Wo bleibt die Antikriegsbewegung?

Hannah Behrendt

Die Umfragen zum Ukrainekrieg, zur Frage der Waffenlieferungen, zu Taurus usw. zeigen ein differenziertes Bild. Einerseits ist eine Mehrheit der Bevölkerung der Meinung, dass Russland die Schuld am Krieg trägt, die Ukraine das Opfer wäre und deshalb vom Westen unterstützt werden müsse. Frieden wäre erst möglich, wenn Russland besiegt ist. Diese Haltungen in der Bevölkerung sollten jedoch nicht vorschnell mit einer Kriegshysterie verwechselt werden, denn hinter ihnen steht ja auch der Wunsch, den Krieg möglichst bald zu beenden.

Andererseits gibt es aber eine Mehrheit gegen die Lieferung der Taurus-Marschflugkörper, weil man – zu recht – eine Ausweitung des Krieges und das noch tiefere Hineinschlittern Deutschland in den Konflikt befürchtet. Die Zahl der Menschen, die sich vor Krieg fürchten, wächst.

Volkes Meinung?

Davon abgesehen, ob die Umfragen korrekt durchgeführt oder manipuliert werden, kann nicht einfach davon ausgegangen werden, dass sie „die“ Einstellung der Bevölkerung adäquat widerspiegeln. Schon Marx wusste, dass die herrschende Meinung meist die Meinung der Herrschenden ist. Wie selten sind sich fast alle Parteien – die Ampel wie die Unions-“Opposition“ – in der Ukraine-Politik trotz der Streitereien in Detailfragen einig: Deutschland muss die Ukraine militärisch wie finanziell gegen den „Aggressor“ Putin unterstützen. Tagein tagaus wird diese These über alle Kanäle verbreitet. Deutschland müsse kriegstüchtig gemacht und die Rüstungsausgaben erhöht werden, weil wir sonst von Russland überrollt würden. Letztere These ist allerdings komplett absurd, da Russland 1. schon die größten Schwierigkeiten hat, selbst die Ukraine zu besiegen, da 2. die Nato durch den Beitritt Schwedens und Finnlands gestärkt ist, weil 3. die Kooperation und Aufrüstung der Nato intensiviert wurde und 4. das militärische und wirtschaftliche Potential der Nato wesentlich größer ist als das Russlands. Ein Angriff Putins auf ein Nato-Land ist daher reine Angstmacherei und hat mit der Realität nichts zu tun.

Die massive Propaganda prägt die Meinungsbildung der Bevölkerung wesentlich. Das ist allerdings nicht neu, schon bei Themen wie Klima, Energie oder Corona wurden Ängste geschürt, abweichende Meinungen ausgegrenzt, an den Pranger gestellt und als „rechts“ oder „verschwörerisch“ geframt. Verschärfend kommt noch dazu, dass auch die „Linke“ – die Linkspartei, die Gewerkschaften und das Gros der „radikalen Linken“ – bei vielen Themen in den offiziellen Propagandachor mit eingestimmt haben, anstatt dagegen zu halten. Das daraus folgende weitgehende Fehlen einer Gegenöffentlichkeit – und umso mehr einer -bewegung – führte dazu, dass sich weite Teile der Bevölkerung an den Mainstream-Medien orientieren.

Die Opposition, die während der Corona-Lockdowns Hunderttausende mobilisierte, war weder links noch proletarisch, sondern umfasste alle sozialen Schichten und politischen Spektren. Allerdings war sie insgesamt nie rechts oder verschwörungstheoretisch orientiert. Das kann nur jemand behaupten, der die Bewegung nicht kennt, der offiziellen Propaganda glaubt oder annimmt, dass alles, was die Regierung kritisiert, rechts sei.

Kundgebung oder Bewegung?

