Thesen zum Ukrainekrieg

Hanns Graaf

Klassencharakter und Perspektiven des Konflikts

  1. Der Krieg in der Ukraine ist Ausdruck sich verschärfender Widersprüche zwischen dem westlichen imperialistischen Block aus den USA, der NATO und der EU u.a. Staaten und dem östlichen imperialistischen Block um China, Russland u.a. BRICS-Staaten. Der Ukraine-Krieg ist von Seiten des Westens ein imperialistischer Stellvertreterkrieg, der klar auf die Ausweitung der wirtschaftlichen, militärischen und geopolitischen Einflusssphäre ausgerichtet ist. Entsprechende Bemühungen des „Wertewestens“ in der Ukraine reichen bis zum Anfang der 90er Jahre zurück, denen Russland jahrzehntelang ausschließlich mit diplomatischen Mitteln begegnete.

Der Krieg ist nicht einfach Ergebnis „falscher Politik“, sondern Folge ökonomischer Interessen und Zwänge. Es geht darum, den riesigen Kapitalen immer größere Rohstoff- und Ausbeutungsquellen, Absatz- und Investitionsmöglichkeiten zu sichern. Der globale Charakter der imperialistischen Kapitale verstärkt die Tendenz zur Ausweitung und Zuspitzung von Konflikten.

  1. Russland hat im Ukrainekonflikt eine reaktive Politik verfolgt, während der Westen diesen Konflikt bewusst gewollt und die Ukraine darauf ausgerichtet hat. Doch auch Russland ist eine imperialistische Macht, wenn auch eine, die sich (wie China) vom westlichen Modell unterscheidet. Putin versucht, der Russischen Föderation wieder eine Stellung als Weltmacht (wie sie früher die UdSSR innehatte) zu verschaffen. Dabei stützt sie sich v.a. auf ihre Militärmacht, ihren politischen Einfluss und ihren Rohstoffreichtum. Im Unterschied zu den westlichen Imperialismen beruht ihre Stärke nicht auf einer technologisch hochentwickelten Wirtschaft (außer im Bereich der Rüstung) und dem darauf beruhenden Kapitalexport. Die russische Wirtschaft weist große staatliche Sektoren und starken Staatseinfluss auf. Dass Russland international weniger aggressiv auftritt als die USA und die NATO, hat v.a. damit zu tun, dass sie ihr unterlegen ist und sich nicht auf ein Militärbündnis wie früher den Warschauer Pakt stützen kann.
  2. Der Ukrainekrieg tobt in einer geostrategisch wichtigen Region: an der Westflanke Russlands und der Peripherie zum Mittleren Osten. Wenn der Westen dort stärkeren Einfluss bekäme, könnte er Russland noch enger einkreisen und mittels „Farbrevolutionen“ (vom Westen unter dem Vorwand der Entwicklung und Unterstützung ‚demokratischer‘ Strukturen initiierte Machtwechsel zur Installierung prowestlicher Regime) destabilisieren, er bekäme die Kontrolle über riesige Rohstoffvorkommen, er könnte das für China zentrale Projekt der „Neuen Seidenstraße“ blockieren und den Iran u.a. Länder der Region stärker unter Druck setzen. Nach dem Kollaps der UdSSR zielte der Westen darauf, Russland als Regionalmacht und geopolitischen Gegenspieler zu schwächen oder auszuschalten. Die USA verfolgen daneben das Ziel, die EU und Deutschland als Konkurrenten zu schwächen, eine Kooperation zwischen Europa, v.a. Deutschland, und Russland zu verhindern und die EU im Status eines Vasallen der USA zu halten. Trump verfolgt aktuell zwei Ziele: 1. will er sich (wie sein Vorgänger Biden) wichtige Ressourcen der Ukraine sichern, was er mit dem Abschluss des Rohstoffabkommens mit Kiew schon geschafft hat; 2. will er den Krieg beenden, um freie Hand gegenüber dem Hauptrivalen China zu haben. Waffen aus den USA erhält die Ukraine nur noch, wenn sie von der EU bezahlt werden.
  3. Die Differenzen zwischen dem westlichen und dem östlichen imperialen Block – militärische, politische, Handelskriege usw. – nehmen zu. Ein Grund dafür ist ein jeweils anderes wirtschaftliches Modell. Der Westen repräsentiert ein neoliberales, auf Privateigentum beruhendes, vom Finanzkapital getriebenes System; die BRICS-Staaten, v.a. China und Russland, ein stärker reguliertes, staatskapitalistisch-etatistisches Modell, das (zumindest aktuell) weniger auf Konfrontation und mehr auf Kooperation setzt. Die BRICS-Strategie ist Ergebnis historischer Umstände und (noch) der eigenen Schwäche.

Die meisten Länder der „3. Welt“ konnten sich unter der Dominanz der USA und der imperialistischen Weltordnung nicht aus ihrer Abhängigkeit und Verschuldung befreien – was vom Westen auch nie beabsichtigt war – und versuchen nun, sich mittels BRICS zu emanzipieren. In dieser „Zweiten Dekolonialisierung“ wollen Ländern wie Brasilien, Indien u.a. selbst einen imperialistischen Status erreichen. Der modernisierte Staatskapitalismus Chinas stellt sich für sie dynamischer als das westliche Modell dar. Die aktuelle Periode ist v.a. von der Frage geprägt, welches Modell, welches Lager sich durchsetzt. Dieser Konflikt könnte zu einem neuen Weltkrieg führen.

