Stoppt den Völkermord Israels in Gaza!

Vorwort: Dieser Text wird als Flyer auf Palästina-Veranstaltungen verteilt. Redaktion Aufruhrgebiet

Beim Angriff der Hamas vom 7.10.23 wurden über 1.000 Menschen getötet und ca. 200 als Geiseln verschleppt. Er traf militärische, aber v.a. zivile Ziele. Daher ist er reaktionär und Menschen verachtend, er dient nicht dem gerechten Kampf der Palästinenser, sondern schadet ihm. Doch die Attacke der Hamas war nur der Anlass, nicht die Ursache für den Terrorkrieg Israels, der schon über 50.000 Tote und ca. 100.000 Verletzte gefordert und Gaza weitgehend zerstört hat. Worum es Israel geht und immer ging, sprach der israelische Politiker Moshe Feiglin gegenüber Al Jazeera schon am 26.10.23 offen aus: „Es gibt nur eine Lösung: Gaza vollständig zerstören, bevor man dort einmarschiert. Und wenn ich von Zerstörung spreche, meine ich Zerstörung wie in Dresden und Hiroshima, ohne Atomwaffe.“

Israels Krieg gegen Gaza ist nur eine neue Gräueltat in einer blutigen Reihe von Attacken gegen die Palästinenser, um sie zu vertreiben und zu unterdrücken.

Die Unterstützung Israels ist ein zentrales Element der deutschen Außenpolitik, die damit begründet wird, dass „die Deutschen“ eine historische Schuld gegenüber den Juden abzutragen hätten. Tatsächlich wird damit nur verschleiert, dass so die Existenz Israels als eines Brückenkopfes des westlichen Imperialismus in der Region gesichert werden soll. Es geht um die Kontrolle von Ressourcen, es geht um imperiale Interessen, nicht um „Werte“. Die mantraartige Betonung der historischen Schuld „der Deutschen“ – nicht etwa der deutschen Bourgeoisie und ihrer faschistischen Bluthunde – gegenüber den Juden lenkt davon ab, dass Israel und seine westlichen Unterstützer die Hauptverantwortung dafür tragen, dass der Nahe Osten seit Jahrzehnten im Chaos versinkt. Schon durch die Waffenlieferungen ist die deutsche Politik am Völkermord Israels mitschuldig. Zudem wird jede Kritik an Israel als „antisemitisch“ verunglimpft und kriminalisiert.

Historischer Hintergrund

Israel ist kein Ausdruck der Interessen „der Juden“, sondern ein Projekt des Zionismus. Dieser setzte von Beginn an auf den Imperialismus – im Gegensatz etwa zum jüdischen „Bund“, der sich als Teil der Sozialdemokratie auf die Arbeiterbewegung und den Sozialismus bezog. Der Zionismus hält die Juden nicht nur für ein „auserwähltes Volk“, sondern sah die für die Gründung eines jüdischen Staates in Palästina zu vertreibenden Araber als „kulturell minderwertig“ an. Der Zionismus ist daher reaktionär und rassistisch.Der Staat Israel wäre eine Utopie geblieben, wenn er nicht in die Pläne des Imperialismus gepasst hätte. Nach dem Ersten Weltkrieg sicherten sich der britische und der französische Imperialismus mit dem Sykes-Picot-Abkommen (1916) die Vorherrschaft in der Region. Einer der Verbündeten des Imperialismus sollten dabei die jüdischen Siedler sein. In der Balfour-Deklaration von 1917 erklärte Großbritannien, dass es den Aufbau einer „nationalen Heimstatt“ für die Juden unterstützen wolle.

Das Land der Palästinenser wurde den arabischen Großgrundbesitzern oft abgekauft. Die arabischen Pachtbauern wurden dabei vom Land, das ihre Vorfahren Jahrhunderte lang bearbeitet hatten, verjagt. Wenn heute pro-israelische „Linke“ die Landkäufe verteidigen, dann stellen sie das bürgerliche „Recht“ über die realen Lebensinteressen der Bauern. Die Landnahmen und die damit verbundenen Vertreibungen markierten den Beginn des Konfliktes zwischen Palästinensern und den (zugewanderten) Juden. Noch 1939 gehörten nur 5% des Bodens Juden.

