Friedenspolitik! Aber wie?

Vorwort: Der nachfolgende Offene Brief von Hanns Graaf ist eine Replik auf Patrik Baabs „Offenen Brief an Dr. Sarah Wagenknecht und Katja Wolf“. Wir hoffen, damit eine Diskussion in der linken Szene um die Fragen des Friedens und die Politik des BSW anzuregen. Die Redaktion

Lieber Patrik Baab,

ich kenne Ihre Position zum Ukrainekrieg von mehreren Veranstaltungen und möchte hier noch einmal meine Zustimmung zu Ihren Positionen und meine Anerkennung für Ihr Engagement ausdrücken.

Sie haben völlig recht, wenn Sie schreiben: „Nach den Wahlen am 23. Februar 2025 wird sich für die Menschen in Deutschland das atomare Vernichtungsrisiko dramatisch erhöhen.“ Inzwischen haben die Union, die FDP und die Grünen klar gemacht, dass sie für den Einsatz der Taurus-Marschflugkörper sind. Damit erhöhen sie das Risiko der Ausweitung dieses Krieges bis hin zum nuklearen Inferno und machen Deutschland endgültig zur direkten Kriegspartei.

Bisher sind nur das BSW und die AfD (die aber die NATO-Mitgliedschaft und die Aufrüstung unterstützt) offen gegen den Kriegskurs der Regierung aufgetreten. Das ist ein Verdienst von Frau Wagenknecht. Es ist daher nachvollziehbar, dass Sie, sehr geehrter Herr Baab, sich wie auch viele andere um das weitere Agieren des BSW Gedanken machen. In Ihrem Offenen Brief an die BSW-Vertreter Wagenknecht und Wolf schreiben Sie: „Deshalb schlage ich mit Blick auf eine Regierungsbildung in Thüringen vor, dass Sie, Frau Wolf, der Landesverband des Bündnisses Sahra Wagenknecht mit Ihrer Unterstützung, Frau Dr. Wagenknecht, dringend nachverhandeln. Möglichen Koalitionspartnern muss ein klares und unzweideutiges NEIN zu Taurus-Lieferungen an die Ukraine abverlangt werden.

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Ist die Arbeiterklasse revolutionär? (Teil 2 von 2)

Hanns Graaf

Viele Linke halten die Arbeiterklasse für verbürgerlicht und daher Konzepte, die auf eine proletarische Revolution orientieren, für überholt. Die „Verbürgerlichung“ des Proletariats v.a. in den imperialistischen Ländern (soweit man deren Existenz als Klasse überhaupt noch zugesteht) wird aus zwei Merkmalen gefolgert: 1. aus der gegenüber früher weit besseren sozialen Lage und 2. aus dem fehlenden Selbstverständnis des Proletariats als einer revolutionären Klasse. Diese beiden Kriterien verweisen schon darauf, dass man sich von der Marxschen Bestimmung der Klasse weit entfernt hat. Marx betont nämlich die objektive Stellung der Klasse innerhalb einer historisch bestimmten Produktionsweise und nicht subjektive Merkmale wie aktuelles Bewusstsein oder Lohnhöhe. Für Marx ist entscheidend, dass das Proletariat keine Produktionsmittel besitzt, (fast) keine Verfügung darüber hat und daher eine sozial untergeordnete Stellung einnimmt, dass es ausgebeutet und unterdrückt wird. Dies allgemeinen Merkmale treffen natürlich immer noch zu.

Trotzdem müssen wir uns die Frage stellen, ob und wie der Prozess der Revolutionierung der Arbeiterklasse durch die v.a. ab der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts erfolgten Veränderungen der Lebenslage der Lohnabhängigen beeinflusst wird. In einigen imperialistischen Ländern stellt die Arbeiteraristokratie – die Schicht der besser bezahlten und ausgebildeten Stammbelegschaften in der Industrie (und im Staatsapparat) – einen großen Teil oder sogar das Gros der Arbeiterinnen und Arbeiter. Sie stellen auch den Kern der Gewerkschaften und diverser „Mitbestimmungsgremien“ sowie oft einen großen Teil der Wählerschaft der reformistischen Parteien. Ihre Lebenslage ähnelt stark jener des Kleinbürgertums, oft ist sie sogar materiell besser. Diese Schicht hat oft wenig Interesse daran, den Kapitalismus zu überwinden. Sie ist aber andererseits oft stärker gewerkschaftlich organisiert und daher objektiv kampfkräftiger als die sozial schlechter gestellten, aber marginalisierten unteren Schichten des Proletariats. Große Streiks werden meist von den aristokratischen Schichten getragen. Sie interessiert meist nicht, dass sie „eine Welt zu gewinnen haben“, wie das „Kommunistische Manifest“ verkündet, aber sie haben sozial durchaus etwas an Lebensstandard zu verlieren. Wir sehen daran – wie schon immer in der Geschichte des Kapitalismus -, dass nicht unbedingt die Schichten, denen es am schlechtesten geht, am kämpferischsten auftreten, sondern oft die „gehobenen“ Schichten.