  1. Der nun schon über drei Jahre andauernde Ukrainekrieg und dessen Steckenbleiben im Stellungskrieg zeigt, dass bislang keine der beiden Seiten in der Lage war zu siegen. Der Westen bzw. die Ukraine könnten nur gewinnen (bzw. Russland zu Zugeständnissen zwingen), wenn die westliche Militärhilfe deutlich zunähme. Bisher war diese zur Niederlage zu stark und zum Siegen zu schwach. Das Erreichen der Kriegsziele Selenskyjs (kompletter Rückzug Russlands aus den ukrainischen Gebieten und der Krim) ist utopisch, da Russland damit gewaltig an Prestige und Einfluss verlieren würde und im Falle eines direkten militärischen Angriffs des Westens die Option des Einsatzes von Kernwaffen in der Ukraine ziehen könnte – umso mehr, da diese kein NATO-Mitglied ist und ein solcher Angriff formell daher keinen NATO-Bündnisfall auslösen würde. Die Gefahr einer (auch atomaren) Eskalation des Krieges ist real. Aktuell neigt sich die Waage zugunsten Russlands, das gegenüber der Ukraine (ohne Hilfe des Westens) zu wenig militärische und industrielle Ressourcen hat, um zu siegen. Doch der Vormarsch Russlands erfolgte bisher sehr langsam und unter hohen personellen und materiellen Verlusten auf beiden Seiten.
  2. Der Sieg des Westens brächte nicht Frieden, sondern würde es diesem ermöglichen, weiter energisch gegen ein geschwächtes Russland vorzugehen, was neue Konflikte erzeugen und ein entschiedeneres Eingreifen Chinas provozieren würde. Die Ukraine würde Mitglied der NATO und der EU werden. Damit verbunden wäre eine noch größere Abhängigkeit dieser schon heute bettelarmen und hochverschuldeten Halbkolonie des westlichen Imperialismus. Ein Sieg des Westens würde zudem bedeuten, dass das Land zum vordersten NATO-Stützpunkt gegen Russland aufgerüstet werden würde, weitere Länder an der Peripherie Russlands würden destabilisiert werden und sich gegen Russland wenden. All dies ließe die Gefahr einer weiteren Konfrontation ansteigen – sollte es auf dem Weg dorthin nicht bereits zum Äußersten gekommen sein. Auch die massive Aufrüstung Polens verweist auf die aggressive NATO-Politik.
  3. Ein Sieg Russlands könnte zur Befeuerung seiner imperialen Ambitionen führen. Diese wären aber durch die NATO, der inzwischen alle westlichen Nachbarn Russlands und Weißrusslands angehören, begrenzt. Auch wenn es unwahrscheinlich ist, so ist nicht ausgeschlossen, dass Russland die Ukraine oder Teile von ihr als unterdrückte Halbkolonie ausbeutet. Plausibler ist aber, dass sich Russland – wie 2014 die Krim – auch den Donbass u.a. südöstliche Gebiete der Ukraine als „strategische Verbindung“ angliedert und sie sozial-ökonomisch entwickelt. In gewissem Sinn wäre ein Erfolg Russlands das kleinere Übel gegenüber dem Sieg des Westens, weil dessen Repräsentanten, v.a. die USA und die NATO, die Aggressoren und Kriegsanstifter waren, nicht Russland. Die Angliederung der Krim und des Donbass an Russland wäre legitim – insoweit sie nicht mit der Unterdrückung der dortigen nichtrussischen Bevölkerung verbunden wäre. Eine Annektion der „Restukraine“ gegen den Willen der dortigen Bevölkerung wäre hingegen reaktionär.
  4. Die Ukraine ist keine imperialistische Macht, sondern seit der Unabhängigkeit 1991 eine Halbkolonie, d.h. politisch-staatlich selbstständig, aber zugleich abhängig – früher von Russland, seit 2014 vom Westen. Die Ukraine ist hochverschuldet und praktisch bankrott, immer mehr ihrer Agrarflächen gehören mittlerweile westlichen, v.a. US-Konzernen. Millionen haben das Land verlassen, tw. schon vor 2022. Ohne westliche Hilfe hätte die Ukraine den Krieg längst verloren. Die Ukraine agiert als Stellvertreterin, als Instrument der NATO und wurde schon ab 2014 gegen Russland in Stellung gebracht und aufgerüstet – auch innenpolitisch, z.B. dadurch, dass die russischen Bevölkerungsteile schon unmittelbar nach dem Putsch in den ukrainischen Leitmedien als Separatisten und Terroristen kriminalisiert wurden. Bereits am 13.4.14 war offiziell die sogenannte „Anti-Terror-Operation“ gegen die russische Volksgruppe, die sich schon 2014 gleich mehrfach in Referenden kritisch gegenüber Kiew geäußert hatte.
  5. Die These, dass die Ukraine für ihre nationale Souveränität und Freiheit kämpfen würde, ist falsch. Sicher bestimmt diese Ansicht das Denken und Handeln vieler Ukrainer, die ihr Land, ihr Haus und ihr Leben verteidigen. Doch der Sieg des Westens und des von ihm ausgehaltenen Kiewer Regimes brächte den Ukrainern weder Freiheit noch Wohlstand, sondern würde deren katastrophale soziale Lage – schon vor 2022 war die Ukraine total verarmt – und deren Abhängigkeit nur verstärken. Die extrem reaktionären, antirussischen, rassistischen und tw. faschistischen Kräfte, die 2014 mit dem Maidan-Putsch an die Macht kamen, würden ihre Macht damit festigen. Die Unterdrückung jeder Opposition und der nationalen Minderheiten würde weitergehen. So unwägbar die Folgen eines Sieges Russlands tw. auch sind – das Agieren Putins auf der Krim und im besetzten Donbass zeigt, dass die soziale Entwicklung dort positiv ist, dass diese Gebiete wiederaufgebaut und entwickelt werden.
  6. Die westliche These von der Bedrohung Europas durch Russland und die damit begründete forcierte Aufrüstung und Militarisierung entbehrt jeder Grundlage: 1. konnte die NATO ihren Einfluss und ihre Stärke (Osterweiterung, Beitritt Schwedens und Finnlands) enorm ausbauen; 2. ist das militärische und ökonomisch-technische Potential des Westens (sogar ohne die Hauptmacht USA) deutlich größer als das Russlands; 3. ist die Möglichkeit Russlands, schwächere Nachbarn (Baltikum, Finnland) zu überfallen, gleich Null, weil ein Angriff Russlands auf diese NATO-Mitglieder den NATO-Bündnisfall provozieren würde. Eigentlich könnte und müsste der Westen ab- und nicht aufrüsten, wäre die NATO wirklich ein Verteidigungsbündnis. Im März 2022, kurz nach dem russischen Einmarsch, war in Istanbul ein unterschriftsreifer Friedensvertrag ausgearbeitet worden, der aber von Kiew auf Druck des Westens, v.a. durch den damaligen britischen Premier Boris Johnson, abgelehnt wurde. Selbst wenn Russland den Westen bedrohen wollte, wäre es dazu gar nicht in der Lage, denn auch das große atomare Potential Russlands allein reicht nicht aus, um den Westen zu besiegen. Die enormen Schwierigkeiten Russlands, selbst nur gegen die Ukraine zu siegen, zeigt das. Die „Provokationen“ und Zwischenfälle mit Drohnen, Manövern, Stationierungen oder der „Schattenflotte“) erweisen sich oft als Lügen oder als False flag-Operationen des Westens, um eine „russische Bedrohung“ zu suggerieren. Wie die Sprengung von Nordstream 2 sind sie Ausdruck des Bemühens, Russland zu schaden, das internationale Recht zu brechen und Putin als Aggressor hinzustellen. Russland hat aber kein Interesse daran, noch weitere Länder gegen sich in den Krieg hineinzuziehen. Die Zwischenfälle werden von den westlichen Medien einseitig nur Russland angelastet.

