Als Planwirtschaft wird allgemein eine Wirtschaftsform bezeichnet, in der das Privateigentum an den wichtigsten Produktionsmitteln (große Betriebe, Finanzsystem, Handel, Transport, Energie, Kommunikation) überwunden ist und das Zusammenwirken der Unternehmen nicht mehr über den Markt und die Konkurrenz, sondern durch einen zentralen Plan durch den Staat geregelt wird.
Seit dem Zusammenbruch des Stalinismus ist für fast alle bürgerlichen Journalisten, Ökonomen und Politiker klar, dass eine solche Wirtschaft nicht funktioniert hat. Diese Kritik ist insofern richtig, als sie darauf verweisen kann, dass die stalinistische Ökonomie weniger dynamisch und innovativ als die westliche und selbst in sozialer oder ökologischer Hinsicht nicht besser oder sogar schlechter als diese war. Der permanente Mangel an nachgefragten Gütern und Dienstleistungen und deren oft schlechte Qualität sind zu Synonymen für eine staatliche Planwirtschaft geworden.
Trotz dieser berechtigten Kritik werden aber wichtige Errungenschaften der staatlich gesteuerten Wirtschaftsordnung ausgeblendet, weil jede Alternative zur kapitalistischen Privatwirtschaft diskreditiert werden soll. Doch die Abschaffung des Privateigentums und der Konkurrenz im Ostblock brachte, v.a. am Anfang, enorme Vorteile. So konnten Mittel für wichtige gesellschaftliche Entwicklungsziele gebündelt werden, während das Gesamtkapital im Kapitalismus sich auf viele konkurrierende Eigentümer aufteilt. Der Wegfall der Konkurrenz ermöglichte es, dass viele unproduktive Bereiche, die im Kapitalismus unverzichtbar sind, minimiert werden konnten: Werbung, Justiz, der Finanzsektor, Teile der Verwaltung u.v.m. Die so eingesparten Ressourcen konnten in sinnvollere Bereiche gelenkt werden. Die weitgehende Abschaffung des Wertgesetzes, d.h. des „Kapitalkreislaufs“, verringerte auch die soziale Abstufung in der Gesellschaft bedeutend. Allerdings wurden diese Effekte weitgehend wieder dadurch aufgehoben, dass riesige neue unproduktive bürokratische Bereiche entstanden.
Die Verteidiger des Kapitalismus, aber auch viele Linke verstehen unter einer Planwirtschaft in der Regel ein von oben durch den Staat geplantes Wirtschaftssystem. Doch die Intention von Marx und Engels lässt sich nicht darauf reduzieren. Zwar haben sie kein systematisches Modell einer nachkapitalistischen Wirtschaft erarbeitet, doch sie haben wichtige Aussagen dazu gemacht. Danach sollte diese Wirtschaft auf genossenschaftlichen Strukturen beruhen, die den direkten Zugriff der ArbeiterInnen auf die Produktionsmittel sichern sollten. Aus diesen Strukturen sollte eine „staatliche“, d.h. rätedemokratische, gesellschaftliche Kooperation erwachsen, bei der ProduzentInnen und KonsumentInnen über Produktion und Verteilung bestimmen.
Der wachsende Widerspruch zwischen den konkurrierenden Einzel-Kapitalen und den gesellschaftlichen Gesamtinteressen in der imperialistischen Epoche Ende des 19. Jahrhunderts führte die Theoretiker der II. Internationale oft dazu, den Staat als jene Struktur zu begreifen, mit der diese Konflikte überwunden werden könnten. Für sie musste das Proletariat nur noch die „Staatsmacht ergreifen“, um die Wirtschaft in ihrem Interesse steuern zu können. Diese irrige Annahme bedeutete aber in der Tendenz, dass die Arbeiterklasse erneut nicht direkt die Produktionsmittel verwaltet, sondern eine über ihnen stehende Struktur: der Staat. Nach Marx sollte dieser aber im Zuge der Entwicklung zum Kommunismus absterben, anstatt Wirtschaft und Gesellschaft zu verwalten. Die Konzeption der II. Internationale prägte auch stark das Denken Lenins, Trotzkis und der Bolschewiki. Ihre Konzentration auf die Verstaatlichung – neben und gegen eine wirkliche Arbeiterselbstverwaltung – führte letztlich in die bürokratische Staatswirtschaft Stalins.
