Freie Linke: Eine neue Chance?

Hanns Graaf

Seit Januar 2021 formiert sich eine neue linke Struktur: die „Freie Linke“ (FL). Sie vereint Menschen aus verschiedenen linken Zusammenhängen und „individuelle“ Linke, die diverse politische Erfahrungen, Traditionen und „Ismen“ repräsentieren. Die FL ist – anders als früher die WASG oder Aufstehen – kein reformistisches Top down-Projekt von (Ex)FunktionärInnen aus SPD, Linkspartei oder DGB, sondern eine linke Basisinitiative.

Obwohl der Gründungsaufruf (https://freie-linke.de/) linker ist als die der WASG und von Aufstehen und eine anti-kapitalistische Ausrichtung erkennen lässt, ist er zugleich politisch sehr verschwommen. Das ist v.a. der politischen Heterogenität der MitstreiterInnen geschuldet, ändert aber nichts daran, dass eine politisch-programmatische Klärung unbedingt noch erfolgen muss. Die FL ist nicht der erste Versuch, die „radikale Linke“ zu renovieren, ihre Zersplitterung, ihre Marginalität und ihre theoretisch-programmatischen Defizite (die letztlich die Ursache der Misere sind) zu überwinden. Um dieser Aufgabe gerecht zu werden, ist es notwendig, einen Blick zurück zu werfen, Erfahrungen mit ähnlichen Projekten zu betrachten und sie für heute nutzbar zu machen.

Die Initialzündung für die FL war die Corona-Frage. Im Unterschied zum linken mainstream, der – mehr oder weniger kritisch – die Merkelsche Lockdownpolitik befürwortet, wendet sich die FL gegen diese (letztlich für die „Virus-Bekämpfung“ nahezu wirkungslose) Politik und gegen die damit verbundenen Einschränkungen des öffentlichen Lebens und der Demokratie. Sie kritisiert den Corona-Alarmismus von Politik, Medien und bestimmten Kreisen der „Wissenschaft“. Entgegen diversen Vorwürfen distanziert sich die FL aber klar von anderen „Corona-Kritikern“ bürgerlicher Provenienz (Querdenker), Corona-Leugnern und v.a. von den auf diesen Zug aufgesprungenen Rechten.

Obwohl Corona aktuell (und wie zu befürchten steht noch länger) das Hauptthema bleiben wird, ist die FL keine „Anti-Corona-Struktur“. Sie versteht sich vielmehr als neues linkes Projekt – links als anti-kapitalistisch verstanden.

Historische Krise

Die seit Jahrzehnten anhaltende Schwäche der Linken und der Arbeiterbewegung in Deutschland, ja weltweit ist unübersehbar. Nirgends gibt es eine revolutionäre Massenpartei, eine Internationale existiert nicht. Die einzige erfolgreiche sozialistische Revolution von 1917 liegt bereits über ein Jahrhundert zurück. Alle anderen Versuche seitdem sind gescheitert.

Obzwar die Arbeiterklasse weltweit immer noch wächst, ihr objektives soziales Gewicht zunimmt und sie über große Formationen (Parteien, Gewerkschaften, Bewegungen) verfügt, gelingt es ihr heute fast nie, sich effektiv und erfolgreich gegen Sozialabbau, Krieg, Rassismus, Umweltzerstörung usw. erfolgreich zur Wehr zu setzen. Im Gegenteil: Wir erleben seit Jahren ein globales neoliberales und konservatives Rollback. Ein Grund dafür – jedoch nicht der einzige – ist, dass das Proletariat nun schon seit fast 100 Jahren über keine revolutionäre Klassenführung verfügt. Trotzki sprach zu recht von einer „historischen Führungskrise“. Doch auch der IV. Internationale gelang es nicht, diese Krise zu lösen, ihre „Reste“ sind selbst Teil der Krise.

Obwohl der Kapitalismus immer noch in der Lage ist, jene Produktivkräfte zu entwickeln, „für die er weit genug ist“ (Marx), wird er immer mehr zum Hindernis für den allgemeinen Fortschritt und eine humanere und produktivere Gesellschaft. Der Widerspruch zwischen Produktivkräften und Produktionsverhältnissen wird immer schärfer. Die Bourgeoisie erweist sich als „reaktionär auf der ganzen Linie“ (Lenin). Die Notwendigkeit wie die Möglichkeit, den Kapitalismus zu überwinden, besteht nach wie vor.