Vorgeschichte des Krieges und Schuldfrage

  1. Der Westen behauptet, dass Putin den Krieg am 24. Februar 2022 begonnen habe. Das ist eine Lüge! Tatsächlich begann der Krieg in Form eines Bürgerkriegs faktisch schon Anfang Dezember 2013 mit dem brutalen Eingreifen des „Rechten Sektors“ u.a. faschistischer Kräfte während der Ereignisse um den Maidan und ist das Ergebnis von Entwicklungen, die bereits 1990 anfingen. Letztlich war der militärische Terror Kiews gegen die russische Mehrheitsbevölkerung im Donbass ab 2014 der Beginn des Krieges. Der Charakter des Ukraine-Kriegs, die Interessen dahinter und die Schuldfrage können nur beurteilt werden, wenn diese Vorgeschichte – also der historische Gesamtzusammenhang – betrachtet wird. Diesen auszublenden ist ein Hauptmerkmal von westlicher Politik und Medien, welche Russland die Alleinschuld am Krieg zuschieben und die eigene aggressive Politik ausblenden.
  2. Im Zuge der deutschen Wiedervereinigung zog die Sowjetarmee aus der DDR und Osteuropa ab, der Warschauer Pakt löste sich auf. Im Gegenzug versprach der Westen Gorbatschow, die NATO nicht nach Osten zu erweitern. Doch der Westen brach sein Versprechen und dehnte sich bis an die Grenzen Russlands, Weißrusslands und der Ukraine aus. Damit wurde das strategische Gleichgewicht zu Ungunsten Russlands verschoben. Moskau hatte dagegen wiederholt protestiert und betont, dass es dem nicht endlos zuschauen würde. Der Westen ignorierte diese Warnungen und eskalierte die Lage bewusst.
  3. In den 1980ern gab es Abrüstungsverhandlungen zwischen US-Präsident Reagan und Gorbatschow. Das Risiko eines Atomkriegs wurde vermindert. Seitdem haben fast alle US-Administrationen – die beiden Bushs über Clinton und Obama bis zu Biden – wieder eine deutlich aggressivere Strategie (Wolfowitz-Doktrin) verfolgt. Diese sieht im atomaren Erstschlag eine zentrale Option und führte – unter dem Vorwand des „Kriegs gegen den Terror“ – zu vielen Kriegen, z.B. gegen Serbien, den Irak oder Afghanistan. Überall versuchten die USA und die NATO, ihnen nicht genehme Regime zu stürzen. Dabei nutzen sie oft die Unzufriedenheit von Teilen der Bevölkerung mit ihren Regimen für ihre reaktionären Ziele aus. Alle Kriege der NATO dienen nicht der Verteidigung oder gar der Einführung „westlicher demokratischer Standards“, sondern der Durchsetzung ihrer imperialen Machtinteressen. Allein die Tatsache, dass alle NATO-Interventionen außerhalb des Gebietes der NATO-Mitgliedsländer stattfanden, offenbart deren aggressiven Charakter.
  4. Die USA haben mehrfach zugegeben, die Opposition in der Ukraine – offen reaktionäre, faschistische Kräfte – mit Milliarden unterstützt zu haben. So äußerte sich z.B. Victoria Nuland, die spätestens seit 2014 tonangebend (mit Ausnahme der Trump-Ära), in verschiedenen Funktionen des US-Außenministeriums tätig war. Die Proteste auf dem Kiewer Maidan wurden von diesen Kräften 2014 „gekapert“ und die legitime, demokratisch gewählte Regierung von Präsident Janukowytsch weggeputscht. Es folgte eine ultra-nationalistische Neuausrichtung der Ukraine, deren geradezu russenfeindlicher Charakter in der Politik Kiews in Vorstufen bereits seit 2005 mit der Ernennung Juschtschenkos zum Präsidenten zum Ausdruck gekommen war. So wurde z.B. dem Nazi Stepan Bandera 2010 postum ein staatlicher Ehrentitel zuerkannt. Kiews Armee wurde von der NATO aufgerüstet und modernisiert. Das erklärt auch, warum die Russische Armee gleich zu Beginn des Krieges Probleme bekam und Putins Blitzkriegs-„Sonderoperation“ scheiterte. 2022 war Putin schon aus militärischen Gründen gezwungen, aktiv zu werden, weil die Ukraine sonst Mitglied der NATO geworden und sich die direkte Bedrohung Moskaus aus der Luft durch extrem kurze Vorwarnzeiten stark erhöht hätte. Durchaus zutreffend haben Kommentatoren darauf verwiesen, wie die USA reagieren würden – und schon 1961 reagiert haben -, wenn russische Raketen vor ihrer Haustür stationiert wären.
  5. Seit 2014 wurden in der Ukraine antidemokratische Reformen durchgeführt, faschistoide Kräfte (Rechter Sektor, Asow-Einheiten u.a.) konnten ungestört agieren, der Ausverkauf der Reichtümer der Ukraine (Boden, Rohstoffe, Industrie) an den Westen wurde forciert. Präsident Juschtschenko hatte schon während seiner Amtszeit (2005-10) mehrfach erklärt, dass die Ukraine Mitglied der NATO werden solle. Die Rada, das ukrainische Parlament, hatte bereits 2000 die Stationierung von Kernwaffen in der Ukraine erlaubt. Die NATO stimmte dem grundsätzlich zu (allerdings sollten es westliche Kernwaffen sein). Kiew strebte ferner die Übergabe Sewastopols auf der Krim, des wichtigsten Schwarzmeer-Hafens Russlands, an, obwohl Moskau dafür seit Jahrzehnten einen gültigen Pachtvertrag besaß, für den es jährlich einen dreistelligen Millionenbetrag zahlte. Das war für Moskau inakzeptabel. Russland hat das stets offen erklärt – den Westen hat es nicht interessiert.
  6. Jahrzehntelang gab es keine Separationsbestrebungen der Russen in der Ukraine. Diese kamen erst 2014 auf – als Reaktion auf Gesetze, die die Rechte nationaler (nicht nur russischer) Minderheiten stark einschränkten. Russisch wurde als Amts- und Unterrichtssprache verboten, Renten und Sozialleistungen für Russen wurden tw. gekürzt bzw. nicht mehr ausgezahlt, amtliche Dokumente verweigert, russische Kunst und Literatur eliminiert usw. Die Russen wurden zu Bürgern zweiter Klasse. Zugleich kam es zu vielen Übergriffen auf Russen, Linke und „Andersartige“ durch militante Nationalisten und Ultra-Rechte. So wurde von diesen Kräften am 2. Mai 2014 in Odessa das Gewerkschaftshaus (sic!) angezündet, wobei nach offiziellen Angaben 48 Menschen starben, nach Aussagen der Opferfamilien jedoch mindestens doppelt so viele.

