Schwanebecker Elegie II

Hanns Graaf

Dumpf rast der Puls an meine Schläfen. Fieber schweißt sich
Aus der Stirn. Ich frier. Kopfschmerzen reißen mich wach.
Wankende Wände. Tanzt die Tapete? Wie schreib ich weiter
Durch die Nacht mich hier – hier im geschlagenen Land?

Lichtfinger bohrn, ein Verhör, sich ins Dunkel. Müde Augen
Schwarz beringt und rot. Matt glänzt das Zifferblattgold.
Null Uhr null. Zeiger, die schweigend sich überrunden.
Schnee umwächst das Haus. Stille, wie nach einer Schlacht.

Kontinentalfrost. Erstarrender Osten. Krachende Kälte
Schlägt die Mauern durch. Schwelglut im Ofen. Es riecht.
Rauch weht am Dach. Verräterisch blasse, halbmastne Fahne.
Fiel da fern ein Schuss? Scheiterholz nur, das zerknackt.

Stumm stehen, drohend die Lexikonbände. Der Schreibmaschine
Klemmen A und O. Stundenlang kämme ich mir
Schon den Schädel durch. Der Bogen, seit gestern gespannt.
Doch kein Anschlag folgt. Weißestes, spurloses Feld.

Unaufgelöstes, zwei Fibrex-Tabletten, quäle ich runter.
Verse, Kletten ihr! Hängt im Vergangenen fest!
Saaten erfroren. Äcker verwuchert. Welt, wie noch wüster!
Tee, georgischer, brennt bitter beim Schlucken im Hals.

Unerhört harre ich aus auf meinem einsamsten Posten.
Hört, versteht ich mich? Seid ihr, Genossen, geflohn?
Nichts. Fahl flackert Straßenlicht auf. Niemandes Zeichen.
Zähe Zeit vertropft. Bleigrauer Morgen gerinnt.

1990