Linkszionismus

1920 wurde die zionistische „Gewerkschaft“ Histadruth (Allgemeine Föderation jüdischer Arbeiter) gegründet. Ihr erster Generalsekretär und Gründer Israels war David Ben Gurion. In der Zwischenkriegszeit war sie der israelische Staat in Keimform. Sie organisierte den Ausschluss arabischer Arbeitskräfte und den Boykott arabischer Produkte. Bis 1936 unterstützte London dieses Vorgehen. Den Palästinensern wurde die Anerkennung als Nation verweigert, sie wurden als „Menschen zweiter Klasse“ behandelt.
Die jüdischen Arbeiter stellten von Anfang an eine Arbeiteraristokratie dar. Der Durchschnittslohn bei ungelernten Arbeitern war doppelt so hoch wie der arabischer Kollegen, bei Facharbeitern verdiente der jüdische Beschäftigte 70% mehr. Diese rassistische Spaltung der Arbeiterklasse ist noch heute ein Grundmerkmal Israels.

Keine der „linken“ zionistischen Parteien stellte sich gegen diese rassistische Politik – die Labour-Zionisten waren sogar die Hauptverfechter der Apartheid. Die Histadruth ist eine chauvinistische Arbeitsfront, welche die jüdischen Arbeiter an Staat und Kapitalisten bindet, während sie die Klassenorganisation der arabischen Proletarier verhindert. Sie war immer bemüht, vereinigte Gewerkschaften arabischer und jüdischer Arbeiter zu verhindern. Auch als die Histadruth 1934 eine „arabische Sektion“ zuließ, änderte das ihren reaktionären Charakter nicht.

Mit der Weltwirtschaftskrise 1929 stieg die Arbeitslosigkeit arabischer und jüdischer Arbeiter. Seit der Machtergreifung Hitlers nahm die Einwanderung zu – und damit auch Landkäufe und Vertreibungen. Konflikte zwischen Juden und Arabern nahmen zu. Im Oktober 1936 streikten die arabischen Hafenarbeiter – und wurden durch jüdische Streikbrecher ersetzt. Daraufhin begannen die Palästinenser, Basiskomitees zu bilden – ein Generalstreik begann, der sechs Monate dauerte. Die Streikbewegung wurde zu einer umfassenden Rebellion gegen die Briten. Doch die arabische Bourgeoisie und die Großgrundbesitzer hintertrieben den Kampf, was die Niederschlagung des Aufstands erleichterte. Der britische Terror wurde auch von jüdischen Milizen unterstützt. Schon 1940 waren 10% der Palästinenser vertrieben oder ermordet. Bis heute geht die Errichtung von jüdischen Wehrsiedlungen in der Westbank weiter – und Trump schlägt vor, alle Palästinenser aus Gaza auszusiedeln.

Die Gründung Israels

1945 drängten die Zionisten die USA, die Einwanderung von 100.000 Holocaust-Überlebenden zu erlauben. Aber der britische Imperialismus versuchte, dies zu blockieren und eine Teilung Palästinas zwischen den Zionisten und Transjordanien auszuhandeln, was eine Militärpräsenz Londons gestattet hätte – doch man unterschätzte die neue Allianz aus dem Zionismus und den USA. London erlitt eine Niederlage. Im Mai 1948 zogen die Briten ab.
Nun übernahmen die USA die Rolle der Briten. Sie unterstützten die Gründung Israels – wie auch Moskau. Dieses Kräfteverhältnis war für die Palästinenser katastrophal: sie wurden durch den jüdischen Terror massenhaft vertrieben.
Die Vertreibung und Enteignung der Palästinenser war die Grundlage der Entstehung Israels. Sie war keine notwendige Folge des Holocausts, sondern Teil der Pläne des Imperialismus zur Kontrolle des Nahen Ostens. Das Trauma der Juden im Faschismus konnte nicht „überwunden“ werden, indem man die Palästinenser, die am Holocaust völlig unschuldig waren, unterdrückt und vertreibt. Ein Volk, das andere unterdrückt, sagte schon Marx, kann sich nicht selbst befreien.

1947 wurde der UNO-Teilungsplan für Palästina beschlossen. Er benachteiligte die Araber, weil die Juden, die 33% der Bevölkerung stellten, 54% des Gebietes erhalten sollten: eine Verzehnfachung des Gebietes der Juden. Doch das reichte den Zionisten nicht. Sie schürten Pogrome und führten die Vertreibung weiter. Auch der Krieg von 1948/49 diente der Ausdehnung Israels und der Verringerung der Präsenz der Araber darin. Damals rissen auch die arabischen Staaten, was sie nur erreichen konnten, an sich (Ägypten den Gaza-Streifen, Transjordanien, Ostjerusalem) – den Palästinensern blieb nichts mehr. Israel erhielt 73% des Gebietes, 750.000 Palästinenser wurden in Flüchtlingslager in den Nachbarstaaten vertrieben. Die Mehrzahl von ihnen und ihre Nachfahren hausen noch heute dort. Die Vertreibung ging häufig mit offenem Terror einher. So wurden am 9.4.48 im Dorf Deir Yasin 250 Menschen getötet. Befehlshaber war der spätere israelische Premier und Friedensnobelpreisträger (!) Menachem Begin.