Dass die Russen u.a. Menschen, die den militanten Nationalismus ablehnen, nicht mehr in einem Land leben wollten oder konnten, dessen Leitmedien sie als Separatisten oder gar als Terroristen kriminalisierten und dessen Regierung bereits am 13.4.14 offiziell eine „Anti-Terror-Operation“ gegen sie ausrief, ist mehr als verständlich. Die Bestrebungen nach einer Autonomie des Donbass bzw. nach einem Anschluss an Russland waren und sind legitim. Kiew ignorierte sie und verweigerte jeden Dialog. Stattdessen wurde der Donbass von der Armee und rechten Milizen terrorisiert. Dieser von Kiew provozierte Bürgerkrieg, der von 2014 bis zum 24. Februar 2022 bereits ca. 14.000 Tote gefordert hatte, war faktisch der Beginn des Ukraine-Kriegs.

  1. Russland hätte schon damals zum Schutz „seiner“ Bürger im Donbass militärisch eingreifen können – Putin tat es nicht. Er setzte stattdessen auf Verhandlungen mit Kiew und dem Westen (Minsk I und II). Diese wurden auf Druck des Westens von Kiew abgebrochen. Ex-Kanzlerin Merkel u.a. westliche Spitzenpolitiker gaben später offen zu, Putin mit den Verhandlungen nur hingehalten zu haben, um Zeit zu gewinnen, die Ukraine aufzurüsten. Putin war nicht an Krieg, sondern an einer friedlichen Lösung und an Kooperation (Öl- und Gaslieferungen) mit dem Westen interessiert. Bereits 2014 fanden auf der Krim und in den Donbass-Republiken Volksentscheide über deren jeweiligen Status statt. Eine jeweils große Mehrheit stimmte für den Anschluss an Russland. Wie demokratisch diese Abstimmungen auch immer waren – angesichts der Politik und des Terrors des Kiewer Regimes sowie der besseren sozialen Lage in Russland waren diese Ergebnisse alles andere als überraschend.
  2. Bezüglich der Krim verbreiten die westlichen Medien nichts als Lügen. Bereits am 20.1.1991, also noch vor (!) der Unabhängigkeit der Ukraine, gab es auf der Krim ein Referendum, bei dem 93,6% für den Anschluss an Russland stimmten. Am 26.2.1992 – nach der Unabhängigkeit der Ukraine – rief das Krim-Parlament mit Zustimmung Kiews die „Republik Krim“ mit dem Status einer selbstverwalteten Republik aus. Am 5.5.1992 erklärte die Krim ihre Unabhängigkeit und gab sich eine Verfassung. Die Regierung in Kiew setzte am 17.3.1995 die Verfassung der Krim jedoch außer Kraft. Wie gegenüber dem Donbass ignorierte Kiew damit den legitimen Wunsch der Bevölkerung auf nationale Selbstbestimmung. Kiew entsandte Spezialeinheiten, um Juri Mechkow, den Präsidenten der Krim, zu stürzen und die Republik Krim de facto zu annektieren, was zu massiven Protesten für den Anschluss der Krim an Russland führte. Die Krim wurde nun autoritär durch Präsidialdekrete aus Kiew regiert. Daraufhin erarbeitete das Krim-Parlament im Oktober 1995 eine neue Verfassung, mit der die „Autonome Republik Krim“ wiedererrichtet wurde. Diese Verfassung wurde vom Krim-Parlament am 21.10.1998 ratifiziert und vom ukrainischen Parlament am 23.12.98 bestätigt.
  3. Unmittelbar nach dem Staatsstreich auf dem Maidan hob die neue Kiewer Regierung das Kivalov-Kolesnichenko-Gesetz von 2012 über die Amtssprachen auf und beschloss eine Reihe unterdrückerischer Gesetze gegen nationale Minderheiten. Daraufhin gingen die Krimbewohner erneut auf die Straße, um die „Rückkehr“ nach Russland zu fordern. Am 16. März 2014 führte das Krim-Parlament wieder ein Referendum durch, in dem über den Verbleib in der Ukraine oder den Anschluss an Russland abgestimmt wurde. Danach baten die Behörden der Krim Moskau um den Anschluss an Russland, worauf dieses die Krim „besetzte“ und der Russischen Föderation angliederte.

Das gesamte westliche Narrativ über die „Annexion“ der Krim basiert auf einer Fälschung der Geschichte, der Ignoranz gegenüber den Ergebnissen mehrerer demokratischer Referenden, die belegen, dass die Krim nicht zur Ukraine gehören wollte. Auch historisch gehörte die Krim nie der Ukraine an (außer ab 1956 als ‚Geschenk‘ Chruschtschows). Die Mehrheitsbevölkerung ist nicht ukrainisch. Auch die Ereignisse von 2014 auf der Krim hätten bereits zum Krieg zwischen Russland und der Ukraine führen können. Vermutlich kam es damals nur deshalb nicht dazu, weil Kiew bzw. der „Wertewesten“ auf eine derartige Konfrontation mit Russland noch nicht vorbereitet waren.

Die nationale Frage

  1. Im 15. Jahrhundert endete das Kiewer Rus (auch „Altrussland“ genannt). Zu ihm gehörten neben den russischen „Kerngebieten“ auch die spätere Ukraine und Belarus. Das Kiewer Rus umfasste ein riesiges Gebiet zwischen Ostsee und Schwarzem Meer, inkl. östlicher Gebiete der heutigen Länder Lettland, Litauen und Polen sowie nördlicher Regionen der heutigen Staaten Slowakei, Rumänien und Moldawien. Ab dem 15. Jahrhundert, als das Moskauer Fürstentum zur Keimzelle des Russischen Reiches wurde, gab es Jahrhunderte lang keinen ukrainischen Staat und keine ukrainische Nation. Ansätze für eine solche entstanden erst im 19. Jahrhundert mit der Wiederentdeckung der ukrainischen Kultur und der Opposition gegen den russischen Zarismus. Das berührte jedoch nur eine intellektuelle Minderheit, es gab keine nationale Bewegung. Zudem war das Gebiet der Ukraine stark multinational geprägt (Ukrainer, Russen, Polen, Juden usw.). Russland war über Jahrhunderte die Schutzmacht der Ukraine gegen die Überfälle östlicher Reiterhorden.

Faktisch entstanden der erste ukrainische Staat und eine nationale Bewegung erst nach der Russischen Revolution von 1917. Die ukrainische Nationalbewegung hatte von Beginn an eine klar bürgerlich-nationalistisch-reaktionäre Ausrichtung. Sie war in der (sehr schwachen) ukrainischen Bourgeoisie, im Adel und im ländlichen Kleinbürgertum verankert und hatte durchaus Massencharakter. Das resultierte u.a. daraus, dass die Arbeiterbewegung und die Bolschewiki in der agrarischen Ukraine weniger Gewicht hatten. Ein anderer war aber auch das oft rücksichtslose Vorgehen der Roten Armee gegenüber den ukrainischen Bauern, was deren Vorbehalte gegenüber Moskau und dem Bolschewismus verstärkte. Nach den Erfahrungen der zaristischen Unterdrückung fürchteten viele Ukrainer, erneut zur Kolonie Moskaus zu werden. Während der Besetzung großer Teile der Ukraine durch deutsch-österreichische Truppen 1918 kooperierte das ukrainische Skoropadsky-Regime mit den Besatzern. Sein Nachfolger Petljura kämpfte gegen die Rote Armee und gegen die anarchistische Machno-Bewegung. Letztere kämpfte gegen die weiße Konterrevolution und für eine ukrainische Räterepublik. Die Machno-Bewegung und ihr Sowjetsystem wurden bis 1922 von der Roten Armee vernichtet. Im Ergebnis des Bürgerkriegs siegte die Rote Armee und die Sowjetrepublik Ukraine entstand als Teil der UdSSR.

