Wen wählen?

Hannah Behrendt

Die kommenden Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg stehen unter besonderen Vorzeichen und dürften mehr bundespolitische Bedeutung haben als andere Landtagswahlen, obwohl die drei Bundesländer zu den kleineren zählen. Die Besonderheit dieser Landtagswahlen ergibt sich aus mehreren Fragen:

  • sie werden höchstwahrscheinlich krachende Niederlagen für die Ampel-Parteien bringen und könnten evtl. sogar zum vorzeitigen Ende der Ampel beitragen;
  • die AfD könnte so stark werden, dass es schwer wird, eine Mehrheitsregierung ohne sie zu bilden – zudem alle Parteien angekündigt haben, nicht mit der AfD koalieren zu wollen;
  • das BSW tritt (nach der Europawahl) zum ersten Mal in einer innenpolitischen Wahl an;
  • die Frage, wie Deutschland zum Ukrainekrieg steht, spielt eine große Rolle;
  • mindestens genauso wichtig ist Frage der Migration.
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Quo vadis BSW?

Hanns Graaf

Das Interesse am BSW ist groß. Zehntausende möchten Unterstützer oder Mitglied werden. Sie wollen, dass die Kriegs- und Aufrüstungspolitik beendet wird; dass der Aufstieg der AfD, der Viele besorgt, gestoppt wird; dass die ruinöse Ampelpolitik aufhört. Sie lehnen die „links-grüne“ Ideologie mit Genderwahn, Cancel culture u.a. „Trends“, die an den Lebensinteressen der Massen vorbei gehen, ab. Wagenknecht hat diese auch von der Linkspartei verfolgte pseudo-linke Politik kritisiert, v.a. deren inkonsequente Haltung zum Ukraine-Krieg. Sie blieb standhaft gegen den Mainstream der Kriegstreiber und rief mit Alice Schwarzer zur ersten großen Friedens-Kundgebung auf. All das hat Wagenknecht zu recht viel Sympathie eingebracht.

Erfahrungen und Lehren

Das BSW ist nicht der erste Versuch, eine neue linke Kraft aufzubauen. Schon 2005 entstand die WASG, die dann 2007 mit der PDS zur LINKEN fusionierte. Beide waren reformistische Formationen. Die LINKE setzte auf eine rot/rot/grüne Regierung, was sie nach einem kurzen Zwischenhoch letztlich in die aktuelle existentielle Krise stürzte.

Noch mehr Interesse weckte 2018 die von Wagenknecht initiierte Bewegung „Aufstehen“. Heute gibt es davon nur noch Reste. Der Niedergang von „Aufstehen“ hat mehrere Gründe, die mit der  Wagenknecht-Führung zu tun haben:

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Was ist los mit dem Bündnis Sahra Wagenknecht?

Vorbemerkung: Wir übernehmen diesen Artikel mit freundlicher Genehmigung der Autoren. Redaktion Aufruhrgebiet.  

Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann (www.freidenker.org)

Die Abgeordneten zweier Parteien sind dem Auftritt von Wolodymyr Selenskyj im Bundestag am 11. Juni 2024 ferngeblieben: AfD und BSW. Die AfD-Fraktion ist mit folgender Begründung ihrer Fraktionsvorsitzenden Alice Weidel und Tino Chrupalla dem Auftritt von Selenskyj ferngeblieben: „Wir lehnen es ab, einen Redner im Tarnanzug anzuhören. Selenskyjs Amtszeit ist abgelaufen. Er ist nur noch als Kriegs- und Bettelpräsident im Amt. Die Ukraine braucht jetzt aber keinen Kriegspräsidenten, sie braucht einen verhandlungsbereiten Friedenspräsidenten, damit das Sterben aufhört und das Land eine Zukunft hat…. Jetzt soll deutsches Steuergeld verschleudert werden für BlackRock und andere Investoren, die am Wiederaufbau beteiligt sind. Das lehnen wir ab… Jetzt ist höchste Zeit für Frieden und Diplomatie.“

Eine NATO-konforme Formulierung kommt darin nicht vor. Anders ist das in der BSW-Gruppe. Ihre Erklärung, warum sie Selenskyjs Auftritt meidet, beginnt mit den Sätzen: „Als Gruppe BSW im Bundestag verurteilen wir den völkerrechtswidrigen Krieg Russlands in der Ukraine. Den Opfern dieses Krieges gelten unsere Solidarität und unser Mitgefühl. Allen, die dafür verantwortlich sind, das Leid und das Sterben in der Ukraine zu verlängern, gilt unser entschiedener Widerstand…“ Damit bedient sie das tragende NATO-Narrativ. Das ist nicht neu bei Sahra Wagenknecht und dem BSW.

