Hanns Graaf
Vorbemerkung: Wir besprechen hier den Artikel „BSW: Lila an der Regierung“ der Gruppe ArbeiterInnenmacht (GAM) und ihres Autors Jürgen Roth (JR), der am 22.12.25 in der Infomail 1274 der GAM erschien. Wir tun das nicht wg. der Bedeutung der GAM, sondern weil hier exemplarisch gezeigt werden kann, wie oberflächlich und tw. demagogisch dieser Artikel ist. Die Positionen der GAM sind wiederum nur allzu typisch für große Teile der „revolutionären Linken“ und deren politische Degeneration. Redaktion Aufruhrgebiet
Zunächst bespricht JR einige Positionen des BSW und deren Widerspiegelung in den Programmen der Landesregierungen von Brandenburg und Thüringen, wo das BSW mitregiert. Zuerst geht es um das Verkehrswesen. Dazu heißt es: „So tritt man einerseits für den Ausbau von Bahnstrecken, andererseits gegen Tempolimits auf Autobahnen und in Ortsgebieten ein“. Hier konstruiert JR einen Widerspruch, den es gar nicht gibt. Es ist vielfach belegt, dass ein Tempolimit nahezu Null Effekt hat und nichts weiter ist als eine politische Alibiveranstaltung. Und: Was ist ein Tempolimit in Ortsgebieten?! Dort gibt es bereits Tempolimits von 50 und oft 30 Km/h.
Dann widmet sich JR der Wohnungsfrage: „Eine Grundsteuerreform solle her, bei der der Staat sich nicht bereichern soll, sonst würden die Mieten steigen. Gleichzeitig sollen gemeinnützige Wohnungsbaugesellschaften gefördert werden. Das BSW verkennt den wahren Grund für Mietpreissteigerungen. Haupttreiber und Nutznießer ist nicht der Staat, sondern das Finanzkapital“.
Letzteres stimmt, doch wo bestreitet das BSW diese Tatsache?! Die Hauptkritik von JR hätte sich dagegen richten müssen, dass das BSW nirgends für die Förderung genossenschaftlich-selbstverwalteter (!) Wohnprojekte eintritt. Diese Position fehlt bei JR wie bei der GAM insgesamt immer, weil auch sie stets nur den Staat als Alternative zur Privatwirtschaft ansehen.
Weiter heißt es zur Wohnungspolitik (im Thüringer Koalitionsvertrag): „Beim Wohnungsbau soll nicht nur der zu Sozialmieten gefördert werden, sondern gleichzeitig (!) die Eigentumsquote bei Immobilien erhöht.“ Wo da ein Widerspruch sein soll, erklärt JR nicht. V.a. aber wird weder vom BSW noch von JR klargestellt, was unter „Eigentum“ zu verstehen ist: Private Eigentumswohnungen oder selbstverwaltete kollektive Wohnprojekte? Letztere sind ein (!) probates Mittel, um der Mietpreistreiberei zu entkommen. Doch weder das BSW noch die GAM fordern das. Letztlich setzen beide auf den bürgerlichen Staat, der das richten soll. Wie gut das klappt, haben wir in Berlin gesehen, wo Rot/Rot massenhaft Wohnungen privatisiert hat.
Ideologie
Weiter kritisiert JR das BSW für „Parolen wie „Frauenrechte statt Gender-Ideologie“ und „Medien und Kultur: Meinungsfreiheit statt Maulkorb“ reihen sich locker ins Arsenal der rechten und konservativen Kulturkämpfer:innen ein.“ Hier zeigt sich, wie weit JR und die GAM der „links-bürgerlichen“ Ideologie auf den Leim gehen. Die Gender-Ideologie ist nämlich keinesfalls dazu da, gegen reale Unterdrückung von sexuellen u.a. Minderheiten mittels Methoden des Klassenkampfes anzugehen. Es geht dabei vielmehr darum, a) den Staat als „Werte-Träger“ anstelle der Arbeiterbewegung zu positionieren und die fortschrittliche Bewegung, z.B. den wesentlichen (!) Kampf gegen Frauenunterdrückung zu spalten und auf extreme Minderheiten abzulenken.
Dass die völlig berechtigte (alte linke) Forderung nach Meinungsfreiheit als „rechts“ eingeordnet wird, zeigt nur, dass die GAM – wie große Teile der Linken – oft überhaupt nicht mehr weiß, was in der Realität los ist und offenbar glaubt, dass es im ÖRR Meinungsfreiheit gebe.
