Rosa Luxemburg war die bedeutenste Sozialistin des 20. Jahrhunderts. Sie setzte sich für die revolutionäre Überwindung des Kapitalismus ein und kämpfte besonders gegen Militarismus und imperialistischen Krieg. Im Unterschied zu der auf Reformen ausgerichteten bürokratischen Politik der Führungen der SPD und der Gewerkschaften orientierte sie auf die Revolution und die schöpferische Aktivität der Arbeiterklasse.
1871 in Polen geboren, war Rosa Luxemburg seit früher Jugend eine Kämpferin gegen Unterdrückung. Als Polin, Jüdin und als Frau war sie im russischen Reich mehrfach diskriminiert. Schon als Schülerin war sie illegal politisch aktiv. 1890 musste sie wegen drohender Verhaftung in die Schweiz fliehen. Dort studierte sie und war eine der ersten Frauen, die promovierten.
1894 war sie Mitbegründerin der Sozialdemokratischen Partei Polens und Litauens. 1897 ging Luxemburg nach Deutschland, um in der erstarkenden deutschen Sozialdemokratie zu wirken. Sie erarbeitete sich mit ihren Schriften über Ökonomie und ihrer Einmischung in die Debatte über die nationale Frage einen Ruf als innovative marxistische Intellektuelle, wenngleich viele ihrer Ansichten auch heute noch umstritten sind.
Ab 1899 greift Rosa Luxemburg mit Beiträgen und v.a. ihrer Broschüre „Sozialreform oder Revolution?“ in die „Revisionismusdebatte“ in der SPD ein. Darin verteidigt sie den revolutionären Standpunkt gegen die revisionistische, d.h. wesentliche Positionen von Marx revidierende, Sichtweise Eduard Bersteins. Sie zeigt, dass dessen ausschließlich auf Reformen orientierte Auffassung falsch und illusorisch ist und die Arbeiterklasse vom Klassenkampf und letztlich vom Sozialismus selbst ablenkt. Schon in dieser Zeit weist sie immer wieder auf das zunehmende Konfliktpotential des Kapitalismus und auf die deshalb wachsende Kriegsgefahr und den Militarismus hin.
1904 wurde sie wegen Majestätsbeleidigung zum ersten Mal und 1906 wegen „Anreizung zum Klassenhaß“ erneut verurteilt. Ab Oktober 1907 war sie Lehrerin an der der SPD-Parteischule in Berlin.
1910 kam es zum Bruch mit Karl Kautsky, der als wichtigster Marxist in der SPD galt. Sein „Marxismus“ wich allerdings in etlichen Fragen ebenfalls von Marx´ Auffassungen ab. Ein Hauptstreitpunkt war damals der Generalstreik als Kampfmittel. Nach der russischen Revolution von 1905 diskutierte auch die SPD die Bedeutung von Massenstreiks. Die deutschen Gewerkschaften lehnten eine Debatte über den Massenstreik ab, da dieser „ein Spiel mit dem Feuer“ sei. In einer Geheimabsprache vereinbarte die SPD-Führung, nicht offen gegen die Gewerkschaften aufzutreten.
Bereits 1906 hatte Luxemburg ihre Schrift „Der Massenstreik, die politische Partei und die Gewerkschaften“ veröffentlicht. Sie war eine Polemik gegen die Gewerkschaftsbürokratie, die jede spontane revolutionäre Dynamik der Arbeiterklasse zu verhindern suchte. Sie zeigte, dass der „Massenstreik und die Revolution untrennbar miteinander verbunden sind“ und dass „die Sozialdemokratie auf der Höhe der revolutionären Periode zur politischen Führerschaft aufgerufen ist.“ Rosa Luxemburg stellte die Kreativität und Spontaneität der Massen der konservativen Politik der Gewerkschaftsbürokratie gegenüber.
1913, als sich der Weltkrieg immer deutlicher am Horizont abzeichnet, ruft Rosa Luxemburg bei einer Kundgebung in Frankfurt/M. zur Kriegsdienstverweigerung auf. Im Februar 1914 wird sie wegen dieses Aufrufs zu einem Jahr Gefängnishaft verurteilt, die ab Februar 1915 vollstreckt wird. Ende Juli 1914, nur wenige Tage vor Kriegsbeginn, verdichtet sich bei der Teilnahme an der Sitzung der Führung der II. Internationale, der die SPD als größte Partei angehört, ihr Eindruck, dass innerhalb der sozialistischen Parteien der Nationalismus stärker ist als die internationale Solidarität, die nur noch eine Phrase war.
Nach Ausbruch des Weltkriegs stand Luxemburg fast allein gegen die SPD, die den imperialistischen Krieg unterstützte. Sie brandmarkte die SPD deshalb als „stinkenden Leichnam“. Gemeinsam mit Karl Liebknecht, Franz Mehring, Clara Zetkin und Leo Jogiches begann sie, den internationalistischen Flügel der SPD zu organisieren. Schon im August 1914, wenige Tage nach Kriegsbeginn, begündete Luxemburg die „Gruppe Internationale“ mit, die aber noch Teil der SPD war. Ab 1916 nannte sie sich „Spartakus-Gruppe“. 1917 trat diese der Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei (USPD) bei – einer zentristischen, zwischen Reform und Revolution schwankenden Formation -, die sich 1917 von der SPD nach links abgespalten hatte. Während der Novemberrevolution 1918 schließlich gründete sich der „Spartakusbund“ als deutschlandweite unabhängige Organisation, die bereits am 1. Januar 1919 in der neu gegründeten Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) aufging.