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Die große Unterwanderung

Hanns Graaf

Angesichts der Krise der Linkspartei und der Gründung der Wagenknechtpartei BSW kursieren zunehmend Meinungen, die die Krise der LINKEN erklären sollen. Es ist nicht neu, dass reformistische oder stalinistische Organisationen ihre Fehler und Probleme gern damit erklären, dass es „feindliche Kräfte“ gebe, die eine erfolgreichere Politik verhindern würden. Nun soll damit auch der Niedergang der LINKEN und von „Aufstehen“ erklärt werden. Überraschend ist dabei allenfalls, dass „die Trotzkisten“ – frei nach dem Motto „Das Unterwandern ist des Trotzkisten Lust“ – daran schuld wären. Das ist schon deshalb ziemlich absurd, weil „der Trotzkismus“ in Deutschland viel zu schwach, politisch impotent und zersplittert ist, um eine Massenpartei aus der Bahn werfen zu können.

Hintergrund

2005 entstand die „Wahlalternative für Arbeit und soziale Gerechtigkeit“ (WASG) als Reaktion auf die Agenda-Politik der SPD/Grünen-Regierung unter Schröder und Fischer. Die WASG stand kritisch zu deren besonders rechter reformistischer Politik, verblieb konzeptionell aber vollständig im Rahmen des Reformismus. Trotzdem war die WASG die erste und bedeutendste Absetzbewegung von der SPD nach 1945 und ein Ausdruck ihrer zunehmenden Krise, durch die sich deren Mitgliedszahl von einer Million (1990) auf gegenwärtig unter 400.000 verringert hat. Arbeiterinnen und Arbeiter haben sich als Mitglieder und Wähler weitgehend von der SPD abgewandt.

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Ein abgekartetes Spiel

Hannes Hohn

Bund und Länder haben sich auf die Einführung einer Bezahlkarte für Flüchtlinge geeinigt. Der Bundestag beschloss die entsprechende Regelung mit den Stimmen der Ampelparteien, der AfD und des BSW. Dagegen stimmten die LINKE und die Unionsfraktion.

Mit der Bezahlkarte sollen Migranten als Bürgergeldempfänger künftig ihre Einkäufe bezahlen. Was zunächst als rein technische Maßnahme erscheint, ist jedoch ein Akt, der mit der absichtlichen Diskriminierung und Benachteiligung von Bürgergeldempfängern durch den bürgerlichen Staat einhergeht. Zwar erhalten Migranten auch künftig noch andere Leistungen, die nicht von der Bezahlkarte abhängen sowie Bargeld, aber letzteres in geringerem Umfang als bisher. Als Hauptargument führen die Befürworter an, dass Migranten Geld in ihre Herkunftsländer überweisen würden. Das ist zwar so, allerdings sind die Beträge angesichts der bescheidenen Höhe des Bürgergelds gering; zudem haben sie dort auch einen positiven sozialen Effekt. Am behaupteten „Missbrauch“ des Bürgergeldes ändert die Bezahlkarte fast nichts, da dessen Hauptteil für Lebensmittel verwendet werden muss, und es egal ist, ob die bar oder mit Karte bezahlt werden. Das Überweisungs-Argument erweist sich also schnell als vorgeschoben. Dazu kommt, dass die in die Herkunftsländer transferierten Gelder letztlich nur ein mehr als bescheidener Ausgleich für die permanente Ausplünderung des globalen Südens durch den imperialistischen Norden sind.

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Wo bleibt die Antikriegsbewegung?

Hannah Behrendt

Die Umfragen zum Ukrainekrieg, zur Frage der Waffenlieferungen, zu Taurus usw. zeigen ein differenziertes Bild. Einerseits ist eine Mehrheit der Bevölkerung der Meinung, dass Russland die Schuld am Krieg trägt, die Ukraine das Opfer wäre und deshalb vom Westen unterstützt werden müsse. Frieden wäre erst möglich, wenn Russland besiegt ist. Diese Haltungen in der Bevölkerung sollten jedoch nicht vorschnell mit einer Kriegshysterie verwechselt werden, denn hinter ihnen steht ja auch der Wunsch, den Krieg möglichst bald zu beenden.

Andererseits gibt es aber eine Mehrheit gegen die Lieferung der Taurus-Marschflugkörper, weil man – zu recht – eine Ausweitung des Krieges und das noch tiefere Hineinschlittern Deutschland in den Konflikt befürchtet. Die Zahl der Menschen, die sich vor Krieg fürchten, wächst.