Der Klassencharakter Israels

Israel ist ein Gendarm des Imperialismus in Nahost. Ohne diese Unterstützung, v.a. durch die USA, wäre es für Israel schwer oder unmöglich gewesen, sich zu behaupten und zu entwickeln, U.a. durch zinsgünstige Darlehen der USA wuchs Israels Wirtschaft bis 1973 daher sehr schnell. Die Einwanderung und die Finanzhilfen gestatteten eine erweiterte Akkumulation und eine industrielle Modernisierung.

Die Westbank und Gaza sind eine Quelle billiger Arbeitskräfte für Israel und ein Absatzmarkt für die israelische Landwirtschaft. Es erfolgt jedoch kein Kapitalexport in diese Gebiete, um dort eine soziale Entwicklung und Extraprofite zu generieren. Israel ist für den Imperialismus nicht profitabel, aber seine Existenz hilft, die Überausbeutung und Beherrschung der arabischer Halbkolonien in der Region zu sichern.

Inzwischen sind die israelischen Juden eine Nation geworden. Sie haben das Hebräisch als Staats- und Umgangssprache wiederbelebt. Eine nationale Kultur entstand. Ein wesentliches Element des Nationalbewusstseins der israelischen Juden ist ihre chauvinistische Haltung gegenüber den Arabern. Heute ist Israel ein hochentwickeltes, vom Zionismus indoktriniertes, hochgerüstetes und auf permanenten Krieg getrimmtes Land. Neben der rassistischen Unterdrückung und Vertreibung der Palästinenser (Siedlungspolitik) existiert aber auch in Israel selbst ein Klassenkonflikt, v.a. zwischen dem arabischen Proletariat und der jüdischen Bourgeoisie. Die zionistische Ideologie und die Siedlungspolitik haben sich aber bisher als erfolgreiches Mittel erwiesen, um die jüdischen Massen an die Herrschenden in Israel und an den westlichen Imperialismus zu binden.

Perspektive

Die These vom „Recht Israels auf Selbstverteidigung“ bedeutet Verteidigung des rassistischen Regimes, bedeutet Anerkennung der Vertreibung und Unterdrückung, bedeutet Verlängerung des permanenten Krieges. Ein Ende des Konflikts ist nur möglich, wenn dessen Ursachen beseitigt werden: die Unterdrückung und Vertreibung der Palästinenser. Dazu muss der aggressive, rassistische Staat Israel verschwinden und durch ein säkulares, multiethnisches Palästina, in dem Araber und Juden friedlich zusammenleben können, ersetzt werden – ein schwerer, aber der einzige Weg. Eine Zweistaatenlösung würde das rassistische Regime Israels nicht beenden und wirkliche Unabhängigkeit der Palästinenser und eine soziale Perspektive nicht sichern – genau wie „Friedenslösungen“ (z.B. die Oslo-Abkommen) unter der Regie des Imperialismus. Palästinenser und Juden haben nur eine Perspektive, wenn sie ihre Bourgeoisien, Großagrarier, Militärs, Bürokraten und religiöse Eiferer enteignen und entmachten und die Arbeiter und Bauern selbst die Macht mittels eines demokratischen Rätesystems ausüben. Dafür braucht es eine proletarisch-revolutionäre Kraft, welche den Kampf initiiert und führt – keine bornierten bürgerlich-nationalistischen und religiösen Kräfte wie die Hamas, die PLO oder die Hisbollah! Dafür braucht es unsere Solidarität! Dafür braucht es unser Engagement gegen den deutschen Imperialismus, der mitschuldig ist am Elend der Palästinenser!

Ist die AfD eine faschistische Partei?

Hannah Behrendt

Der folgende Beitrag befasst sich mit zwei Fragen: Ist die AfD eine faschistische Partei? und Wie kann sie bekämpft werden? Dabei beziehen wir uns beispielhaft auf zwei Texte der Gruppe „Revolutionäre Linke“ (RL), die aus der Spaltung von Marx21 hervorgegangen ist (revolinks.de). Die Positionen der RL finden sich so oder ähnlich auch bei vielen anderen linken Gruppen. Alle angeführten Zitate stammen aus dem RL-Artikel zum AfD-Verbot vom 3.5.25 (A) oder aus den FAQs zur AfD (B).

Der Klassencharakter der AfD

Marxisten gehen bei der Charakterisierung einer politischen Formation nicht von verschwommenen Begriffen wie „links“, „rechts“ oder „radikal“ aus, sondern betrachten zuerst, welche Klasseninteressen diese vertritt. Es geht dabei auch um die Führung, das Programm, die Praxis sowie um die Wähler- oder Unterstützermilieus. In der linken Szene ist es üblich, die AfD abzulehnen und zu bekämpfen, weil diese „rechtsextrem“ sei.