1916 wird Rosa aus dem Gefängnis entlassen, doch ab Juli schließt sich die „Sicherheitsverwahrung“ an, die bis November 1918 dauert. Sie wird zweimal verlegt, zuerst in die Festung Wronke in der Provinz Posen, dann nach Breslau. Viele Briefe aus dieser Zeit sind beeindruckende Zeugnisse ihrer tiefen Menschlichkeit, ihrer Abscheu gegen den Krieg und ihrer Hingabe an den Sozialismus.
Rosa Luxemburg begrüßte begeistert die Russische Revolution, die im Februar 1917 ausgebrochen war. Angesichts des Versagens der SPD und der II. Internationale betrachtete sie die russischen Revolutionäre um Lenin und Trotzki als „die Ehrenrettung des internationalen Sozialismus“. Trotzdem kritisierte Luxemburg aber die Bolschewiki um Lenin heftig dafür, dass diese demokratische Prinzipien mißachteten und damit die Entfaltung der sozialen Kraft der Arbeiterklasse behinderten und sie einer Bürokratie unterordnete. Das spätere Schicksal der Revolution sollte die Richtigkeit ihrer Warnung bitter bestätigen.
Obwohl Rosa Luxemburg eher und genauer als alle anderen Marxisten ihrer Zeit die tiefe Degeneration der sozialdemokratischen Arbeiterbewegung erkannte, war sie bei der Formierung einer eigenständigen revolutionären Opposition zu zögerlich: einerseits, weil sie zu stark auf die „spontanen Selbstheilungskräfte“ in der Arbeiterbewegung setzte; andererseits, weil selbst sie nicht das ganze Ausmaß der Degeneration erkannte.
Als dann die Novemberrevolution losbrach, verfügte die Arbeiterklasse über keine relevante revolutionäre Führung, die in der Klasse bzw. ihrer Vorhut wirklich verankert war. Die neu entstandene KPD war politisch noch zu unreif, was sich u.a. darin äußerte, dass sie tw. putschistische und sektiererische Positionen vertrat und die Ausnutzung der Demokratie und des Parlamentarismus sowie die Bündnispolitik (Einheitsfrontpolitik) im Klassenkampf unterschätzte.
Im November 1918 brachen die deutschen Kriegsanstrengungen zusammen: Die Truppen begannen zu meutern, Arbeiter- und Soldatenräte wurden gebildet. Der Kaiser dankte ab, die SPD gelangte durch die kämpfenden Arbeitermassen an die Macht. Diese waren zwar entschlossen, doch aufgrund der Führung und ihrer Erziehung durch die reformistische Sozialdemokratie fehlte es ihr an Verständnis für die revolutionären Aufgaben (Arbeiterkontrolle, Räte als revolutionäre Machtorgane, Zerschlagung des bürgerlichen Staates), das Vertrauen in „ihre“ SPD war immer noch stark.
Am 9. November 1918 wird Rosa aus der Haft entlassen. Sofort fährt sie nach Berlin, ins Zentrum der Revolution, und arbeitet als Redakteurin bei der „Roten Fahne“, der Zeitung des „Spartakusbunds“. In ihrem Artikel „Nationalversammlung oder Räteregierung?“ tritt sie für eine Räteregierung ein. In ihrem brillanten Stil rief sie die Massen zur Revolution auf: „Es gibt nur die Wahl zwischen der Fortführung des Kapitalismus, neuen Kriegen und ein baldiges Abgleiten in Chaos und Anarchie oder die Abschaffung der kapitalistischen Ausbeutung selbst.“ Die Jahre bis 1933 waren dann auch von den Nachwehen der unvollendeten Revolution geprägt; der Faschismus löste dann auf seine reaktionäre Weise die latente Systemfrage.
Im Januar 1919 ließ sich die KPD zu einem verfrühten Aufstand provozieren. Obwohl Luxemburg und Liebknecht der jungen und unerfahrenen Mitgliedschaft davon abrieten, standen sie ihm machtlos gegenüber. Der Aufstand wurde niedergeschlagen. Ihm folgte eine massive Hetzkampagne gegen die „Spartakus-Führer“. Man setzte ein Kopfgeld auf sie aus. Noske und Scheidemann, zwei Führer der SPD, befahlen den rechten paramilitärischen Freikorps, sie festzunehmen. Am 15. Januar 1919 wurden Liebknecht und Luxemburg verhaftet und umgebracht. Ihre Leichen warf man in den Landwehrkanal. Die rote Rosa war tot.
Die Sozialdemokratie möchte Rosa Luxemburg gern auf die Rolle einer radikalen Demokratin und Kritikerin der Bolschewiki reduzieren. Dafür wird oft ihr Satz „Freiheit ist immer die Freiheit der Andersdenkenden“ zitiert. Doch Rosa Luxemburg war mehr als das. Clara Zetkin, eine Genossin und enge Freundin, schrieb in ihren Memoiren: „Sie war das scharfe Schwert, das lodernde Feuer der Revolution.“