Zur Frage einer 5. Internationale

Hanns Graaf

Das Kapital agiert nicht nur international, es ist – trotz aller Konkurrenz – auch in vielen Strukturen vernetzt. Der Arbeiterklasse hingegen fehlt schon seit vielen Jahrzehnten eine solche Struktur. So stellt sich in unserer globalisierten Welt immer drängender die Frage, wie es gelingen kann, dieses  Fehlen einer Internationale des Proletariats zu überwinden?

Es gab es in der Geschichte der Arbeiterbewegung bereits vier Internationalen. Hier ein kurzer Überblick.

Die I. Internationale

Die I. Internationale, auch Internationale Arbeiterassoziation (IAA) genannt, entstand 1864. Ihr wichtigster Mitstreiter war Karl Marx, der einige wichtige programmatische Dokumente für sie schrieb und deren Ausrichtung stark prägte. In der IAA waren neben einer Minderheit von Anhängern von Marx u.a. auch Gewerkschafter und Anarchisten. Die IAA vereinte keine Massenparteien, die es damals noch nicht gab, sondern eher Gruppen, politische Milieus und gewerkschaftliche Strukturen. Als 1871 die Pariser Kommune niedergeschlagen wurde, folgte dem eine repressive Phase. Die IAA verlor an Einfluss. Zudem verschärfte sich der von Beginn an köchelnde Konflikt zwischen Marx und den Anarchisten um Bakunin, der schließlich dazu führte, dass auf Marx´ Bestreben hin die IAA aufgelöst wurde. Seitdem gab es leider von beiden Seiten kaum ernsthafte Bemühungen, den tiefen Graben zwischen „Marxismus“ und Anarchismus zu überwinden und – ausgehend von den durchaus auch vorhandenen Gemeinsamkeiten – wenigstens eine engere praktische Kooperation im Klassenkampf zu erreichen. Das Hauptverdienst der I. Internationale bestand darin, die internationale Kooperation und Diskussion der Arbeiterbewegung voran gebracht zu haben und einige zentrale Elemente des Marxschen Marxismus verbreitet zu haben.

Die II. Internationale

1889 wurde die II. Internationale gegründet. Sie umfasste bereits Parteien, die schon  Massenorganisationen waren. Die wichtigste Kraft der II. Internationale war die SPD. Die II. Internationale widerspiegelte den starken Aufschwung der Arbeiterbewegung am Ende des 19. Jahrhunderts. Die Programmatik der SPD und der II. Internationale beinhaltete zwar einige Elemente der Theorie von Marx, doch es mangelte von Beginn an daran, diese substanziell weiter zu entwickeln. Dies hätte einerseits bedeutet, zu berücksichtigen, dass der Kapitalismus inzwischen in sein imperialistisches Stadium eingetreten und andererseits, dass die Arbeiterbewegung eine Massenkraft geworden war und entsprechende Taktiken brauchte, um diese Kraft auch umsetzen zu können. Der „Kompromiss“ der II. Internationale bestand nun darin, einen formellen, akademischen und „zentristischen Marxismus“ zu pflegen, deren wichtigste deutsche Vertreter Bebel und Kautsky waren, um zugleich reformistische praktische Politik zu betreiben.

Die 1899 maßgeblich von Bernstein angestoßene „Revisionismusdebatte“ war ein Versuch, die Veränderungen des Kapitalismus Ende des 19. Jahrhunderts methodisch zu erfassen und programmatische Schlüsse daraus zu ziehen. Dabei vertrat Bernstein einerseits eine reformistische Strategie, die u.a. Rosa Luxemburg zu recht scharf kritisiert hat. Anderseits muss man Bernstein aber zugestehen, dass er eine Reihe berechtigter Fragen gestellt und soziale Tendenzen aufgezeigt hat, die von seinen Kritikern aber tw. kaum aufgegriffen oder recht oberflächlich abgetan wurden, so etwa die Genossenschaftsfrage, die Frage der Mittelschichten oder die Konzentrationstendenzen des Kapitals. Über ein Jahrhundert später müssen wir zugestehen, dass Bernstein zwar strategisch falsch lag, aber durchaus in einigen Fragen auch nicht ganz unrecht hatte. Das Problem der Linken war, dass sie zwar den Reformismus attackierten, aber selbst noch nicht über ein taktisches System verfügten, dass sie ihm entgegenhalten konnten. Dieses entwickelten die Linken, v.a. Rosa Luxemburg erst einige Jahre später.

Noch klarer als in der „Revisionismus-Debatte“ zeigte die „Massenstreik-Debatte“ wenig später, dass die Sozialdemokratie, v.a. ihre Funktionäre, insgesamt nicht bereit und in der Lage waren, die neuen Formen des Klassenkampfes, die mit den Massen- und Generalstreiks (z.B. mehrmals in Belgien) und als Sowjets in der Russischen Revolution von 1905 auftauchten, positiv zu verarbeiten. Diese militanten Kampfformen und die räteartige Selbstorganisation der Massen waren v.a. den Gewerkschaftsführern höchst suspekt. Sie nannten den Generalstreik „Generalunsinn“. Die SPD beschloss dazu einen Formelkompromiss, der den Gewerkschaftsführungen freie Hand ließ und die SPD ihnen in der Praxis unterordnete. Wieder war es v.a. Luxemburg, die hier konsequent dagegenhielt. In Ansätzen war es ihr jetzt, nachdem sie die Erfahrungen des Massenstreiks von 1902 in Belgien und der Russischen Revolution von 1905 verarbeitet hatte, möglich, der Methode des Reformismus konkrete revolutionäre Taktiken entgegenhalten zu können.

