Für eine neue Arbeiterpartei!

Redaktion Aufruhrgebiet

Warum ist die Linke so schwach? Warum ist die Arbeiterbewegung fast nur noch in der Defensive? Warum existiert so wenig Widerstand gegen die Kriegs- und Aufrüstungspolitik der Ampel und des Westens, dem Haupttreiber des Ukrainekonflikts?

Es gibt dafür viele Ursachen, doch ein zentraler Faktor ist, dass es keine kämpferische antikapitalistische Arbeiterpartei gibt, welche die Interessen der Lohnabhängigen vertreten könnte und als relevante Kraft wahrgenommen würde. Immer wieder gibt es Proteste, Streiks und Opposition – doch sie verlaufen meist im Sande oder haben wenig Effekt, weil sie politisch-programmatisch zu heterogen sind, weil sie von der Masse der Arbeiterklasse isoliert sind, weil ihnen eine allgemeine, historische Perspektive fehlt und sie meist nur „punktuelle“ Orientierungen haben.

Viele fortschrittliche Menschen haben noch Illusionen in die etablierte Politik und den Staat, anstatt selbst aktiv zu werden und genossenschaftliche Strukturen aufzubauen. Viele haben aber auch eine Abneigung gegen Parteien – was angesichts des Versagens, ja der Verbrechen der SPD und des Stalinismus verständlich ist. Sie fürchten, dass eine Partei degenerieren würde. Doch auch alle anderen Strukturen – Gewerkschaften, Räte, Gruppen, Bewegungen – unterliegen dieser Gefahr. Ihr kann aber begegnet werden, wenn die Basis aus der Geschichte lernt und von vornherein gegen die Bürokratisierung, die Anbiederung an das Establishment und die Verquickung mit dem Staat angeht.

Warum ist eine Arbeiterpartei für die Entfaltung von Widerstand zentral? 1. ist nur sie in der Lage, eine konsistente Programmatik zu entwickeln und auf dieser Basis einen Kaderkern und die Mitgliedschaft zu qualifizieren und zu formieren. Nur sie kann daher 2. in allen Strukturen der Arbeiterbewegung wirken, alle sozialen und politischen Felder bearbeiten und die dortigen oppositionellen Strukturen miteinander verbinden.

Objektive Bedingungen

Der Aufbau einer Partei ist an objektive Bedingungen geknüpft. Schon Marx und Engels haben ihre Aktivitäten zum Parteiaufbau – des Bundes der Kommunisten (BdK) und der Internationalen Arbeiterassoziation (IAA) und später der SPD – immer in den Zusammenhang der ökonomischen und Klassenkampfsituation gestellt. Die Revolution von 1848, das Erstarken der Arbeiterbewegung, aber auch die Niederlage der Pariser Kommune 1871 und die darauf folgende reaktionäre Phase waren für sie Anlässe, entweder eine Struktur aufzubauen oder sie auch wieder zu „beerdigen“, wie es 1872 mit der IAA geschah, und einen neuen Aufschwung zu nutzen.

Die heutige Welt ist immer stärker von Krisen und Konflikten geprägt. Die Finanzkrise von 2008, die EU/Eurokrise, die Coronakrise, der Ukrainekrieg, die Aufrüstung, die Energiekrise und die Teuerung sind Ausdruck der Krise, der Zuspitzung der internationalen Lage und heftigerer Angriffe auf Errungenschaften der Arbeiterbewegung. Diese Tendenzen reflektieren auch Veränderungen der Produktivkräfte (Globalisierung, Digitalisierung, Ausweitung des Finanzsektors usw.). All das sind Merkmale dafür, dass der Imperialismus mit der Jahrhundertwende in eine neue Phase eingetreten ist.

Widerstand?