  1. Der ukrainische Nationalismus richtete sich seit 1917 gegen die Oktoberrevolution und die mit ihr verbundenen sozialen Umbrüche und hatte daher einen stark reaktionären Charakter. Der Terror Stalins und die fatalen Folgen seiner Zwangskollektivierung Ende der 1920er führten zum Erstarken des ukrainischen Nationalismus. Stalins willkürliche Agrarpolitik ruinierte die Landwirtschaft und führte zu Millionen von Hungertoten – jedoch nicht nur in der Ukraine. Die These vom „Holodmor“, der absichtlichen (!) Dezimierung der Ukrainer durch Stalin ist jedoch falsch. Die Hungersnot war von Stalin durchaus nicht beabsichtigt, sie war Ergebnis widriger natürlicher Umstände, v.a. aber der unsinnigen Agrarpolitik Stalins, die riesige menschliche und materielle agrarische Produktivkräfte vernichtete und zudem per Zwang versuchte, Genossenschaften zu installieren, für die es damals keine ökonomischen Voraussetzungen gab. Die UdSSR litt noch Jahrzehnte an dieser verfehlten Politik.

Im Sommer 1941 wurde die Wehrmacht von nicht wenigen Ukrainern zunächst als vermeintliche „Befreier“ begrüßt. Doch der Naziterror zerschlug diese Illusionen. Es entstand eine starke Partisanenbewegung, die aber gespalten war: in einen pro-sowjetischen und einen ukrainisch-nationalistischen Teil. Letzterer, zu dessen Führern der Rassist und Antisemit Stepan Bandera gehörte, kooperierte mit den Nazis und beteiligte sich am Terror gegen Polen, Juden und „Bolschewisten“. Die nationalistischen Milizen kämpften noch bis Anfang der 1950er gegen den sowjetischen Staat. Heute werden dem Mörder Bandera in der Ukraine Denkmäler errichtet. Die rechten Gruppierungen der Ukraine berufen sich auf ihn und seine Tradition – was die „wertebasierten“ deutschen und westlichen Politiker aber nicht stört.

  1. Trotz des Terrors Stalins bot die UdSSR der Ukraine u.a. Völkerschaften an der Peripherie Russlands auch eine – wenn auch begrenzte und bürokratisch deformierte – fortschrittliche nationale und soziale Perspektive. Eine allgemeine Modernisierung und die Industrialisierung verbesserten das Lebensniveau, viele kleinere Völkerschaften profitierten davon. Diesen Entwicklungen standen andererseits der Bürokratismus und der Terror der Stalinzeit gegenüber, so dass sich Teile der Bevölkerung bürgerlich-nationalistischen Ideologien und Bewegungen anschlossen, weil sie die Verhältnisse in der stalinschen UdSSR fälschlich als „sozialistisch“ ansahen.

Die Unterdrückung der Ukrainer unter Stalin nahm Leo Trotzki zum Anlass, sich zum ukrainischen Nationalismus zu äußern. Er sah dessen bürgerlichen Charakter und die Stalinsche Politik als Ursache der Entfremdung vieler Ukrainer gegenüber der UdSSR. Trotzki betonte, dass letztlich nur die politische Revolution gegen die Herrschaft der Stalinschen Bürokratie auch die Unterdrückung der Ukrainer beenden könne. Er sah in einer Unabhängigkeit der Ukraine das kleinere Übel als deren erzwungener Verbleib in der UdSSR. Erst wenn die nationale Frage gelöst wäre, könnte die soziale Frage und der Sturz des bürgerlich-nationalistischen Regimes einer selbstständigen Ukraine wieder auf die Tagesordnung rücken. Trotzki plädierte für eine unabhängige Sowjet-Ukraine, die eng mit der UdSSR kooperiert. Diese Sichtweise entsprach auch der Leninschen Nationalitätenpolitik, die von völliger Freiwilligkeit ausging und auch das Recht auf Abtrennung von der UdSSR einschloss.

Der Zerfall der UdSSR nach 1989 infolge der Krise des stalinistischen Staatskapitalismus führte zu zahlreichen Konflikten und Kriegen zwischen den neu entstandenen Nationalstaaten. Diese neue „Kleinstaaterei“ wird vom Westen, aber auch von islamistischen Kreisen befördert, u.a. durch religiöse und pseudo-demokratische Bewegungen bzw. „Farbrevolutionen“, um a) Russland als Regionalmacht auszuschalten, b) sich den Zugriff auf die Ressourcen der Region zu sichern und c) den Einfluss Chinas (Neue Seidenstraße) zu begrenzen. Der ukrainische Nationalismus mag in seinem Selbstverständnis für die Unabhängigkeit der Ukraine kämpfen – objektiv ist er der nützliche Idiot des Westens. Mit der Unabhängigkeit der Ukraine 1991 wurde die Bildung einer ukrainischen Nation nochmals forciert. Die These Putins, dass es eine ukrainische Nation heute nicht gebe, ist falsch und demagogisch.