Trotz vieler offizieller Erklärungen und Beschlüsse gegen den drohenden Krieg unternahmen die SPD und die II. Internationale dann, als er im August 1914 ausbrach, nichts dagegen, sondern stellten sich an die Seite ihrer jeweiligen Bourgeoisie und ließen zu, dass sich Millionen an den Fronten gegenseitig abschlachteten und die sozialdemokratischen Parteien und Gewerkschaften sich dem von oben verordneten Burgfrieden unterwarfen.

Gegen den (von allen Seiten imperialistischen) Krieg regte sich aber bald Widerstand, auch in Deutschland: soziale und politische Streiks nahmen zu, die revolutionären Obleute in den Betrieben formierten sich. International sammelten sich in der „Zimmerwalder Linken“ ab 1915 die revolutionären, antiimperialistischen, internationalistischen Linken, darunter Lenin und Trotzki. Aus diesem Prozess entstand dann schließlich – maßgeblich angetrieben durch die Revolution in Russland 1917 und den Sieg der Bolschewiki – die III. (kommunistische) Internationale (Komintern).

Die III. Internationale

Im März 1919 wurde in Moskau die Kommunistische Internationale (Komintern) gegründet. Sie stand von Beginn stark unter dem Einfluss der Bolschewiki, der einzigen Partei, der es gelungen war, den Kapitalismus im eigenen Land zu stürzen. In der Zeit der ersten vier Komintern-Kongresse zwischen 1919 und 1922 entstand eine starke kommunistische Weltbewegung: in vielen Ländern gründeten sich kommunistische Parteien, andere, zentristische Organisationen bewegten sich im Orbit der Komintern. Doch nur in ganz wenigen Ländern außerhalb Sowjetrusslands gab es starke oder gar dominante kommunistische Parteien. Weltweit gesehen konnten die Reformisten mit ihren Parteien und Gewerkschaften den Zugriff auf die Klasse behalten. Die von der Komintern erhoffte und erwartete Weltrevolution blieb stecken und die UdSSR mit ihren großen Problemen deshalb auf sich allein gestellt. Diese objektive Situation, aber auch Fehler in der praktischen Politik der Bolschewiki, die v.a. auf einer unzureichenden, etatistischen Gesellschaftskonzeption beruhten, führten zum bzw. begünstigten den Aufstieg der Bürokratie und ihres Führers Stalin. In der UdSSR wurden im Laufe der 1920er die Reste des ohnedies noch kaum entwickelten Rätesystems ausgelöscht, Wirtschaft und Gesellschaft wurden einem monströsen terroristischen bürokratischen System untergeordnet: dem Staatskapitalismus.

Die Komintern wurde schon ab ihrem 5. Kongress 1924 immer mehr von den Interessen, den Schwankungen und Kampagnen der Stalin-Bürokratie geprägt. Statt der bis dahin geltenden demokratischen Debatte und der stringenten theoretisch-methodischen Arbeit wurde die Komintern von nun an von bürokratischem Gehorsam, ständigen Säuberungen und oberflächlichem Ideologisieren beherrscht. Die unglaublichen Fehler der Stalinschen Komintern-Politik führten zu schweren Niederlagen des Proletariats. In Deutschland wurde vor 1933 die Schaffung einer proletarischen Einheitsfront gegen Hitler blockiert und die stärkste Arbeiterklasse Europas kapitulierte kampflos. Dieses Desaster und die offenkundige Unfähigkeit, aus der Niederlage Lehren zu ziehen, animierte Trotzki dann dazu, die Komintern als degeneriert und unreformierbar einzuschätzen und auf eine neue Internationale zu orientieren. Die Jahre nach 1933 haben Trotzkis Einschätzung bestätigt: die Volksfrontpolitik, der Hitler-Stalin-Pakt, die Niederlagen u.a. in China, Frankreich und v.a. in Spanien hatten gezeigt, dass die Komintern kein Werkzeug der Revolution mehr war, sondern diese be- und verhinderte.

Anstatt jährlich wie zu Anfang gab es bis 1935 nur noch drei Komintern-Kongresse. 1943 wurde die Komintern von Stalin schließlich aufgelöst – in einer Situation, als klar war, dass der Faschismus am Ende ist und die Arbeiterklasse, die tw. in Gestalt der Partisanenbewegungen bewaffnet war, den Kapitalismus würde stürzen können.

Die IV. Internationale

Die IV. Internationale wurde 1938 gegründet. Mit ihr hoffte Trotzki, die „Führungskrise des Proletariats“ zu lösen. Doch unter den Bedingungen des Krieges und des doppelten Terrors der Nazis und Stalins war es sehr schwer, eine starke Struktur zu schaffen. Die IV. Internationale blieb klein. Trotzdem hat sie Bleibendes geschaffen: sie sammelte die revolutionären Kader und beugte  deren völliger Atomisierung vor. Mit ihrem Gründungsprogramm, dem „Übergangsprogramm“, gelang eine Systematisierung der Erfahrungen und Taktiken der revolutionären Arbeiterbewegung und des Bolschewismus. Es orientierte auf die soziale Revolution im Westen und auf die politische Revolution gegen den Stalinismus in der UdSSR. Trotzki analysierte unermüdlich die Situation, kritisierte die verhängnisvolle Politik der Reformisten und Stalins und machte Vorschläge, wie der Klassenkampf zu führen sei. Selbst im Nachhinein sind die Klarheit und Weitsicht Trotzkis bemerkenswert.