Die RL schreibt: „Heute ist die AfD eine Nazipartei.“ (A) Sie stellt zu recht fest, dass sich der Charakter der AfD seit ihrer Gründung gewandelt hat: „Die Partei begann 2013 als diffuses Sammelbecken von Rechten ohne klare Richtung. Vereint waren sie in der Ablehnung des Euro, den sie für soziale Probleme aller Art verantwortlich machten.“ (B) V.a. der wachsende Einfluss des „Flügels“ um Höcke u.a. „extreme Rechte“ und die Verdrängung neoliberal-konservativer Figuren wie die früheren Vorsitzenden Lucke, Petry und Meuthen aus der Partei sieht die RL richtig als Zeichen des Rechtstrends der AfD. Als Beleg für den faschistischen Charakter der Partei wird z.B. darauf verwiesen, dass “2022 (…) auf dem AfD-Bundesparteitag in Riesa Unvereinbarkeitsbeschlüsse mit harten Nazigruppen (…) aufgehoben“ worden sind. (B) Beide Artikel führen als weitere Belege diverse Zitate von führenden AfD-Leuten an, die einen mehr oder weniger starken positiven Bezug zum historischen Faschismus zeigen (sollen).

„Ist die AfD eine faschistische Partei?“ weiterlesen

Ist Russland imperialistisch?

Kim Kumar

„Imperialismus“ ist nicht nur ein Begriff, mit dem die sozio-ökonomische Struktur einzelner kapitalistischer Länder bestimmt werden kann. Weil das nationale Kapital so groß geworden ist, dass es sich nicht mehr nur im nationalen Rahmen verwerten, geschweige denn ausdehnen kann, drängt es bis in den letzten Winkel des Erdballs. Imperialismus bezeichnet ein komplexes globales System und eine ganze Epoche des Kapitalismus. Er ist also letztlich nicht nur als einzelne nationale Agenturen in ihren jeweiligen historischen Formen und als Gesamtprozess zu begreifen. Imperialismus ist eine Totalität, eine ökonomische Struktur und eine Herrschaftsweise, der alles unterordnet wird.

Eine andere Methode der Betrachtung erlaubt gar nicht zu verstehen, was global passiert. Imperialismus ist die reelle Subsumtion des Weltmarktes und der jeweiligen politischen Herrschaftsformen unter die Dominanz der Großmächte. Das Kapital ist global und kennt keine Grenzen, überwindet alle Beschränkungen, ist eine beständige Vernichtungsmaschine, erbebt sich aber immer wieder auch wie Phönix aus der Asche der von ihm angerichteten Zerstörungen. Das Kapital ist per se äußerst dynamisch (was nicht ausschließt, dass es auch viele den Fortschritt hemmende Elemente enthält). Das Kapital ist „schöpferische Selbstzerstörung“. Findet es eine Schranke, so ist das Gewinnspiel verloren. Die eine Schranke ist das Kapital selbst, die andere ist die Konstituierung des Proletariats zum revolutionären Subjekt.

„Ist Russland imperialistisch?“ weiterlesen

Was sind Gewerkschaften?

Hanns Graaf

Vorbemerkung: Dieser Text eröffnet eine Reihe von Beiträgen zur Frage, wie die Politik von Revolutionären im Betrieb und in der Gewerkschaft aussehen könnte. Die Beiträge erscheinen in unregelmäßiger Folge. Der folgende Text behandelt taktische Aspekte nur am Rande und betrachtet nicht die Spezifik der deutschen Gewerkschaften, die späteren Artikeln vorbehalten bleiben. Er ist eine allgemeine Darstellung des Wesens von Gewerkschaften. Diese ist schon deshalb nötig, weil gerade jüngere Linke wenig Kenntnis davon haben. Redaktion Aufruhrgebiet

Gewerkschaften sind neben der Partei, den Genossenschaften und Selbstverwaltungsstrukturen sowie der Freidenkerbewegung eine der vier potentiellen Säulen der Arbeiterbewegung. Die Gewerkschaften sind am engsten mit der betrieblichen Basis der Lohnabhängigen verbunden und haben dadurch – außer in revolutionären Krisen – die potentiell höchste Mobilisierungskraft.