Marx war bewusst, dass das Proletariat sich nur im Klassenkampf und angesichts von Krisen und Kriegen zur „Klasse für sich“ formiert. Weder ihre Lage an sich noch sozialistische Propaganda allein können diese Entwicklung hervorbringen. Das revolutionäre Proletariat ist insofern Ergebnis des historischen Prozesses bzw. der bewussten Verarbeitung dieser Vorgänge durch das Proletariat. Die Besonderheit der historischen Phase ab den 1930er Jahren bestand nun aber darin, dass sich die Geschichte sozusagen gegen die Revolution „verschworen“ hatte. Dies meint u.a.:

  • der revolutionäre Flügel der Arbeiterbewegung, die Komintern, degenerierte unter Stalin zu einer bürokratischen und konterrevolutionären Agentur, so dass das Proletariat ohne revolutionäre Führung war;
  • u.a. deshalb gingen alle revolutionäre Erhebungen verloren und endeten in blutigen Niederlagen;
  • Faschismus und Krieg stellten ein sehr schwieriges Areal Revolutionäre dar;
  • nach 1945 erlebte die bürgerliche Demokratie einen Aufschwung;
  • die Welt war ab 1945 in zwei gegensätzliche, aber konterrevolutionäre Lager geteilt;
  • der „Lange Boom“ vom Ende der 1940er bis in die 1970er verbesserte die soziale Lage der Lohnabhängigen in den imperialistischen Ländern deutlich;
  • es gab nach 1945 jahrzehntelang keine Kriege zwischen und in den westlichen Imperialismen und kaum schwere Krisen mit solchen verheerenden sozialen Folgen für die Massen in den imperialistischen Ländern wie etwa ab 1929.

Es ist klar, dass diese Umstände und Ereignisse für die revolutionäre Formierung der Arbeiterklasse alles andere als günstig waren. Die schweren Niederlagen, die nahezu unbegrenzte Vorherrschaft von Sozialdemokratie und Stalinismus als konterrevolutionärer Agenturen und der Aufschwung des Kapitalismus nach 1945 bildeten ein Amalgam, das das Proletariat demoralisierte und für radikale Ideen weniger zugänglich machte. Selbst dort, wo es nach 1945 revolutionäre Chancen gab (DDR 1953, Ungarn 1956, CSSR und Frankreich 1968, 1973 Portugal u.a.), mangelte es an einer revolutionären Führung. Der Trotzkismus und die 68er gaben zwar wichtige Impulse zur Neuformierung einer solchen, aber sie versagten dabei, ihre Programmatik den veränderten Bedingungen anzupassen und systematisch die richtigen Lehren aus der Geschichte des Klassenkampfes zu ziehen. Der Zusammenbruch des stalinistischen Systems 1989/90 – oft fälschlich als sozialistisch verstanden – vergrößerte noch die Enttäuschung und Konfusion und stärkte die Illusionen in den demokratischen Kapitalismus und system-imannente („grüne“) Reformen.

Diese objektiven Umstände werden als wesentliche Faktoren, die auf das Bewusstsein einwirken, oft ausgeblendet. Stattdessen wird behauptet, dass das Proletariat entweder als Klasse nicht mehr existiere oder es nicht mehr zu revolutionärem Handeln fähig sei. Dem steht aber entgegen, dass es im 20. Jahrhundert viele revolutionäre Aufbrüche der Massen gab, die – außer 1917 in Russland – aber v.a. deshalb nicht erfolgreich waren, weil es an einer revolutionären Klassenführung mangelte. Trotzki verstand schon in den 1930ern diese „Führungskrise des Proletariats“ als Krise des historischen Fortschritts überhaupt.

Der Beginn des Spätimperialismus in den 1990ern markiert das Ende der Stabilisierungsphase des Kapitalismus nach 1945. Die objektiven Bedingungen für den Klassenkampf verändern sich: Krisen und Kriege nehmen zu, die soziale Tendenz immer breiterer Gruppen der Bevölkerung zeigt nach unten. Das provoziert Widerstand, Enttäuschung über das System, politische Polarisierung und Radikalisierung nehmen zu. All das eröffnet Revolutionären neue Chancen. Das Hauptproblem besteht aber darin, dass die subjektiv revolutionäre und radikale Linke sich unfähig zeigt, ihre tradierten Inhalte, ihren jeweiligen Ismus und ihre Strukturen, ihr Sektierertum und ihren Dogmatismus zu überwinden und eine neue revolutionäre Partei und Internationale aufzubauen.

Bei der Frage, wie oder ob die Arbeiterklasse revolutionär sein kann, wird oft vergessen, dass das Proletariat sowohl hinsichtlich seiner Größe als auch hinsichtlich seines Bildungsstandes heute deutlich besser qualifiziert ist als früher, um das Schicksal der Gesellschaft zu beeinflussen und in seine Hände zu nehmen. Vergessen wird auch meist, dass zwar auch der Kommunismus sich bisher historisch nicht durchgesetzt hat, aber auch der Reformismus – der bedeutendste konterrevolutionäre „innere“ Faktor der Arbeiterbewegung -, historisch gescheitert ist. Leider hat sein Verwesungsgestank Jahrzehnte lang die Hirne der Totengräber des Kapitalismus vernebelt.

Historische Lehren

Wir wissen aus der Geschichte, dass auch eine Arbeiterpartei degenerieren kann. Damit ist nicht nur gemeint, dass sie Fehler begeht, sondern dass sie grundsätzlich antirevolutionär handeln und zu einem Instrument zur Unterdrückung des Proletariats und seiner revolutionären Vorhut mutieren kann. Das betraf die Sozialdemokratie (spätestens ab 1914), aber auch und v.a. die kommunistischen Parteien im Zuge der Durchsetzung des Stalinismus ab Mitte der 1920er. Der Degenerationsprozess hat zwei Komponenten: 1. die politisch-programmatische und 2. die organisatorisch-strukturelle. Die Ursachen für eine grundsätzliche Fehlentwicklung liegen, wie die Parteiengeschichte zeigt, wesentlich in der Ideologie einer Partei und dem Druck der Realität. Bestimmte organisatorische und statuarische Maßnahmen, die zur Fehlentwicklung einer Partei beitragen, sind letztlich nicht die Ursache, sondern die Folge einer politischen Fehlentwicklung. Wir können hier nicht näher auf diese Probleme eingehen. Allerdings sollen einige Aspekte angesprochen werden, was man gegen die Gefahr der Degeneration der Partei tun kann.