Trotzdem wurde die IV. Internationale nicht zu der neuen revolutionären Klassenführung des internationalen Proletariats. Warum? Die Ermordung ihres Führers Leo Trotzki durch einen Agenten Stalins 1940 war sicher ein herber Verlust. Mehrere revolutionäre Chancen – etwa in Spanien 1936 und in verschiedenen Ländern (Frankreich, Italien, Griechenland) 1944-46 – blieben v.a. aufgrund der konterrevolutionären Politik der Stalinisten ungenutzt, z.T. endeten sie in blutigen Niederlagen. In den 1950ern entbrannte in der IV. ein Streit darüber, wie die weitere Entwicklung der Welt aussehen würde und welche Konzeptionen angemessen wären. Darüber spaltete sich die IV. Internationale und zerfaserte immer weiter in bis heute bestehende diverse konkurrierende trotzkistische „Internationalen“. Sie alle beziehen sich auf einen der trotzkistischen Führer nach dem Tod Trotzkis und dessen Interpretation und Weiterentwicklung der Konzeption Trotzkis.

Letztendlich scheiterte „der Trotzkismus“ auch an seiner Inkonsequenz, eine wirklich neue revolutionäre Programmatik zu entwickeln, die den Bedingungen und Entwicklungen nach 1945 entsprochen hätte. Keine Strömung des Trotzkismus vermochte es, die Anschauungen Trotzkis und den Bolschewismus einer genauen historisch-kritischen marxistischen Analyse zu unterziehen. So blieb unaufgearbeitet, dass Trotzki (wie auch der Bolschewismus) verschiedene falsche Auffassungen der II. Internationale teilte. Dazu gehörte v.a. die einseitige Überbetonung der Rolle der Partei und die Unterschätzung des Rätesystems, von Selbstverwaltung und Genossenschaften, was letztlich zu jenen bürokratischen Strukturen führte, die den Stalinismus prägten.

Auch die Einschätzung der UdSSR als eines „degenerierten Arbeiterstaates“, an der Trotzki bis zuletzt festhielt, war ab den 1930ern falsch und beruhte auf einem methodischen Fehler. Trotzki sah als wesentlich für die Einschätzung des Klassencharakters an: 1. den Umstand, dass die Bourgeoisie enteignet und das Privateigentum an Produktionsmitteln überwunden war. Doch das war nur eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung für eine nachkapitalistische Gesellschaft. 2. sah Trotzki das Staatseigentum als wesentlichen Faktor an. Letzteres aber bedeutete, dass die Bürokratie und nicht die Produzenten und Konsumenten die Verfügungsgewalt über Wirtschaft und Gesellschaft hatte. Unter Stalin wurden bis Ende der 1920er die ohnehin nur marginalen Elemente einer Rätedemokratie vollends ausgemerzt und der totale Zugriff der Bürokratie gesichert – mittels Lüge und Terror. Ab 1930 war die UdSSR staatskapitalistisch, genauso wie später der Ostblock und China. Es wäre also auch dort eine soziale und nicht nur eine politische Revolution notwendig gewesen.

Trotzkis Festhalten an einer „schiefen“ Analyse und das Fehlen einer kritischen Selbstreflektion der Unterdrückung jeder Opposition in der UdSSR schon vor der Stalinzeit (Kronstadt, Fraktionsverbot, Machnobewegung) und der Unterschätzung von Rätedemokratie und Selbstverwaltung durch Lenin und Trotzki führte dazu, dass viele Linke und revolutionär eingestellte Arbeiterinnen und Arbeiter sich nicht der IV. Internationale anschließen mochten, es erwies sich auch als fatal für die Weiterentwicklung der revolutionären Programmatik.

Heute krankt „der Trotzkismus“ nicht nur an seiner Spalteritis und seinem Sektierertum (wodurch er sich aber kaum von anderen Teilen der „radikalen Linken“ unterscheidet), sondern v.a. daran, dass er sich analytisch und programmatisch immer weiter von dem entfernt, was für revolutionäre Politik heute notwendig wäre. Alle trotzkistischen Organisationen, Strömungen und „Internationalen“ stehen heute nicht mehr für revolutionäre Politik, sondern sind mehr oder weniger sektiererisch und zentristisch, d.h. sie schwanken zwischen Revolution und Reform, und es mangelt ihnen an programmatischer Substanz. Ausdruck dessen ist u.a. die starke Anpassung auch „des Trotzkismus“ an bürgerliche Ideologien und Bewegungen (Klimahysterie, Energiewende, Cancel culture, Genderismus usw.).