Lohnarbeitssystem

Trotz aller Differenzierungen und Spaltungen – abhängig v.a. von der ständigen Umwälzung der Produktivkräfte und der Schwankungen der Konjunktur – ist die Arbeiterklasse (Proletariat) durch drei grundlegende Merkmale geprägt: 1. besitzt sie kein Privateigentum an Produktionsmitteln und muss daher ihre Arbeitskraft als Ware verkaufen. 2. ist sie damit wesentlich vom Lohneinkommen abhängig. 3. hat sie in der Arbeitswelt wie in der Gesellschaft insgesamt eine untergeordnete, unterdrückte, benachteiligte Stellung. Sie hat daher keine wesentlichen Interessen, die sie an den Kapitalismus binden, und ist daher, die – wie Marx bemerkte – „einzig konsequent (!) revolutionäre Klasse“. Ihre Zahl, ihre Konzentration, ihre Verbindung mit der modernen Produktion befähigen sie nicht nur dazu, den Kapitalismus zu überwinden, sondern auch, eine alternative Gesellschaft aufzubauen und auch andere soziale Schichten zu befreien.

„Was sind Gewerkschaften?“ weiterlesen

Schule in der Krise

Vorbemerkung: Wir dokumentieren hier einen Beitrag des Lehrers Manuel Pape zur Situation der Bildung im Land Brandenburg, das von einer Koalition aus SPD und BSW regiert wird. Nach Bekanntgabe der neuesten bildungspolitischen Pläne dieser Koalition (she. Text) gab es am 21. Mai eine Protestaktion der Lehrer in Potsdam. Redaktion Aufruhrgebiet.

Liebe Eltern & Erzieher, liebe Medienvertreter,

es ist nicht mehr 5 vor 12 – es ist längst halb eins.

Derzeit kursiert durch die Medien die Diskussion um eine zusätzliche Unterrichtsstunde für alle Lehrkräfte ab dem 2. Halbjahr des kommenden Schuljahres. Wussten Sie, dass dies beileibe nicht die einzigen Einsparungen der Landesregierung im Bereich Schule sind, sondern in der vergangenen Woche (19.-23.5.2025) massiv in die Stundenkontingente der Schulen eingegriffen wurde? Ich möchte Ihnen erklären, was passiert ist und was das jetzt für die Bildung unserer Kinder bedeutet:

Für jede Schule wird anhand einiger Faktoren (Anzahl der Schülerinnen und Schüler, Anzahl der Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf, Anzahl der Kinder mit fremdsprachlichem Hintergrund…) berechnet, wie viele Lehrerwochenstunden (eine Lehrerwochenstunde ist eine Stunde, die ein Lehrer in der Woche unterrichtet) einer Schule zusteht.

Lehrer in Brandenburg unterrichten derzeit zwischen 25 und 27 Stunden in der Woche. Oben drauf kommen: Aufsichten, Korrekturen, Planung, Fachkonferenzen, Dienstberatungen, Elterngespräche, kollegiale Fallberatung, Fortbildungen, Konzepterstellung, Zeugnisse schreiben, Klassenkonferenzen, Förderteam, Rückmeldungen etc., so dass man gut und gerne – je nach Schulform und Unterrichtsfächer – auf 50-60h Arbeit pro Woche kommt.

Den Bedarf an Lehrerwochenstunden kann eine Schule jederzeit auf einer Online-Plattform einsehen. Nun wurden durch die Landesregierung verschiedene Parameter geändert und für die Schulen ein neuer Bedarf berechnet. Als Beispiel möchte ich meine Grundschule nehmen. Hatten wir also vor der Neuberechnung im neuen Schuljahr einen Mangel von 50 Lehrerwochenstunden (= uns würden fast zwei Lehrer fehlen), so haben wir nun plötzlich einen Überhang von 10 Lehrerwochenstunden, sodass eine Lehrkraft teilversetzt werden muss, also diese 10 Stunden an einer anderen Schule unterrichten wird. Uns wurden über Nacht einfach mal 60 Stunden Unterricht pro Woche gekürzt!! Woher sollen wir diese Stunden nehmen? Auch das wurde festgelegt: wir müssen beim Unterricht für Schüler mit Migrationshintergrund und noch viel extremer bei unseren Integrationsstunden für Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf (z.B. Lernen, geistige Entwicklung, Sehen, Hören oder Autismus) sparen. Hier auch noch mal eine konkrete Zahl aus meiner Schule: Wir hatten bisher aufgrund einer relativ hohen Anzahl von Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf eine relativ hohe Zahl von Förderstunden (zwischen 45 – 65 Lehrerwochenstunden). Über Nacht wurde diese Zahl auf lächerliche 15 (!!!) Stunden pro Woche zusammen gestrichen. Das bedeutet, dass wir für 12 Klassen jeweils nur noch eine Stunde Förderunterricht pro Woche anbieten können. Ein Kind geht wortwörtlich über Tische und Bänke? – Der Sonderpädagoge kann leider nicht helfen. Ein traumatisiertes Kind benötigt ein Gesprächsangebot? – Der Sonderpädagoge kann leider nicht helfen. Kinder mit einer Lernschwäche haben den Stoff nicht verstanden? – Der Sonderpädagoge kann leider nicht helfen. Ein Kind wird zu Hause misshandelt? – Der Sonderpädagoge kann leider nicht helfen.