Als grundsätzliches Prinzip sollte gelten, dass die Partei nicht (nur) für die Klasse agiert, sondern in und mit der Klasse. Sie darf sich weder zum Schulmeister noch zum Feldwebel über der Klasse erheben oder gar zu deren Kerkermeister werden wie unter Stalin. Sie muss immer und überall die Klasse zur Revolution erziehen und organisieren. Sie muss sich bewusst in enger Wechselbeziehung zu anderen Strukturen der Klasse sehen: Gewerkschaften, Räten, Selbstverwaltungsorganen und Genossenschaften. Ihre Gesellschaftsstrategie muss auf den Kommunismus zielen, nicht nur auf die Verbesserung des Kapitalismus oder einen Staatskapitalismus. Die Erhöhung des Bewusstseins der Arbeiterklasse und deren Formierung in eigenen Strukturen gegen Staat und Kapital muss das zentrale Anliegen des Wirkens der Partei sein. Dabei geht es nicht nur um die Partei, die v.a. für den politischen Kampf gedacht ist. Auch die Gewerkschaft führt v.a. einen politischen Kampf (im wirtschaftlichen Bereich). Hingegen sind Selbstverwaltungs- und Genossenschaftsstrukturen Organe, die v.a. die wirtschaftliche und kulturelle Emanzipation der Klasse im sozialen Alltag betreffen. Werden diese, wie von den meisten Linken, vernachlässigt, kann die Subjektwerdung der Klasse nur unzureichend erfolgen.

Diese Prinzipien stehen im klaren Widerspruch zu den Ansichten der Sozialdemokratie, aber auch zum Stalinismus, die auf „den Staat“ als Subjekt der Entwicklung setzen und das Proletariat auf eine bloße Objektrolle reduzieren. Auch der Bolschewismus hat – bei all seinem revolutionären Selbstverständnis – Elemente dieser „Staatsorientierung“ konzeptionell übernommen. In dieser Hinsicht enthält der historische Anarchismus einige produktive Ansätze, wenngleich sich seine Gesamtstrategie für die Revolution und den Klassenkampf auch als unbrauchbar erwiesen hat.

Die Partei muss ein inneres Regime haben, das klare und verbindliche Entscheidungen mit größtmöglicher Demokratie verbindet. Tatsächlich ist der oft gescholtene „demokratische Zentralismus“ (Demozent) eine solche Verfahrensweise. Das Problem ist aber, dass der Demozent verballhornt und im Stalinismus überhaupt zu einem Anachronismus wurde. Zur innerparteilichen Demokratie gehört ein uneingeschränktes Fraktionsrecht. Insofern war das (allerdings nur als Ausnahme gedachtes und erst später im Stalinismus generalisiertes) Fraktionsverbot in der bolschewistischen Partei von 1921 ein Fehler, der der Bürokratie in die Hände spielte und die Demokratie unterminierte. Aber auch das war nicht die Ursache der späteren Fehlentwicklung, sondern vielmehr Ausdruck einer schiefen Gesamtkonzeption vom Verhältnis Partei-Klasse.

Die Geschichte der Sozialdemokratie – sowohl der SPD wie der II. Internationale – verweist auf drei Probleme: 1. das Verhältnis der Partei zu den Gewerkschaften, 2. auf die Rolle des Apparats in der Partei und 3. auf die Rolle des Programms. Wie schon oben erwähnt, strebte die SPD ein „gutes Verhältnis“ zu den Gewerkschaften (ADGB) an und wollte Konflikte vermeiden. So weit so gut. Das Problem dabei war, dass – fast unvermeidlich – reformistische Einstellungen in der Klasse in den Gewerkschaften stärker ausgeprägt waren als in der Partei, die den bewussteren Teil der Klasse vereinte. Daher musste die Partei sich ihre Eigenständigkeit gegenüber der Gewerkschaft bewahren. Sie hätte den reformistischen Tendenzen entgegentreten müssen, anstatt sich zentristisch auf die „goldene Mitte“ zu einigen. Dazu wäre u.a. eine eigene Fraktion der SPD im ADGB nötig gewesen. Allein das hätte die Gewerkschaftsführung gezwungen, ein offene Debatte in der Gewerkschaft u.a. über die Frage des Generalstreiks zu führen. So aber konnte sie diese weitgehend vermeiden bzw. auf die Funktionärsebene beschränken. Die Vertretung sozialdemokratischer Positionen in der Gewerkschaft war ohne SPD-Fraktion nicht mehr Sache einer Parteistruktur, sondern nur Sache der individuellen Mitglieder.