Widerstand gegen die Zumutungen des Systems und der Regierung ist vorhanden, aber sehr schwach. Der Hauptursache dieser Lähmung ist der Reformismus (SPD, DGB, LINKE), der die Regierungspolitik mehr oder weniger mitträgt (DGB), sie tw. zwar punktuell kritisiert, ohne aber wirklichen Widerstand zu entwickeln (LINKE) oder die Angriffe sogar selbst als Regierungspartei (SPD) vorantreibt. Noch vor wenigen Jahren war es undenkbar, dass SPD und Grüne ein 100-Milliarden-Aufrüstungspaket auf den Weg bringen – fast ohne Diskussion, fast ohne Widerstand in den Medien, den Gewerkschaften oder der Bevölkerung.

Das offenbart auch, wie verbürgerlicht und auf Regierungslinie gebracht die „Öffentlichkeit“, die Medien, die Kultur und die Politik inzwischen sind. Jede Form von Kritik und Opposition wird als „verschwörungstheoretisch“, „rechts“, „antisemitisch“ usw. in Misskredit gebracht. Diese „Gleichschaltung“ ist das Ergebnis des offensiven Neoliberalismus wie auch der Krise, der Degeneration, der Verbürgerlichung der Arbeiterbewegung und der Linken, inkl. ihres radikalen Milieus, das fast durchgängig die „grünen“ Ideologien und Bewegungen unterstützt, statt dagegen anzugehen (Klimakatastrophismus, Gender- und Milieupolitik, Cancel Culture, Moralismus usw.).

Die links-„grünen“ Ideologien beruhen auf unwissenschaftlichen Annahmen. Hinter ihnen verbergen sich Interessen bestimmter Teile des Kapitals (Finanzkapital, „Öko“-Kapital). Deren „Thinktanks“ ist es gelungen, kritisches Potential und fortschrittliche Anliegen (Umweltschutz, Kampf gegen Atomwaffen usw.) in für das System ungefährliche, aber für kommerzielle Interessen verwertbare Formen zu verwandeln. Wesentliche Mittel dafür sind NGOs, Medien und „gekaufte“ Teile der Wissenschaft.

Seit Jahrzehnten werden Opposition und Widerstand immer weniger vom Proletariat geprägt, sondern von der stark gewachsenen lohnabhängigen (akademischen) Mittelschicht. Die „grünen“ Bewegungen und Parteien sind Ausdruck dessen. Die wachsende Distanz des Proletariats zu Politik, Parlamentarismus und Parteien, seine Passivität erklären sich v.a. daraus, dass es vom Reformismus dominiert ist und sich die „radikale Linke“ an die „grünen“ Bewegungen und Reformen anpasst. Die Lohnabhängigen wissen durchaus, dass sie für deren „Reformen“ bezahlen müssen. Durch ihr Abseitsstehen, durch die politische Passivität der Gewerkschaften fehlt es jeder Opposition an Schlagkraft. Dieser Ausfall der „offiziellen“ Arbeiterbewegung und der Linken nutzen rechte Kräfte (AfD) demagogisch aus.

Alternative

Es gab bereits zwei Organisationsansätze, die sich auch aus der Unzufriedenheit mit dem Reformismus (SPD, DGB, PDS bzw. LINKE) speisten: 2005 die WASG, 2018 Aufstehen. Beide führten nicht zur Stärkung des klassenkämpferischen, antikapitalistischen Potentials, weil diese Projekte bzw. deren Initiatoren nur einige „Auswüchse“, nicht aber den Reformismus insgesamt ablehnten. Zudem verhielt sich das Gros der „radikalen Linken“ ablehnend bis passiv, anstatt in diese Umgruppierungen einzugreifen und die Reformisten zu attackieren.

Wir befinden uns in einer ähnlichen Lage wie 1914, als die SPD und die Gewerkschaften kapituliert hatten. Ihr Ansehen bei den Massen sank. Damals formierte sich eine Minderheit von revolutionär-internationalistischen Linken um Luxemburg, Lenin, Trotzki u.a. Das führte in Deutschland im Januar 1919 zur Gründung der KPD, die durch die Vereinigung mit Teilen der USPD schnell zur Massenpartei wurde. Zwar führten die SPD und „ihre“ Gewerkschaften nach 1918 noch immer das Gros der Klasse, aber die Konkurrenz durch die KPD wurde größer. Doch die – v.a. von Moskau ausgehenden – Fehler der KPD (Mitteldeutscher Aufstand, RGO-Politik, Sozialfaschismusthese usw.) haben vereitelt, dass die KPD bis 1933 die Mehrheit der Arbeiterklasse hinter sich bringen und eine antifaschistische Arbeitereinheitsfront schaffen konnte. Komplett versagt hat dabei auch die SPD.