Deutschland

Das zentrale Problem (nicht nur) in Deutschland – ist die politische und organisatorische Dominanz des Reformismus (SPD, LINKE, DGB usw.) über die Linke und die Arbeiterklasse.

Bei der Wiedervereinigung 1990 erwiesen sich SPD und DGB als untauglich, um dem westdeutschen Kapital und seinem sozialen Crashkurs in Ostdeutschland zu begegnen. Die „Kosten der Einheit“ wurden der Arbeiterklasse in Ost und West aufgebürdet. Mit der rot/grünen Regierung unter Schröder (1998) wurde die SPD (in Kooperation mit Spitzen des DGB) mit ihrer Agenda-Politik sogar zur Speerspitze des Neoliberalismus. Überall – ob in der Finanzkrise, in der Griechenlandkrise oder bei der Massenabzocke durch die Energiewende – waren und sind SPD  und DGB treue Spießgesellen der Merkel-CDU und des Kapitals (auch wenn die SPD mitunter einen „softeren“ Kurs fährt, um ihre organische Verbindung mit und ihre Kontrolle über das Proletariat nicht völlig zu unterminieren (good cop / bad cop).

Der Preis dafür ist ihr Niedergang. Das ist das von MarxistInnen wie Luxemburg vorausgesagte Schicksal einer Partei, die sich von einer („zentristischen“) Interessenvertreterin der Lohnabhängigen zum konterrevolutionären Büttel des Kapitalismus gewandelt hat. Im Windschatten der SPD schippert die Linkspartei und kommt nicht vom Fleck, weil sie nicht eine Alternative zur SPD ist, sondern nur deren vermeintlich „bessere“ reformistische Vergangenheit kopieren will, anstatt diese als tiefere Ursache der jetzigen Misere anzusehen. Nur die Gewerkschaften – deren Apparat sozialdemokratisch orientiert und eng mit der SPD verbunden ist – vermochten ihre Stellung zu halten, weil sie am engsten mit der proletarischen Basis verbunden sind und immerhin begrenzte ökonomische Kämpfe führen – sie aber zugleich bremsen.

Markant ist der Aufstieg der Grünen, die v.a. in der wachsenden städtischen lohnabhängigen Mittelschicht wurzeln. Sie haben der SPD in wichtigen Feldern, v.a. der Umwelt, den Rang abgelaufen. Das war ihnen auch deshalb möglich, weil die Linke und „der Marxismus“ diese Fragen lange nicht thematisiert haben. War früher der Reformismus ein spezifischer Teil der Arbeiterbewegung (SPD, DGB), so gibt es heute daneben einen „grünen“ Reformismus, der sich aber nicht mehr auf die Arbeiterbewegung stützt. Der Reformismus ist heute gewissermaßen nicht mehr (nur) blaßrot, sondern grellgrün.

Der Reformismus in allen seinen Spielarten ist historisch gescheitert: sowohl hinsichtlich der Überwindung des Kapitalismus als auch (global gesehen) beim Versuch, den Kapitalismus sozialer, demokratischer, friedlicher usw. zu machen. Daran ändern auch gewisse Errungenschaften (des Klassenkampfes) in einigen imperialistischen Zentren insgesamt nichts. Der Reformismus kann nicht gesundet oder nach links gedrückt werden – man darf sich ihm nicht anpassen, sondern muss ihn bekämpfen, was begrenzte taktische Kooperationen (Einheitsfrontpolitik) nicht aus- sondern einschließt.

Neuformierungen

Nach der 68er Bewegung, der Entstehung der Grünen und dem Auftreten der PDS ab 1989 kam es ab 2002 mit der Schröderschen Agenda-Politik 2005 erneut zu „Ablösungs“tendenzen von der SPD, als sich Mitglieder und WählerInnen massenhaft von ihr abwandten und 2004/05 die WASG und die Anti-Harz-Bewegung (Montagsdemos) entstanden. Doch diese Ansätze wurden entweder bekämpft (SPD, DGB) oder wieder in den Reformismus („Fusion“ zur Linkspartei) eingebunden. Das Gros der „radikalen Linken“ stand der WASG überwiegend passiv, verständnislos oder ablehnend gegenüber. Fatal war und ist das Agieren einiger „TrotzkistInnen“ (SAV und Linksruck/Marx21), die nicht den Bruch mit dem Reformismus bestärkten, sondern dessen linke Flanke stellen.