Als Sahra Wagenknecht und Alice Schwarzer am 25.2.23 zur ersten Kundgebung gegen die Kriegspolitik aufriefen, war das ein wichtiges Signal – und es hätte der Startpunkt zum Aufbau einer starken Anti-Kriegs-Bewegung sein können. Dafür hätte es aber konkreter Vorschläge und eines Fahrplans bedurft – und einer politischen Kraft, die mobilisiert und organisiert. Daran mangelte es aber. Die vielen Millionen, die für die Beendigung des Krieges durch Verhandlungen sind, hätten in Aktivistenstrukturen eingebunden werden müssen. Das erfolgte nicht. Dafür gibt es verschiedene Gründe:

  1. geht es Wagenknecht u.a. Reformisten v.a darum, im parlamentarisch-medialen Raum zu punkten, es geht ihnen aber nicht darum, eine starke Bewegung aufzubauen.
  2. orientiert man sich auf „die Zivilgesellschaft“, nicht jedoch zentral auf die Arbeiterbewegung, die letztlich als einzige Kraft objektiv in der Lage und interessiert wäre, den Kriegskurs zu bekämpfen. Dazu müsste aber die Dominanz des Reformismus, v.a. der SPD, über die Gewerkschaften offen attackiert werden. Davon ist aber nichts zu spüren!
  3. ist die ideologische Grundlage der Friedenspolitik von Wagenknecht (und der LINKEN) der Pazifismus und nicht konsequenter Antiimperialismus. Gewalt wird generell abgelehnt, es geht weniger um Klassenkampfmethoden als darum, an vermeintlich „bessere“ bürgerliche Kräfte zu appellieren und mit ihnen „Bündnisse“ zu schließen. Doch dabei wird oft ausgeblendet, dass Kriege letztlich zum Kapitalismus gehören, also systembedingt sind. Dazu wird auch der Charakter des Ukraine-Kriegs nur unzureichend erfasst. So sprach Wagenknecht wiederholt von der „Annektion der Krim“ und von Putins „Angriffskrieg“, der 2022 begonnen hätte – obwohl der Krieg schon 2014 als Bürgerkrieg begann, als Kiew den Donbass angriff, um dessen Abtrennung zu verhindern, was ein legitimes Recht der dortigen Bevölkerung ist. Auch in der Frage der Krim wiederholt Wagenknecht tw. die westliche Lügenpropaganda. Vor und nach 2014 haben sich das Regionalparlament der Krim und Referenden mehrfach gegen eine Zugehörigkeit zur Ukraine bzw. für den Anschluss an Russland ausgesprochen. Historisch hat die Krim nie zur Ukraine gehört (bis auf das abstruse „Geschenk“ der Krim an die Ukraine durch Chrustschow 1954).

Auch der pazifistische Verweis darauf, wie schlimm Kriege sind (was ohnehin jeder weiß), überzeugt niemand. So verweisen ja auch die Anhänger anderer Parteien darauf, dass sie für den Frieden seien, dieser aber nur durch den Sieg über Putin erreichbar wäre.

Hinter all dem steckt eine reformistische Strategie. Handlungsfeld ist nur der politisch-parlamentarisch-mediale Raum, nicht aber der Klassenkampf, nicht der Aufbau handlungsfähiger Strukturen, die sich v.a. auf die Lohnabhängigen orientieren. Das ist schwer genug, doch wenn man das nicht einmal will und versucht, dann geht es auch nicht.

Die Anti-Kriegsbewegung

Die Ostermärsche spiegeln alljährlich dir Stärke der Friedensbewegung wider. In diesem Jahr gab es bundesweit in mehr als 100 Orten Kundgebungen und Demonstrationen. Die größte mit ca. 5.000 Teilnehmern fand in Berlin statt. In anderen Großstädten waren meist nur wenige Hundert oder gar nur einige Dutzend Menschen beteiligt. Obwohl es gegenüber dem Vorjahr eine leichte Zunahme der Beteiligung gab, ist die Bilanz der Ostermärsche in doppelter Hinsicht enttäuschend. Zum einen, weil der Krieg in der Ukraine festgefahren ist und keine Seite auf einen schnellen Sieg hoffen kann. Das könnte und müsste Anlass sein, Verhandlungen aufzunehmen. Das freilich setzt voraus, dass beide Seiten dazu bereit sind und politisch entsprechend unter Druck gesetzt werden. Das ist jedoch von Seiten des Westens und der Bundesregierung nicht der Fall.

Zum anderen hätte man nach den zwei größeren Antikriegskundgebungen der letzten Monate in Berlin, die von Wagenknecht und Schwarzer bzw. von der Friedensbewegung initiiert worden sind, mehr Beteiligung an den Ostermärschen erwarten können.