Volkes Meinung?

Davon abgesehen, ob die Umfragen korrekt durchgeführt oder manipuliert werden, kann nicht einfach davon ausgegangen werden, dass sie „die“ Einstellung der Bevölkerung adäquat widerspiegeln. Schon Marx wusste, dass die herrschende Meinung meist die Meinung der Herrschenden ist. Wie selten sind sich fast alle Parteien – die Ampel wie die Unions-“Opposition“ – in der Ukraine-Politik trotz der Streitereien in Detailfragen einig: Deutschland muss die Ukraine militärisch wie finanziell gegen den „Aggressor“ Putin unterstützen. Tagein tagaus wird diese These über alle Kanäle verbreitet. Deutschland müsse kriegstüchtig gemacht und die Rüstungsausgaben erhöht werden, weil wir sonst von Russland überrollt würden. Letztere These ist allerdings komplett absurd, da Russland 1. schon die größten Schwierigkeiten hat, selbst die Ukraine zu besiegen, da 2. die Nato durch den Beitritt Schwedens und Finnlands gestärkt ist, weil 3. die Kooperation und Aufrüstung der Nato intensiviert wurde und 4. das militärische und wirtschaftliche Potential der Nato wesentlich größer ist als das Russlands. Ein Angriff Putins auf ein Nato-Land ist daher reine Angstmacherei und hat mit der Realität nichts zu tun.

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Zwischen allen Stühlen

Zur Position der GAM zum Ukrainekrieg

Hanns Graaf

Die trotzkistische Gruppe ArbeiterInnenmacht (GAM) versteht sich – wie ihre internationale Strömung, die „Liga für die Fünfte Internationale“ (LFI) – als revolutionäre und antiimperialistische Formation. Wie werden im folgenden Beitrag zeigen, warum sie diesem Anspruch aber nicht (mehr) gerecht wird. Dabei beziehen wir uns auf den aktuellsten Artikel der GAM zum Ukrainekrieg (https://arbeiterinnenmacht.de/2024/02/05/ukrainekrieg-und-kein-ende/).

Was heißt Antiimperialismus?

Lenin, Trotzki, Luxemburg u.a. bedeutende Marxisten standen für eine konsequent antiimperialistische Politik. Diese beruhte u.a. auf der Erkenntnis, dass die Aggressivität und Kriegstreiberei der imperialistischen Mächte seit Ende des 19. Jahrhunderts letztlich Ausdruck gegensätzlicher ökonomischer Interessen sind und nicht nur „falsche“ Politik. Der nationale Markt war dem Großkapital, den Konzernen und Banken, längst zu klein geworden. Daher hat Krieg heute immer das Potential, zu einem großen internationalen oder gar zum Weltkrieg zu werden. Daneben spielt auch die Rüstungswirtschaft als wichtiger Teil des Gesamtkapitals eine Rolle.

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Der (Um)Weg zur Partei

Hanns Graaf

Immer wieder gab es in der Geschichte Situationen, in der Revolutionäre nur eine kleine Minderheit stellten und es nicht auf direktem Weg möglich war, eine starke revolutionäre Partei aufzubauen. Deshalb wurden Taktiken entwickelt, die es ermöglichen sollten, durch das Eingreifen in politische Neu- oder Umgruppierungsprozesse bzw. durch das Agieren in reformistischen oder zentristischen Formationen mittels der Entrismustaktik (von franz. Eintreten) neue Kräfte für eine revolutionäre Politik zu gewinnen. Wie wollen diese Erfahrungen mit dem Projekt der Wagenknecht-Partei (BSW) vergleichen und einige taktische Schlüsse ziehen.

Beispiel 1: Die marxistische Linke in der USPD

1917 entstand die „Unabhängige sozialdemokratische Partei Deutschlands“ (USPD) als Abspaltung von der SPD. Sie war eine Reaktion auf den offenen Verrat der SPD-Führung an den nationalen und internationalen Prinzipien und Beschlüssen der Sozialdemokratie. Anstatt sich konsequent gegen Imperialismus und Krieg zu stellen und die Arbeiterklasse zu mobilisieren, kapitulierte die SPD-Spitze und betrieb eine Burgfriedenspolitik. Die USPD berief sich dagegen auf die alte SPD-Politik, weigerte sich aber, konsequent gegen die Politik der SPD-Führung zu kämpfen. Sie nahm eine zentristische „Mittelposition“ ein. In der USPD agierten auch die revolutionär-internationalistischen Kräfte um Luxemburg, Liebknecht, Zetkin u.a., die aus der SPD kamen.

