Deutschland im Rechtsruck?

Hannah Behrendt

Viele linke Gruppen und Parteien meinen, es gebe einen politischen Rechtsruck. Das machen sie an der besonders rechten und militaristischen Politik der Ampelregierung fest, am Aufstieg der AfD und an der Krise der Linkspartei.

Es trifft sicher zu, dass die Ampel (und nicht anders die Unions-„Opposition“) eine Politik betreibt, die dem Land in besonderem Maße schadet: durch den Abbau sozialer Leistungen und Strukturen, die – tw. Selbstverschuldete – Inflation, die Verteuerung der Energie- und Wohnkosten und die Aufrüstungs- und Kriegspolitik. Doch selbst Teile der Bourgeoisie, v.a. das Kleinbürgertum und der Mittelstand, aber auch die besonders energieintensiven Teile der Industrie, werden gebeutelt. Viele Unternehmen und Standorte sind gefährdet. Die Ampel-Politik bedroht nicht nur die Profitmargen, sie vernichtet auch Arbeitsplätze und damit die Existenzgrundlage von Millionen. Die schon lange anhaltende Tendenz der Schwäche Deutschlands und der EU, ihr Zurückbleiben gegenüber China und den BRICS-Staaten, auch gegenüber den USA hat sich mit dem Kadavergehorsam Berlins und Brüssels gegenüber Washington und ihre Ukraine-Politik noch verstärkt.

Die AfD

Doch die Forderungen nach Neuwahlen gehen ins Leere, weil auch die Opposition weitgehend den Kurs der Ampel unterstützt, ja ihn mitunter noch intensivieren will, wie die Union es hinsichtlich der Forderung nach mehr Waffenlieferungen für Kiew demonstriert. In dieser Hinsicht ist sogar die AfD „fortschrittlicher“, weil sie die Ukraine-Politik der Ampel scharf kritisiert – allerdings von einer nationalistischen Grundlage aus. Die AfD ist der politische Ausdruck v.a. des Kleinbürgertums und rückständigerer Teile der Lohnabhängigen. Diese sind stärker vom nationalen Markt abhängig und weniger von der Globalisierung als das exportorientierte Großkapital und die DAX-Konzerne. Die „grüne“ Energiepolitik der Ampel wird vom Gros der Unternehmen abgelehnt, weil sie den Gewinn schmälert und Kostennachteile in der Konkurrenz bringt. V.a. kleinere Unternehmen können die Mehrkosten kaum tragen, haben aber auch nicht die Möglichkeit, ihre Produktion ins Ausland zu verlagern. Was viele Menschen, die Hoffnungen in die AfD haben, aber vergessen, ist, dass auch die AfD den höheren Rüstungsausgaben zugestimmt hat und von einem Austritt aus der NATO nichts wissen will. Ihre Wirtschafts- und Sozialpolitik ist neoliberal und massenfeindlich. Insofern ist die AfD keine Alternative zur Ampel oder zur Union, sondern nur eine andere Art von Übel: vom Regen in die Traufe – oder umgekehrt.

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DIE LINKE vor dem Aus?

Hannah Behrendt

Was bedeutet die bevorstehende Gründung einer Wagenknecht-Partei für die Partei DIE LINKE?

Zweifellos wird Wagenknecht einen Teil der Funktionäre, der Mitglieder und Wähler der Linkspartei abspenstig machen. Da diese ohnehin schon unter die 5%-Hürde gerutscht ist, wird sie daher künftig nicht mehr im Bundestag sitzen, zumindest nicht als Fraktion oder Gruppe. Mit Glück könnte sie noch einen Direktkandidaten durchbringen, der aber medial kaum in Erscheinung treten würde. Diese Entwicklungen bedeuten auch erhebliche Mindereinnahmen der Partei.

Demgegenüber hätte die Wagenknecht-Partei Stand heute gute Chancen, über die 5%-Hürde zu kommen und als Fraktion im Bundestag vertreten zu sein. In die Länderparlamente könnte die LINKE weiter einziehen – aber nur im Osten. Von Bedeutung wird sie auch weiter auf kommunaler Ebene sein, wo sie auf ihre Erfahrungen, auf bewährte Kader und etablierte Strukturen zurückgreifen kann. Die Wagenknecht-Partei muss das oft erst aufbauen, obwohl es andererseits gerade im kommunalen Bereich auch viel Kooperation zwischen beiden Parteien geben könnte.

