Weiter auf dem Holzweg

Hanns Graaf

Seit einiger Zeit verfasst die Gruppe Arbeitermacht (GAM) regelmäßig Beiträge zum Thema Energiewende, nachdem sei das Thema jahrelang ignoriert hat. Am 1. Februar 2018 erschien nun ein Artikel von Jürgen Roth (JR) mit dem Titel „Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG): Stolperstein für Energiespeicherlösung“ (http://arbeiterinnenmacht.de/2018/02/01/erneuerbare-energien-gesetz-eeg-stolperstein-fuer-energiespeicherloesung/).

Der Autor befasst sich darin mit dem Problem der Energie-Speicherung, speziell mit einem  Druckluft-Speicherkraftwerk, das der Physiker Dr. Bernd Geisler 2011 erfand. Geisler löst das Problem der Wärmerückgewinnung durch getrennte Speicherung von Wärme und Druckluft, wodurch der Wirkungsgrad steigt.

Die GAM befürwortet die Energiewende (EW) grundsätztlich, kritisiert aber ihre konkrete Umsetzung unter kapitalistischen Verhältnissen und behauptet, dass eine EW unter Arbeiterkontrolle oder im Sozialismus viel besser (oder überhaupt erst) gelingen könne. Dieser Linie folgt auch der Artikel von JR.

Die Frage der Technik

Geradezu eine positive Ausnahme von sonstigen linken Beiträgen zur EW ist der Artikel von JR insofern, als er konkret auf eine Energietechnik eingeht, anstatt nur Ideologie zu verbreiten. Tatsächlich ist Geislers technische Lösung vielversprechend – allerdings v.a. vor dem Hintergrund  anderer Speichertechniken (Batterien, Pumpspeicherkraftwerke, Wasserstoff, power to gas usw.), die alle sowohl exorbitant teuer sind oder/und einen sehr schlechten Wirkungsgrad haben, d.h. die Speicherung ist mit hohen Energieverlusten verbunden. Ein Pumpspeicherwerk etwa weist Verluste zwischen 20 und 25% auf, die Umwandlung von Strom in Wasserstoff und zurück ist mit Energieverlusten von bis zu 80% verbunden. Auch wenn Geislers Technologie dort besser abschneiden mag (Genaues sagt der Artikel aber nicht aus), so ist auch sie natürlich – physikalisch bedingt – mit Verlusten verbunden.

Eine zentrale Rolle nimmt im Artikel die Darstellung der Hürden ein, die der Erfinder Geisler überspringen musste, um sein Projekt zu realisieren, z.B. Fördermittel und Investoren besorgen. JR stellt dabei richtig fest, dass Geisler zwar die administrativen, technischen, finanziellen u.a. Probleme lösen konnte, nun jedoch in Konflikt mit den EEG-Regelungen geraten ist, so dass das Projekt durch den Absprung des Hauptinvestors zu scheitern oder sich ewig hinzuziehen droht. JR schreibt dazu: „Doch das dicke Ende für eine technisch geniale Lösung dieser doppelten und doppelt bezahlten Problematik kommt noch! Bernd Geisler wurde kreidebleich, als er vom Ausstieg seines potentiellen Investors Salzgitter AG erfuhr. Der Grund? Zukünftige Druckspeicherkraftwerke müssen bei der Speicherung von Strom zu Druckluft sowie bei der Erzeugung von Strom aus Druckluft jeweils 6 Ct./kWh EEG-Umlage zahlen. Damit hätte die Salzgitter AG nur Verlust einfahren können.“

Das Erneuerbare Energien Gesetz (EEG)

Das trifft tatsächlich zu. Doch würden diese EEG-Regelungen abgeschafft, würde sich sehr schnell zeigen, dass die „Erneuerbaren Energien“ (EE) wesentlich teurer als die konventionellen Erzeuger und für Investoren ruinös und daher uninteressant wären. Das aber bedeutet auch, dass die Arbeitsproduktivität der EE niedriger ist als die der Konventionellen. Ohne EEG (und die darin festgelgte Abzocke der Massen und tw. auch der Wirtschaft über den Strompreis) gäbe es keine EE. Das sagt JR allerdings nicht.

Wie JR die Situation der EW und die Wirkung des EEG beschreibt, zeigt, dass er von der Realität wenig Ahnung hat und die Ideologie der „grünen“ Befürworter der EW einfach übernimmt. JR schreibt: „Das EEG vergütet den vorprogrammierten Stillstand auf Kosten der Strompreise für die KleinverbraucherInnen. Die Abschaltung erfolgt umso eher je mehr Strom aus fossilen und atomaren Grundlastkraftwerken erzeugt werden. Die Kohlekraftwerksreserve steht für den Fall völliger Flaute bereit und wird aus den gleichen Quellen bezahlt. GegnerInnen einer Energiewende sehen natürlich das Heil in einer Rückkehr zur Stromerzeugung aus Kohle und in AKWs, damit das Stromnetz gleichförmig belastet wird, nehmen aber dafür in Kauf, dass diese Energiemengen produzieren, die selbst tagsüber nur selten benötigt werden, der Rest geht als Abwärme durch den Schornstein und ins Flusswasser, fördert also die Aufheizung der Atmosphäre.“