International erfolgte mit der „Zimmerwalder Linken“ eine Neuformierung, aus der die dann die III. (kommunistische) Internationale hervorging. Diese geriet aber schon bald unter den Einfluss der stalinschen Bürokratie. Der ernsthafteste Versuch, eine neue Internationale als Alternative aufzubauen – die IV. Internationale -, erlangte kaum Einfluss und scheiterte letztlich daran, konsequent eine neue Programmatik zu erarbeiten und die Mängel des „Leninismus“ zu überwinden. Seit den 1950ern, als sich die IV. spaltete, verfügt das Proletariat international über keine revolutionäre Klassenführung mehr. Trotzki hatte recht, als er damals von der historischen Führungskrise des Proletariats sprach, die bis heute anhält, ja sich noch vertieft hat.

Internationale

Ohne dass es relevante (Kader)Parteien in mehreren Ländern gibt, ist eine „Internationale“ nur eine bedeutungslose Struktur von Sektierern. Die Zuordnung der nationalen Kleinstgruppe zu ihrer Mini-“Internationale“ fördert nicht die Überwindung der Krise und Zersplitterung der Linken, sondern verfestigt sie. Wenn eine neue, Fünfte Internationale heute Sinn macht, dann nur, wenn sie der Überwindung dieser Zersplitterung der „nationalen“ Linken und der programmatischen Erneuerung dient und nicht der Zementierung ihres Sektierertums. Dem entspricht aktuell am ehesten eine Struktur wie Marx´ IAA. Obwohl diese an der Niederlage der Pariser Kommune und den Querelen mit den Anarchisten gescheitert war, wirkte sie sehr positiv bei der Verbindung der nationalen Sektoren der Arbeiterbewegung und der Verbreitung eines wissenschaftlich fundierten Sozialismus. Der Realismus von Marx, die IAA aufzulösen, weil die Bedingungen für ihre Entwicklung nicht mehr gegeben waren, wäre den heutigen Sektierern zu wünschen. Eine 5. Internationale kann nur im Rahmen des Aufschwungs des Klassenkampfes und der revolutionären Linken entstehen.

Taktik

Welche Aufgaben stehen heute vor Revolutionären und klassenbewussten Arbeiterinnen und Arbeitern? V.a. muss die Zersplitterung der „radikalen Linken“ überwunden werden. Das ist nur durch mehr Kooperation und Diskussion möglich, die über den jeweiligen Ismus hinausgehen und nicht an den Grenzen des eigenen politischen Glashauses haltmachen. Nur, wenn die historischen Erfahrungen der Arbeiterbewegung verarbeitet und eine neue Programmatik entwickelt werden, kann dieser Prozess Erfolg haben. Schon die Bereitschaft, ernsthaft an einem solchen Prozess mitzuwirken, scheidet die Spreu vom Weizen. Wir machen uns keine Illusionen: es wird zunächst nur eine kleine Minderheit sein, die sich dieser Aufgabe stellen wird – wie nach 1914.

Anders als damals existiert aber heute kein großes sozialistisches Milieu. Daher kann eine „neue KPD“ nicht so wie damals „direkt“ durch eine Neugründung aufgebaut werden. Sie kann als gesellschaftlich relevante Kraft nur entstehen, wenn verschiedene kämpferische und oppositionelle linke Milieus involviert sind. Dem dient die „Arbeiterparteitaktik“. Sie wurde ursprünglich für Länder ohne eine Arbeiterpartei konzipiert, z.B. die USA. In Deutschland ist diese Taktik heute aber auch anwendbar, weil 1. der Reformismus stark an Einfluss und Attraktivität verloren hat und weiter verliert und weil 2. der Charakter der Periode sich geändert hat und ein Aufschwung von Kämpfen und Widerstand zu erwarten ist. Aktuell ist zu sehen, dass die Inflation die Gewerkschaften geradezu dazu zwingt, zu mobilisieren. In Britannien, Frankreich u.a. Ländern ist es vorbei mit der Klassenkampfruhe.