JR kritisiert Amira Mohamed Ali vom BSW, die sich „für ein starkes (!), gerechtes und souveränes Deutschland“ aussprach. Sicher: die Position des BSW ist weder antikapitalistisch noch antiimperialistisch. Trotzdem ist die Kritik des BSW an der Vasallentreue Deutschlands gegenüber dem aggressiven Kurs der USA berechtigt. „Der Hauptfeind“, so JR, „steht bei den stramm nach rechts gehenden Populist:innen offenkundig in den USA, nicht im eigenen Land! Liebknecht würde sich im Grabe umdrehen.“ Von einem Hauptfeind spricht beim BSW niemand. Auch hier wieder billige Polemik statt des Bemühens, die Politik des BSW korrekt zu charakterisieren. Das BSW hat oft genug die Politik der Ampel, der Unions-“Opposition“ und auch der AfD attackiert. Da die GAM es aber ablehnt, sich mit dem BSW-Milieu genauer zu beschäftigen und z.B. auch Mal zu BSW-Veranstaltungen zu gehen, hat sie auch wenig Ahnung davon, was dort vertreten und diskutiert wird. Auch deswegen ist ihre Kritik am BSW so hölzern und einseitig.
Wirtschaft und Soziales
Dazu schreibt JR: „Diese gar nicht so linken Populist:innen reden von sozialer Gerechtigkeit (darunter könnten sich Arbeiter:innen wiederfinden) und wirtschaftlicher Vernunft, die stillschweigend Sache der kapitalistischen Eigentümer:innen an den Produktionsmitteln bleibt mit staatlich zur Verfügung gestellten Steigbügeln aufs hohe Ross wirtschaftlicher Kommandozentralen.“ Ein korrekter Vorwurf!
Weiter heißt es zur Wirtschaftspolitik des BSW: „Bei Wirtschaft und Arbeit stehen Forderungen nach Mindestlohnerhöhung auf 14 Euro und einfacherer Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse neben Zukunftsfonds zur Förderung heimischer Unternehmen und Start-Ups, unbürokratischen Verfahren mit „Tesla-Geschwindigkeit“ und Befreiung von „unnötigen Regulierungen“. Es wird der Eindruck vermittelt, staatlicher Schlendrian sei verantwortlich, dass es „unserer“ Wirtschaft so schlecht geht.“
Die angeführten Forderungen des BSW sind insgesamt durchaus sinnvoll. Der letzte Satz ist einerseits eine Unterstellung, denn das BSW hat immer auch andere Ursachen der wirtschaftlichen Misere benannt, etwa die Rolle des Finanzsektors. Das BSW liegt mit seiner Kritik am staatlichen Handeln durchaus richtig. Immerhin gibt es ausufernden Bürokratismus, „Schlendrian“ und eine komplett irrwitzige und ruinöse staatliche Energiepolitik. All das müssen letztlich die Lohnabhängigen ausbaden. Hier verkennt JR die Bedeutung des Staates und vermittelt seinerseits zumindest indirekt den Eindruck, dass der Staat unschuldig an der Krise wäre.
Die Asylfrage
Der Migration widmet JR einige Sätze mehr. Er schreibt zur BSW-Politik u.a.: „Das BSW bekennt sich zum Grundrecht auf Asyl, möchte aber mit rassistischen Maßnahmen unkontrollierte Migration stoppen …“. Welche Maßnahmen das sind, wird kaum ausgeführt, aber dass sie alle „rassistisch“ sind, ist für den Autor JR klar. Tatsächlich gibt es beim BSW in der Asylfrage auch reaktionäre Positionen, die aber nicht rassistisch begründet werden. Aber für JR wie für die GAM ist jedes Bedenken, ist jede Kritik an der Massenmigration per se „rechts“, „ausländerfeindlich“ oder „rassistisch“. Dass die Massenmigration gewaltige Probleme erzeugt – für die Geflüchteten selbst, für deren Herkunftsländer und die Zielländer -, ist für die GAM kaum jemals einen Nebensatz wert. Die – auch, aber nicht nur – durch die Massenzuwanderung akkumulierten Probleme (Kriminalität, Religiosität, Frauenfeindlichkeit, Wohnungsmangel, Bildung usw. usw.) interessieren sie nicht weiter. Im Gegenteil: die GAM fordert völlig realitätsblind und rein ideologisch motiviert „Offene Grenzen!“ – ohne jedes Bewusstsein dafür, was deren (utopische) Realisierung bedeuten würde: eine Verdoppelung oder Verdreifachung von Zuwanderung. Wer solchen weltfremden Unsinn vertritt, sollte sich mit Kritik am BSW zurückhalten! V.a. fehlt der Kritik von JR der Hinweis darauf, dass die Asylpolitik und die Integration dem Zugriff der Staatsbürokratie so weit wie möglich entrissen werden und in die Hände der Arbeiterbewegung und der Bevölkerung gelegt werden sollten. Wäre das der Fall, hätte die Asylfrage weit besser gelöst werden können, als es aktuell der Fall ist.
