Hannah Behrendt
Die Migration wird in Deutschland als das wichtigste Problem angesehen, das gelöst werden müsse. Als ab 2015 immer mehr Flüchtlinge nach Deutschland kamen, hat sich die Einstellung zur Migration stark verändert. Im Einklang mit Merkels „Wir schaffen das“ stand eine große Mehrheit der Zuwanderung aus humanitären Gründen zunächst positiv gegenüber. Es gab viel Hilfsbereitschaft und Solidarität in der Bevölkerung. Auch Politik und Staat haben damals die (unkontrollierte) Aufnahme von Flüchtlingen erleichtert und versucht, ihnen ein einigermaßen angemessenes Leben zu ermöglichen. Hieran sehen wir schon, dass die These, Politik, Staat und Kapital wären per se rassistisch oder fremdenfeindlich orientiert, so nicht stimmt. So traten und treten z.B. die Unternehmerverbände für mehr Migration ein – freilich weniger aus humanitären Motiven, sondern weil man Arbeitskräfte braucht, weil man ein Heer von flexibel einsetzbaren Billigjobbern als Lohndrücker will oder weil eine nationalistische Abschottungspolitik mit den Anforderungen der Globalisierung kollidiert, die v.a. für das Exportkapital relevant sind.
Trotz aller tatsächlichen oder behaupteten Weltoffenheit gab und gibt es natürlich auch rassistische Einstellungen im Staatsapparat und in der Bevölkerung – bis hin zu militanten Attacken gegen Asylbewerber und Mordanschlägen. Akteure waren dabei fast immer organisierte Rechtsradikale – entweder als Anstifter oder als Täter. Die in Staat und Politik zu beobachtenden reaktionären Tendenzen, die bürokratische Gängelung und Stigmatisierung von Migranten bis hin zu Abschiebungen halten sich allerdings (noch) die Waage mit realen Bemühungen, Flüchtlinge zu „integrieren“. So falsch es war, Staat und Politik als Multikulti-orientiert anzusehen, so unzutreffend ist es, sie nur als ausländerfeindlich und repressiv zu betrachten. Die Position der Bourgeoisie, ihres Staates und der bürgerlichen Politik zur Migration ist flexibel, sie folgt den sich verändernden wirtschaftlichen Verwertungsbedingungen des Kapitals. Letztlich entscheidet v.a. der Bedarf an Arbeitskräften über die Haltung zur Migration.
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