Die zunehmenden Turbulenzen (Energiekrise, Inflation, Ukraine-Krieg) erschüttern Deutschland in einem seit 1945 nicht mehr gekannten Maß. Die Lage von Millionen Beschäftigten, Arbeitslosen und unteren Mittelständlern verschlechtert sich. Gleiches trifft auch für den Industriestandort Deutschland zu: Millionen Jobs sind gefährdet, wenn die v.a. von den Grünen forcierte Politik der Energiewende fortgesetzt wird. Es ist absehbar, dass auch das Stillhalten des DGB zu Ende geht. Zudem ist fraglich, ob das deutsche Kapital noch länger den für sie langfristig fatalen Kurs der Ampel als eines braven Juniorpartners der USA mitgehen wird.

Für eine neue Arbeiterpartei!

In den Aufbau einer neuen Arbeiterpartei müssen verschiedene linke und oppositionelle Milieus und Strukturen eingebunden werden: „radikale“ Linke, aktive Gewerkschafter, Anti-Kriegs-Aktivisten, Anti-Krisen-Komitees u.a.!

Die neue Partei wäre daher nicht a priori revolutionär-kommunistisch orientiert, sondern würde verschiedene linke Strömungen umfassen. Im Zuge der Formierung müssten die programmatischen Differenzen geklärt werden. Dabei kann sich ein revolutionäres Programm durchsetzen, es ist aber auch möglich, dass dieses nur von einer Minderheit geteilt wird. Selbst dann aber hätte der Gesamtprozess zwei Vorteile: 1. gäbe es eine größere organisierte Struktur, die klassenkämpferisch aktiv ist und neue Kräfte mobilisiert; 2. könnte sich die revolutionäre Minderheit als eigene revolutionäre Partei konstituieren, die organisatorisch wie programmatisch mehr wäre als das heutige Sammelsurium linker Kleinstgruppen.

Der Aufbau einer neuen Arbeiterpartei kann zunächst nur damit beginnen, jene Individuen und Strukturen anzusprechen und zu sammeln, die für dieses Projekt offen sind. Natürlich geht es nicht darum, eine Partei auszurufen oder verschiedene Gruppen auf einer Plattform der „Goldenen Mitte“ zwischen Reform und Revolution zu vereinen und damit eine Struktur zu schaffen, die beim ersten lauen Lüftchen auseinanderbricht.

Die SPD

Die SPD ist die Hauptkraft des Reformismus. Sie ist der Hauptträger der reformistischen Ideologie und beeinflusst alle anderen Strukturen politisch/personell: den DGB, die Sozialverbände, die staatliche Bürokratie usw.

Der Reformismus zeichnet sich nicht wesentlich dadurch aus, dass er den Kapitalismus reformieren, d.h. Verbesserungen für die Massen erreichen will. Der Hauptunterschied zwischen Reformismus und revolutionärer Politik besteht vielmehr darin, dass der Reformismus 1. Privateigentum und Staat nicht ablehnt, 2. dass er nur auf Reformen setzt und den revolutionären Bruch per se ablehnt und 3. viele Formen von wirklicher Selbstorganisation der Klasse (Genossenschaftswesen, Rätedemokratie usw.) bekämpft und Strukturen und Kämpfe in ein bürgerlich-parlamentarisch-bürokratisches Korsett zwängt.