Der Verlust des Fraktionsstatus ist bitter, aber zum einen nicht neu – eine Legislatur lang hatte die LINKE nur zwei Abgeordnete -, zum anderen an sich keine Katastrophe, da eine linke Partei noch andere, und sogar wichtigere Arbeitsfelder haben sollte als das Parlament. Doch gerade hier ergibt sich ein Problem für die LINKE. Ihre starke, ja im Grunde einzige Ausrichtung auf den Parlamentarismus und auf das Mitregieren ist nur dann eine realistische Option, wenn sie mit einer starken Präsenz im Parlament, in den bürgerlichen Medien usw. verbunden ist. Diese wird der LINKEN künftig schmerzhaft fehlen.

Eine linke Partei, die sich wirklich für die Interessen der Lohnabhängigen engagiert, wäre über den Verlust parlamentarischer Präsenz auch nicht gerade froh, doch sie hätte auch so genug zu tun und die Möglichkeit, ihre Verankerung in der Basis wieder zu vergrößern und den Klassenkampf anzufachen. Davon ist die LINKE meilenweit entfernt, ja sie hat weder die Absicht, das zu tun, noch verfügt sie über das taktisch-programmatische Knowhow dafür.

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Saurer Wein in neuen Schläuchen

Hanns Graaf

Nach Monaten der Ankündigungen sind Sahra Wagenknecht und ihr Umfeld nun die ersten konkreten Schritte Richtung einer neuen Partei gegangen: Sie traten aus der LINKEN aus, gründeten den Verein „Bündnis Sahra Wagenknecht“ (BSW) und veröffentlichten einen Gründungsaufruf.

Eine politische Formation (noch dazu, wenn sie erst im Entstehen ist) kann man nicht nur danach beurteilen, was in einem Aufruf steht. Genauso verfahren leider etliche linke Kommentatoren und Gruppen. Diese sehen – völlig zu recht – den Aufruf als inhaltlich völlig unzureichend an und ziehen daraus vorschnell den Schluss, dass das Wagenknecht-Projekt nur rein reformistisch ist und daher eine Unterstützung oder gar Beteiligung daran falsch wäre. Dieser rein „ideologischen“ Herangehensweise muss entgegen gehalten werden, dass es 1. auch andere Faktoren gibt, die etwas über Wagenknechts Projekt aussagen. Dazu gehört etwa, dass es Wagenknecht war, die fast als einzige „Prominente“ gegen den Kriegskurs Deutschlands aufgetreten ist und zumindest eine große Kundgebung organisiert hat. Sie hat sich – im Unterschied zur LINKEN-Führung – oft rational und kritisch zu Fragen wie der Klimakatastrophistik, der Energiewende, der Corona-Hysterie usw. geäußert. Es ist nicht zufällig gerade jenes Milieu in und um die LINKE, die gegen den Kriegskurs der Ampel aktiv ist. Dazu zählt z.B. auch der Rest der von Wagenknecht einst initiierten Aufstehen-Bewegung.

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Für eine neue Arbeiterpartei!

Redaktion Aufruhrgebiet

Warum ist die Linke so schwach? Warum ist die Arbeiterbewegung fast nur noch in der Defensive? Warum existiert so wenig Widerstand gegen die Kriegs- und Aufrüstungspolitik der Ampel und des Westens, dem Haupttreiber des Ukrainekonflikts?

Es gibt dafür viele Ursachen, doch ein zentraler Faktor ist, dass es keine kämpferische antikapitalistische Arbeiterpartei gibt, welche die Interessen der Lohnabhängigen vertreten könnte und als relevante Kraft wahrgenommen würde. Immer wieder gibt es Proteste, Streiks und Opposition – doch sie verlaufen meist im Sande oder haben wenig Effekt, weil sie politisch-programmatisch zu heterogen sind, weil sie von der Masse der Arbeiterklasse isoliert sind, weil ihnen eine allgemeine, historische Perspektive fehlt und sie meist nur „punktuelle“ Orientierungen haben.