  1. Jede Volksgruppe hat das Recht auf Selbstbestimmung, auf Autonomie bis hin zur Abtrennung. Das ist auch Teil des „Völkerrechts“, das aber nicht von den Völkern, sondern von den Herrschenden festgelegt wird. Völkerrechtlich verbrieft ist auch das Recht auf Erhalt der nationalstaatlichen Einheit eines Staates. Diese Schizophrenie des „Völkerrechts“ bedeutet in der Praxis, dass es letztlich den Großmächten obliegt, wie sie zu den nationalen Ambitionen von Völkerschaften stehen. So wird z.B. den Kurden seit jeher ein eigener Staat verwehrt. Die Russen in der Ostukraine hatten gute Gründe, sich separieren zu wollen. Wenn Kiew ihnen das verwehrt, zeigt das dessen reaktionären Charakter. Es sei daran erinnert, dass Russland 1991 nichts dagegen unternommen, schon gar nicht militärische Gewalt angewendet hat, um die Unabhängigkeit der Ukraine in Frage zu stellen oder zu verhindern. Es musste um die Frage des Donbass nicht unbedingt Krieg geben, es gab ihn nur, weil der Westen die Ukraine dazu getrieben hat und den Konflikt mit Russland wollte.
  2. Obwohl der Ukraine tatsächlich die Zementierung ihres Status´ als vom westlichen oder östlichen Imperialismus abhängige Halbkolonie droht, ist aktuell eine Unterstützung der Ukraine in ihrem „Unabhängigkeitskampf“ falsch. Ein Sieg der Ukraine würde nur deren Abhängigkeit vom Westen verstärken und die Ausweitung der NATO und damit eine noch größere Bedrohung Russlands und neue Kriegsgefahr bedeuten. Ein Sieg Russlands könnte (!) ebenfalls die Abhängigkeit der Ukraine nach sich ziehen, wahrscheinlicher aber ist, dass die jetzt besetzten südöstlichen Gebiete (Krim, Donbass) an Russland angegliedert bleiben und die (Rest)Ukraine weiterbesteht. Diese Perspektive ist die für die Ukraine wie für die Region und die Welt günstigere Variante. Ein Sieg Kiews wäre auch ein Sieg der nationalistischen und faschistischen Kräfte in der Ukraine, während ein Sieg Russlands sie schwächen und evtl. sogar eine Massenbewegung in der Ukraine gegen sie hervorbringen würde. Es deutet sich an, dass die Unzufriedenheit der Bevölkerung mit Selenskij zunimmt, je länger der nicht zu gewinnende Krieg dauert. Natürlich wäre ein Sieg Moskaus auch ein Schlag gegen die NATO-Militaristen.
  3. Eine wirklich fortschrittliche nationale und soziale Entwicklung der Region ist aber nur möglich, wenn die Massen die reaktionären Regime in der Region, in Kiew, in Moskau usw. stürzen, den Kapitalismus überwinden und auf Basis demokratischer Selbstbestimmung entscheiden, wie ihre „Staatlichkeit“ aussehen soll. Eine grundlegende, langfristige Lösung der nationalen Frage ohne Lösung der sozialen Frage ist zwar nicht unmöglich, aber wenig wahrscheinlich. Weder der Westen noch Putins Autokratismus bieten dazu einen Ansatz.

Die deutsche Politik und die Antikriegsbewegung

  1. Getreu der Haltung von Luxemburg, Liebknecht, Lenin, Trotzki u.a. Internationalisten kann im Ukraine-Konflikt keine imperialistische Seite unterstützt werden, da der Imperialismus, egal welcher Couleur, immer nur für die weitere Ausbeutung und Unterdrückung der Welt steht. Nicht die Unterstützung der einen oder anderen reaktionären Seite, sondern die Ausweitung antiimperialistischer und antimilitaristischer Aktivitäten und des Klassenkampfes bis hin zum revolutionären Sturz des Kapitalismus muss das Ziel sein! Gemäß der Taktik des revolutionären Defätismus muss der Kampf der Massen gegen die eigene Regierung geführt werden – selbst auf die Gefahr hin, dass das eigene Land den Krieg verliert. Die Unterordnung, die Untätigkeit der Arbeiterklasse, der Burgfrieden mit der eigenen Bourgeoisie