Dass das nicht annähernd der Fall war zeigt, wie schwach aktuell die Bewegung ist. Das darf jedoch nicht mit dem Potential in der Bevölkerung gleichgesetzt werden, die den Kriegskurs des Westens und der Ampel ganz oder teilweise ablehnen. Dieses Potential ist nämlich weit größer. Umfragen zeigen zwar eine Mehrheit von ca. 2/3 für weitere Waffenlieferungen an Kiew – d.h. aber auch, dass 1/3 eine andere Position hat. Nur 18% sind für die Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern, also ist eine klare Mehrheit dagegen. Den Krieg Israels gegen Gaza befürworten gar nur 13%. Die meisten Opponenten gegen die Ukraine-Politik sind Anhänger der AfD und des BSW.

Die Ampel bzw. die Union, die in der Ukrainefrage noch radikaler als die Ampel auftritt, haben in der Kriegsfrage die Mehrheit der Bevölkerung hinter sich, v.a. im Westen. Das ist angesichts der massiven medialen Stimmungsmache und der Desinformation über die Ursachen und Hintergründe des Ukraine-Konflikts auch kein Wunder. Trotzdem beobachten wir ein deutliches Auseinanderklaffen zwischen der Größe des oppositionellen Milieus und der schwachen Mobilisierung durch die Friedensbewegung.

Was sind die Ursachen?

Von der negativen Rolle der Kriegspropaganda der Großmedien, der Ampel und der Unions-“opposition“ war schon die Rede. Doch ihren starken Einfluss verdanken sie auch der argumentativen und medialen Schwäche der Friedensbewegung und der Linken. Noch vor wenigen Jahren wäre es kaum denkbar gewesen, dass ein Aufrüstungsprogramm wie derzeit ohne massive Proteste auch von den Gewerkschaften über die Bühne gegangen wäre. Dass das heute so ist, verweist auf die größer gewordene System-Nähe des DGB und großer Teile der linken Szene, v.a. der Linkspartei oder der Antifa. Von den Grünen, die früher einen großen Teil der Friedensbewegung gestellt haben, ganz zu schweigen. Das trifft auch für die SPD zu, deren linkere Teile früher ebenfalls Teil der Friedensbewegung waren, heute aber oft auf der anderen Seite der Barrikade stehen.

Die Befürworter von Verhandlungen zur Beendigung des Ukrainekriegs sind mehrheitlich pazifistisch eingestellt, doch sie versagen meist dabei, die Ursachen und den Charakter des Krieges korrekt darzustellen. Davon, dass sich mit dem Westen, der Nato und ihrem Kettenhund Ukraine einerseits und Russland andererseits zwei reaktionäre imperialistische Mächte gegenüberstehen, ist fast nie die Rede. Zwar wird oft richtig darauf verwiesen, dass der Westen und v.a. die USA die Hauptkriegstreiber waren und sind, doch die historische Tatsache, dass der Krieg bereits 2014 als Bürgerkrieg im Donbass begonnen hatte, der vom Kiewer Regime begonnen worden war, wird fast immer ausgeblendet.

Jene Menschen – hier ist nicht von der Rüstungslobby u.a. bewussten Kriegstreibern die Rede -, die den Ukraine-Kurs der Ampel unterstützen, sind auf ihre Weise auch für die Beendigung des Krieges. Ihrer Position kann nur begegnet werden, wenn man aufzeigt, dass der Sieg egal welcher Seite – v.a. aber des Westens – kein Akt des Fortschritts ist, sondern die neokoloniale Abhängigkeit der Ukraine nur vertiefen würde. Er würde auch nicht eine Ära des Friedens einleiten, sondern er trägt den Keim eines neuen, vielleicht weltweiten Konflikts in sich. Der reaktionäre Charakter des Sieges einer Seite – egal welcher – kann nur zu einem Schluss führen: den Krieg so schnell als möglich durch Verhandlungen zu beenden.

Schon vor dem Februar 2022 hatten Wagenknecht u.a. Spitzen der LINKEN Illusionen nicht nur in Putin, sondern auch in die „Friedenspolitik“ der EU und Deutschlands. Der Maidan-Putsch 2014 wurde als Demokratie-Bewegung missgedeutet, anstatt zu sehen, dass mit ihm ein extrem reaktionäres, nationalistisches, antirussisches und tw. faschistoides Regime installiert wurde.