Der Hang, sich ständig zu spalten (dessen Kehrseite prinzipienlose Fusionen sind), argumentiert oft damit, dass es programmatische Differenzen gebe. Diese gibt es sicher, auch innerhalb einer Organisation. Doch muss und sollte nicht jede Differenz zu einer Spaltung führen. Die Geschichte zeigt, dass es bisher keine einzige revolutionäre Partei gab, die ein komplettes Programm gehabt hat, das alle aktuellen und zukünftigen Fragen beantwortet hätte. Auch Lenins Bolschewiki hatten zu vielen wichtigen Fragen keine oder nur eine eher skizzenhafte Programmatik. Schon nach der Februarrevolution 1917 haben sie sich über fast jede Frage zerstritten, es gab ständig offiziell erklärte oder informelle Tendenzen oder Fraktionen. Nicht selten verhinderte nur Lenins unangefochtene Autorität eine Spaltung oder eine andere Politik. Anstatt die methodischen und positionellen Differenzen zu diskutieren und sie auf „höherer“ Ebene „aufzuheben“, sind sie den Sektierern heute lediglich Anlass, die eigene Separat-Struktur zu begründen.

Die 5. Internationale

Ende der 1970er ging aus der trotzkistischen Strömung des Cliffismus, die eine staatskapitalistische Auffassung vertrat (in Deutschland früher Linksruck bzw. heute Marx21), die „Bewegung für eine revolutionär-kommunistische Internationale“ (BRKI) hervor. Sie ging nicht wie andere Trotzkisten von einer „trotzkistischen Familie“ aus, die qualitativ besser als andere Linke, d.h. „irgendwie“ revolutionär sei. Sie begann mit der Neuerarbeitung einer revolutionären Programmatik als Basis für eine neue Internationale. Eine Reihe von programmatischen Thesen zu wichtigen historischen und taktischen Fragen und das grundlegende „Trotzkistische Manifest“ waren substanzielle und ernst zu nehmende Ansätze für eine grundlegende programmatisch-methodische Erneuerung.

Auf dieser noch unfertigen, aber in vielerlei Hinsicht soliden Basis wurde im Sommer 1989 die „Liga für eine revolutionär-kommunistische Internationale“ (LRKI) gegründet. Sie war keine nur informelle Struktur mehr, sondern eine demokratisch-zentralistische Organisation. Wie die BRKI verstand sich auch die LRKI nicht schon selbst als „die“ Internationale, sondern als Initiator eines Prozesses dorthin. Die LRKI umfasste jedoch immer nur wenige hundert Mitglieder in 6-8 nationalen Sektionen. Im Nachhinein kann man natürlich die Frage stellen, ob der organisatorische Schritt von der BRKI zur LRKI nicht zu schnell kam und damit der Spielraum für eine breitere Debatte und einen umfänglicheren Umgruppierungsprozess nicht zu schnell verengt wurde. Man  kann der LRKI jedoch nicht vorwerfen, dass sie keine Bemühungen unternommen hätte, auch andere Kräfte anzusprechen.

Im April 2003 beschloss die LRKI auf ihrem 6. Kongress, sich in „Liga für die Fünfte Internationale“ (LFI) umzubenennen. In Deutschland war und ist sie vertreten durch die Gruppe ArbeiterInnenmacht (GAM). Bei der neuen Losung handelte es sich nicht nur um ein Wortspiel, sondern um eine neue, präzisierte Taktik. Die alte Losung hatte die Frage, wie eine neue Internationale entsteht, offen gelassen. Klar war aber immer, dass es für eine neue Internationale eine neue Programmatik braucht. Die neue Losung war nun mit der Anwendung der Arbeiterpartei-Taktik auf internationaler Ebene verknüpft. Diese Taktik war ursprünglich von Trotzki für Länder ohne jede Form von Arbeiterpartei, z.B. für die USA, entworfen worden. Der Parteiaufbau sollte verschiedene linke, oppositionelle und kämpferische Milieus einschließen und mit einer Diskussion und Klärung der programmatischen Grundlage verbunden sein.

Diese Taktik der LFI war der objektiven Lage in doppelter Hinsicht durchaus angemessen: 1. ging sie zu recht davon aus, dass es in der subjektiv revolutionären Linken keine reale Dynamik für die Überwindung der tiefen politischen und organisatorischen Krise gab, d.h. es gab damit keine Gruppierung, die aus sich selbst heraus eine neue Internationale hätte aufbauen können oder wollen.  2. hatte sich Ende des 20. Jahrhunderts mit der Anti-Globalisierungsbewegung bzw. der Sozialforums-Bewegung und der starken Anti-Kriegsbewegung gegen den Irakkrieg ein neues Milieu von Widerstand entwickelt, an das man anknüpfen konnte. Insofern wurde die 5. Internationale als Masseninternationale verstanden und nicht nur als kleinere Kaderstruktur. Gleich geblieben war dabei die Auffassung, dass Revolutionäre in den Formierungsprozess ein revolutionäres Programm einbringen müssten und kein zentristisches „half way house“.

2007 schrieb die Zeitung „Neue Internationale“ Nr. 121 der GAM zur Frage der 5. Internationale: Es gab“viele revolutionäre Möglichkeiten, die aber alle nicht erfolgreich genutzt worden sind. Die Hauptursache dafür ist die Führungskrise des Proletariats, d.h. das Fehlen einer organisierten revolutionären Klassenführung, einer Internationale. Nur ein solcher international organisierter Generalstab der Revolution vermag die verschiedenen Kämpfe einzelner Sektoren und verschiedener Länder zu verbinden; nur eine solche Weltpartei kann nationale Beschränkungen, Egoismen usw. überwinden und die unterschiedlichen Erfahrungen in einem allgemeinen Programm verbinden und ein System von Strategie und Taktik zum Sturz des Kapitalismus und zum Aufbau einer klassenlosen Gesellschaft ohne Privateigentum, Konkurrenz und Staat erarbeiten. Eine solche Klassenführung aber fehlt! Sie ist weder durch Bündnisse, linke Gruppen, Gewerkschaften, reformistische oder linkspopulistische Parteien ersetzbar. Dieses Problem besteht allerdings schon seit den 1930er Jahren, also seit über sieben Jahrzehnten. (…) Heute existieren noch Bruchstücke und Reste dieser IV. Internationale – doch alle ihre Teile verfügen weder über ein revolutionäres Programm, noch über eine entsprechende Praxis. Nur selbstzufriedene und politisch unernste „Trotzkisten“ können sich mit diesem Zustand abfinden.“