Zur Rolle des Apparats: Die Bürokratisierung einer Arbeiterorganisation war auch immer damit verbunden dass der Apparat sich verselbstständigte und relativ unabhängig von der Basis die Parteipolitik bestimmen konnte. Das kann freilich kein Argument gegen die Partei sein, denn auch Gewerkschaften, Bewegungen oder Räte sind dagegen nicht gefeit. Es geht vielmehr darum, Methoden zu etablieren, die dieser Gefahr entgegenwirken. So sollten z.B. grundsätzliche Entscheidungen nur nach Abhaltung eines Parteitages getroffen werden. Bei Parteitagen muss die Zahl der Hauptamtlichen und Funktionsträger an den stimmberechtigten Delegierten begrenzt sein. Bei den Parteitagen der Bolschewiki ab 1917 nahm die Zahl von Hauptamtlichen immer mehr zu. Man schaue sich nur die Fotos davon an: anfangs dominierten Arbeiter, später immer mehr Menschen mit Schlips oder mit Uniform. Schon wenige Jahre nach der Revolution hatten die Bolschewiki hinsichtlich der Mitgliedschaft ihren Charakter als Arbeiterpartei z.T. eingebüßt, sie wurde immer mehr zu einer Beamten- und Staatspartei. Dieser Trend ergab sich auch daraus, dass ganz bewusst die Partei mit dem Staatsapparat, der sich gewaltig aufblähte, verquickt wurde.

Eine wichtige Rolle bei der Degeneration der Partei spielt das Programm. Das Programm gewährleistet die Verbindung von Theorie und Gesellschaftsanalyse mit der Verarbeitung der Erfahrungen des Klassenkampfes und formuliert ein System von Strategie und Taktik, nach dem die Partei handeln soll. Die SPD litt von Beginn an unter einer unzureichenden Programmatik, die nie wirklich revolutionär war. Schon das 1875 bei der Gründung beschlossene „Gothaer Programm“ war mangelhaft und wurde daher von Marx und Engels massiv kritisiert. Allerdings war Marx´ Kritik in Form seiner „Randglossen“ selbst mangelhaft, weil wichtige Fragen ungeklärt und unkritisiert blieben: Mit welchen Taktiken soll der Klassenkampf geführt werden?, Wie ist die Position zur Staatsfrage (Räte)?, Was ist mit dem Verhältnis der Partei zu den Gewerkschaften? u.a. Fragen. Marx und Engels haben es zudem auch versäumt, ein alternatives Programm vorzulegen.

1892 wurde das zweite, das „Erfurter Programm“ der SPD beschlossen. Obwohl einerseits einige Schwächen des Gothaer Programms überwunden worden waren, prägten andererseits die früheren prinzipiellen Mängel auch dieses Programm. Die Programmatik der Sozialdemokratie war sehr stark eine Aufzählung von „Prinzipien“, aber kein Kampfprogramm, keine Anleitung zum Handeln. Bis 1914 – also 22 Jahre lang – gab es kein neues oder überarbeitetes Programm. Das war ein grobes Versäumnis, weil in dieser Zeit wesentliche Veränderungen stattgefunden hatten, die in einem Programm hätten berücksichtigt werden müssen: die imperialistische Epoche hatte begonnen, die Revolution von 1905 mit ihren Massenstreiks und den Sowjets hatte stattgefunden, die SPD und die Gewerkschaften waren Massenorganisationen geworden, die Militarisierung und die Kriegsgefahr nahmen zu. Es war v.a. Rosa Luxemburg, die darauf drang, die Politik der SPD diesen Entwicklungen anzupassen. Doch auch sie bzw. die Linken in der SPD forderten kein neues Programm, noch legten sie ein eigenes vor. Auch sie hielten das bisherige Programm für „einigermaßen brauchbar“. Dazu kam, dass Luxemburg zu stark auf das „spontane“ Schöpfertum der Massen vertraute, die die SPD schon auf den richtigen Weg stoßen würden.

Zusammenfassung

Die Arbeiterklasse ist die einzig konsequent revolutionäre Klasse. Sie ist in der Lage, den Übergang von der „Klasse an sich“ zur „Klasse für sich“, also zum revolutionären Subjekt, zu vollziehen, indem sie kämpft, sich organisiert und dabei eine revolutionäre Programmatik erarbeitet und weiterentwickelt. Dabei ist die Partei nur ein Faktor bei der „Subjektwerdung“ des Proletariats. Das revolutionäre Bewusstsein der Klasse kommt nicht nur „von außen“, wie Lenin suggeriert, sondern entsteht in der Wechselwirkung von Theorie, Diskussion und praktischer Erfahrung in den verschiedenen proletarischen Milieus und Strukturen. Die Partei sollte dabei eine zentrale, aber nicht herrschende Rolle im Kampf des Proletariats spielen. Wie der Staat wird auch die Partei im Zuge der Entwicklung zum Kommunismus „absterben“.

Eine revolutionäre Partei ist für das Proletariat unverzichtbar. Nur die Partei ist in der Lage, ein konsistentes Programm zu entwickeln und einen Kaderkern darauf zu formieren, der in allen Bereichen der Gesellschaft und des Klassenkampfes agieren kann. Die Partei wird vom Auf und Ab des Klassenkampfes und der Dynamik der Geschichte beeinflusst, was auch damit verbunden ist, dass sie degenerieren kann. Diese Gefahr äußert sich immer auch in der Verselbstständigung des Apparats und der Bürokratisierung der Organisation. Ursachen solcher Fehlentwicklungen sind auch die Erosion der Verbindungen zur Arbeiterklasse und ihrer Strukturen (Gewerkschaften, Räte, Genossenschaften u.a.) oder deren Unterordnung unter die Partei sowie die mangelhafte Weiterentwicklung des Programms. Die Partei ist keinesfalls unfehlbar und vor Fehlentwicklungen geschützt. Ist die Degeneration unumkehrbar, müssen Revolutionäre den offenen Bruch vollziehen und eine neue Partei aufbauen, um die Führungskrise des Proletariats zu überwinden.