Es liegt auf der Hand, dass solche halbseidenen Opponenten der Ampel für Viele wenig überzeugend sind. Als Pegida bereits 2014 gegen die Kriegspolitik der Regierung protestierte und zu recht auf die Rolle der “Lügenmedien“ hinwies, hatte die linke Szene nicht mehr dazu zu sagen, als dass Pegida rechts sei, als ob das ein inhaltliches Argument wäre. Schon damals hat es die linke Szene versäumt, die aggressive Ukrainepolitik des Westens und der Merkel-Regierung zu bekämpfen.

Zu diesen inhaltlichen Schwächen kommt noch hinzu, dass die „radikale“ Linke komplett unfähig ist, wenigstens medial zu kooperieren, um dem Meinungs-Mainstream wirkungsvoller entgegentreten zu können. Auch hier wirken sich die politische Selbstgefälligkeit und das Sektierertum der „radikalen Linken“ fatal aus.

Das BSW

Das BSW hat zwar eine bessere Position zum Ukrainekonflikt als die LINKE, doch auch sie bzw. Sahra Wagenknecht als Person haben weder eine stringente Analyse noch konkrete Vorschläge, wie eine stärkere Friedensbewegung aufgebaut werden kann. Allenfalls mobilisiert man – im Unterschied zur LINKEN, die die Friedensbewegung weitgehend ignoriert oder sogar als „Putinversteher“ verleumdet – für die Ostermärsche, jedoch ohne eigenen Inhalt und ohne weitergehende Vorschläge. Trotz ihrer klar reformistischen Grundausrichtung könnte das BSW aber potentiell (!) zum größten Faktor in der Friedensbewegung werden. Wenn sich aber ihre Politik nicht ändert, wird sie diese Rolle nicht wahrnehmen können, ja sie wird erneut ein linkes Potential verplempern, anstatt es zu formieren.

Die AfD

Dass im Bezug auf die Friedensbewegung überhaupt von der AfD gesprochen werden muss, ist absurd genug, war die Friedensbewegung doch immer eine linke Bewegung. Aber die AfD stellt sich immerhin gegen die Waffenlieferungen an Kiew und tritt für Friedensverhandlungen ein. Damit im Widerspruch steht aber ihr Ja zur Nato und zur Steigerung der Rüstungsausgaben. Egal, aus welchen populistischen oder taktischen Gründen die AfD gegen die Ukraine-Politik der Ampel opponiert – sie bindet damit einen Großteil des Antikriegsmilieus. Das fiel ihr bisher aber auch leicht, weil die LINKE, die Gewerkschaften und die Grünen, die traditionell für „Friedenspolitik“ standen, als Faktoren weitgehend ausfallen, ja im Fall der Grünen sogar zu den ärgsten Scharfmachern gehören. Außerdem mobilisiert die AfD ihre Anhänger nicht. Auch das unterscheidet die AfD von einer wirklichen Nazi-Partei wie der NSDAP, die v.a. mit der SA über eine militante Mobilisierungsstruktur verfügte.

Ein weiterer Grund für die Schwäche der Friedensbewegung ist der Umstand, dass die Bewegung der Palästinenser gegen die Aggression Israels in Gaza, die aktuell weit stärker zu mobilisieren in der Lage ist als die Friedensbewegung, sich (noch) kaum in letztere einbringt. Das hat jedoch weniger mit politischen Differenzen zwischen beiden Milieus zu tun als mit deren tradierter „Separierung“, tw. auch damit, dass viele „Linke“ mehr oder weniger der offiziellen Israel-Politik der Bundesregierung(en) anhängen und Probleme haben, den gerechten Kampf der Palästinenser zu unterstützen – u.a. weil sei den Vorwurf des Antisemitismus fürchten.