Im Herbst 2018 bildete sich mit „Aufstehen“ erneut ein „alternativer Ansatz“, jedoch nicht von „unten“, sondern als Top down-Projekt von „Prominenten“ zur Blutauffrischung des siechen Reformismus. Die InitiatorInnen um Sahra Wagenknecht vermochten aber weder, ein konsistentes Programm noch eine substantielle Analyse vorzulegen. Sie waren noch nicht einmal in der Lage, die vielen 10.000en InteressentInnen zu informieren, geschweige denn, die politische Klärung und die organisatorische Formierung voran zu bringen. Sie haben komplett versagt! Daher ist Aufstehen gescheitert. Noch deutlicher als bei der WASG weigerte sich die gesamte „radikale Linke“, in Aufstehen zu intervenieren und für ein revolutionäres Programm zu kämpfen. Erneut wurde so eine Chance vertan und dem Reformismus das Feld überlassen.

Die FL unterscheidet sich politisch von WASG und Aufstehen v.a. dadurch, dass sie deutlich linker und anti-kapitalistischer ausgerichtet ist.

Die „radikale Linke“ müsste ein Katalysator für den Aufbau einer neuen revolutionären Arbeiterpartei sein, doch sie ist dazu weder organisatorisch noch politisch bereit und in der Lage. Die diversen Gruppen verharren in ihrem jeweiligen Ismus wie in einem Gewächshaus, ihr Level an Kooperation ist in jeder Hinsicht sehr gering. Sie versagen allesamt dabei, die Gesellschaft und den Klassenkampf zu analysieren und offensiv einzugreifen. Neue politische und soziale Phänomene werden oft nicht verstanden und rein ideologisch betrachtet.

Das zeigt sich z.B. in der Umwelt- und der Klimafrage oder hinsichtlich der Corona-Krise. Eine (natur)wissenschaftliche Analyse fehlt fast völlig, was regelmäßig dazu führt, dass die Linke (links)bürgerlichen Bewegungen („grüne“ Szene, FfF) und Ideologien hinterherläuft und den bürgerlichen Medien weitgehend unkritisch glaubt. Diese Strömungen hat Marx schon im „Kommunistischen Manifest“ als „kleinbürgerlichen“, „Bourgeois-Sozialismus“ usw. verurteilt. Als besonders „links“ oder „antikapitalistisch“ gilt heute, diesen Kräften und Ideologien ein „revolutionäres“ i-Tüpfelchen hinzuzufügen. Doch diese Methode ist weder materialistisch noch historisch-kritisch oder dialektisch. Sie ist unmarxistisch und stellt genau das dar, was Marx pejorativ „ideologisch“ nannte.

Krise der Linken

Die Ursache der – in Art und Ausmaß freilich unterschiedlichen – Degeneration aller (!) Teile der „radikalen Linken“ liegt u.a. darin, dass 1. eine historisch-kritische Verarbeitung des Marxismus nicht oder nur unzureichend erfolgte, er oft verzerrt oder als Dogma behandelt wurde. Die Hauptursache des langen Niedergangs war der Stalinismus. Eine Rolle spielte aber auch, dass v.a. die Ideen Lenins und Trotzkis zwar richtigerweise als revolutionäre Weiterentwicklungen des Marxismus gegenüber der II. Internationale bzw. dem Stalinismus begriffen werden, jedoch nicht verstanden wurde, wo auch bei ihnen Fehler bestehen (die tw. auf nicht überwundene Konzepte der II. Internationale zurückgehen). Das sind u.a.:

  • eine „mechanische“ Auffassung der Beziehung zwischen Partei und Klasse;
  • ein einseitiges Verständnis von Klassenbewusstsein, das nur als politisches verstanden wird;
  • die Unterschätzung der sozialen (nicht nur politischen) Selbstorganisation des Proletariats und der Massen, z.B. in Form von Genossenschaften;
  • ein „blanquistisches“ Revolutionsverständnis, das den revolutionären Umsturz „überbetont“, den „reformerischen“ Prozess der Selbstorganisation des Proletariats (auch in ökonomischer Hinsicht) aber unterschätzt oder sogar ablehnt und die Verbindung beider Prozesse bei der Formierung des revolutionären Subjekts nicht versteht oder leugnet;
  • das Nichtverstehen sozialer Entwicklungen, einer veränderten Klassenstruktur (z.B. Wachstum der lohnabhängigen Mittelschichten) und der Entwicklung der Produktivkräfte.