Die bürokratische Planung entstand bereits vor der Machtusurpation durch Stalin. Die Anfänge eines proletarischen Rätesystems und einer nichtkapitalistischen Ökonomie kollabierten nach 1917 schnell, wesentliche Elemente einer kapitalistischen Ökonomie (Lohnsystem, Warenwirtschaft, Geldsystem usw.) prägten weiter Wirtschaft und Gesellschaft. Die Herrschaft der Bürokratie war mit der völligen Entmachtung und Enteignung der Massen verbunden, deren direkter Zugriff auf Produktion und Verteilung war somit verhindert. Die doppelte Enteignung – sowohl des Kapitals wie des Proletariats – führte dazu, dass Ineffizienz, Stagnation und Mangel dieses staatskapitalistische System prägten und schließlich zu seinem verdienten Zusammenbruch führten.
Ein anderer Fehler vieler Konzeptionen von Planwirtschaft ist die Annahme, dass Planung per se zu einer neuen Qualität der Ökonomie führen würde. Doch erstens gibt es Planung auch im Kapitalismus. Allerdings steht diese im Widerspruch zur Konkurrenz und sie schwindet immer mehr, je höher die ökonomische Ebene ist: Planung im Maßstab einer Branche oder international gibt es kaum. Der zweite Unterschied ist der, dass im Kapitalismus vom Kapital und dem Management nach den Prämissen des Marktes „geplant“ wird, während im Arbeiterstaat ProduzentInnen und KonsumentInnen – und nicht ein „separater“ Staatsapparat – planen würden.
Drittens ist entscheidend, was geplant wird, was also der soziale Inhalt der Planung ist. Im Kapitalismus dient jede Planung letztlich der Profitmaximierung. Da jedoch jede materielle Produktion auch ein stofflicher Vorgang ist, muss der Kapitalist doppelt planen: 1. muss er den Bedarf an Ressourcen (Arbeitskräfte, Rohstoffe, Technik, Energie etc.) berücksichtigen, 2. muss er den Preis dieser Ressourcen kalkulieren. In der Planwirtschaft müssen nur noch die Ressourcen geplant werden. Dadurch verliert das Geld seine Funktion und kann verschwinden. Der Anteil des Einzelnen am gesellschaftlichen Reichtum wird nach seiner Leistung (i.w. seiner Arbeitszeit), in einer höheren Entwicklungsphase des Kommunismus wird er sogar nach seinen Bedürfnissen festgelegt. Auch die ökonomischen Relationen beruhen auf einer reinen Ressourcen-Planung (Marx sprach von der Arbeitszeit als Maßstab).
Letzteres setzt aber zwingend voraus, dass die Arbeiterklasse selbst direkt diese Planung und Bemessung vornimmt. Diese Rolle kann nicht von einer Staats- bzw. Parteibürokratie übernommen und von oben herab bestimmt werden.
Wenn der „soziale Inhalt“ der proletarischen Planung die Gebrauchswertproduktion ist, dann stellt sich auch die Frage der Produktqualität. Die Entwicklung der industriellen Massenproduktion im Kapitalismus war mit einer grundsätzlichen Umwälzung des Gebrauchswertes von Produkten – des Produkt“designs“ – verbunden. Eine nachkapitalistische Ökonomie benötigt ebenfalls eine solche „Produktrevolution“, die für ein höheres Niveau an Arbeitsproduktivität und Bedürfnisbefriedigung unverzichtbar ist. Auch die Organisation der gesellschaftlichen Strukturen, innerhalb deren die technischen Produktivkräfte wirken (Gesellschaftliche Produktivstrukturen, GPS), muss umgewälzt werden. Diese beiden wichtigen Aspekte spielen leider in der Linken noch bei Marx und Engels wirklich eine Rolle.
Der Kreislauf des Kapitals zum Zwecke der Vermehrung des Kapitals – auch als Wertgesetz bezeichnet – liegt zwar im Interesse der Kapitalisten, vollzieht sich aber willkürlich und „hinter dem Rücken“ der Gesellschaft, wie Marx es einmal formulierte. Die gegensätzlichen Einzelinteressen der Kapitalisten würden eine „Anarchie der Produktion“ bewirken, die zu Überproduktion, zu Krisen und Disproportionen führt und politische Konflikte bis hin zu Kriegen erzeugt.
Die Geschichte des Kapitalismus zeigt jedoch, dass sich die reale Entwicklung nicht komplett mit Marx´ Annahmen deckt. So hat der Staat weit mehr Bedeutung für die Wirtschaft, als zu Marx´ Zeiten. Das Wirkungsgeflecht zwischen den Einzelkapitalen und dem Staat (resp. der Gesellschaft) ist bedeutend enger als damals. Das Kapital hat verschiedene Mechanismen entwickelt, um die Ökonomie „auszugleichen“ und auf Krisen zu reagieren. So kann das Kapital heute bestimmte negative Auswirkungen seiner Wirtschaftsweise besser „austarieren“. Allerdings – und da hat Marx grundsätzlich recht – kann es Krisen und Konflikte trotzdem nicht vermeiden.
