Vorbemerkung: Wir übernehmen diesen Beitrag von der Seite https://nukeklaus.net mit freundlicher Genehmigung des Autors. Redaktion Aufruhrgebiet.
Dr. Ing. Klaus-Dieter Humpich
Wenn unsere Regierung von der „Energiewende“ spricht, erzählt sie gern von ihren „Erfolgen“ bei der Installation von Windmühlen und Sonnenkollektoren. Inzwischen sollen über 40% der elektrischen Energie damit erzeugt werden. Das ist schon mal die halbe Lüge: Erzeugung ist nicht zu verwechseln mit der notwendigen Produktion für den jeweiligen Verbrauch. Während jeder Dunkelflaute muss der Strom durch konventionelle Kraftwerke bzw. Import bereitgestellt werden (Verbrauch). Weht der Wind bzw. scheint die Sonne in verbrauchsschwachen Zeiten, muss der „Erneuerbare Strom“ teuer entsorgt werden (negative Strompreise bei Überproduktion). Die Physik lässt sich nicht überlisten. In jedem Augenblick müssen sich Verbrauch und Erzeugung genau die Waage halten.
Vollends sinnlos wird die Investition von über 500 Milliarden Euro (500.000.000.000) für die „Energiewende“ aber, wenn man den Endenergieverbrauch in Deutschland betrachtet: 50,4% Wärme und Kälte, 25,4% Verkehr (ohne Strom und intern. Luftverkehr) und lediglich 24% Stromverbrauch im Jahr 2022. Der Elefant im Raum – über den kein „Grüner“ gern reden mag – ist der Wärmeverbrauch. Davon spielt sich der größte Teil wiederum als sog. Niedertemperaturwärme für die Gebäudeheizung und Warmwasser ab (über 3400 Petajoule jährlich). Das ist rund das Fünffache der gesamten derzeitigen Wind- und Sonnenproduktion. Wie soll das gehen? Da helfen auch keine elektrischen Wärmepumpen. Die Heizung läuft nur im Winterhalbjahr, wo kaum die Sonne scheint und aller Strom vorher (Langzeitspeicherung) durch die Windmühlen produziert werden müsste. Selbst, wenn das technisch möglich wäre, wäre es wirtschaftlicher Irrsinn.
Der finnische Ansatz
In Finnland dauert der Winter noch länger und ist meist auch kälter als in Deutschland. Will man fossile Energieträger verbannen – warum auch immer – muss man sich auf die Gebäudeheizung konzentrieren. Für die Art der Wärmeversorgung ist die Bebauungsdichte pro Grundstücksfläche das entscheidende Kriterium: Gibt es viele m2 Wohnfläche pro km2 Siedlungsfläche, bietet sich Fernwärme an. Schon frühzeitig erkannte man den Nachteil von Einzelfeuerstätten (Luftverschmutzung). In Finnland gibt es 160 lokale Netze.
Fernwärmenetze erfordern hohe Investitionen. Die Rohrleitungen müssen isoliert und (zumeist) in der Erde verlegt werden, wo sie mit anderen Medien (Strom, Internet, Wasser, Abwasser etc.) um den knappen Raum konkurrieren. Damit sind wir beim Thema Betriebstemperatur. International hat sich eine Vorlauftemperatur zwischen 120°C bis 150°C etabliert. Physikalisch hängt die transportierte Wärmeleistung von der Temperaturdifferenz zwischen Vor- und Rücklauf ab. Je größer die Temperaturdifferenz, desto kleiner die Rohrdurchmesser, die Wärmeübertrager und Pumpen und damit die notwendigen Investitionen. Es gibt aber noch eine hygienische Mindesttemperatur von 60°C (Legionellen usw.) bei der Brauchwassererwärmung. Will man auch noch Klimaanlagen bzw. Absorptionskälteanlagen (Sommerbetrieb) versorgen, liegt die Mindesttemperatur bei 120°C. Schon diese beiden Temperaturen entlarven den Sachverstand unserer derzeitigen Regierung: Die Einspeisung von Abwärme – wenn möglich – ist durchaus sinnvoll, wenn sie genug Temperatur hat. Unsere Bürokraten wollen aber nun die Grenze bei 20°C installieren. Wärme mit 20°C ist faktisch Abfall.