Diese Krise begann bereits vor über 150 Jahren bei der Formierung der Sozialdemokratie mit einer unzureichenden „zentristischen“ Programmatik. Nach der Kapitulation der Sozialdemokratie 1914 formierte sich die kommunistische Bewegung in Gestalt der III. Internationale. Die Degeneration der Bolschewiki und der UdSSR in den 1920ern beeinflusste die gesamte III. Internationale, die spätestens ab 1933 keine revolutionäre Kraft mehr war. Eine, aber nicht die einzige Ursache dieser Fehlentwicklung war deren unzureichende Programmatik. Sie war zu stark staatsorientiert und unterschätzte die Bedeutung der sozialen Selbstorganisation der Klasse. U.a. die Nichtüberwindung dieses zentralen programmatisch-konzeptionellen Mankos des “Leninismus“ hinderte die IV. Internationale daran, zu einer neuen revolutionären Klassenführung zu werden.

Die heutige Linke – alle ihre Ismen, Strömungen, Gruppierungen und „Internationalen“ – zeigen sich mehr oder weniger unfähig, die historische Führungskrise des Proletariats zu überwinden. Dazu sind sie programmatisch zu schwach besaitet, dazu sind sie zu sektiererisch oder/und zu opportunistisch, dazu passen sie sich den „links-bürgerlichen“ Ideologien und Bewegungen an, anstatt sie zu kritisieren. Keine der existierenden Gruppierungen und Strömungen hat genügend Substanz, die Krise zu lösen.

Die Arbeiterklasse ist heute v.a. in den imperialistischen Zentren, nicht (mehr) revolutionär orientiert. Das war sie auch früher in der Mehrzahl nicht, doch früher gab es eine tw. starke und gut organisierte revolutionäre Minderheit, die potentiell in der Lage war, revolutionäre Situationen erfolgreich zu nutzen. Die „Entrevolutionierung“ der Arbeiterklasse, die sich auch in der Schwäche der „radikalen Linken“ äußert, ist nicht, wie viele Bürgerliche (darunter die Frankfurter Schule) behaupten, ein notwendiges und unvermeidbares Ergebnis objektiver sozialer Entwicklungen (die gleichwohl eine Rolle spielen), sondern wesentlich Ergebnis 1. der Aufschwungs- bzw. Stabilisierungsphase des Imperialismus v.a. nach 1945. Diese war freilich wiederum nur möglich, weil der Stalinismus mehrere revolutionäre Möglichkeiten (China 1927, Frankreich 1934, Spanien 1936, Griechenland 1944-46 u.a.) vereitelt und dramatische Niederlagen für die Arbeiterbewegung gebracht hat. Diese Phase der konterrevolutionären Stabilisierung ging in den 1990ern zu Ende, als die Periode des Spätimperialismus begann. Diese ist durch mehr Krisen, Konflikte und Kriege, aber auch durch mehr Widerstand gekennzeichnet und kann die Neuformierung und Reorganisation der revolutionären Linken befördern.

2. gab es durch die Marginalisierung und die Degeneration der (subjektiv) revolutionären Linken keinen Faktor mehr, der auf das Proletariat einwirken konnte. Der „Marxismus“ als einzige Doktrin, die eine konsequent materialistisch-wissenschaftliche Weltsicht ermöglicht, degenerierte zunehmend und wurde (v.a. was dessen „Pflege“ durch die organisierte Linke anbetrifft) zu einem Kanon von Klassikerzitaten, zu einem dogmatischen Denkgebäude. Die drei methodischen Grundpfeiler des Marxismus – Materialismus, Dialektik und historische Kritik – erodierten immer mehr und hinkten den Entwicklungen und Herausforderungen der Zeit immer weiter hinterher. Anstatt der Arbeiterklasse völlige Verbürgerlichung, Revolutionsunlust, ja Klassenkampfmüdigkeit zu attestieren, sollten die Ärzte am Krankenbett des Proletariats ihre Rezepte und Behandlungsmethoden überprüfen!

    Neue Arbeiterpartei

    Wenn das Fehlen einer revolutionären Partei, die diesen Namen wirklich verdient, heute (und schon lange) das zentrale Problem des Klassenkampfes ist, dann sollte der Aufbau einer solchen Organisation die Hauptaufgabe von Antikapitalisten sein. Doch weit gefehlt! Die Szene der „radikalen Linken“, die hierzulande immer noch Zehntausende umfasst, befasst sich mit dieser Aufgabe so gut wie gar nicht. Alle Gruppen igeln sich ein und machen es sich in ihrem ideologischen Glashaus gemütlich. Ihre praktische Kooperation im Klassenkampf ist sehr überschaubar. Von einer gemeinsamen Diskussion zur Erarbeitung einer neuen Programmatik und einer historisch fundierten Auswertung der Erfahrungen vergangener Klassenkämpfe ist nichts zu spüren. Allen geht es nur darum, die Richtigkeit ihres jeweiligen Ismus zu begründen.

    Die Folge ist, dass es in der linken Szene momentan keinen realen Impuls dafür gibt, eine neue Arbeiterpartei aufzubauen und diese Frage wenigstens zu diskutieren. Die Initiative Aufruhrgebiet ist derzeit die einzige, die dafür wirkt.

