Der Spätimperialismus (Teil 2 von 2)

Hanns Graaf

Ab Ende des 20. Jahrhunderts markieren verschiedene Prozesse und Faktoren eine neue Periode des Kapitalismus: den Spätimperialismus. Er weist u.a. folgende Merkmale auf:

  • 1989/90 brach der Stalinismus zusammen. Chinas Staatskapitalismus kollabierte nicht wie in Osteuropa, sondern gewann durch das Anziehen westlichen Kapitals und die Ausweitung des privaten Sektors an Dynamik.
  • Die ab den 1990ern forcierte Globalisierung beruhte a) auf der Ausweitung des (westlichen) Weltmarktes nach Osten und der damit verbundenen Nutzung von Billigarbeit und der Zurückdrängung staatlicher Regulierungen (Umwelt, Steuern, soziale Standards, Binnenmarktschutz usw.) und b) auf der Verbilligung und Rationalisierung des Seetransports (Container, Digitalisierung der Logistik, größere Schiffe).
  • Der Kollaps des staatskapitalistischen Ostblocks (der meist irrtümlich als „sozialistisch“ angesehen wird), war mit der Niederlage v.a. jener Teile der Linken und der Arbeiterbewegung verbunden, die sich auf ihn positiv bezogen. Die ideologische Offensive des Neoliberalismus, jahrzehntelange Niederlagen und der Druck der Globalisierung drängten die Linke und die Arbeiterbewegung insgesamt in die Defensive und verstärkten die Degeneration der „revolutionären Linken“.
  • Die Digitalisierung hat viele wirtschaftliche und soziale Abläufe effektiviert und öffnete riesige neue Anlagesphären.
  • Durch die neoliberale Zurückdrängung bzw. Privatisierung vormals staatlicher Bereiche erschloss sich das Privatkapital neue, lukrative Profitquellen.
  • Etablierte Formen des Verhältnisses Proletariat-Bourgeoisie (Sozialpartnerschaft) wurden ausgedünnt, prekäre Arbeitsverhältnisse nahmen zu.
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Der Staat im Kapitalismus

Hanns Graaf

Marx und Engels beschrieben schon 1847 im „Kommunistischen Manifest“, wie sich die Bourgeoisie zur ökonomisch stärksten Klasse entwickelte und sich schließlich mit dem „modernen Repräsentativstaat die ausschließliche politische Herrschaft“ erkämpfte. „Die moderne Staatsgewalt ist nur ein Ausschuss, der die gemeinschaftlichen Geschäfte der ganzen Bourgeoisklasse verwaltet.“ (MEW 4, 464)

Die Art und Weise, wie sich das Bürgertum gegen den Feudalismus durchsetzte, variierte von Land zu Land, und so unterschied sich auch der aus der jeweiligen Entwicklung hervorgegangene Staatsapparat. Er ist bedingt durch den Stand der Produktivkräfte, die Klassenstruktur, internationale Einflüsse und den Klassenkampf. Die konkrete Gestalt des bürgerlichen Staatsapparates entscheidet nach Marx und Engels darüber, ob das Proletariat diesen Staatsapparat in der Revolution zerschlagen muss oder „nur“ umzuwandeln braucht. So hielten sie es für möglich, dass die Arbeiterklasse in den USA und in England friedlich zum Sozialismus kommen könne, da es dort damals keine größere bürokratisch-militaristische Staatsmaschinerie gab. (MEW 18, 160) In einem Brief an Philipp van Patten schrieb Engels, dass das Proletariat den bürgerlichen Staat nicht zerstören darf. Vielmehr müsse es diesen in Besitz nehmen, ihn dann allerdings bedeutend verändern und zur Unterdrückung des Widerstandes der Kapitalistenklasse nutzen. (MEW 19, 344f) Marx und Engels bestanden aber darauf, dass der Staat in der nachkapitalistischen Ära absterben solle und könne.

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