Wie nun die Wärme bereitgestellt wird, ist eine wirtschaftliche Frage – neuerdings aber auch ein Glaubensbekenntnis. Klassisch sind fossil befeuerte Kessel. Möglich – wenngleich fragwürdig – sind Wärmepumpen. Die Leistungszahl (Verhältnis von gewonnener Wärme zur eingesetzten Arbeit) ist abhängig von der Temperatur der Wärmequelle und der Temperatur im Netz. Man benötigt daher eine Quelle mit möglichst hoher Temperatur und großem Volumen (z.B. einen See) in der Nähe. Ein immer wieder auftauchender Klassiker – oder sollte man besser sagen: Blödsinn – ist die Nutzung der Kanalisation. Kühlt man die Abwässer ab, geht der ohnehin geringere Wirkungsgrad der Kläranlagen im Winter drastisch runter. Bakterien mögen es halt warm. Schon im 19. Jahrhundert hat man Dampf aus Kraftwerken ausgekoppelt. Allerdings büßt man dadurch Stromproduktion ein. Im 20. Jahrhundert kamen die Blockheizkraftwerke (BHKW) hinzu. Wirtschaftlich fragwürdig, da man den zwangsweise produzierten Strom günstig verkaufen muss und andererseits im Sommer kaum Wärme benötigt. Solche Anlagen werden in der Branche gern als „rotierende Öfen“ bezeichnet, vergleicht man die Investitionen mit einfachen Gaskesseln. Wirtschaftlich sind BHKW nur in speziellen Anwendungsfällen. Es verwundert daher nicht, wenn getrennte Kesselanlagen für die Wärme und Kraftwerke zur reinen Stromgewinnung dominieren.
LDR-50 Fernwärme- Kleinreaktor
Dieser Reaktor ist eine Entwicklung des VTT Technical Research Centre of Finland. Inzwischen ist daraus das Startup Steady Energy hervorgegangen. Der Reaktor soll eine maximale Heizleistung von 50 MWth haben. Das reicht für die Versorgung einer Kleinstadt aus. Der Reaktor soll eine Betriebstemperatur von etwa 150°C haben und bei einem Druck von nur 10 bar betrieben werden. Daraus ergibt sich ein enormer Kostenvorteil gegenüber einem konventionellen Druckwasserreaktor (176 bar, 362 °C). Die erforderliche Wandstärke des Druckbehälters kann nur wenige Zentimeter betragen. Der Reaktor funktioniert im Naturumlauf: Das heiße Wasser steigt aus dem Reaktorkern nach oben, kühlt sich an den Wärmeübertragern ab und strömt infolge seiner höheren Dichte wieder unten in den Kern ein. Es werden deshalb keine Kühlmittelpumpen benötigt. Was man nicht hat, kann auch nicht kaputt gehen.
Zwischen dem Reaktor (Primärkreislauf) und dem Fernwärmenetz (Tertiärkreislauf) befindet sich ein Sekundärkreislauf. Das Verschleppen jedweder Radioaktivität in das Fernwärmenetz ist damit ausgeschlossen. Dies lässt sich sehr einfach und sicher überwachen. Hinzu kommt, (große) Fernwärmenetze werden mit Drücken zwischen 16 und 25 bar betrieben. Es lässt sich daher einfach ein Druckgefälle in Richtung Reaktor aufbauen: Bei einer Leckage würde Wasser vom Netz in Richtung Reaktor strömen und nicht umgekehrt.
Eine aktive Notkühlung gibt es auch nicht. Der Reaktordruckbehälter ist von einem Sicherheitsbehälter umgeben. Der Zwischenraum ist teilweise mit Wasser gefüllt. Kann der Reaktor – aus welchen Gründen auch immer – seine Wärme nicht mehr los werden, fängt dieses Wasser irgendwann an zu verdampfen (Dampfdruck bei 150°C beträgt 4,8 bar). Dieser Wasserdampf kann in einem Kühlwasserbecken niedergeschlagen werden und strömt dann wieder zurück. Dieses Konzept hat sich bei zahlreichen Reaktoren bereits bewährt.