Jedes Kind, das einen sonderpädagogischen Förderbedarf hat, hat ein gesetzlich festgelegtes RECHT auf individuelle Förderung! Dieses Recht wird ihnen genommen! Gleichzeitig leiden alle anderen Kinder der Klasse, weil die gesamte Schülerschaft keine Unterstützung durch eine zusätzliche Lehrkraft erhält.

Außerdem wird es, wie oben bereits erwähnt, ab dem 2. Halbjahr des kommenden Schuljahres eine zusätzliche Unterrichtsstunde pro Woche für jede Lehrkraft geben. Dass eine Stunde Unterricht nicht eine Stunde mehr Arbeit bedeutet – da Vor- und Nachbereitung, ggf. Testkontrolle, ggf. zusätzliches Elterngespräch, ggf. Teilnahme an einer zusätzlichen Fach- und/oder Klassenkonferenz hinzukommen – braucht wohl nicht weiter erläutert werden. Wussten Sie auch, dass diese Mehrarbeit ohne zusätzliche Bezahlung erfolgen muss? Für unsere Schule bedeutet diese Mehrarbeitsstunde übrigens, dass wir aufgrund des daraus folgenden Stundenüberhangs noch eine Lehrkraft abgeben müssen.

Im zweiten Halbjahr des kommenden Schuljahres haben wir dann de facto über 90% unserer Stunden nur einfach vergeben – was bedeutet, dass fast nie ein Lehrer für Förder- oder Differenzierungsunterricht zusätzlich vorgesehen ist. Sollte dann nur eine Lehrkraft krank werden, so wird zwangsläufig flächendeckend Unterricht ausfallen müssen. Sollten gar zwei oder mehr Lehrkräfte krank werden, dann werden wohl auch bei uns Klassen tageweise zu Hause bleiben müssen.

Außerdem werden wir aufgrund der unfassbar dünnen Personaldecke zukünftig nichts mehr durchführen können, was ein funktionierendes Schulleben ausmacht: Wander- und Projekttage werden ebenso gestrichen wie Klassenfahrten, Schul- und Sportfeste, Adventsbasare, Unterrichtsgänge und weitere Aktivitäten, die der persönlichen Entwicklung der Schülerinnen und Schüler dienlich sind.

Liebe Leserin, lieber Leser,

die angekündigten Kürzungen unserer Landesregierung greifen so massiv in den Schulbereich ein, dass die Nachwirkungen noch Jahre später spürbar sein werden. Klare und eindeutige Verlierer sind unsere KINDER!

Wir dürfen diese Entwicklung nicht tatenlos zulassen! Bitte helfen Sie uns und werden Sie LAUT! Melden Sie sich beim Bildungs- und/oder Finanzministerium und bringen Sie Ihren Unmut zum Ausdruck! Kämpfen Sie für Ihre und unsere Kinder!

Ministerium für Bildung, Jugend und Sport, Heinrich-Mann-Allee 107, 14473 Potsdam, ministerbuero@mbjs.brandenburg.de

Ministerium der Finanzen und für Europa, Heinrich-Mann-Allee 107, 14473 Potsdam, poststelle@mdfe.brandenburg.de

Sie können sich außerdem an die Elternvertretungen Ihrer Schulen wenden – oder an die Landeselternvertretung: www.landesrat-der-eltern-brandenburg.de

Liebe Medienvertreter, bitte berichten Sie umfassend über die unhaltbaren Zustände im Brandenburgischen Bildungssystem. Ich stehe für Interviews und weitere Informationen bereit.

Aus meiner Sicht wurde ein kaputtes System jetzt komplett zerstört.
Mit gewerkschaftlichen Grüßen
Förderschullehrer Manuel Pape, info@manuelpape.de
Sonderpädagoge an einer Grundschule

NGOs: Gefangen im System

Hannah Behrendt

Eine Nichtregierungsorganisation (englisch: Non-governmental organization, NGO) oder auch nichtstaatliche Organisation ist ein Interessenverband, der nicht durch ein öffentliches Mandat legitimiert ist, aber z.T. staatlich finanziert sein kann. Im öffentlichen Bewusstsein gelten NGOs als Organisationen, die durch ihre Aktivitäten versuchen, die Interessen von Armen v.a. in der „3. Welt“ zu mildern, die Umwelt zu schützen, soziale Dienste anzubieten oder Entwicklungshilfe zu initiieren. Diese Einschätzung von NGOs wollen wir hier hinterfragen.