Wir betrachten die Anschauungen von Marx, Engels u.a. MarxistInnen als wichtig und unverzichtbar, sehen aber auch deren zeitbedingte Grenzen. Marx hat keine abgeschlossene(n) Theorie(n) hinterlassen, sondern einen genialen Torso einen „Werkzeugkasten“ zur Überwindung des Kapitalismus. Wir meinen, dass der Marxismus – v.a. die Methodik von Marx – aber immer noch die produktivste, einzig konsequente und wissenschaftliche Konzeption zur Überwindung des Kapitalismus ist. Doch unter dem Einfluss der II. Internationale, des Stalinismus und der diversen „Ismen“ wurde der Marxismus – trotz diverser Weiterentwicklungen – immer mehr zum Dogma. Daher wird er den Anforderungen des Klassenkampfes heute kaum noch gerecht und hat viel von seiner intellektuellen Sprengkraft und Attraktivität eingebüßt. Deshalb müssen wir uns wieder ernsthaft und historisch-kritisch mit ihm befassen. Wir müssen Marx´ Methode auf den Marxismus selbst anwenden und ihn auf den Prüfstand der Geschichte stellen. Zum Fundus des Klassenkampfes gehören auch bestimmte Meinungen und Erfahrungen anderer linker Strömungen, die oft zu unrecht als „Dissidenten“, „Konterrevolutionäre“ usw. abgelehnt worden sind (z.B. der Anarchismus).

Derzeit liegt die einzige realistische Chance für eine Erneuerung der Linken in übergreifenden, kooperativen Projekten. Auch wenn die WASG und Aufstehen von Beginn an klar reformistisch geprägt waren, gab es a) einen deutlich größeren Einzugsbereich als bei linken Gruppen und b) einen Gestaltungsraum, den linke Gruppen politisch hätten nutzen können und müssen – was sie aber überwiegend nicht getan haben. Die FL ist nun eine erneute Chance für Aufbau, Erneuerung und Umgruppierung.

Arbeiterpartei

Historisch geht es objektiv darum, (in Deutschland) eine revolutionäre Arbeiterpartei (als Teil einer Internationale) aufzubauen und keinesfalls darum, die x-te neue Kleingruppe oder Pseudo-Internationale zu etablieren. Die dazu geeignete Arbeiterpartei-Taktik bedeutet aber eigentlich, dass nicht nur Linke, sondern relevante Teile der Klasse und der Arbeiterbewegung dafür gewonnen werden, sich an einem politischen und organisatorischen Neuformierungsprozess zu beteiligen. Aufgrund der momentanen organisatorischen und politischen Schwäche der FL (und der gesamten Linken) wäre es allerdings absurd, kurzfristig zu erwarten, dass aus der FL eine wirkliche (Arbeiter)Partei entsteht. Schon die Formierung einer Kaderpartei mit einigen tausend Mitgliedern wäre ein Fortschritt – vorausgesetzt, es ist damit eine wirkliche politisch-programmatische Weiterentwicklung verbunden und nicht die Zufriedenheit mit einem zentristischen halfway-house, das für die Wanderer nur ein Prokrustesbett bereit hält.

Die FL kann und sollte somit ein Faktor, ein Katalysator für die Reformierung der radikalen Linken und den Aufbau einer Arbeiterpartei werden. Wir befinden uns in einer ähnlichen Situation wie Lenin Ende des 19. Jahrhunderts, als er die Überwindung des Zirkelwesens forderte. Gelingt dies nicht, wird die „radikale“ Linke noch tiefer in der Marginalität versacken.

In diesem Sinn ruft die Initiative Aufruhrgebiet alle RevolutionärInnen, Anti-KapitalistInnen und klassenbewussten ArbeiterInnen auf, sich am Aufbau der FL und an der Neuformierung der Linken aktiv zu beteiligen!

