Menetekel Grünheide

Paul Pfundt

Erinnern sie sich noch an den Hambacher Forst? Tausende KlimaaktivistInnen veranstalteten über Monate ein Riesenspektakel, das von den Medien nur allzu gern aufgegriffen wurde. Damals ging es um die Abholzung von 500 Hektar Wald.

Kein Thema bei den Klimaaktivisten ist hingegen die Abholzung eines ähnlich großen Waldstücks in der Größe von 420 Fußballfeldern im Brandenburgischen Ort Grünheide südlich von Berlin. Von Protesten der Klimaschützer ist bisher nichts zu merken. Warum ist das so? Ganz einfach: der Hambacher Forst sollte weichen, um dort den Braunkohlenabbau weiterführen zu können. In Grünheide hingegen soll eine E-Autofabrik von Tesla entstehen. Und E-Autos gelten ja als Umwelt- und Klimafreundlich. Außerdem sorgt Tesla für neue Arbeitsplätze. Wer kann da noch etwas dagegen sagen?

Klimaschutz?

Doch alle diese Argumente für die Tesla-Fabrik sind falsch. E-Autos leisten keinen Beitrag zur Reduktion des Individualverkehrs und sie bewirken auch keinen Klima- oder Umweltschutz. Sie verbrauchen sogar mehr Energie als Verbrenner, weil ihr Fahrzeuggewicht durch die Batterien höher ist als bei Verbrennern. Schwerere Lasten zu bewegen braucht mehr Energie. Zudem gibt es energetische Verluste durch die Stromspeicherung. Wird die Autobatterie noch mit Strom etwa aus einer solar-gespeisten Hausbatterie aufgeladen, vergrößern sich diese Verluste zusätzlich.

Auch das Argument der Einsparung von Emissionen durch E-Autos stimmt nicht. Emissionen wie Feinstaub entstehen trotzdem (Bremsbelagabrieb, Reifenabrieb), andere (CO2) fallen nur woanders, bei der Stromherstellung, an.

Durch E-Autos ergeben sich zudem erhebliche Probleme für das Stromsystem. Mehr E-Autos erhöhen den Stromverbrauch – und das bei gleichzeitigem Ausstieg aus Kernkraft und Kohle. Dadurch vergrößert sich die Stromlücke immer mehr, was bis zu einem gewissen Grad durch Import von Kohle- und Atomstrom ausgeglichen werden kann. Doch die Kapazitäten der Nachbarländer reichen natürlich bei weitem nicht aus, um den riesigen Strombedarf Deutschlands tw. mit abzudecken. Auch der weitere Zubau von „Erneuerbaren Energien“ (EE) schließt die Lücke nicht, v.a. nicht bei Wind- und Sonnenflaute. Dafür brauchte es riesige Speicherkapazitäten, die jedoch nicht annähernd vorhanden sind und deren Ausbau im erforderlichen Maße alle ökonomischen und finanziellen Ressourcen sprengen würde – ein Umstand, der uns von den EW-Protagonisten stets verschwiegen wird.

Ein weiteres systemisches Problem der Elektrifizierung des Autoverkehrs ist der notwendige Ausbau der Lade-Infrastruktur. Millionen Haushalte, Unternehmen, öffentliche Flächen usw. müssten Ladeeinrichtungen bekommen. Allein die großen Tankstellen etwa an Autobahnen würden einen Starkstromanschluss benötigen, was wiederum einen erheblichen Ausbau des Stromnetzes nach sich zöge. Zu all dem kommt noch das Problem, woher die Rohstoffe für die Batterien, z.B. Lithium, kommen sollen. Schon die Umstellung des deutschen Autoverkehrs auf E-Autos brauchte mehr Lithium, als derzeit weltweit gefördert wird.

Auch E-Autos sind also – wie die meisten anderen Maßnahmen der EW – ungeeignet, um das (angebliche) Klimaproblem zu lösen; sie erzeugen nur neue Probleme für die Gesellschaft und insbesondere für die Lohnabhängigen und ärmere Menschen.

Der Bau von E-Autos oder gar die Förderung dieser Produktion, wie derzeit in Grünheide, ist also selbst unter Klimaschutzgesichtspunkten unnötig, ja falsch.

Arbeitsplätze?                            

Ein anderes Argument für die Tesla-Ansiedlung in Grünheide ist die Aussicht auf Schaffung neuer Arbeitsplätze im relativ strukturschwachen Land Brandenburg (obwohl die Struktur-schwachen Regionen Brandenburgs gerade nicht im Speckgürtel von Berlin liegen). Sicher werden in Grünheide tausende Jobs entstehen und u.U. auch mehr Steuern eingenommen; doch nur, wer etwas kurzsichtig ist, kann das als Erfolg sehen.