    Aktuell geht es deshalb darum, ein erstes kleines Milieu von Individuen, Gruppen oder Teilen davon zu einer Initiative für eine neue Arbeiterpartei zu formieren. Diese hätte noch nicht die Aufgabe, eine neue Organisation zu „kreieren“, sondern a) die Aufgabe des Aufbaus einer neuen Arbeiterpartei zu popularisieren, b) dazu eine theoretisch-programmatische Diskussion zu initiieren und c) die praktische Kooperation im Klassenkampf zu verbessern. Diese Vorarbeit muss möglichst bald beginnen, um bei einer Zuspitzung von sozialen und politischen Konflikten rechtzeitig mit einer Struktur am Start sein zu können. Natürlich kann eine neue Massenpartei nicht in der Retorte entstehen, sie kann nur im Zusammenhang mit Kämpfen der Arbeiterklasse und mit politischen Differenzierungen entstehen. Doch sie ist eben nicht nur Resultat dessen, sondern Ergebnis einer Kombination: Chance muss auf Vorbereitung treffen.

    https://aufruhrgebiet.de/2024/11/ist-die-arbeiterklasse-revolutionaer-teil-1-von-2

    Ist die Arbeiterklasse revolutionär? (Teil 1 von 2)

    Hanns Graaf

    In unserer dreiteiligen Artikelreihe „Zur Klassenstruktur des Spätimperialismus“ haben wir dargestellt, dass es die Arbeiterklasse auch heute noch gibt und welche Veränderungen sich in ihrer Struktur vollzogen haben. In diesem Beitrag wollen wir uns nun den Fragen widmen, ob die Arbeiterklasse heute (noch) revolutionär ist.

    Nach Marx definiert sich eine Klasse dadurch, welche Stellung sie innerhalb einer bestimmten historischen Produktionsweise einnimmt und v.a. durch ihr Verhältnis zu den Hauptproduktionsmitteln. Proletarier, also eigentumslose Lohnabhängige, gab es zwar schon vor Jahrtausenden, doch erst mit der industriellen Produktion des Kapitalismus wurde sie zu einer massenhaften Klasse. Für Marx war das Proletariat die „einzig konsequent revolutionäre“ Klasse. Die Position, dass alle Klassen außerhalb des Proletariats nur „eine konterrevolutionäre Masse“ seien, wie es im „Gothaer Programm“ der Sozialdemokratie von 1875 stand, kritisierte er scharf. Er verwies in seinen Schriften mehrfach darauf, dass z.B. die Bourgeoisie in ihrer Aufstiegsphase revolutionär war. Auch die Bauern oder das Kleinbürgertum können in bestimmten Momenten revolutionär agieren.

    Doch Marx war klar, dass die nichtproletarischen Klassen und Schichten durch ihre diversen Verbindungen zum Privateigentum oder durch das Bestreben, ihr Privateigentum zu verteidigen oder zu vergrößern, nie aus eigenem Antrieb konsequent (!) revolutionär und pro-sozialistisch handeln können, sondern nur unter Führung und durch den Einfluss der Arbeiterklasse. In diesem Sinn kommt ihr die Aufgabe zu, die Gesellschaft auch im Interesse der anderen nicht-unterdrückerischen Klassen und Schichten umzuwälzen.

    Warum verstand Marx die Arbeiterklasse als „einzig konsequent revolutionäre“ Klasse? Diese Qualität ergibt sich wesentlich daraus, dass das Proletariat nicht von der Ausbeutung und Unterdrückung anderer Menschen lebt, weil es keine Produktionsmittel besitzt, die das überhaupt ermöglichen würden. Es besitzt keinen Reichtum, den es verteidigen könnte, und hat auch nicht die Möglichkeit, sich mittels ihrer Lohnarbeit Reichtum anzueignen. Es gibt also weder ein objektives Interesse noch eine objektive Möglichkeit, dass Arbeiterinnen und Arbeiter ihre Lage als Ausgebeutete und Unterdrückte wesentlich verbessern könnten – außer durch die Überwindung des Kapitalismus, des Lohnarbeitssystems und des Privateigentums an Produktionsmitteln.

    Dazu kommen noch zwei weitere wesentliche Eigenschaften der Arbeiterklasse. Erstens ist sie eng mit der modernen industriellen Produktion, mit Wissenschaft und Technik – also im weiteren Sinn mit der Entwicklung der modernen Produktivkräfte – verbunden. Wie weitsichtig diese Charakterisierung der Arbeiterklasse durch Marx war, zeigen die Veränderungen ihrer Stellung im Kapitalismus. Zu Marx´ Zeiten gehörten Menschen, die als Wissenschaftler arbeiteten, die studiert hatten oder Ingenieure waren, nicht zur Arbeiterklasse, was Marx mehrfach betonte. Die Mehrheit der Arbeiterschaft im 19. Jahrhundert war ungelernt oder angelernt und verfügte über wenig Bildung. Im Zuge der Entwicklung des Kapitalismus hat sich das gewaltig verändert. Der Bildungsstand der Arbeiterklasse hat sich deutlich erhöht, Techniker und Ingenieure bilden zwar oft noch eine besondere Gruppe innerhalb des Proletariats (ein Teil von ihnen zählt auch nicht zum Proletariat), doch insgesamt hat sich ein Prozess der Proletarisierung der „gehobenen werktätigen Schichten“ vollzogen. Ein großer und weiter wachsender Teil der Lohnabhängigen hat eine höhere oder akademische Bildung – sie sind aber ansonsten „normale“ Beschäftigte ohne besondere soziale Privilegien. Hier zeigt sich, dass Marx´ Einschätzung der Arbeiterklasse nicht eine Momentaufnahme war, sondern mit der historischen Entwicklungstendenz des Kapitalismus und der Arbeiterklasse übereinstimmt.