Weiter führt JR aus: „So rechnete Wagenknecht einst vor, dass der Staat für jede/n Asylbewerber:in monatlich 1.700 Euro aufwende. Von solchen Einkünften könne eine Rentnerin mit 2 Kindern, die ihr ganzes Leben hart gearbeitet habe, nur träumen. Tatsächlich erhält jede/r Asylbewerber:in je nach Familienstatus um 400 Euro. Der Rest sind Kosten für Unterkunft, Verwaltung und Familienmitglieder. Solche Fakten interessieren das BSW offenkundig nicht. Statt dessen verbreitet Wagenknecht weiter Fake-News. Erst kürzlich erklärte sie in einem Podcast, die Knappheit auf dem Wohnungsmarkt liege auch am Zuzug von Geflüchteten.“
Hier wimmelt es von Fehlern. 1. meint die Zahl von 1.700 Euro die Gesamtkosten (!), die natürlich nicht, wie JR suggeriert, nur 400 Euro betragen. Davon könnte sich ein Asylbewerber vielleicht gerade ernähren, aber was ist mit Wohnkosten, Bildung, Ausbildung, Studium, Kita, Gesundheit usw. usw.?! JRs „Argumentation“ hier ist weltfremde Demagogie, während die Darstellung von Wagenknecht korrekt ist. 2. ist die Knappheit von Wohnungen (und der auch daraus folgende Preisauftrieb) auch ein Folge der Zuwanderung von Millionen Flüchtlingen, denn diese wohnen ja nicht alle in Massenunterkünften oder gar unter Brücken, sondern in Wohnungen (meist in Städten). Dass angesichts des minimalen Wohnungsneubaus, v.a. von billigen Wohnungen, der Wohnraum knapp wird, ist nur logisch. Diese Ausführungen von JR sind ein Beispiel dafür, dass die GAM die objektiven Probleme, die sich aus der massenhaften Zuwanderung ergeben (müssen), unterschätzt, um nicht zu sagen ignoriert. Ihre Forderung nach „Offenen Grenzen“ bedeutet, eine Entwicklung zu fördern, die diese Probleme noch weiter vergrößert. Vielleicht redet die GAM Mal mit Kommunalpolitikern, die nicht mehr wissen, wie man die Löcher stopfen und die Geflüchteten integrieren soll?!
Friedenspolitik
Hierzu bemerkt JR hinsichtlich der Brandenburger Koalitionsvereinbarung u.a.: „Alle brandenburgischen Militärstandorte sollen erhalten bleiben, die Polizei personell auf 9.000 Stellen aufgestockt und flächendeckend mit Bodycams und Elektroschockgeräten (Tasern) aufgerüstet werden. Das Vertrauen in den bewaffneten Apparat, der nur einer der herrschenden Klasse sein kann, zeigt sich hier deutlich. Friedenspolitisch durchgesetzt hat das BSW, dass sich Brandenburg im Bundesrat zur Einführung der Wehrpflicht und Entsendung einer Brigade nach Litauen enthielt. Die Ablehnung der Stationierung von Mittelstrecken- und Hyperschallraketen mutiert im Koalitionsvertrag zu „einer kritischen Sicht.“ Wagenknechts Äußerung zu Arrow 3 bemängelte nur, dass das System zu teuer und ungeeignet sei, tieffliegende russische Raketen und Marschflugkörper abzufangen. Fraktionsvorsitzender Lüders bemerkte darüber hinaus, das sei kein Landesthema, sondern gehöre in den Bundestag – wie bei der Diplomatie übrigens. Darüber hinaus bekannte er sich zur Bundeswehr, weil Landesverteidigung auch BSW-Politik sei. Die Friedenspolitik des BSW wird wie der Kampf Don Quichottes gegen Windmühlen ausgehen.“
Diese Kritik ist zwar völlig berechtigt, doch JR „übersieht“, dass das BSW nichts tut, um Aktionsstrukturen, z.B. Friedenskomitees, aufzubauen. Dieses Beschränken auf politische Formeln und auf den Parlamentarismus ist aber einer der Hauptfehler des Reformismus. (Aber bezüglich des Aufbaus von Strukturen leistet auch die GAM fast nichts.)