Eine proletarische Planwirtschaft funktioniert anders als eine kapitalistische Marktwirtschaft und steht zu ihr im Widerspruch. Produkte werden in einer Planwirtschaft nach einem allgemeinen Plan erzeugt, der nicht nur wie im Kapitalismus einen engen Sektor (ein Unternehmen, eine Abteilung oder eine einzelne Arbeit) betrifft, sondern die gesamte Wirtschaft, letztlich im internationalen Rahmen. Die Frage was, wie viel, wo und mit welchen Mitteln produziert wird, wird demokratisch von der ganzen Gesellschaft festgelegt. Dazu müssen demokratische Organe von ProduzentInnen und KonsumentInnen vorhanden sein, welche die Bedürfnisse der Gesellschaft feststellen, die Ziele der Produktion und Entwicklung festlegen und die Durchführung des Planes überwachen und nötigenfalls korrigieren. Über die Planung würde die Gesellschaft in ihrem eigenen Interesse entscheiden, während im Kapitalismus nur eine Minderheit von Kapitalbesitzern oder im Staatskapitalismus die Minderheit der Bürokratie entscheidet.
Ein Produktionsplan und die Orientierung an den Bedürfnissen aller Teile der Gesellschaft ist nicht vereinbar mit den egoistischen Eigeninteressen von Kapitalisten oder Bürokraten. Deswegen müssen genossenschaftliche bzw. selbstverwaltete Unternehmen die Basis einer Planwirtschaft bilden. Die Verwaltung der einzelnen Unternehmen liegt in den Händen der Belegschaft. Wären die einzelnen Betriebe aber nicht über einen Plan miteinander verbunden, stünden sie – auch wenn sie nicht mehr in Privatbesitz sind – einander immer noch als Konkurrenten gegenüber. Deshalb sind das Privateigentum und auch das isolierte, d.h. nicht per Plan verbundene, Gruppeneigentum, aber auch das „Staatseigentum“, das nur Eigentum einer Bürokratie sein kann, als Basis einer Planwirtschaft ungeeignet.
In der Planwirtschaft sind Produkte nicht mehr Waren, die zum Zweck des Tausches hergestellt werden, sondern nur Gebrauchsgegenstände (Gebrauchswerte). Um z.B. das Interesse an Mobilität der Menschen zu befriedigen, hat ein Autokonzern nur das Ziel, Autos zu verkaufen. Dabei spielt keine Rolle, ob das Auto das sinnvollste Fahrzeug für diesen Zweck ist. In einer sozialistischen Planwirtschaft würde das Bedürfnis nach Mobilität natürlich auch vorhanden sein. Doch die Gesellschaft würde dann überprüfen können, auf welche Art und mit welchen technischen Mitteln dieses Bedürfnis am sinnvollsten befriedigt werden kann.
Planwirtschaft bedeutet nicht nur eine ausgeglichenere Ökonomie ohne Krisen und eine gerechte Verteilung. Eine geplante Wirtschaft stellt ein quasi vom Kopf auf die Füße gestelltes Wirtschaften dar, bei dem die Menschen demokratisch und im eigenen Interesse entscheiden. Die Menschen bestimmen das Wirtschaften und nicht mehr umgedreht eine blind wirkende Ökonomie über die Menschen. Nicht nur die wirtschaftlichen Zusammenhänge zwischen den Einzelunternehmen werden anders reguliert, auch ganze Produktionsstrukturen und die Beschaffenheit der Produkte wird sich gegenüber dem heute Üblichen ändern. Alles muss und kann dann auf den Prüfstand der Gesellschaft gestellt werden.
Der Aufstieg des Kapitalismus war mit der Schaffung des Weltmarktes und der Überwindung der feudalen Beschränkungen verbunden. Inzwischen ist er selbst zu einer Schranke der Entwicklung geworden. Ganze Weltregionen sind unterentwickelt, die Nationalstaaten und die egoistischen Interessen der Monopole und Banken bremsen oder verhindern eine der ganzen Welt zugute kommende Nutzung der immer größer werdenden wissenschaftlich-technischen Möglichkeiten. Immer mehr drängen die Internationalisierung von Produktion, Verteilung, Forschung usw. über den engen Rahmen des Privateigentums und der Konkurrenz hinaus und verweisen auf die Möglichkeit und Notwendigkeit einer demokratischen Planwirtschaft.