Viele fortschrittliche Menschen haben noch Illusionen in die etablierte Politik und den Staat, anstatt selbst aktiv zu werden und genossenschaftliche Strukturen aufzubauen. Viele haben aber auch eine Abneigung gegen Parteien – was angesichts des Versagens, ja der Verbrechen der SPD und des Stalinismus verständlich ist. Sie fürchten, dass eine Partei degenerieren würde. Doch auch alle anderen Strukturen – Gewerkschaften, Räte, Gruppen, Bewegungen – unterliegen dieser Gefahr. Ihr kann aber begegnet werden, wenn die Basis aus der Geschichte lernt und von vornherein gegen die Bürokratisierung, die Anbiederung an das Establishment und die Verquickung mit dem Staat angeht.

Warum ist eine Arbeiterpartei für die Entfaltung von Widerstand zentral? 1. ist nur sie in der Lage, eine konsistente Programmatik zu entwickeln und auf dieser Basis einen Kaderkern und die Mitgliedschaft zu qualifizieren und zu formieren. Nur sie kann daher 2. in allen Strukturen der Arbeiterbewegung wirken, alle sozialen und politischen Felder bearbeiten und die dortigen oppositionellen Strukturen miteinander verbinden.

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Trotzkis Erbe (Teil 5 und Schluss)

Hanns Graaf

Vorbemerkung der Redaktion: Der vorliegende 5. Teil schließt unsere Reihe über den Trotzkismus ab. Unser Beitrag zu Trotzkis Analyse des Stalinismus und des Charakters der UdSSR, die natürlich einen zentralen Stellenwert in seinem Schaffen einnimmt, ist deutlich umfangreicher und würde daher den Rahmen dieser Artikelserie sprengen. Unsere Ausführungen dazu sind in einer in Kürze erscheinenden Broschüre im Verlag Aufruhrgebiet zum Trotzkismus enthalten.

5. Die Entrismus-Taktik

Ein Vorwurf, der TrotzkistInnen oft gemacht wird, ist, dass sie Organisationen unterwandern und zu unsauberen Methoden greifen, um Mitglieder für ihre eigene Organisation zu gewinnen. Sind diese Vorwürfe berechtigt?

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Spitzen-Reformisten in Aktion

Hanns Graaf

Letzte Woche sorgte die Ankündigung von Sahra Wagenknecht, sich aus den Führungsgremien von Linkspartei und Aufstehen zu verabschieden, für Schlagzeilen und reichlich Häme von den politischen Gegnern. Nun reagierte die „Führungscrew“ von Aufstehen auf die Situation und veröffentlichte am 14.3. eine Erklärung zur Situation und den Perspektiven von Aufstehen. UnterzeichnerInnen des Textes „Zur Situation von Aufstehen“ sind u.a. Peter Brandt, Michael Brie, Ingo Schulze, Marco Bülow, Sabrina Hofmann, Hendrik Auhagen und Antje Vollmer. Ihre Erklärung sagt sehr viel darüber aus, was die Ursachen der Probleme von Aufstehen sind und wohin die Reise gehen soll.

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Aufstehen – Wahlverein oder Kampfstruktur?

Zum Start der Bewegung „Aufstehen“

Hanns Graaf

Seit Monaten ist das Projekt „Aufstehen“ in den Medien präsent. Das war angesichts der prominenten InitiatorInnen auch nicht verwunderlich. Neben Sahra Wagenknecht und Oskar Lafontaine von der LINKEN unterstützen auch Prominente aus der SPD wie Rudolf Dressler oder die Grünen Antje Vollmer und Ludger Volmer sowie Intellektuelle, darunter der bekannte Autor Christoph Hein, die Bewegung. „Aufstehen – Wahlverein oder Kampfstruktur?“ weiterlesen

Bewegung ins Nichts: Zur Idee einer neuen linken Bewegung

Hanns Graaf

Kaum deutet sich an, dass die SPD erneut Teil einer Großen Koalition unter Kanzlerin Merkel wird, reagieren einige Spitzen der Linkspartei darauf mit einem „innovativen“ Vorschlag. Oskar Lafontaine und Sahra Wagenknecht, die Fraktionschefs der LINKEN im Saarland bzw. im Bundestag, plädieren für die Schaffung einer „linken Sammlungsbewegung“. Diese solle neben der Linkspartei (linkere) Teile der Grünen und der SPD umfassen. „Bewegung ins Nichts: Zur Idee einer neuen linken Bewegung“ weiterlesen