Die tradierte Friedensbewegung

Die „Friedensbewegung“ ist eine Bündnisstruktur aus unterschiedlichen Organisationen, Strukturen und politischen Milieus. In ihr wirken linke Gewerkschafter, „radikale Linke“, linke Reformisten, religiöse Pazifisten u.a. mit. Ihre grundlegende Ideologie ist der Pazifismus, nach dem alle Kriege schlecht sind und jede Anwendung von militärischer Gewalt abgelehnt wird. Obwohl die Friedensbewegung traditionell enge Verbindungen zur Linken und zur Arbeiterbewegung (Gewerkschaften) hat, orientierte sie sich immer auch auf den „besseren“, „friedlicheren“ und „humaneren“ Teil des bürgerlichen Establishments. Hauptgegner waren meist (und zu recht) die USA, denen aber oft die EU oder Deutschland als „Friedens-Alternative“ entgegengehalten wurde. Heute funktioniert das natürlich nicht mehr. Oft wurde dem ebenfalls aggressiven deutschen oder EU-Imperialismus ein „fortschrittlicher“ Charakter angedichtet, obwohl es nur um innerimperialistische Konkurrenz ging oder um die schwächeren militärischen Fähigkeiten, die ein energischeres militärisches Vorgehen der EU oder Deutschlands vereitelten. Diese Sicht entspricht auch der Auffassung der LINKEN, die für eine „bessere“, „sozialere“ und „friedliche“ EU eintritt, anstatt diese als ein per se reaktionäres und aggressives imperialistisches Projekt zu brandmarken.

Schon seit Jahren – spätestens seit dem Nato-Angriff auf Serbien 1999 – hätte die Friedensbewegung massiv die Außen- und Militärpolitik der EU und Deutschlands kritisieren müssen. Auch im Fall der Ukraine war schon 2014 deutlich, dass der Westen die Ukraine auf einen Konfrontationskurs gegen Russland lenkt und die Außenpolitik Merkels (Minsker Verhandlungen), wie sie im Nachhinein selbst zugab, nur dazu gedient hat, Russland hinzuhalten und die Ukraine kriegstüchtig zu machen.

Wir wollen hier nicht weiter auf die Politik der Friedensbewegung eingehen, doch auf jeden Fall muss man ihr ankreiden, dass sie sich 1. kaum ernsthaft bemüht hat, die Gewerkschaften zu gewinnen, was u.a. bedeutet hätte, die Haltung deren reformistischer Apparate zu kritisieren. 2. hat man sich immer wieder in ein Boot mit bestimmten Vertretern von Staat und Kapital gesetzt und 3. war die Demonstration ihre nahezu einzige Aktionsform.

Es ist also kein Wunder, wenn die Friedensbewegung gerade jetzt, angesichts steigender Kriegsgefahr, zunehmender Militarisierung und Rüstung schwächer dasteht als je zuvor. Anstatt aber dieses Dilemma offen zuzugeben und nach Ursachen zu suchen, redet man sich die Minimobilisierungen und die fehlende positive Dynamik mitunter noch schön.

Wie weiter?

Bei allen Mängeln muss aber auch anerkannt, ja gewürdigt werden, dass die Friedensbewegung derzeit gegen starken Widerstand und fast ohne Hilfe aus dem politischen Spektrum (LINKE, DGB) eine Kraft ist, die gegen den Kriegskurs ankämpft. Wenn sie aber stärker werden soll, muss sie eine andere Orientierung haben und anders agieren. Was heißt das konkret?

  1. muss sie stärker auf den Zusammenhang zwischen Kriegs- und Rüstungspolitik und sozialen Problemen hinweisen. Antikapitalismus und Antiimperialismus müssen einen größeren Raum einnehmen, ohne dass sie zu politischen Vorbedingungen gemacht werden dürfen.
  2. muss es eine stärkere Orientierung auf die Arbeiterklasse, v.a. auf die Gewerkschaften und Belegschaften geben. Das bedeutet auch, die Politik der reformistischen Bürokratie im DGB, den Einfluss der SPD auf diese und die Weigerung der LINKEN, gegen diese aufzutreten (Gewerkschaftsfraktion), zu kritisieren. Das heißt z.B., in den DGB-Demos am 1. Mai eigene „Anti-Kriegs-Blöcke“ zu bilden.
  3. Die Friedensbewegung muss offen gegen die Kriegspolitik von Grünen und SPD und die Inkonsequenz der LINKEN und auch des BSW angehen und diese unter Druck setzen.
  4. muss die rein pazifistische Orientierung überwunden werden. Stattdessen ist eine aktive Unterstützung von fortschrittlichen (auch militärischen) Bewegungen wie z.B. der Kurden im Irak oder der Palästinenser notwendig. Nur so können auch diese Milieus für die Friedensbewegung gewonnen werden.
  5. muss die fast alleinige Orientierung auf Demos durch andere Aktionsformen ergänzt werden. Von zentraler Bedeutung ist dabei der Aufbau von Basis-Aktions-Gruppen im Ort, im Kiez usw., um Menschen direkt anzusprechen und einzubinden.

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