Weiter heißt es dort: „Wir rufen alle im Widerstand stehenden Linken und antikapitalistischen Arbeiterorganisationen bzw. Fraktionen dazu auf, Koordinierungsstrukturen zu schaffen, die sich neben praktischen Aktivitäten auch dem Aufbau einer Internationalen widmen und deren Programm diskutieren. Ein solcher Prozess wird nicht am Grünen Tisch entschieden, noch geht es einfach um eine programmatisch unausgewiesene und prinzipienlose „Vereinigung der Linken“. Die neue Internationale wird im Kampf geboren und muss in den kämpferischen Schichten verankert sein. Sie muss die grundlegenden politisch-programmatischen Fragen diskutieren und klären – und es muss ein offener politischer Kampf gegen jene Kräfte und Ideologien geführt werden, die den Kampf und die internationale Koordinierung blockieren. Wir sind uns klar darüber, dass der Prozess des Aufbaus einer neuen Internationale politisch heterogene Kräfte zusammenbringen wird. Wir werden in diesen Prozess mit einem revolutionären Programm eingreifen und versuchen, eine Mehrheit dafür zu gewinnen, so dass die neue Internationale von Beginn an eine revolutionäre wird.“ So weit, so richtig.

Auch auf nationalem Terrain trat die GAM für die Schaffung einer neuen Arbeiterpartei ein. Dazu heißt es im erwähnten Artikel u.a.: „Arbeitermacht betonte dabei immer (…), dass die Arbeiterklasse eine eigene Partei aufbaut, die in allen Spektren des Widerstands und des Protestes verankert ist und alle Politikfelder abdeckt. Diese Aufgabe kann kein Netzwerk, kein Bündnis und keine Gewerkschaft leisten. Deshalb ist der Aufbau einer solchen Arbeiterpartei von zentraler Bedeutung.“ Wir werden später sehen, warum die GAM diesem Ziel keinen Millimeter näher kommen konnte.

Trotz der allgemein korrekten Taktik der LFI zum Aufbau der 5. Internationale war diese auch mit fehlerhaften Auffassungen zu wichtigen Fragen verbunden:

  • Die internationale Arbeiterparteitaktik hing in der Luft, weil es keine allgemeine taktische Entsprechung auf nationaler Ebene gab. Die Arbeiterparteitaktik sollte nur international Anwendung finden bzw. sie wurde national kaum konsequent verfolgt.
  • Dieser Fehler ging einher mit der (schon früher vertretenen) Auffassung, dass die Internationale gewissermaßen dem nationalen Parteiaufbau vorausgehen könne und damit von ihm relativ (!) unabhängig wäre. Wie die Geschichte jedoch zeigt, war eine Masseninternationale nur möglich, wenn sie mit der Existenz von mindestens einer revolutionären Massenpartei verbunden war. Bei der II. Internationale war das v.a. die SPD, bei der III. waren es die Bolschewiki.
  • Ohne starke nationale Verankerung ist es der Internationale nicht möglich, reale Klassenkämpfe (die wesentlich im nationalen Rahmen ausgetragen werden) international zu verbinden. Die Internationale kann dann nur eine „Diskussions-Struktur“ sein und kein wirklicher internationaler „Generalstab“ der Revolution – oder einer ohne Armee.

Die Krise der LFI

Die LFI selbst steckt schon seit vielen Jahren in einer schweren Krise. Sie stagniert hinsichtlich der Mitgliederzahl und der Zahl der Sektionen – obwohl sie sich durchaus bemüht hat, in Diskussion mit anderen Organisationen zu treten und in Klassenkämpfe zu intervenieren. Die Ursache für diese Stagnation liegt einerseits objektiv darin begründet, dass die Linke und die Arbeiterbewegung insgesamt in einer tiefen, schon Jahrzehnte andauernden Krise stecken und jeder Versuch, diese zu überwinden, vor großen Problemen steht. Wirkliche Ansätze zur Überwindung dieser Krise in der Linken gab und gibt es kaum. Andererseits gab und gibt es aber auch ein subjektives Versagen der LFI bzw der GAM u.a. „Sektionen“ der LFI, die tw. nur eine Handvoll Mitglieder haben.

Schon die Neuorientierung von 2003 war mit einer mangelhaften Analyse der Anti-Globalisierungsbewegung verbunden. Ihr wurde tendenziell ein revolutionäres Potential unterstellt, das so nicht vorhanden war. Es wurde zu wenig betont, dass die Bewegung trotz aller aktionistischen Militanz reformistisch ausgerichtet und stark von der lohnabhängigen Mittelschicht (NGOs, Studenten, Akademiker, Bürokraten) geprägt war und wenig Verbindungen zur Arbeiterklasse hatte – und wenn, dann über die Gewerkschaftsbürokratie und die reformistischen Linksparteien. Heute ist diese Bewegung fast tot. Gab es z.B. gegen die Golfkriege der USA und der Nato zu Beginn der 2000er noch riesige internationale Proteste, gibt es heute fast keine Bewegung gehen die Aggressionspolitik des Westens in der Ukraine oder zuvor etwa in Afghanistan.