wären weit größere Übel. „Der Hauptfeind steht im eigenen Land“, betonte schon Karl Liebknecht. Die Politik der Bolschewiki 1917 hat beispielhaft gezeigt, dass und wie eine konsequent antiimperialistische Haltung und die „Umwandlung des Krieges in den revolutionären Bürgerkrieg“ (Lenin) aussehen kann. Leider gibt es derzeit fast keine Ansätze für eine derartige Dynamik. Trotzdem oder gerade deshalb ist es Aufgabe der Linken, für diese Perspektive propagandistisch einzutreten und aktiv dafür zu wirken, eine starke antiimperialistische und Antikriegsbewegung aufzubauen. Doch große Teile der Linken und der Friedensbewegung haben stattdessen Illusionen – entweder in Putin oder in die westliche Diplomatie. Noch schlimmer ist der Zustand der Arbeiterbewegung, v.a. des DGB, der sich nicht gegen die Kriegs- und Aufrüstungspolitik Berlins und Brüssels stellt. Während z.B. in Italien die Gewerkschaften in Solidarität mit Gaza mehrere Generalstreiks durchführten, unternimmt die DGB-Führung – nichts.
  2. Die Ampel- wie die März-Regierung treiben die Aufrüstungs- und Kriegspolitik voran und erhöhen damit die Gefahr der Ausweitung des Krieges zu einem globalen (atomaren) Konflikt. Dabei werden sie von den „gleichgeschalteten“ Medien unterstützt, die die Gesellschaft „kriegstüchtig“ machen. Noch vor einigen Jahren wäre es schwer vorstellbar gewesen, dass die Gewerkschaften oder die GRÜNEN diesen Kurs mitgetragen hätten, anstatt sich dagegen zu wenden. Die Friedensbewegung, die noch gegen die Irak-Kriege massiv mobilisieren konnte, ist derzeit sehr schwach, gespalten und zu größeren Mobilisierungen nicht in der Lage. Nur in der Frage des Palästina-Konflikts gab es größere Mobilisierungen gegen den Völkermord Israels an den Palästinensern. Eine Ursache für die Schwäche der Friedensbewegung ist ihre pazifistische Grundhaltung; eine andere – damit verbundene – die reformistische, volksfrontartige Orientierung auf „friedlichere“ und „sozialere“ Teile der Bourgeoisie und der bürgerlichen Politik, anstatt auf die Arbeiterbewegung und auf Methoden des Klassenkampfs. Ein dritter Grund ist die oft fehlende Kritik an der passiven, reformistischen Politik des DGB, der LINKEN und des BSW. Die Friedensinitiative von Wagenknecht war zwar positiv, blieb aber weitgehend wirkungslos, weil es von ihr bzw. vom BSW und von der LINKEN keine Vorschläge und Initiativen für den Aufbau einer starken Bewegung gab und gibt. Auch das BSW und Die LINKE wiederholen die falschen Thesen der Herrschenden vom „Kriegsbeginn 2022“, von der „Annektion der Krim“ und vom „Aggressor Putin“. Daher ist ihre Argumentation im Kampf gegen die Regierungspolitik ungeeignet. Jede antikapitalistische und antiimperialistische Ausrichtung, jeder ernsthafte Versuch, Mobilisierungsstrukturen aufzubauen, fehlen. Es bleibt dabei, ab und zu eine Demo zu veranstalten – das ist notwendig, aber zu wenig.
  3. Die links-bürgerlich-pazifistische Ausrichtung der Friedensbewegung und ihre v.a. auf symbolische Aktionen (Demos) ausgerichtete Politik muss überwunden werden! Stattdessen braucht es eine klare Orientierung auf die Arbeiterklasse und auf oppositionelle, linke Milieus in den Gewerkschaften. Entgegen der Unterstützung „links-bürgerlich-grüner“ Ideologien (Globalismus, Klima, Energiewende, Corona, Cancel culture, Milieutheorien usw.) müssen diese als unwissenschaftlich, alarmistisch, reaktionär und massenfeindlich bekämpft werden! Sonst ist eine grundlegend linke, antikapitalistische, klassenkämpferische und antimilitaristische Politik unmöglich, weil die Massen an reaktionäre bürgerliche Projekte gebunden werden.