Am Ziel vorbei
Geradezu albern ist JRs Bezug auf die neue LINKEN-Chefin Ines Schwerdtner. „Sie nimmt“, schreibt JR, „zu Recht die Tatsache, dass ausgerechnet in den Berliner Wahlkreisen, in denen sich ihre Partei Chancen auf ein Direktmandat ausrechnet, das BSW Erststimmenkandidat:innen aufstellt, als Versuch wahr, ihr zu schaden.“ Warum sollte das BSW nicht in allen Wahlkreisen Kandidaten aufstellen? Und warum nicht gerade auch dort, wo aktuelle oder ehemalige LINKEN-Wähler sich für das BSW interessieren?
JR zitiert weiter Schwerdtner: „Unser Fokus sind Klassenkämpfe, aber mit Haltung. Sogenannte Kulturkämpfe führen wir, wenn Minderheiten angegriffen werden, aber vor allem geht es uns um die materiellen Interessen der großen Mehrheit.“ Anstatt diese Aussage zu kritisieren, weil die LINKE eben gerade keinen Klassenkampf führt, geht die Kritik von JR in eine ganz andere Richtung: „Das klingt radikal, greift aber viel zu kurz. Eine Arbeiter:innenpartei, die ihren Namen wirklich verdient, darf ihr Programm gegen alle Formen sozialer Unterdrückung, Ausbeutung und den ideologischen Rechtsruck nicht erst dann zum Einsatz bringen, wenn Minderheiten angegriffen werden. Sollen sie für ihre Forderungen auf sich allein gestellt kämpfen, bis es brennt? Nein, eine wirklich sozialistische Partei muss immer alle Fragen sozialer, gesellschaftlicher Unterdrückung offensiv aufgreifen, denn sie will alle unterdrückerischen Verhältnisse bekämpfen und aufheben.“
Hat sich Schwerdtner etwa dagegen ausgesprochen? Nein! Auch hier unterstellt JR einfach Positionen, die so gar nicht vertreten werden, um dann auf diesen Popanz einzuschlagen.
„Aber“, konstatiert JR, „immerhin will Schwerdtner dem etwas entgegensetzen, während das BSW selbst den Rechtsruck ideologisch forciert.“ Na also! Die Kritik des BSW an der fatalen „grünen“ Energiepolitik und anderen Fehlentwicklungen ist in den Augen der GAM natürlich nur „rechts“. Dass es zu Klima, Energiewende usw. auch einfach andere wissenschaftliche Positionen gibt, die mit „links“ und „rechts“ nichts zu tun haben, geht offenbar über den Horizont von JR hinaus. Kein Wunder, hat die GAM selbst dazu weder eine Expertise, noch ist sie in der Lage, auch nur ihre eigene Position argumentativ darzulegen.
Der Hauptmangel der Kritik von JR am BSW besteht jedoch darin, dass sie die entscheidenden Punkte fast gar nicht anspricht und die Gründe, warum viele Menschen das BSW – auch als Alternative zur kriselnden LINKEN – wählen, nicht versteht. Die Hauptmängel des BSW – die an anderer Stelle auch die GAM betont hat – bestehen doch in Folgendem: die Systemfrage wird nicht gestellt, es gibt keinen Bezug zur Arbeiterklasse und zum Klassenkampf, die BSW-Politik verbleibt völlig im parlamentarischen, auf Regierungsbeteiligungen zielenden Rahmen. Trotz allem – und das ist für Viele der Grund, das BSW zu unterstützen – hat es auch ansatzweise korrekte Kritiken und Positionen zu bestimmten Fragen: Ukrainekrieg, Aufrüstung, Energiepolitik, Gender-Unwesen usw. Für JR und die GAM ist das alles nur „rechts“.
Am Schluss stellt JR fest: Wer „braucht das BSW und seinen „modernen Konservativismus“ eigentlich? Die Arbeiter:innenklasse sicher nicht.“ Das stimmt. Doch eine so oberflächliche und einseitige Kritik braucht auch niemand.
„…einseitige Kritik braucht niemand“.
Mehr noch: Die GAM braucht niemand! Unfähig zu solider Recherche, faul und selbstgefällig, nicht ihr Programm anzupassen.
Man denke nur an die sogenannte CORONA KRISE! Forderung nach einem totalen Lockdown, wochenlangen Schließen aller Betriebe, Zwangsimpfungen usw. ZERO-COVID!
Weit über die von der Regierung geforderten undemokratischen Maßnahmen.
Ja von einem Wolfgang Wodarg hat man keinerlei Infos.
Und was von ihrer Unterstützung der „Klimakrise“ zu halten? Wie üblich Anpassung an FFF. Und haben diese Genossen noch nie von Dr. Werner Kirstein gehört?
Nein, die GAM ist nicht reformierbar, sie ist überflüssig und steht einer weltweiten revolutionären Arbeiterorganisation im Wege.