Wesentliche Veränderungen der imperialistischen Ordnung ab Ende der 1990er, die zur neuen Phase  des Spätimperialismus führten, wurden von LFI und GAM ungenügend verstanden. Dazu zählt etwa der enorm gewachsene Einfluss der lohnabhängigen (akademischen) Mittelschicht (LMS) auf die Gesellschaft, der sich politisch u.a. im Aufstieg der Grünen zeigt. Die deutlich gewachsene Rolle der (meist US-basierten) Hochfinanz wie Blackrock u.a. wird unterschätzt. Die wesentlich größere Bedeutung von Bürokratie, Wissenschaft, Bildung, Kultur, Medien und „Sozialstaat“ – dem Tummelplatz der LMS – v.a. in den imperialistischen Staaten und deren Implikationen für die Herrschaftsmechanismen werden kaum verstanden. So ist es kein Wunder, dass auch zentrale Projekte dieser Kräfte wie die Klimapolitik, die Corona“pandemie“, die „Milieupolitik“ (Cancel culture, Gendern usw.), die mediale Gleichschaltung usw. nicht analysiert und fast unkritisch unterstützt wurden. Das führte dazu, dass die Politik der LFI (wie der meisten „radikalen“ linken Gruppen) sich objektiv gegen die Interessen der Lohnabhängigen richtete – man stand und steht hier in vielen Fragen auf der falschen Seite der Barrikade.

Seit den 2000ern verlor die LFI auch fast jede theoretische Innovationskraft. Das zeigt sich u.a. darin, das zentrale Projekte der LFI bzw. deren deutschsprachiger Sektionen nicht weitergeführt, geschweige denn beendet wurden. Zu wesentlichen Fragen wie Klima, Energiepolitik, Kernkraft, Corona u.a. gibt es oft nicht den Hauch einer Analyse und auch keine Bilanz der eigenen falschen Politik, z.B. zur Null-Covid-Strategie. Es haben sich ein oberflächlicher Impressionismus und eine sektiererische Methode etabliert, die es so früher nicht gab. Ein Beispiel: Als 2005 die WASG entstand, intervenierte die GAM darin korrekt mit einem revolutionären Programm. Als 2018 „Aufstehen“ entstand, das sich hinsichtlich der Programmatik und der Initiierung durch reformistische „Promis“ kaum von der WAG unterschied, intervenierte die GAM jedoch nicht und teilte die teils absurden Charakterisierungen von „Aufstehen“ durch andere Linke, v.a. jene, die in der LINKEN aktiv waren und jede Alternative oder Kritik an der LINKEN als „rechts“ verunglimpften, um ihre eigene Rolle als „Halb-Linke“ in der LINKEN nicht zu gefährden.

LFI und GAM haben ihre frühere Rolle als positiver Faktor zur „Umwälzung“ der Linken weitestgehend verloren: sie sind heute selbst Teil des Problems und nicht Teil der Lösung. Ihre Politik ist nicht revolutionär, sondern zentristisch. Sie unterstützen reaktionäre und massenfeindliche bürgerliche Projekte. Initiativen zur Renovierung der Linken gibt es ihrerseits nicht.

Das zeigt sich auch in der Frage der Internationale. Obwohl man 20 Jahre lang dem Ziel einer 5. Internationale keinen Millimeter näher gekommen ist – weder organisatorisch noch hinsichtlich der programmatischen Grundlagen -, fehlt jede ernsthafte Reflexion dazu. Zwar wird die Losung der „Fünften“ in allgemeiner Form aufrechterhalten, doch eine wirkliche Bilanz oder Schlussfolgerungen, wie künftig verfahren werden soll, gibt es nicht.

Bilanz

Die LFI hat zurecht nie geglaubt, dass die Losung „Für die 5. Internationale“ den Erfolg automatisch garantieren würde. Es war ihr immer klar, dass es sich dabei um einen Prozess handelt, der widersprüchlich verlaufen würde und Höhen wie Tiefen hätte. Doch nach 20 Jahren sehen wir keine Höhen, sondern nur Täler, wenn nicht gar einen Sumpf.

Historisch und strategisch betrachtet war und ist der Aufbau einer 5. Internationale eine zentrale Aufgabe aller Antikapitalisten. Um auf diesem Weg aber voran kommen zu können, müssen zwei Hauptprobleme gelöst werden: 1. muss die Programmatik wieder auf die Höhe der Zeit gebracht werden. 2. muss sich die Konzeption des (nationalen) Parteiaufbaus ändern. Dazu bedarf es einer anderen, nichtsektiererischen Praxis.