Diese Orientierung existiert in der Sozialdemokratie schon seit ihrer Entstehung. Heute ist die offen pro-imperialistische Politik sozialdemokratische „Normalität“. Mit dem Nachkriegsboom erlebten die SPD und der Reformismus einen Aufschwung, weil die hohen Gewinne es erlaubten, auch das Proletariat daran partizipieren zu lassen. Doch mit den 1970ern ging diese „sozial-reformerische“ Phase zu Ende. 1998, mit Rot/Grün unter Schröder, ihrer Agenda 2010 und ihren neoliberalen Reformen, wurde die SPD sogar die Speerspitze der Attacken. Aktuell treibt die SPD-geführte Ampel-Regierung die Aufrüstungs- und Kriegspolitik wie keine Vorgängerregierung voran.

Die Quittung erhielt die SPD, indem sich massenhaft Mitglieder und Wähler von ihr abwandten. Seit 1990 sank die Mitgliederzahl von 943.000 auf 380.000 (2022). Auch die Bundestagswahlen zeigen einen klaren Abwärtstrend: vom Höhepunkt mit 45,8% (1972) über ein Zwischenhoch mit 40,9% (1998) ging es bergab auf magere 25,7% (2021), die nur infolge des Ungeschicks der Union zum Wahlsieg reichten.

Nur noch 16% der Mitglieder sind Arbeiter (oft Rentner), 29% sind Angestellte. 44% sind Beamte: der höchste Wert aller Parteien. Die SPD ist v.a. eine Staats-Bürokraten-Partei. Ihren Charakter als bürgerliche Arbeiterpartei – proletarisch hinsichtlich der Tradition und der sozialen Basis, bürgerlich hinsichtlich ihrer Politik – behält sie gerade noch durch ihre Verbindung zum Gewerkschaftsapparat und zu den Betriebsräten.

Die LINKE

Die LINKE ging 1989/90 als PDS aus der stalinistischen SED hervor. Durch die Fusion mit der WASG wurde sie eine gesamtdeutsche Partei. Sie war von Beginn an klar reformistisch und an der SPD-Politik der 1970er orientiert. Ihre parlamentarisch-bürokratische Ausrichtung, ihre Ablehnung des Klassenkampfes und der demokratischen Selbstorganisation der Klasse verhinderten, dass sie eine Alternative zur SPD werden konnte. Die LINKE orientiert sich darauf, als Teil von Rot/Rot/Grün mitzuregieren. Keine einzige Grundlage des Reformismus wurde von ihr je infrage gestellt. Damit verspielte die LINKE ihre Chance, eine klassenkämpferisch-oppositionelle Kraft zu werden. Das zeigt sich u.a. in der Weigerung der LINKEN, eigene Fraktionen in den Gewerkschaften aufzubauen. Das Projekt einiger Linker (z.B. SAV, Marx21 u.a.), die LINKE nach links zu drücken, sie zu einer Kraft des Klassenkampfes zu modeln – und deshalb den Aufbau einer revolutionären Partei „zurückzustellen“ – ist gescheitert.

Aktuell ist die LINKE in einer schweren Krise und vom Sturz in die Bedeutungslosigkeit bedroht. Ende 2009 hatte die LINKE noch 78.000 Mitglieder, 2021 nur noch 61.000. Bei Bundestagswahlen sank die Stimmenzahl von 11,9% (2009) auf 4,9% (2021). Wie die SPD vereint auch die LINKE einen leicht höheren Anteil proletarischer Mitglieder als andere Parteien, doch schon bei den Wählern ist das kaum noch spürbar.

Schon länger wird spekuliert, ob Sahra Wagenknecht eine „eigene“ Partei gründet. Diese Spekulationen zeigen auch, dass es einen Bedarf nach einer neuen linken Partei gibt – dass Wagenknecht einen offenen Bruch mit der LINKEN aber auch scheut. Die Initiierung von Aufstehen 2018 durch Wagenknecht, Lafontaine u.a. Reformisten hat aber schon einmal gezeigt, dass sie unfähig und unwillig sind, eine wirklich kämpferische Massenbewegung aufzubauen, und dass diese auch nur eine reformistische Ausrichtung haben soll. Würde eine Wagenknecht-Partei zustande kommen, müssten Revolutionäre in deren Formierungsprozess aktiv eingreifen – mit einem revolutionären Programm, nicht nur mit einem etwas „linkeren“.