Der skandinavische Pragmatismus
Der LDR-50 befindet sich seit 2020 beim VTT Technical Research Centre of Finland in der Entwicklung. Von Anfang an hat man die technische und politischen Rahmenbedingungen im Auge behalten. Im Februar 2024 konnte der entscheidende politische Durchbruch erzielt werden: Die finnische Behörde für Strahlung und nukleare Sicherheit hob die entfernungsbasierten Sicherheitszonen für neue Kernkraftwerke auf. Diese Änderung ermöglicht es, Kleinreaktoren in der Nähe von Wohngebieten zu bauen und betreiben. Im Mai/Juni führte das Forschungsunternehmen Aula Research per E-Mail und Telefoninterview eine Umfrage bei insgesamt 184 kommunalen Entscheidungsträgern durch. Die Zustimmung für einen Reaktor ergab in Tampere (94%), Espoo (93%), Lahti (94%), Turku (91%) und Helsinki (89%). Wichtiger noch als die Zustimmung, ist dabei die frühzeitige Einbeziehung und Diskussion in den Gemeinden – nicht gegen, sondern mit und für die Bevölkerung.
2025 beginnt der Bau einer Pilotanlage. Dabei handelt es sich um einen vollständigen Reaktor mit elektrischen Heizstäben anstelle eines nuklearen Kerns. Man gewinnt so Zeit für das notwendige Genehmigungsverfahren. Man schiebt nicht nur einfach Papier hin und her, sondern kann alle Komponenten bereits unter realen Betriebsbedingungen testen und betreiben. Dies ist auch für den Aufbau kompletter Lieferketten nötig. Später soll diese Anlage dann für Schulungs- und Ausbildungszwecke dienen. 2028 will man mit dem Bau des ersten Reaktors beginnen (alle nötigen Genehmigungen vorausgesetzt), der 2030 seinen Betrieb aufnehmen soll. Bisher gibt es Vorverträge für 15 Heizreaktoren (5 mit Kuopion Energia in Ostfinnland und 10 mit Helen) in Finnland.
Inzwischen ist auch die schwedische Kärnfull Next eine Partnerschaft mit den Finnen eingegangen. Laut den Partnern beträgt Schwedens Fernwärmeverbrauch insgesamt etwa 50 TWh pro Jahr, von denen zwei Drittel aus Biomasse stammen. Die Brennstoffkosten sind in den letzten Jahren stark gestiegen. Im Allgemeinen wird die Zukunft der Biomasse in der Fernwärme diskutiert, nicht zuletzt, da sie wertvollere alternative Verwendungen hat. Darüber hinaus führt die Verbrennung von Biomasse zu Emissionen und erheblicher Verkehrsbelastung. „Die Heizung einer großen Stadt mit Biomasse erfordert jeden Tag einen Haufen Baumstämme von der Größe eines Fußballfeldes, mit einem konstanten Strom von Lastwagen rund um die Uhr“, sagte Tommy Nyman, CEO von Steady Energy. „Es ist höchste Zeit, dass unsere Gesellschaften das Verbrennen von Holz einschränkt um damit unsere Häuser zu heizen.“ Ob das wohl unser Habeck gehört hat?
Die Lage in Europa
In Europa gibt es ungefähr 3.500 Fernwärmenetze, die 60 Millionen Menschen versorgen. Die finnische Idee könnte deshalb schnell zu einem Exportschlager werden. Für die ersten 15 Reaktoren (Vorverträge) geht man von Investitionen deutlich unter 70 Millionen Euro pro Stück aus. Die Auslegungslebensdauer beträgt 60 Jahre – die tatsächliche noch viel länger. Nicht nur, weil die Belastung durch Druck und Temperatur sehr viel geringer als in einem konventionellen Kernkraftwerk sind. Auch die Brennstoffkosten sind geringer. Technisch gesehen, kann es sich um konventionelle Brennelemente handeln. Es wird aber nur schwach angereichertes Uran (geplant 2%, vielleicht sogar abgenutzter Brennstoff aus KKW?) benötigt, was die ohnehin geringen Brennstoffkosten noch einmal mildert.
Ein weiterer Punkt ist die hohe Energiedichte des Uran. Man kann mehrere Jahre einen solchen Reaktor betreiben, ohne frischen Brennstoff zu benötigen. Dies sorgt auch für langfristig kalkulierbare Heizkosten ohne Angst vor Ölpreis- und Gaspreisschwankungen. In Finnland kommt noch die Erfahrung mit dem Krieg in der Ukraine hinzu. Da solche Reaktoren sehr klein sind, ist es kein Problem, sie unterirdisch in Felskavernen zu installieren.