Die erste Aufgabe bedeutet v.a., den aktuellen Imperialismus genau zu analysieren und die Leninsche Imperialismus-Konzeption weiter zu entwickeln. Das dogmatische Wiederkäuen des Bolschewismus und der Ideen Trotzkis anstatt einer historisch-kritischen Analyse dieser Ideen, das fast völlige Fehlen einer Konzeption für eine Übergangsgesellschaft und viele andere Fehlstellen belegen, dass die LFI komplett stagniert, ja politisch degeneriert ist. Ohne diese Analysen ist es schlechterdings unmöglich, bestimmte Entwicklungen und Probleme der aktuellen Periode zu verstehen, eine vernünftige Politik zu entwickeln und neue kämpferische Milieus zu erreichen. Letztere haben sich z.B. im Rahmen der Coronamaßnahmen-kritischen Bewegung gezeigt. Hunderttausende waren allein in Deutschland gegen den Lockdown-Wahnsinn auf der Straße: eine der größten sozialen Protestbewegungen seit Jahrzehnten. Doch anstatt sich mit marxistischen, antikapitalistischen Inhalten einzumischen, wiederholte auch die GAM die pauschalen Verleumdungen dieser Bewegung durch die bürgerliche Politik, die Medien und das Gros der Linken. Ja, sie überholte diese noch mit ihrer absurden Null-Covid-Position. Anstatt andere Linke und v.a. die Antifa für ihre spalterische und staatstreue Haltung zu kritisieren, machte sie mit ihnen gemeinsame Sache. Noch nicht einmal zu einer Distanzierung von der Ausübung körperlicher Gewalt von Seiten der Antifa gegen linke (!) Corona-Kritiker konnte sich die GAM aufraffen. Ansonsten agiert die GAM praktisch als linke Flanke des „grünen“ Obskurantismus in Sachen Klima, Energie, Kernkraft usw. usw. – natürlich ohne jede eigene Expertise.

Degeneration

Wie absurd die „konsequent revolutionäre“ Politik von GAM und LFI zum Teil sind, zeigen drei Beispiele: In der Migrationsfrage wird als „Alternative“ zur bürgerlichen Asylpolitik die Losung „Für offene Grenzen!“ aufgestellt. Hier entartet revolutionäre Politik zur pseudo-radikalen Phrase. Die Umsetzung dieser Losung würde praktisch bedeuten, dass jährlich mehrere Millionen Flüchtlinge nach Deutschland kommen würden. Selbst ein Arbeiterstaat wäre damit in jeder Hinsicht heillos überfordert, davon ganz abgesehen, dass mit dem zunehmenden Exodus auch die Herkunftsländer ruiniert werden.

Zum Ukrainekrieg hat die GAM ihre frühere korrekte Position, den revolutionären Defätismus, zumindest teilweise über Bord geworfen und tritt heute für die (einseitige) Niederlage Russlands ein. Gleichzeitig ist sie absurderweise aber auch gegen Waffenlieferungen an Kiew, was eine Niederlage Russlands unmöglich macht (she. dazu: https://aufruhrgebiet.de/2023/01/positionen-zum-ukraine-krieg/).

Der politische Niedergang der GAM zeigt sich auch darin, wie sie bestimmte politische Kräfte einschätzt. Im Grunde bedient auch sie nur das Narrativ, dass alles „rechts“ sei, was nicht bei Drei auf den Bäumen ist: Aufstehen stände rechts von der Linken, was kompletter Unfug ist. Das wird u.a. daran deutlich, dass gerade „Aufstehen“ (oder was davon noch übrig ist) aktiv in der Friedensbewegung gegen die Nato-Politik ist. Die Corona-kritische Bewegung ist für die GAM insgesamt auch einfach rechts. Dass es darin auch ein antikapitalistisches, linkes Milieu gibt, z.B. die „Freie Linke“, interessiert sie nicht, genauso wenig, das die wirklichen Rechten darin nur eine kleine Minderheit stellen, die insgesamt auch keineswegs eine führende Rolle inne hat. Selbst dann ist das nur möglich, weil die Linke total versagt. Die Partei „Die Basis“, die aus den Corona-Protesten entstanden ist, ist für die GAM natürlich auch rechts – obwohl sie ein Programm vertritt, dass demokratisch-reformistisch ist, aber nicht rechts. Sie alle sind nicht rechts, aber dieses Framing ist die „Begründung“ dafür, nicht politisch zu intervenieren, sondern einem passiven Propagandismus zu frönen. Weniger passiv ist die GAM hingegen bei der Kooperation mit solchen Spaltern und Sektierern wie der Antifa. Während sie früher deren antideutsche Idiotie kritisiert hat, kungelt sie heute mit diesen Obskuranten.

Das Framing vom „rechten“ Milieu findet seine Ergänzung darin, bürgerliche Mittelschichtsbewegungen wie „Fridays for Future“, „Ende Gelände“ oder die „Letzte Generation“  als „links“ einzuordnen und sie – wenn auch kritisch – zu unterstützen. Hier zeigt sich das analytische Versagen der GAM besonders krass. Sie fallen noch auf die platteste Klimapropaganda herein und sehen nicht, welchen politischen und kommerziellen Zielen und welcher Klasse sie wirklich dienen.

Es ist mehr als klar, dass eine Organisation, die so oft daneben liegt, nicht in der Lage sein kann, oppositionelle linke und klassenkämpferische Milieus zu gewinnen – weder für eine neue (nationale) Arbeiterpartei noch für eine 5. Internationale.