NGOs sind ab dem letzten Drittel des 20. Jahrhunderts zu einem festen Bestandteil des politischen Milieus geworden. Lt. Google agieren inzwischen weltweit etwa 75.000 NGOs. Neben großen und bekannten Organisationen wie Amnesty International, Greenpeace, Ärzte ohne Grenzen oder dem WWF (World Wide Fund for Nature) gibt es inzwischen tausende, oft weniger bekannte kleinere Strukturen.

Ursprünglich waren NGOs entstanden, weil viele soziale, politische oder Umweltprobleme von den Regierungen nicht gelöst werden wollten oder konnten, aber auch, um ihnen bei der Lösung zur Seite zu stehen. Insofern waren sie immer auch Ausdruck von Kritik und Unzufriedenheit mit der „offiziellen“ staatlichen Politik. Sie waren aber auch Folge des Umstands, dass die reformistisch bzw. stalinistisch geprägte Arbeiterbewegung und die Linke sich bestimmter Probleme (Umwelt, politische Unterdrückung u.a.) oft nicht annahmen. So gingen Aktivistinnen und Aktivisten daran, selbst Strukturen aufzubauen und sich für „progressive Projekte“ zu engagieren. Die NGOs kamen aber oft schnell an ihre Grenzen, v.a. fehlte es an Ressourcen und Geld, so dass ihre Wirkungen oft sehr begrenzt blieben.

„NGOs: Gefangen im System“ weiterlesen

Das „Erfurter Programm“ der SPD von 1891 (Teil 2/2)

Hanns Graaf

Die Partei

Die letzten drei Abschnitte des ersten Teils des Programms beziehen sich auf die Rolle der Partei. Dort heißt es: „Diesen Kampf der Arbeiterklasse zu einem bewussten und einheitlichen zu gestalten und ihm sein naturnotwendiges Ziel zu weisen – das ist die Aufgabe der Sozialdemokratischen Partei.“ Und weiter: „Die Interessen der Arbeiterklasse sind in allen Ländern mit kapitalistischer Produktionsweise die gleichen. Mit der Ausdehnung des Weltverkehrs und der Produktion für den Weltmarkt wird die Lage der Arbeiter eines jeden Landes immer abhängiger von der Lage der Arbeiter in den anderen Ländern. Die Befreiung der Arbeiterklasse ist also ein Werk, an dem die Arbeiter aller Kulturländer gleichmäßig beteiligt sind. In dieser Erkenntnis fühlt und erklärt die Sozialdemokratische Partei Deutschlands sich eins mit den klassenbewussten Arbeitern aller übrigen Länder.“ Natürlich sind die aktuellen (!) Interessen der Arbeiter verschiedener Länder, z.B. (halb)kolonialer und imperialistischer nicht gleich, wie das Programm suggeriert.

Weiter geht es mit: „Die Sozialdemokratische Partei Deutschlands kämpft also nicht für neue Klassenprivilegien und Vorrechte, sondern für die Abschaffung der Klassenherrschaft und der Klassen selbst und für gleiche Rechte und gleiche Pflichten aller ohne Unterschied des Geschlechts und der Abstammung. Von diesen Anschauungen ausgehend bekämpft sie in der heutigen Gesellschaft nicht bloß die Ausbeutung und Unterdrückung der Lohnarbeiter, sondern jede Art der Ausbeutung und Unterdrückung, richte sie sich gegen eine Klasse, eine Partei, eine Geschlecht oder eine Rasse.“ Hier fallen zwei Dinge auf: 1. ist nicht von der Aufhebung des Staates die Rede. Schon im „Gothaer Programm“ fehlte diese Aussage, genauso wie in der damaligen Kritik von Marx der Hinweis auf die Rätedemokratie als Alternative zum Staat alter Form. 2. ist es positiv bemerkenswert, dass schon damals „ jede Art der Ausbeutung und Unterdrückung, richte sie sich gegen eine Klasse, eine Partei, eine Geschlecht oder eine Rasse“, abgelehnt wird.

„Das „Erfurter Programm“ der SPD von 1891 (Teil 2/2)“ weiterlesen

Das „Erfurter Programm“ der SPD von 1891 (Teil 1/2)

Hanns Graaf

Der jahrzehntelange Niedergang der SPD wirft die Frage auf, ob ihre Probleme vielleicht schon im 19. Jahrhundert, als sie noch im Aufsteigen war, begonnen haben? Wir haben dazu bereits das Gründungsprogramm der Sozialdemokratie in Gotha von 1875 und die Replik von Marx darauf untersucht (https://aufruhrgebiet.de/2023/12/marx-und-gotha/). Hier nun betrachten wir das Nachfolgeprogramm von 1891. Aufgrund der Kürze dieses Programms gehen wir abschnittweise auf den Gesamttext ein.