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    Fakes und Fakten – Anmerkungen zum Umweltteil des Programms der Gruppe ArbeiterInnenmacht

    Hanns Graaf

    Die Gruppe ArbeiterInnenmacht (GAM) ist eine jener Miniorganisationen, die sich immerhin dadurch positiv auszeichnen, dass sie Wert auf Programmatik legen und ihr Programm regelmäßig aktualisieren. Wir besprechen hier das 7. Kapitel des GAM-Programmes, das im Januar 2024 beschlossen wurde und sich mit der Umweltproblematik befasst (Link).

    Gleich zu Beginn wird ein düsteres Bild der globalen Umwelt-Situation gemalt. „Die Beschleunigung der globalen Erwärmung, der Verlust an Biodiversität, die Entkopplung von Nährstoffkreisläufen, globale Landnutzungsänderungen und die Zunahme von anthropogenen Stoffeinträgen in die Umwelt stellen die Menschheit vor schwerste Herausforderungen. Gleichzeitig rückt der Zeitpunkt näher, ab dem das Überschreiten von „Kipppunkten“ im Weltklimasystem nicht mehr verhindert werden kann.“

    Ist die ökologische Katastrophe unausweichlich?

    Die meisten der genannten Probleme sind durchaus real. Trotzdem sind hier schon einige kritische Anmerkungen nötig: Es wird an keiner Stelle des Programms darauf eingegangen, dass in den letzten Jahrzehnten auch viele gesetzgeberische und technische Maßnahmen ergriffen wurden, um ökologische Probleme zu lösen oder zu minimieren, v.a. in den imperialistischen Ländern. Anders sieht es aber in der „3. Welt“ aus, wohin die Probleme der „1. Welt“ oft ausgelagert werden. Die GAM suggeriert, dass der Kapitalismus nicht in der Lage wäre, ökologische Probleme zu lösen, so dass der Weg in die Katastrophe unvermeidbar bzw. nur durch den Sozialismus zu verhindern wäre. Das liest sich dann so: „Weder Green Deal der EU noch „Fortschrittskoalition“ haben entscheidende Schritte im Kampf gegen die Zerstörung unserer Lebensgrundlagen getätigt.“ Als Begründung der im Kapitalismus systemisch angelegten Umwelt-Apokalypse heißt es: „Die Kapitalakkumulation drängt nach ständigem Wachstum zur Sicherung der Profite und damit zu Ressourcenverschwendung. (…) Bessere Umweltstandards, welche die Profite schmälern, sind da nachteilig. Diese Logik unterminiert jede „Ökologisierung“ der Marktwirtschaft.“

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    Vor einer neuen Weltordnung?

    Hanns Graaf

    Das jüngste Treffen der Staatschefs der BRICS-Länder in Kasan hat erneut die Aufmerksamkeit der Welt angezogen. Während es die Anhänger der westlichen „Wertegemeinschaft“ eher als Konkurrenz und Bedrohung ihres vom US-Kapital beherrschten Blocks der G7 ansehen, sehen viele Linke das BRICS-Projekt als Alternative dazu, die eine neue multipolare, auf Interessenausgleich, Gleichberechtigung und friedliche Konfliktlösungen basierende globale Ordnung ermöglichen würde. Sind diese Erwartungen gerechtfertigt?

    Was sind die BRICS?

    Die Abkürzung steht für die Länder, die sich 2009 zu einer zwischenstaatlichen Struktur zusammengeschlossen haben und seitdem jährliche Gipfeltreffen durchführen: Brasilien, Russland, Indien, China und seit 2009 Südafrika. Am 1. Januar 2024 traten Iran, Ägypten, Äthiopien und die Vereinigten Arabischen Emirate bei. Am 2. September 2024 beantragte die Türkei offiziell den Beitritt zum Block. Zahlreiche andere Länder stehen in Kontakt zu den BRICS bzw. beabsichtigen, ebenfalls beizutreten. Auch Saudi-Arabien, obwohl offiziell noch nicht Mitglied, beteiligt sich an den Aktivitäten der Organisation.

    Die BRICS unterscheiden sich deutlich vom westlichen Block, der sich um die USA gruppiert und in Strukturen wie der NATO, den G7 u.a. verbunden ist. Dieser Block hat nicht nur mit den USA eine klare Führungsnation, die nach wie vor die stärkste Macht in der Welt ist, sie ist in sich auch – trotz aller Differenzen und der Konkurrenz zwischen den einzelnen imperialistischen Mächten –  einheitlicher strukturiert, weil er nur aus imperialistischen Staaten besteht. Die BRICS hingegen bestehen aus imperialistischen Ländern (China, Russland), „aufstrebenden“ Halbkolonien (Brasilien, Südafrika u.a.) und abhängigen Ländern wie Äthiopien u.a., die sich an den BRICS orientieren. Mit China haben auch die BRICS eine dominierende Macht, doch hat China nicht den Zugriff auf die Welt bzw. „seinen“ Block wie die USA, v.a. militärisch.

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    Etatismus im Spätimperialismus

    Hannah Behrendt

    Wir gehen von der grundlegenden These aus, dass der Imperialismus in den 1990er Jahren in eine  neue Periode, den Spätimperialismus, eingetreten ist. Wir skizzieren hier zunächst einige ökonomische Tendenzen, die wichtig sind für das Verständnis des modernen Kapitalismus und auch seiner etatistischen Elemente. Welche Tendenzen sind das u.a.?

