ABC des Marxismus Nr. 52: Die Taktik der kritischen Wahlunterstützung

Wahlen sind wichtige Ereignisse: sie bestimmen nicht nur, welche Parteien künftig regieren, sie sind auch ein Anzeiger des aktuellen Klassenbewusstseins und bieten mehr Möglichkeiten für Revolutionäre, ihre Auffassungen in der Öffentlichkeit zu verbreiten.

Die Taktik der kritischen Wahlunterstützung (TdkW) ist eine Variante der Einheitsfronttaktik (EF). Sie ist in Situationen relevant, in denen Revolutionäre zu schwach sind, um selbst zu kandidieren. Wie die EF verbindet auch die TdkW den gemeinsamen Kampf möglichst großer Teile der Arbeiterklasse mit der Kritik an den reformistischen bzw. zentristischen Kräften. Die TdkW besteht zum einen darin, zur Wahl einer linken bzw. reformistischen Organisation aufzurufen. Das ist jedoch nur dann legitim, wenn diese Partei eine relevante Verankerung im Proletariat hat. Diese kann auch nur einen bestimmten Bereich betreffen, wo eine klassenkämpferische Mobilisierung (Streik, Protest usw.) stattfindet, die z.B. über die Streikführung mit dieser Partei verbunden ist. Dann kann diese Partei bzw. eine Person als „Arbeiterkandidat“ unterstützt werden. Eine Unterstützung ist auch dann sinnvoll, wenn die Partei Ausdruck einer fortschrittlichen Bewegung bzw. fortschrittlicher Anliegen ist, etwa der Antikriegsbewegung. Die TdkW kann auch angewendet werden, wenn eine revolutionäre Partei in einem zweiten Wahlgang den Sieg eines offen bürgerlichen Kandidaten dadurch zu verhindern sucht, indem ein Kandidat einer reformistischen Partei kritisch unterstützt oder ein gemeinsamer Kandidat, der größere Chancen hat, aufgestellt wird.

Die TdkW zielt immer darauf, den Klassenkampf oder die Formierung linker kämpferischer Potentiale zu fördern. Um das zu erreichen, müssen konkrete Forderungen gestellt werden, den Klassenkampf voran zu bringen, und die reformistische Politik offen kritisiert werden. Wenn die Reformisten diese Forderungen umsetzen – gut, wenn nicht, würden sie sich als Behinderer des Klassenkampfes entlarven. Diese Entlarvung in der Praxis ist meist weitaus überzeugender für die Massen als jede Propaganda und kann Teile der Basis des Reformismus für eine revolutionäre Organisierung gewinnen. Dazu ist es notwendig, dass Revolutionäre eigene konkrete Vorschläge dafür unterbreiten, wie der Klassenkampf geführt werden kann, und im besten Fall dabei selbst voran gehen.

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Die große Unterwanderung

Hanns Graaf

Angesichts der Krise der Linkspartei und der Gründung der Wagenknechtpartei BSW kursieren zunehmend Meinungen, die die Krise der LINKEN erklären sollen. Es ist nicht neu, dass reformistische oder stalinistische Organisationen ihre Fehler und Probleme gern damit erklären, dass es „feindliche Kräfte“ gebe, die eine erfolgreichere Politik verhindern würden. Nun soll damit auch der Niedergang der LINKEN und von „Aufstehen“ erklärt werden. Überraschend ist dabei allenfalls, dass „die Trotzkisten“ – frei nach dem Motto „Das Unterwandern ist des Trotzkisten Lust“ – daran schuld wären. Das ist schon deshalb ziemlich absurd, weil „der Trotzkismus“ in Deutschland viel zu schwach, politisch impotent und zersplittert ist, um eine Massenpartei aus der Bahn werfen zu können.

Hintergrund

2005 entstand die „Wahlalternative für Arbeit und soziale Gerechtigkeit“ (WASG) als Reaktion auf die Agenda-Politik der SPD/Grünen-Regierung unter Schröder und Fischer. Die WASG stand kritisch zu deren besonders rechter reformistischer Politik, verblieb konzeptionell aber vollständig im Rahmen des Reformismus. Trotzdem war die WASG die erste und bedeutendste Absetzbewegung von der SPD nach 1945 und ein Ausdruck ihrer zunehmenden Krise, durch die sich deren Mitgliedszahl von einer Million (1990) auf gegenwärtig unter 400.000 verringert hat. Arbeiterinnen und Arbeiter haben sich als Mitglieder und Wähler weitgehend von der SPD abgewandt.

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Hoffnungsträger Wagenknecht?

Hanns Graaf

Sahra Wagenknecht ist die bekannteste und beliebteste linke Politikerin Deutschlands. Sie ist medial sehr präsent, ihre Bücher sind Bestseller. Viele setzen große Hoffnungen in sie und identifizieren sich mit ihr. Warum ist das so?

Sicher ist Sahra Wagenknecht eine kluge, redegewandte und telegene Frau und eine der wenigen Menschen, die in Talkshows eine linke Position eloquent vertritt bzw. vertreten kann. Sie ist sich nicht zu schade, in Talkshows kritische Positionen zu vertreten – meist gegen einen unsachlichen und reaktionären Shitstorm von Lanz u.a. „Journalisten“ und Gästen. Gegen die Attacken dieser verlogenen und gekauften Demagogen muss Sahra Wagenknecht auch verteidigt werden. Als eine der ganz wenigen Politiker stellt sie sich gegen die Kriegshetze, die neoliberale Politik und die irrationale Schaumschlägerei der Hysteriker in Sachen Klima, Corona usw. Das erklärt ihre große und gerechtfertigte Popularität – umso mehr, da sie Spitzenpolikerin der LINKEN ist, die gegenwärtig in der Gunst der Wähler immer weiter nach unten rutscht und sich in einer tiefen, durchaus existentiellen Krise befindet. Doch gerade dieses Spannungsverhältnis zwischen Wagenknecht und ihrer Partei, mit dem sie ganz bewusst spielt, macht sie auch interessant.