Tatsächlich wird Tesla in Deutschland (oder für den osteuropäischen Markt) gar nicht gebraucht. Die Tesla-Befürworter in der Brandenburger Politik tun gerade so, als könne es ohne Tesla in Deutschland keine E-Mobilität geben. Doch der politisch und medial erzeugte E-Auto-Hype in Deutschland mit seinen diversen Förderungen hat dafür gesorgt, dass auch die deutschen Hersteller inzwischen massiv in Produktion, Forschung und Entwicklung von E-Autos und Batterietechnik investiert haben.

Der E-Auto-“Boom“ zeigt sich bisher aber v.a. in Ideologie und Investitionen, weitaus weniger in  den Zulassungsstatistiken. Schlechtere Eigenschaften (Ladeproblematik, geringere Reichweite) und deutlich höhere Preise von E-Autos verurteilten die Stromer bisher zu Nischenprodukten und Spielzeugen für betuchte Autofreaks oder indoktrinierte Ökos. Demnächst könnte also eher ein Überangebot an E-Autos drohen als ein Mangel – umso mehr, als die meisten Länder E-Autos nicht so fördern wie Deutschland. Anstatt zu wenig Arbeitsplätze könnte es also demnächst zu viele E-Autos geben. Diese Überkapazitäten würden – da es ohnehin schon erhebliche Überkapazitäten im Autosektor gibt – zu enormen Problemen für die Autokonzerne führen; umso mehr, als die Umstellung auf E-Autos mit einer tiefgehenden Änderung der Produktions- und Wertschöpfungsketten in den Konzernen verbunden ist.

Heute ist schwer abzusehen, wie die Entwicklung verlaufen wird. Es ist nicht ausgeschlossen, dass es zu einem großen Crash in der Autobranche kommt. Genauso wenig ist es ausgeschlossen, dass der Staat die Rahmenbedingungen für den Verkehr so setzt, dass E-Autos quasi vorgeschrieben sind. Eher unwahrscheinlich ist, dass die Batterietechnik in den nächsten Jahren einen großen Sprung macht (nicht nur in der „grünen“ Ideologie, sondern in der Realität).

Die These von der Schaffung von Arbeitsplätzen erweist sich also als durchaus fraglich. Ja, im Grunde entstehen in Grünheide nur Jobs auf Kosten von Arbeitsplätzen in anderen Regionen. Hier zeigt sich wieder einmal, zu welchen Unwägbarkeiten die ungeplante kapitalistische Konkurrenzwirtschaft führt. Selbst der immense Einfluss des Staates auf die Wirtschaft bringt hier keine Lösung. Im Gegenteil: die unsinnige, ja schädliche Förderung der E-Mobilität durch Staat und Politik befeuert den Konkurrenzkampf und befördert Fehlentwicklungen, die es in diesem Maße sonst gar nicht gegeben hätte.

Waldsterben für das Klima

Rational betrachtet und über den Brandenburger Tellerrand hinaus geschaut gibt es also keinen Grund, in Grünheide eine große Waldfläche zu roden, damit Tesla dort seine Fabrik bauen kann.  Doch wie immer haben sich die „grüne“ Szene und die Brandenburger Politik schon argumentativ in Stellung gebracht. Da wird darauf verwiesen, dass für die gerodete Fläche woanders als Ausgleich wieder Bäume angepflanzt werden. Das mag sein oder nicht: wie wissen jedoch aus Erfahrung, dass diese ökologischen „Ausgleichsmaßnahmen“ oft nur auf dem Papier stehen und ein  wirklicher Ausgleich (so weit das überhaupt möglich ist) nicht wirklich erfolgt. Daneben verweist die Pro-Tesla-Fraktion darauf, dass der in Rede stehende Wald in Grünheide ja „nur“ ein Forst, d.h. ein Wirtschaftswald ist, dessen ökologischer Wert geringer wäre. Auch das mag sein. Doch wo werden diese Argumente ins Feld geführt, wenn Windräder in Wäldern errichtet werden oder wo, wie im Beispiel Hambacher Forst, ebenfalls Ausgleichsmaßnahmen vorgenommen  werden?! Da wird offenbar mit zweierlei Maß gemessen: was der Energiewende dient, ist in Ordnung, auch wenn es ökologische Schäden nach sich zieht, was ihr widerspricht, wird als „klimaschädlich“ diskreditiert.

Sicher kann man das Interesse vieler BürgerInnen an neuen Arbeitsplätzen in der Region und das  Bemühen der Landesregierung verstehen. Doch letztlich hat all das mit Vernunft, mit rationalem Abwägen wenig zu tun, es entscheidet nur das kurzfristige und lokal-bornierte Interesse. Insofern ist Grünheide die Wahl zwischen Regen und Traufe.

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