6 Gedanken zu „Freie Linke: Eine neue Chance?“

  1. Sehr zu erinnern wäre im vorliegenden Zusammenhang an vor nicht langem erst publizierte Beiträge von Hanns Graaf über eine bestimmte Wandlung der produktiven Basis des Kapitals und jene bestimmte, mit dieser Wandlung historisch neu hervorgekommene gesellschaftliche Kraft, den technischen aber auch sonstigen Mittelstand.

    Vor Monopolismus und Imperialismus, im noch liberalen Kapitalismus, zur Zeit des frühen Schaffens von Marx/Engels und als diese ihre Geschichtstheorie von den Klassenkämpfen vorlegten, gab es tatsächlich allein zwei gesellschaftlich-materiell maßgebliche Akteure, ein sagenhaft reiches und profitables industrielles Kapital, und ein enorm armes und bis aufs Blut ausgebeutetes Proletariat. Es paßte Klassenkampf tatsächlich gut in die am damals weitesten industriell entwickelte Welt, in die britische, wo Marx und Engels den Großteil ihrer Lebenszeit verbrachten.

    Absehbar hätten die vielen, im liberalen Kapitalismus ebenfalls sehr armen, aber per Definition nichtproletarischen (weil nicht industriell händisch schaffenden) Arbeitenden – vor allem Kleinhandwerk, Hauspersonal und Landarbeiter – sich dem Proletariat angeschlossen und beteiligt am Aufbau einer assoziativ geordneten Wirtschaft. (Bei Lichte besehen aber hätte dafür das ausreichend vorgebildete Fachpersonal für Koordination gefehlt — es fehlten damals beinahe völlig Mittelstand und KMUs.)

    Kleinhandwerk, Hauspersonal und Landarbeiter sind im Laufe der Produktivkraftentwicklung nahezu verschwunden, und der technische und sonstige Mittelstand kam erstmalig auf zusammen mit dem Monopolismus. Ein Stand, der absolut unabdingbar geworden ist für das materielle Produzieren sowie für Bildung, Forschung, Justiz und Kultur. UND der personell eng verflochten ist mit dem kleinen und mittleren Unternehmertum.

    Es folgt daraus für die Bündnisfrage im Hinblick auf die für ALLE immer akuter werdende Notwendigkeit der Überwindung der vom Imperialismus bzw. vom global(istisch)en Großkapital ausgehenden massiv gesellschaftszerstörerischen Tendenzen ein enges Bündnis zu suchen mit dem technischen Mittelstand und den KMUs, dem kleinen und mittleren Unternehmertum. Ein nicht kurzfristiges taktisches Bündnis, sondern ein langfristig und strategisch auf Bildung von Assoziationen von Produzenten, Handel und Konsumenten hin ausgelegtes Bündnis.

    Oder man möchte lieber warten, bis der Saulus ein Paulus wird, bis zum St. Nimmerleinstag also. Mehr muß nicht gesagt werden zu sich taktisch an den Verhältnissen im Liberalismus orientierenden Gewerkschaften und Parteien. Und mit Blick auf Lenins fachlich wohlfundierte Analyse des Imperialismus ist auch nicht mehr zu sagen zum Reizthema Klassenkampf — ja, Linksoben reibt sich die Hände! Was denn auch könnte in der wirklichen Wirklichkeit weiter auseinander liegen als Liberalismus und Imperialismus/Globalismus.

  2. Von den Entwicklungen außerhalb der EU+NATO-Staaten lernen, heißt – meines Erachtens – inzwischen, linke Politik neu zu denken. Eben nicht in Kategorien und mit den Begrifflichkeiten der Vergangenheit, die zwar die Realität durchaus treffend darstellen, aber heute allein schon mit ihrem aus der Zeit gefallenen Vokabular politisch niemanden mehr wirklich erreichen und damit sowohl eine Auseinandersetzung wie auch eine Mobilisierung für eine neue linke Politik weitgehend verhindern. Um es konkreter zu machen – Warum spricht man von Bourgeoisie und nicht von Machteliten? Warum spricht man von Proletariat und nicht von Prekariat? Warum von Klassenkampf und nicht von Teilhabe? Auch sollte man das ein oder andere Dogma über Bord werfen: Ist es per se falsch, Gewinne erzielen zu wollen? Ich denke, Nein! Ist es per se richtig, individuelle Stärken zugunsten eines Gemeinwohls zu unterdrücken? Ich denke, Nein! Es gibt mittlerweile viele Staaten und Regierungen, die das eigentliche Problem erkannt haben: Machtkonzentration! Eine Konzentration von Macht, die von keiner öffentlich legimitierten Macht oder demokratisch gewählten Regierung mehr kontrolliert und gesteuert werden kann. Dem gilt es mit linker Politik einen Riegel vorzuschieben. Und das muß klar und deutlich kommuniziert werden. Das heißt dann zum Beispiel ganz klar: Raus aus der NATO und eigentlich auch ein politischer Umbau der EU. Beide Organisationen – und da gäbe es noch andere zu nennen (Weltbank, UN, etc. pp), sind nicht mehr „up to date“ und begünstigen die machtpolitischen Pläne einstiger Kolonialmächte in Europa und anderswo. Linke Politik heißt als Europäer auch, die Bereitschaft Macht abzugeben! Ich denke, das wäre nicht nur zum Nachteil der Europäer. Es könnte vieles auch vereinfachen – z. B. weniger Ausgaben für Rüstung etc.!