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Für eine neue Arbeiterpartei!

Hanns Graaf

Das schwache Abschneiden der LINKEN bei der vergangenen Bundestagswahl, der sich seit Jahrzehnten verstärkende Niedergang der SPD und die Inaktivität und „Staatstreue“ der Gewerkschaften werfen die Frage auf, wie es erreicht werden kann, dass die Lohnabhängigen und die Mehrheit der Bevölkerung wieder über eine Partei verfügen, die ihre Interessen konsequent vertritt. Dazu müsste diese konsequent antikapitalistisch eingestellt sein – doch selbst ein Reformismus, der stärker auf klassenkämpferische Mobilisierung setzt, wäre ein gewisser Fortschritt. Es ist eine bittere Tatsache, dass die großen Organisationen, die sich strukturell stark auf die Arbeiterklasse stützen, die Gewerkschaften, die SPD und die LINKE, nicht bereit sind, sich gegen die Zumutungen des Systems wirklich zu wehren. Keine dieser Organisationen bewegt sich, um gegen die Teuerungswelle, die explodierenden Wohn- und Energiekosten, die zusätzlichen Milliarden für die Rüstung usw. usw. zu kämpfen. Die Misere nur zu kritisieren, wie die LINKE, ist aber noch kein Widerstand. Eine Alternative zu ihnen, etwa in Gestalt der „radikalen“ Linken“ ist nicht in Sicht. Eine starke und kämpferische Formation, die den Namen „Arbeiterpartei“ wirklich verdient, gibt es nicht.

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Freie Linke: Eine neue Chance?

Hanns Graaf

Seit Januar 2021 formiert sich eine neue linke Struktur: die „Freie Linke“ (FL). Sie vereint Menschen aus verschiedenen linken Zusammenhängen und „individuelle“ Linke, die diverse politische Erfahrungen, Traditionen und „Ismen“ repräsentieren. Die FL ist – anders als früher die WASG oder Aufstehen – kein reformistisches Top down-Projekt von (Ex)FunktionärInnen aus SPD, Linkspartei oder DGB, sondern eine linke Basisinitiative.

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Ist die SPD noch eine Arbeiterpartei? (Teil 2/2)

Hanns Graaf

Ein deutlicher Wandel ist beim Verhältnis der SPD zum bürgerlichen Staat auszumachen. Vor 1914 dominierte in der Sozialdemokratie die Vorstellung des „freien Volksstaats“, d.h. eines Staates, der demokratisch funktioniert und wo die diversen Einschränkungen der Demokratie (3-Klassen-Wahlrecht u.a.) überwunden sind. Marx hat diese falsche Auffassung in seiner „Kritik am Gothaer Programm“ kritisiert. Das Problem an der Staatsauffassung der SPD war zum einen, dass sie nicht die Zerschlagung des bürgerlichen Staates forderte, sondern nur dessen Demokratisierung, zum anderen blieb offen, was an die Stelle des bürgerlichen Staates treten soll (Räte, Selbstverwaltungsstrukturen). Hier griff allerdings auch Marx` Kritik zu kurz, weil er hier seine Staatsposition, die er aus der Analyse der Pariser Kommune gewonnen hatte, nicht wirklich dargestellt hat.

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Ist die SPD noch eine Arbeiterpartei? (Teil 1/2)

Hanns Graaf

Einige linke Organisationen meinen, die SPD sei inzwischen eine rein bürgerliche Partei geworden, andere – v.a. trotzkistischer Provenienz – halten sie nach wie vor für eine bürgerliche Arbeiterpartei. Diese sei einerseits dadurch gekennzeichnet, dass sie strukturell mit der Arbeiterklasse verbunden wäre, andererseits sei sie hinsichtlich ihrer Politik, Führung und Programmatik eine bürgerliche Partei wie etwa auch die CDU oder die Grünen. Dieser Beitrag geht der Frage nach, was der Klassencharakter der SPD ist, was sie mit anderen bürgerlichen Parteien gemeinsam hat, was sie von ihnen unterscheidet und welche Veränderungen sich seit ihrer Gründung in Gotha 1875 bis heute vollzogen haben.

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Die SPD bis 1914

Hanns Graaf

Die aktuelle, jedoch schon lange anhaltende Krise der SPD wirft auch die Frage auf, welche historischen Ursachen sie hat, welche grundsätzlichen Entwicklungen zu der jetzigen prekären Situation geführt haben. Mit diesem Beitrag wollen wir die „besseren Zeiten“ der SPD von ihrer Gründung bis 1914 betrachten und dabei v.a. die Frage beleuchten, was die SPD damals hinsichtlich ihrer Programmatik und Praxis war.

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Die SPD und die GroKo

Hanns Graaf

Nach den jahrelangen Debatten über das Verhältnis der SPD zur Großen Koalition schien sich mit der Wahl der neuen Parteivorsitzenden eine Lösung anzubahnen. Doch wie so oft bei der SPD kam es wieder einmal ganz anders. Zwar hatte sich die monatelange Kandidatenkür v.a. um Verbleib oder Ausstieg aus der GroKo gedreht, doch mit der Wahl des neuen Führungsduos Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans ist nun alles genauso unklar wie zuvor.

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