Historische Einordnung

Das „Erfurter Programm“ wurde 1891 angenommen. Es entstand nach der Aufhebung des Bismarckschen „Sozialistengesetzes“ (1878-90), das die SPD tw. in die Illegalität zwang, jedoch scheiterte. Die SPD war danach stärker als zuvor. Auf diese neue, günstigere Situation musste das neue Programm eingehen. Die Vorsicht, die unter dem Sozialistengesetz durchaus nötig war, konnte und musste nun von einem klareren Profil abgelöst werden. Zudem hatten Marx und Engels am „Gothaer Programm“ massive Kritik geübt – obwohl Marx dabei wesentliche Mängel dieses Programms nicht erkannt bzw. nicht kritisiert hatte. Zudem war Marx´ Kritik von den Führern der SPD, v.a. von W. Liebknecht, der Partei vorenthalten worden. Aber auch Engels tat lange nichts dafür, dass der Marx-Text wenigstens im Nachhinein in der SPD verbreitet wurde.

Die wesentlichen Gründe für ein neues Programm hätten allerdings 1. der Übergang des Kapitalismus zum Imperialismus und 2. die gewachsene Größe und Stärke der Arbeiterklasse und der Arbeiterbewegung und ihre größeren Möglichkeiten sein müssen. Um es vorwegzunehmen: diese beiden Aspekte spiegeln sich im Programm kaum wider.

Das Programm von Erfurt galt bis 1921, als die SPD das „Görlitzer Programm“ beschloss. D.h. 30 Jahre lang sah die SPD offenbar keinen Anlass, ihr Programm zu erneuern. Der Übergang zum Imperialismus, die Revisionismus-Debatte in der Sozialdemokratie ab 1899, die Revolutionen von 1905 und 1917 in Russland und 1918 in Deutschland, der wachsende Militarismus, die steigende Kriegsgefahr von 1914 – all das war offenbar kein Anlass, die eigene Programmatik zu erneuern. Warum das so war, wird aber sofort klar, wenn man sich das „Erfurter Programm“ anschaut.

Karl Kautsky schrieb zum „Erfurter Programm“ einen längeren Kommentar, der das Programm erläuterte und begründete. Auf diesen Text kann hier aus Platzgründen nicht eingegangen werden.

„Das „Erfurter Programm“ der SPD von 1891 (Teil 1/2)“ weiterlesen

8. Mai: Legenden und Lehren

Hanns Graaf

Die Kapitulation der Wehrmacht am 8. Mai 1945 besiegelte das Ende der Nazi-Diktatur. Der größte Krieg der Weltgeschichte war beendet (in Asien dauerte er noch bis August 1945). Er forderte über 50 Mill. Tote, darunter über 20 Mill. Sowjetbürger und 6 Mill. Juden. Ganze Regionen und Länder, v.a. Polen, die westliche Sowjetunion, Deutschland und Japan, waren verwüstet.

Angesichts der Opfer und Zerstörungen, angesichts der ungeheuren Dimensionen der Inhumanität v.a. des deutschen Faschismus ist es nur allzu verständlich, wenn der 8. Mai als Tag der Befreiung gefeiert wird. Doch die Geschichte wird bekanntlich von den Siegern geschrieben, die ihre eigene Rolle in der Geschichte verklären, ja oft genug umlügen.

In diesem Beitrag gehen wir v.a. auf die Rolle des Stalinismus vor, während und nach dem 2. Weltkrieg ein.

Sieger Stalin

Der Sieg über Hitler-Deutschland hat das Prestige Stalins und der UdSSR gewaltig gesteigert. Das Selbstbild des Führers aus Moskau als Heilsbringer der Welt und „guter Vater der Menschheit“ und die Überlegenheit seines „Sozialismus“ schienen endlich historisch bewiesen zu sein. Viele Länder in Ost- und Mitteleuropa, aber auch in Asien (China, Nordkorea) wurden „sozialistisch“. In den 1950er/60er Jahren schüttelten viele „links-nationalistische“, oft an Moskau orientierte Bewegungen ihr koloniales Joch ab und wurden selbstständig. In Europa und in Asien gab es mehrere Länder, wo zwischen 1944 und 1948 eine (vor)revolutionäre Situation entstanden und der Sturz des Kapitalismus möglich war: z.B. in Italien, Griechenland oder in Vietnam.

„8. Mai: Legenden und Lehren“ weiterlesen