Forderungen

  1. Die Linke und die Friedensbewegung müssen gemäß der Einheitsfrontpolitik handeln! Das bedeutet:
  • Orientierung auf die Arbeiterbewegung und Klassenkampfmethoden!
  • Zusammenarbeit mit links-bürgerlichen, pazifistischen u.a. Kräften JA; (offizielle) Bündnisse und Plattformen mit bürgerlichen Parteien und Organisationen (Kirchen, Unternehmerverbände) NEIN! Eine Beteiligung an Aktionen und Bewegungen, die zumindest tw. fortschrittliche Forderungen aufstellen, z.B. gegen Kriegspolitik und Aufrüstung oder gegen die Corona-Politik ist legitim; der Verzicht und das Zurückstellen eigener Inhalte ist falsch und stellt eine Unterordnung unter bürgerliche Positionen dar.
  • Aufbau von Antikriegs- bzw. Friedenskomitees mit der Bevölkerung anstatt (nur) linke „Insideraktionen“! Klare Aktionslosungen, z.B. Keine Waffenlieferungen!, Beendigung der Sanktionspolitik!, Austritt aus der NATO!, Für sofortige Friedensverhandlungen! usw., keine faulen Propagandablöcke!
  • Für die Initiierung und Vernetzung von Antikriegsinitiativen mit und in den Gewerkschaften! Kampf gegen die „Duldung“ bzw. die Unterstützung der Kriegs- und Rüstungspolitik durch die Gewerkschaftsführungen!
  • Für die regionale und bundesweite Vernetzung örtlicher Initiativen! Für einen bundesweiten Anti-Kriegs-Kongress!
  • Für Blockadeaktionen gegen Rüstungsbetriebe, NATO- und Bundeswehrstützpunkte, Militärtransporte, Werbung für die Bundeswehr an Schulen usw.!
  • Entschädigungslose Enteignung der Rüstungsindustrie und deren Konversion unter basisdemokratischer Kontrolle der Beschäftigten und Gewerkschaften!
  • Für eine enge Verbindung der Bewegung gegen den Völkermord in Gaza mit der Friedensbewegung!
  • Für die schnellstmögliche Beendigung des Ukrainekriegs durch Verhandlungen ohne Vorbedingungen – aber keine Illusionen in bürgerliche Institutionen (UNO, Diplomatie)!
  • Keine Waffen, kein Kapital, keine Logistik, keine Soldaten für das Kiewer Regime, für andere imperialistische Kriege und für Israel!
  • Schluss mit allen Sanktionen gegen Russland! Wiederherstellung normaler Wirtschaftsbeziehungen zu Russland, v.a. hinsichtlich der Energielieferungen!
  • Keinen Menschen, keinen Cent für Rüstung und Militär! Weg mit allen Erhöhungen des Wehretats, weg mit dem Bundeswehr-Sondervermögen! Einsatz dieser Mittel für soziale Zwecke!
  • Keine nukleare Teilhabe an US-Atomwaffen, Ächtung von Uranmunition! Unterzeichnung und Ratifizierung des UN-Vertrages zur Ächtung aller Atomwaffen!
  • NATO raus aus Deutschland, Deutschland raus aus der NATO! Abkehr von der NATO-Doktrin des Ersteinsatzes von Kernwaffen! Kündigung des US-Truppenstationierungsvertrages!
  • Für die Zerschlagung der Bundeswehr u.a. Repressionskräfte und deren Ersetzung durch demokratisch kontrollierte Miliz-Streitkräfte!

    Redaktionsschluss: 10. Oktober 2025

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