwärts. Das ist natürlich nicht so. Doch wer sich nur in der Berliner Zeitung informiert (es könnte auch die Süddeutsche oder ein anderes der vielen Klimakatastrophen-Zentralorgane sein), der glaubt irgendwann jeden Quatsch.
Dass es sich bei den intellektuellen Entgleisungen von Schellnhuber nicht um eine Ausnahme handelt, wird auch daran deutlich, dass mit Mojib Lativ ein Klimaforscher-Kollege und Bruder im klimatischen Ungeist von Schellnhuber eine hochdotierte Auszeichnung für sein klimawissenschaftliches Schaffen erhielt. Wie es um Lativs Verdienste bestellt ist, kann man gut beurteilen, wenn man sich seine Aussagen zur Klimaentwicklung (besser: Klimakatastrophe) ansieht und vergleicht. Im Internet gibt es dazu schöne Zusammenstellungen, die beweisen, dass Lativ v.a. im Spekulieren ganz groß ist und seine „Prognosen“ sich im Jahrestakt widersprechen. So verkündete er z.B. im Jahr 2000, dass es künftig keine Winter mit Schnee mehr geben würde. Diese wissenschaftlichen Glanzleistungen wurden nun mit einer Viertelmillion Euro Prämie dotiert. Dafür lohnt sich doch das Spekulieren und Alarmieren, oder?!