Der (Um)Weg zur Partei

Hanns Graaf

Immer wieder gab es in der Geschichte Situationen, in der Revolutionäre nur eine kleine Minderheit stellten und es nicht auf direktem Weg möglich war, eine starke revolutionäre Partei aufzubauen. Deshalb wurden Taktiken entwickelt, die es ermöglichen sollten, durch das Eingreifen in politische Neu- oder Umgruppierungsprozesse bzw. durch das Agieren in reformistischen oder zentristischen Formationen mittels der Entrismustaktik (von franz. Eintreten) neue Kräfte für eine revolutionäre Politik zu gewinnen. Wie wollen diese Erfahrungen mit dem Projekt der Wagenknecht-Partei (BSW) vergleichen und einige taktische Schlüsse ziehen.

Beispiel 1: Die marxistische Linke in der USPD

1917 entstand die „Unabhängige sozialdemokratische Partei Deutschlands“ (USPD) als Abspaltung von der SPD. Sie war eine Reaktion auf den offenen Verrat der SPD-Führung an den nationalen und internationalen Prinzipien und Beschlüssen der Sozialdemokratie. Anstatt sich konsequent gegen Imperialismus und Krieg zu stellen und die Arbeiterklasse zu mobilisieren, kapitulierte die SPD-Spitze und betrieb eine Burgfriedenspolitik. Die USPD berief sich dagegen auf die alte SPD-Politik, weigerte sich aber, konsequent gegen die Politik der SPD-Führung zu kämpfen. Sie nahm eine zentristische „Mittelposition“ ein. In der USPD agierten auch die revolutionär-internationalistischen Kräfte um Luxemburg, Liebknecht, Zetkin u.a., die aus der SPD kamen.

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DIE LINKE vor dem Aus?

Hannah Behrendt

Was bedeutet die bevorstehende Gründung einer Wagenknecht-Partei für die Partei DIE LINKE?

Zweifellos wird Wagenknecht einen Teil der Funktionäre, der Mitglieder und Wähler der Linkspartei abspenstig machen. Da diese ohnehin schon unter die 5%-Hürde gerutscht ist, wird sie daher künftig nicht mehr im Bundestag sitzen, zumindest nicht als Fraktion oder Gruppe. Mit Glück könnte sie noch einen Direktkandidaten durchbringen, der aber medial kaum in Erscheinung treten würde. Diese Entwicklungen bedeuten auch erhebliche Mindereinnahmen der Partei.

Demgegenüber hätte die Wagenknecht-Partei Stand heute gute Chancen, über die 5%-Hürde zu kommen und als Fraktion im Bundestag vertreten zu sein. In die Länderparlamente könnte die LINKE weiter einziehen – aber nur im Osten. Von Bedeutung wird sie auch weiter auf kommunaler Ebene sein, wo sie auf ihre Erfahrungen, auf bewährte Kader und etablierte Strukturen zurückgreifen kann. Die Wagenknecht-Partei muss das oft erst aufbauen, obwohl es andererseits gerade im kommunalen Bereich auch viel Kooperation zwischen beiden Parteien geben könnte.

Der Verlust des Fraktionsstatus ist bitter, aber zum einen nicht neu – eine Legislatur lang hatte die LINKE nur zwei Abgeordnete -, zum anderen an sich keine Katastrophe, da eine linke Partei noch andere, und sogar wichtigere Arbeitsfelder haben sollte als das Parlament. Doch gerade hier ergibt sich ein Problem für die LINKE. Ihre starke, ja im Grunde einzige Ausrichtung auf den Parlamentarismus und auf das Mitregieren ist nur dann eine realistische Option, wenn sie mit einer starken Präsenz im Parlament, in den bürgerlichen Medien usw. verbunden ist. Diese wird der LINKEN künftig schmerzhaft fehlen.

Eine linke Partei, die sich wirklich für die Interessen der Lohnabhängigen engagiert, wäre über den Verlust parlamentarischer Präsenz auch nicht gerade froh, doch sie hätte auch so genug zu tun und die Möglichkeit, ihre Verankerung in der Basis wieder zu vergrößern und den Klassenkampf anzufachen. Davon ist die LINKE meilenweit entfernt, ja sie hat weder die Absicht, das zu tun, noch verfügt sie über das taktisch-programmatische Knowhow dafür.

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