Wie 2005, als die WASG entstand, ist es möglich, dass es auch zu Differenzierungs- und Abspaltungstendenzen von der SPD oder den Gewerkschaften kommt. Solche Optionen müssen bedacht und beim Aufbau einer Arbeiterpartei berücksichtigt werden. Die LINKE ist als Ganzes nicht reformierbar, aber linke und kritische Milieus in ihr und um sie sind relevant für den Aufbau einer neuer Arbeiterpartei.

Die Gewerkschaften

Nach wie vor sind die Gewerkschaften die größten, am engsten mit der betrieblichen Basis verbundenen Klassen-Organisationen. Doch auch sie haben aufgrund ihrer Inaktivität, v.a. auf politischem Gebiet, wo die SPD „arbeitsteilig“ aktiv ist, und ihrer defensiven Haltung das Vertrauen vieler Arbeiterinnen und Arbeiter verloren. 2021 zählten die DGB-Gewerkschaften 5,7 Mill. Mitglieder, 2001 waren es noch 7,9 Millionen. Sie stützen sich v.a. auf die Arbeiteraristokratie, die Stammbelegschaften der Großindustrie, sowie den Öffentlichen Dienst, während sie in den marginalisierten Schichten und in Bereichen der “neuen Technologien“ wenig Verankerung haben. Sie repräsentieren damit aber immer noch die „schweren Bataillone“ mit der objektiv stärksten Kampfkraft.

Die Gewerkschaften werden von bürokratischen Apparaten, die mit der SPD verwoben sind, geführt und kontrolliert. Linke und oppositionelle Kräfte werden bekämpft. Die Gewerkschaften agieren nur im Rahmen der sozialpartnerschaftlichen „Friedenspflicht“ und der Tarifrituale. Forderungen nach Enteignungen gibt es nicht, Bemühungen um Arbeiterkontrolle sucht man vergebens, Initiativen zur direkten Kontrolle von Strukturen und Kampforganen, z.B. Streikleitungen, durch die Basis, werden abgewürgt.

Seit Jahren hat die Gewerkschaftsbürokratie die herrschende Politik (Hartz-Reformen, Finanzkrise, Griechenlandkrise, Corona, Aufrüstung, Ukrainekrieg, Energiewende usw.) mitgetragen oder toleriert. Sie hat kaum Widerstand geleistet oder ihn leerlaufen lassen. Daher sind die Führungen im DGB mitverantwortlich für die antisozialen Entwicklungen der letzten Dezennien.

Die „radikale“ Linke

Die subjektiv revolutionär-sozialistische Linke ist sehr schwach und extrem zersplittert: sie folgt ihrem jeweiligen Ismus und verharrt in ihren ideellen und organisatorischen Mini-Enklaven. Auf zentrale Herausforderungen hat sie keine oder falsche Antworten, was auf ihre mangelhafte Fähigkeit zu einer materialistischen, historisch-kritischen und damit marxistischen Analyse verweist. Dogmatismus und Sektierertum prägen stark ihr Denken und Handeln. Statt die soziale (genossenschaftliche) Selbstorganisation der Klasse zu befördern, orientiert sie oft auf den Staat als Akteur („Sozial“staat, Verstaatlichung, Corona-Politik). Sie passt sich den „grünen“ Ideologien und Bewegungen an und stellt deren linken Flankenschutz dar. Viele „radikale“ Linke praktizieren nur linken Reformismus, statt eine Alternative zu ihm aufzubauen. Damit unterminieren sie die Subjektwerdung des Proletariats.

Die „radikale“ Linke insgesamt ist politisch degeneriert und muss von Grund auf erneuert werden! Die historische Kontinuität der revolutionären Linken ist programmatisch und organisatorisch abgerissen. Jedes Projekt des bloßen Zusammenschlusses von Teilen dieser Linken zu einer „neuen KPD“ muss mangels Substanz scheitern. Trotzdem wächst auch in der Linken zunehmend die Erkenntnis, dass sie nicht ewig so „weiterwurschteln“ kann wie bisher und dass ein Neustart nötig ist.