    1. „Eben nicht in Kategorien und mit den Begrifflichkeiten der Vergangenheit, die zwar die Realität durchaus treffend darstellen, aber heute allein schon mit ihrem aus der Zeit gefallenen Vokabular politisch niemanden mehr wirklich erreichen und damit sowohl eine Auseinandersetzung wie auch eine Mobilisierung für eine neue linke Politik weitgehend verhindern.“

      Das Wichtigste ist doch, „die Realität treffend darzustellen“. Natürlich sind bestimmte Begriffe „verbraucht“ und „verbogen“, das ist das Erbe von Stalinismus und Reformismus. Doch es gibt keine besseren Begriffe als die, die von Marx kommen. Es macht auch keinen Sinn, „Ersatzbegriffe“ zu benutzen.

      Zu Ihren Vorschlägen: „Warum spricht man von Bourgeoisie und nicht von Machteliten?“ Weil das nicht Dasselbe ist. Zur „Machtelite“ gehören z.B. Teile der Bürokratie, Politiker, die Gewerkschaftsspitzen usw. Diese besitzen aber keine Produktionsmittel – deshalb vertreten sie auch tw. eigene Interessen. Ihr Vorschlag führt dazu, jede materialistische und konkrete Kennzeichnung von sozialen Gruppen und ihren Interessen zu verwischen.

      Ein anderes Beispiel: „Warum (spricht man) von Klassenkampf und nicht von Teilhabe?“ Auch hier: weil es nicht Dasselbe ist. Klassenkampf bedeutet, etwas zu erkämpfen, Teilhabe nicht unbedingt. Klassenkampf verweist auf einen objektiven Klassengegensatz, Teilhabe eher auf das Gegenteil. Klassenkampf inkludiert (bei Marx) revolutionäre Überwindung des Kapitalismus, teilhabe nicht.

      Eine neue bessere (!) Linke braucht nicht neue Begriffe, sondern ein neues Verständnis!

      1. @Paul Pfundt — Der linke Kram darf in jeder Beziehung als verbrannt angesehen werden. Menschen mit Restintelligenz wehren sich mittlerweile mit Händen und Füßen dagegen, als Linke bezeichnet zu werden. Ja, Marx selbst schrieb an Engels: „Eines aber steht fest, ich bin kein Marxist.“

        De facto ist Klassenkampf ein allein der globalen Elite des Großkapitals dienliches Konzept, das immer wieder von dieser Elite genutzt wird, um Gesellschaften zu destabilisieren und dann leichter korporatistisch bzw. technokratisch bzw. faschistisch transformieren zu können. So wie derzeit gerade mit dem Great Reset. Marx und Engels haben erkannt und bedauert, vor Ausarbeitung ihrer bestechend klaren politischen Okonomie dieser eine arbiträre Geschichtstheorie vorangestellt zu haben, die von den Klassenkämpfen. Die Klassenkampf-These wendet Soziologisches um in Magisches, in Wunschdenken. Unter den noch rudimentären Verhältnissen des liberalen Kapitalismus zuzeiten der jüngeren Lebensjahre von Marx/Engels hätte Klassenkampf eventuell erfolgreich sein können… . Eventuell, aber er war es nicht. Die Organisationen der Arbeiterklasse gerieten im Verlauf der zweiten Hälfte des 19. Jhdts. fest in die reformistischen Hände der Fabianer. Und sind dort seitdem verblieben. Und zwar WEGEN der Klassenkampfthese!