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DIE LINKE vor dem Aus?

Hannah Behrendt

Was bedeutet die bevorstehende Gründung einer Wagenknecht-Partei für die Partei DIE LINKE?

Zweifellos wird Wagenknecht einen Teil der Funktionäre, der Mitglieder und Wähler der Linkspartei abspenstig machen. Da diese ohnehin schon unter die 5%-Hürde gerutscht ist, wird sie daher künftig nicht mehr im Bundestag sitzen, zumindest nicht als Fraktion oder Gruppe. Mit Glück könnte sie noch einen Direktkandidaten durchbringen, der aber medial kaum in Erscheinung treten würde. Diese Entwicklungen bedeuten auch erhebliche Mindereinnahmen der Partei.

Demgegenüber hätte die Wagenknecht-Partei Stand heute gute Chancen, über die 5%-Hürde zu kommen und als Fraktion im Bundestag vertreten zu sein. In die Länderparlamente könnte die LINKE weiter einziehen – aber nur im Osten. Von Bedeutung wird sie auch weiter auf kommunaler Ebene sein, wo sie auf ihre Erfahrungen, auf bewährte Kader und etablierte Strukturen zurückgreifen kann. Die Wagenknecht-Partei muss das oft erst aufbauen, obwohl es andererseits gerade im kommunalen Bereich auch viel Kooperation zwischen beiden Parteien geben könnte.

Der Verlust des Fraktionsstatus ist bitter, aber zum einen nicht neu – eine Legislatur lang hatte die LINKE nur zwei Abgeordnete -, zum anderen an sich keine Katastrophe, da eine linke Partei noch andere, und sogar wichtigere Arbeitsfelder haben sollte als das Parlament. Doch gerade hier ergibt sich ein Problem für die LINKE. Ihre starke, ja im Grunde einzige Ausrichtung auf den Parlamentarismus und auf das Mitregieren ist nur dann eine realistische Option, wenn sie mit einer starken Präsenz im Parlament, in den bürgerlichen Medien usw. verbunden ist. Diese wird der LINKEN künftig schmerzhaft fehlen.

Eine linke Partei, die sich wirklich für die Interessen der Lohnabhängigen engagiert, wäre über den Verlust parlamentarischer Präsenz auch nicht gerade froh, doch sie hätte auch so genug zu tun und die Möglichkeit, ihre Verankerung in der Basis wieder zu vergrößern und den Klassenkampf anzufachen. Davon ist die LINKE meilenweit entfernt, ja sie hat weder die Absicht, das zu tun, noch verfügt sie über das taktisch-programmatische Knowhow dafür.

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Saurer Wein in neuen Schläuchen

Hanns Graaf

Nach Monaten der Ankündigungen sind Sahra Wagenknecht und ihr Umfeld nun die ersten konkreten Schritte Richtung einer neuen Partei gegangen: Sie traten aus der LINKEN aus, gründeten den Verein „Bündnis Sahra Wagenknecht“ (BSW) und veröffentlichten einen Gründungsaufruf.

Eine politische Formation (noch dazu, wenn sie erst im Entstehen ist) kann man nicht nur danach beurteilen, was in einem Aufruf steht. Genauso verfahren leider etliche linke Kommentatoren und Gruppen. Diese sehen – völlig zu recht – den Aufruf als inhaltlich völlig unzureichend an und ziehen daraus vorschnell den Schluss, dass das Wagenknecht-Projekt nur rein reformistisch ist und daher eine Unterstützung oder gar Beteiligung daran falsch wäre. Dieser rein „ideologischen“ Herangehensweise muss entgegen gehalten werden, dass es 1. auch andere Faktoren gibt, die etwas über Wagenknechts Projekt aussagen. Dazu gehört etwa, dass es Wagenknecht war, die fast als einzige „Prominente“ gegen den Kriegskurs Deutschlands aufgetreten ist und zumindest eine große Kundgebung organisiert hat. Sie hat sich – im Unterschied zur LINKEN-Führung – oft rational und kritisch zu Fragen wie der Klimakatastrophistik, der Energiewende, der Corona-Hysterie usw. geäußert. Es ist nicht zufällig gerade jenes Milieu in und um die LINKE, die gegen den Kriegskurs der Ampel aktiv ist. Dazu zählt z.B. auch der Rest der von Wagenknecht einst initiierten Aufstehen-Bewegung.

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