Programmatik

Aufbau einer Arbeiterpartei bedeutet auch Auseinandersetzung verschiedener Ideologien, Programme und Konzepte. Diese Diskussion muss zugelassen, ja gefördert werden! Doch als revolutionäre Marxisten vertreten wir darin eigene Ansichten und folgen nicht der Illusion einer „goldenen Mitte“ oder des kleinsten gemeinsamen Nenners zwischen Reformismus und Revolution, die keine stabilen Grundlagen einer Partei sein können. Als Marxisten vertreten wir im Diskussionsprozess u.a. folgende Positionen:

  • Für eine kommunistische Gesellschaft ohne Klassen und Privateigentum an Produktionsmitteln, basierend auf Kollektiveigentum (nicht Staatseigentum!) und Planung auf Grundlage einer Räte-Demokratie!
  • Für eine revolutionäre Perspektive! Die Reformierung des Kapitalismus ist illusorisch. Grundlegende Verbesserungen und eine Umwälzung der Produktions- und Lebensweise sind nur möglich durch einen Prozess der Enteignung der Bourgeoisie und der Ersetzung des Staates durch eine Rätedemokratie.
  • Der Kampf um Verbesserungen und Reformen im Kapitalismus muss in eine revolutionäre Strategie und Taktik (Übergangsforderungen) eingebettet sein, er muss mit Methoden des Klassenkampfes geführt werden und mit der Selbstorganisation der Lohnabhängigen und der Schaffung von selbstverwalteten Strukturen und Arbeiterkontrolle verbunden sein!
  • Gegen vorgeblich „grüne“ kleinbürgerliche Ideologien (Klima, Energie, „Milieupolitik“, Genderismus usw.)!
  • Für die Demokratisierung der Gewerkschaften! Für Klassenkampf statt Sozialpartnerschaft! Für den Aufbau einer klassenkämpferischen Basisbewegung und revolutionärer Gewerkschaftsfraktionen!
  • Für die Einheitsfrontpolitik (Kampfeinheit von linken und Arbeiterorganisationen, keine Bündnisse und Plattformen mit rein bürgerlichen Formationen)! Volle Freiheit der Kritik!
  • Gegen Nationalismus, Rassismus und Chauvinismus! Für die internationale Revolution und eine neue, 5. Internationale! Kampf dem Imperialismus – gegen Krieg, Rüstung und die Ausplünderung der „3. Welt“!
  • Gegen die Unterdrückung von nationalen, religiösen, kulturellen und sexuellen Minderheiten!

Wie weiter?

Eine neue Arbeiterpartei, die ein realer Faktor in der Gesellschaft ist, kann nicht aus dem Boden gestampft werden. Die Krise der Linken und der Arbeiterbewegung, die sich über Jahrzehnte vertieft hat, kann nicht in wenigen Monaten überwunden werden.

Daher geht es zunächst darum, jene Individuen und Strukturen zu versammeln, welche die Notwendigkeit des Aufbaus einer neuen Arbeiterpartei verstehen. Diese „Initiativgruppe“ muss eine Diskussion der Frage der Arbeiterpartei anregen und die Neuerarbeitung einer revolutionären (!) Programmatik über die ideologischen Ismen, Tabus und Dogmen hinweg vorantreiben und die praktische Kooperation von Initiativen, Kampagnen usw., v.a. der Anti-Kriegsbewegung, vorantreiben.

Wir können den Prozess des Parteiaufbaus nicht genau voraussagen. Es sind Umgruppierungen, Spaltungen oder Neugründungen in der Linken möglich, es können und werden diverse Formen von Opposition und Widerstand entstehen, z.B. die Friedensbewegung. Überall muss die Idee einer neuen Arbeiterpartei offensiv eingebracht werden!

Wenn Du am Aufbau der neuen Arbeiterpartei mitwirken willst, dann nimm Kontakt auf:

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