Die Aufgabe des „nationalen“ Parteiaufbaus als Grundlage für den Aufbau einer Internationale bzw. mit ihr eng verbunden bedeutet, auch auf nationaler Ebene die Arbeiterpartei-Taktik anzuwenden. Wie soll schließlich eine Internationale zustande kommen, wenn die Spaltung, die politische Unreife und das Sektierertum der linken Szene im einem Lande nicht überwunden wird?! Gerade die trotzkistischen Gruppen ordnen sich fast alle einer „Internationale“ zu. Allein dadurch wird oft jede Kooperation und jede programmatische Klärung zwischen nationalen Organisationen mit dem Verweis auf die Zugehörigkeit zur jeweiligen „Internationale“ blockiert. Diese Pseudo-Internationalen, die meist nur die Gefolgschaft einer Muttersektion darstellen, behindern tatsächlich jeden Versuch, die Verkrustung, die Stagnation und die Degeneration der (revolutionären) Linken zu überwinden.

Die aktuelle Periode

Die aktuelle Phase des Spätimperialismus wird durch mehr und tiefere Krisen und Angriffe der Kapitalseite gekennzeichnet sein als die Periode von 1945-1990. Immer neue Krisen, die uns heute fast im Jahrestakt bedrohen, und aktuell der Ukrainekrieg bestätigen das. Der bestimmende Konflikt der Gegenwart ist der Kampf zwischen der neuen imperialistischen Nr. 2 China und der alten Nr. 1 USA. Der Ukrainekrieg, der Russland, dem Hauptverbündeten Chinas, schaden soll, ist nur die Ouvertüre für die imperiale Neuordnung der Welt, die zu einem 3. Weltkrieg führen kann. Die LFI und die GAM betonten schon 2003 völlig zu recht, dass sich die Frage der Führungskrise heute noch schärfer stellt. Leider haben sich LFI und GAM in den letzten Jahren immer mehr von ihrer urspünglichen Methodik entfernt. Sie haben sich immer stärker verschiedenen bürgerlichen „grünen“ Ideologien und Bewegungen (Klimakatastrophismus, Energiewende, Atomphobie, Genderismus, Cancel culture usw.) angepasst. Politische Umgruppierungen und Protestbewegungen wurden verkannt, anstatt deren soziale und politische Heterogenität zu analysieren, stimmte man in das offizielle verlogene bürgerliche Framing dieser Kräfte als „rechts“, „verschwörungstheoretisch“ usw. ein.

Die Aufgabe, eine neue 5. Internationale und parallel dazu eine neue Arbeiterpartei auch in Deutschland aufzubauen, bleibt bestehen, ja sie ist akuter denn je. Das Gros der Linken in Deutschland ist derzeit dazu wenig brauchbar. Es bedarf dazu einer neuen revolutionären Linken, die eng mit den politischen und sozialen Protesten verbunden ist und nicht gegen oder von diesen  isoliert agiert.

Ein Gedanke zu „Zur Frage einer 5. Internationale“

  1. Ja, Bakunin war nicht die hellste Leuchte auf der Torte, aber Marx hat die I. Internationale nicht der schlechten Qualität jener einen Kerze, sondern der „marxistischen“ Torte wegen aufgelöst. Was es mit dieser Torte auf sich hatte? Nun, sie war fabianisch. Ist sie immer noch, nur daß sie heute von der Nachfolgerin der Fabianer, von der CIA gebacken wird. Was sich erweist an den Kritiken von scharf Rechts an scharf Links, oder von scharf Links an scharf Rechts — sie sind immer wunderbar zutreffend. Es übersehen die beiden Kontrahenten allerdings, Produkte ein und desselben Geheimdienstes zu sein. Logisch, kann im US-Vasallenstaat Deutschland auch garnicht anders sein. Der in Deutschland bestimmende Geheimdienst ist ja nun einmal ganz logisch die CIA. Diese führt sowohl jene rechtsextremen Teile der Verfassungsschutzbehörde, welche wiederum die extreme Rechte führen, wie auch jene linksextremen Teile des Deutschen Gewerkschaftsbundes, welche die extreme Linke führen. Links und Rechts sind nicht nur geheimdienstliche PsyOp, sondern auch eine, die mit fast beliebigen Inhalten gefüllt werden kann.

    Wobei die radikale bis extremistische Rechte allerdings intellektuelles Stiefkind dieses PsyOp-Unternehmens ist. Vor allem hat sie dort die Rolle des tumben Brutalinskys zu übernehmen — was aufzufrischen zuletzt Aufgabe des NSU war. Die radikale bis extremistische Linke hingegen übernimmt den eigentlich intellektuellen Part, indem sie die Kernaussagen von drei die Moderne entscheidend kritisch erfaßt habenden großen Geistern in undurchdringliche Nebel hüllt. Hier die Rede von Nietzsche, Marx und Engels. Nietzsche wird fälschlich als rassistisch und anti-jüdisch dargestellt — siehe Mazzino Montinari zur Frage der Autorenschaft des fälschlich Nietzsche zugeschriebenen rassistischen und anti-jüdischen Machwerks «Der Wille zur Macht». Und weiterhin ignoriert die radikale Linke, welche sich lauthals als marxistisch ausgibt, aber die entscheidende politisch-ökonomische Aussage von Marx/Engels, nämlich das Phänomen namens tendentieller Fall der Profitrate.

    Nein-nein, das soll hier nun nicht im einzelnen weiter ausgeführt werden. Sagen wir es so: Links und Rechts, Protestantismus und Katholizismus, Islam und Christentum — es ist immer die selbe blöde Nummer zur Verwirrung der Schäfchen. Die sollen die Welt nicht verstehen. Wer es fasse, der fasse es.

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