        Man mache sich nichts vor, bitteschön, das Klassenkampfkonzept ist grandios gescheitert. Es bildet die geschichtliche Entwicklung nicht sachgerecht ab. Nicht verwunderlich so denn, ließ Rudolf Steiner, welcher sich vollauf zustimmend auf die Marx/Engelsche politische Okonomie bezog, den Profit firmieren als „Schenkgeld“ in seinem Konzept einer „Dreigliederung des sozialen Organismus“. Und in der Tat ist Profit das Geschenk des Proletariats an ALLE anderen in der Gesellschaft. Siehe nun aber die aus technologischer und sonstiger Innovation hervorkommenden Produktivitätszuwächse! Diese treiben den tendentiellen Fall der Profitrate und verringern so zugleich das gesamtmarktliche Volumen an Profit — siehe hier insbesondere Entlassungen, Nachfragerückgang und Investitionsnotstand. Was die materielle Existenz zerstört nicht nur von immer mehr Proletariern, sondern zugleich von ALLEN anderen in der Gesellschaft. Und wieso denn, bitteschön, sollten nur Proletarier so intelligent sein, diesen Zusammenhang zu begreifen und sich ihrem Untergang entgegenzustellen!? Quatsch. Völliger Unsinn. Vor allem gesellschaftlich spalterischer Unsinn. Weswegen nichts die Überwindung eines massenmörderischen Großkapitals mehr verhindert als die real existierende Linke. Welche alles von Klassenkampf, aber nichts von politischer Ökonomie versteht. Richtiger: Die alles von Klassenkampf versteht, WEIL sie nicht das geringste von Marx/Engelscher politischer Ökonomie versteht. Nicht nur Rechte sind dumme Kerls, Schwachköpfe.

        Nicht Marx und Engels — aber der „Marxismus“ ist bis auf seine Grundmauern und bis in alle Ewigkeit hin ruiniert! Mit Blick auf ihre politische Ökonomie jedoch werden Marx und Engels ihren Rang als große und glänzende Genies niemals verlieren in der Ruhmeshalle der Wissenschaften.

        1. „Marx und Engels haben erkannt und bedauert, vor Ausarbeitung ihrer bestechend klaren politischen Okonomie dieser eine arbiträre Geschichtstheorie vorangestellt zu haben, die von den Klassenkämpfen. Die Klassenkampf-These wendet Soziologisches um in Magisches, in Wunschdenken.“

          Welcher Unsinn! Wo haben Marx und Engels denn „bedauert“? Wenn alle nur Scheiße ist – warum posten Sie dann hier?!“ Mit klassenkämpferischen Grüßen Hanns Graaf

          1. @Hanns Graaf — Stimmt, alles vergeblich. Jedenfalls so weit es die Linke betrifft. Da nur in den die Löhne aushandelnden Apparaten Geld ist, gehören diesen die linken Parteien, ALLE linken Parteien. Zudem haben immer schon der VS und von der Gewerkschaftsbürokratie alimentierte kleinkriminelle Schlägertrupps dafür gesorgt, daß dies so bleibt. Lüge ich etwa!? Nein, ich untertreibe, werden linke Parteien doch auch direkt vom Großkapital finanziert.

            Digitale Dystopie und globaler Massenmord sind logische Folge der Zerstörung des globalmarktlich verfügbaren Profitvolumens durch PRODUKTIVITÄTSZUWÄCHSE. Jeder Idiot kann das mühelos verstehen. Nur hört man davon nichts in den Gewerkschaften und linken Parteien. Ist doch seltsam, nicht!?

            Da die Organisationen der Arbeiterklasse nun einmal fest mit dem Großkapital verbandelt sind, wäre das Bündnis mit den Organisationen des Mittelstands zu suchen. Und mit denen zu mobilisieren gegen Deindustrialisierung, Energie(w)ende und den ankommenden massenmörderischen digi-totalitären CO2-Sozialismus des Großkapitals. Doch leider verunglücken die vom Mittelstand immer mit ihren Jaguars. Ja, richtig, sieht richtig schlecht aus!

            Zu lange von Klassenkampf geträumt. Lenkt ab von der schnöden linken Wirklichkeit. Und wird deshalb oben immer gern gesehen. Linksoben.

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