    Die Überakkumulation

    Der Umfang der Produktion von Gütern (und umso mehr die Produktionskapazitäten) übersteigen immer mehr die kaufkräftige (!) Nachfrage. Zwar sind seit den 1990ern neue Märkte, die zuvor der Kapitalverwertung des westlichen Imperialismus weitgehend verschlossen waren (Ostblock, China), in den Weltmarkt reintegriert worden, doch da auch dort, v.a. in China und vielen Schwellenländern, der wirtschaftliche Output erhöht wurde, konnte das Problem der Überakkumulation von Gütern und Kapital zeitweise gemindert, aber nicht gelöst werden. Hinzu kommt, dass Teile der „3.Welt“, v.a. Afrika, zunehmend verarmen und selbst als relevante Konsummärkte ausfallen. Auch die Finanzkrise von 2008/09 und die Corona-Krise haben nur in unzureichendem Maße dafür gesorgt, dass Überkapazitäten durch Pleiten vernichtet wurden, so z.B. in der Autoindustrie. Allein die in Gebrauchtwagen-Märkten, in Autohäusern und auf Flächen der Hersteller stehenden PKW zählen weltweit nach Millionen.

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    Fritz Vahrenholt: Die Erwärmung der letzten Jahre ist eine Folge der gestiegenen Sonneneinstrahlung und hat wenig mit CO2 zu tun

    Vorbemerkung: Den folgenden Beitrag übernehmen wir mit freundlicher Genehmigung des Autors. Der monatliche Newsletter von Prof. Dr. Fritz Vahrenholt kann unter vahrenholt.net kostenlos abonniert werden. Redaktion Aufruhrgebiet

    Fritz Vahrenholt

    Sehr geehrte Damen und Herren,

    die seit 2023 ungewöhnlich starke Erwärmung der globalen Temperaturen hält an. Und obwohl der starke El Nino von 23/24 vorüber ist, bleiben die Temperaturen hoch. Ich habe an dieser Stelle auf zwei mögliche Einflüsse der Erwärmung hingewiesen. Zum einen ist der  Ausbruch des Unterwasservulkans Hunga Tonga 2022 zu nennen, der eine Wassersäule in die Stratosphäre emporschleuderte und dort die Konzentration an Wasser (dem wichtigsten Treibhausgas)  um 15 % erhöhte und dadurch einen Erwärmungseffekt von wenigen Zehntel Grad mit sich brachte.

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    Der Antimilitarismus der Kommunistischen Plattform

    Hannah Behrendt

    Die „Kommunistische Plattform“ (KPF) in der Linkspartei hat entsprechend eines Beschlusses des Bundeskoordinierungsrates der KPF vom 15. Juni 24 einen Antimilitarismus-Antrag an den Hallenser Parteitag, der vom 18.-20. Oktober 24 stattfindet, initiiert.

    Wir wollen diesen Antrag hier bewerten, weil er sehr gut zeigt, welchen Charakter die Politik der KPF hat. Aufgrund der Kürze des Antrags stellen wir ihn vollständig unseren Anmerkungen voran.

    „Schluss mit der Kanonen-statt-Butter-Politik!

    Der deutsche Militarismus hat im vergangenen Jahrhundert maßgeblich nicht nur unseren Kontinent zweimal ins Verderben gestürzt. Sowohl im Zusammenhang mit dem Ersten als auch dem Zweiten Weltkrieg sahen die hierzulande Herrschenden in der militärischen Gewalt das wichtigste Mittel zur
    Lösung außenpolitischer Fragen. Das kostete im Ersten Weltkrieg mehr als 15 Millionen Menschen das Leben. Der deutsche Faschismus machte den deutschen Militarismus zu einer unfassbar grausamen, chauvinistischen Ausgeburt des Völkerhasses und des Völkermords. Sechs Millionen europäische Jüdinnen und Juden wurden industriell ermordet. Eine halbe Million Sinti und Roma fielen dem Völkermord zum Opfer und 27 Millionen Bürgerinnen und Bürger der Sowjetunion überlebten den Vernichtungskrieg Hitlerdeutschlands nicht. Insgesamt kamen im Zweiten Weltkrieg mehr als 65 Millionen Menschen um. Keine andere Schlussfolgerung konnte es aus diesem Gemetzel geben als: „Nie wieder Krieg und Faschismus“.

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    AfD: Verbot als Lösung?

    Hanns Graaf

    Seit Jahren geistert die Idee eines Verbots der AfD durch Politik und Medien. Nun haben die Erfolge der AfD bei drei Landtagswahlen im Osten, wo sie jeweils um die 30% erreichte, die Frage erneut auf die Tagesordnung gesetzt. So hat eine Parlamentariergruppe des Bundestags – von der Union, über die SPD und die Grünen bis zur LINKEN – einen Antrag für ein Verbot der AfD eingebracht. Dieser müsste aber im Bundestag eine Mehrheit finden und vom Bundesverfassungsgericht positiv beschieden werden.

    Die Gegner der AfD und die Befürworter des Verbots berufen sich darauf, dass Teile der AfD und einige ihrer Funktionäre wie Bernd Höcke vom Verfassungsschutz beobachtet werden und als „rechtsradikal“ und „verfassungsfeindlich“ eingestuft wurden. Es bedarf keiner großen Beweisführung dafür, dass die AfD und viele ihrer Funktionäre rassistisches Denken vertreten, den Nationalsozialismus relativieren und mit rechtsradikalen Milieus kooperieren. Zudem ist die Partei seit ihrer Gründung immer weiter nach rechts gerückt.

    Die Frage ist nun aber, ob die AfD in ihrer Programmatik, in ihrer Praxis und hinsichtlich ihres Spitzenpersonals als rechtsradikal oder faschistisch bezeichnet werden kann? Diese Frage hängt mit einer weiteren zusammen: Was ist Faschismus?

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