Wenn JR behauptet, die Abschaltung der EE erfolge „umso eher je mehr Strom aus fossilen und atomaren Grundlastkraftwerken erzeugt“ wird, so ist das schlicht falsch. Das EEG fordert nämlich eine Vorrangeinspeisung der EE, d.h. immer, wenn die EE Strom erzeugen, für den es Abnehmer gibt, leiten die EE Strom ins Netz und die Konventionellen werden herunter gefahren. Es gibt dabei aber Ausnahmen. So etwa, weil die Konventionellen nicht Sekunden-schnell ihre Erzeugung ändern können, so dass dieser Übergang berücksichtigt werden muss. Oft gibt es auch gar keinen Abnehmer, weil die EE schon heute in manchen Stunden allein mehr Strom erzeugen, als gebraucht wird. Kann er nicht exportiert werden – der Stromexport hat im Zuge der EW immer mehr zugenommen -, muss auch die EE-Einspeisung gedrosselt werden. Hieran wird auch deutlich, dass die EE (v.a. Wind und Sonne) überhaupt nicht bedarfsgerecht erzeugen können. Von der Nachhaltigkeit, von der die Linke so gern redet, ist hier plötzlich nicht mehr die Rede. Um nur ein Beispiel zu geben: Würde nur der gesamte Strom aus EE kommen, müssten anteilig etwa 80.000 zusätzliche Windräder errichtet werden (heute gibt es 26.000). Dafür brauchte man ca. 400 Millionen Tonnen Material. Nachhaltigkeit? Ressourcenschonung? Fehlanzeige!

Unterschätzte Dimensionen

JR behauptet: „GegnerInnen einer Energiewende sehen natürlich das Heil in einer Rückkehr zur Stromerzeugung aus Kohle und in AKWs, damit das Stromnetz gleichförmig belastet wird, nehmen aber dafür in Kauf, dass diese Energiemengen produzieren, die selbst tagsüber nur selten benötigt werden, der Rest geht als Abwärme durch den Schornstein und ins Flusswasser, fördert also die Aufheizung der Atmosphäre.“ Die Konventionellen erzeugen bzw. können immer genausoviel Strom erzeugen, wie gebraucht wird. Wenn z.B. nachts oder am Wochenende weniger benötigt wird, werden sie entsprechend gedrosselt. Von einer permanenten Mehrproduktion kann also gar keine Rede sein. Daher gibt es auch keine Abwärme (ausser der technisch „normalen“), welche quasi „unnütz“ die Umwelt belasten würde. Was JR hier behauptet, ist purer Unsinn.

Falls JR hier jedoch die Energie-Effizienz meint, liegt er auch falsch. Denn einen 100%igen Wirkungsgrad von Energie-Umform-Anlagen gibt es natürlich nicht (perpetuum mobile). Natürlich hat etwa ein Kohlekraftwerk nur eine Energieeffizienz von 40-70%, der Rest geht als Abwärme usw. „verloren“. Doch auch EE-Anlagen haben dieses Problem, denn: der Ressourcenverbrauch etwa von Windrädern oder Solaranlagen ist deutlich höher als bei den Konventionellen. Wenn etwa ein Windrad bei Flaute nichts erzeugt, stehen die 5.000 Tonnen Material sinnlos rum. Zudem beträgt seine Laufzeit nur 15-20 Jahre, dann muss es erneuert oder sogar ersetzt werden. Natürlich liest man dazu bei JR nichts.

Anstatt darauf zu verweisen, dass EE-Anlagen nie gebrauchsgerecht produzieren können und daher immer riesige Überkapazitäten vorhanden sein müssen (auch wenn es genügend Speicher gäbe), stellt es JR so dar, als wären die Konventionellen die reinsten Verschwender. Doch Fakt ist, dass ein Energie-System aus EE etwa vier Mal so viel Aufwand an Ressourcen und Kosten verursacht wie ein konventionelles System, da mehr Erzeuger-Anlagen, ein größeres und komplizierteres Netz sowie enorme Speicherkapazitäten (die ansonsten nur in sehr geringem Umfang nötig wären) gebraucht werden. Zusätzlich steigen die Verluste durch Leitung und Speicherung um ca. 20-30%. Wer das für vernünftig hält, ist nicht ganz vernünftig.

Wie dramatisch das Problem tatsächlich ist, wird auch offenbar, wenn wenn wir bedenken, dass die EE (v.a. Wind und Solar als Hauptstützen der EW) nur dann die Grundlage der Energieversorgung sein können, wenn Strom in gigantischen Dimensionen gespeichert bzw. umgeformt werden kann. Würde z.B. nur die Strommenge gespeichert – dabei macht Strom nur ca. ein Viertel des Gesamtenergieverbrauchs in Deutschland aus -, die nötig ist, um alle Ausfallzeiten bei den EE abzudecken, wären etwa 800 Pumpspeicherwerke vom Typ Goldistal nötig. Dafür fehlen nicht nur die geologischen Voraussetzungen, dieses Unterfangen würde auch etwa 800 Milliarden (!) Euro kosten. Wer aber, wie JR, diese Aufwendungen, diese Kosten, diesen Ressourcenverbrauch nicht erwähnt, hat entweder keine Ahnung oder macht sich der bewussten Irreführung schuldig.

Selbst wenn wir akzeptieren würden, dass es eine geführliche Beeinflussung des Klimas durch die fossile Verbrennung gibt, würde sich daraus noch lange nicht ableiten, dass wir eine EW in der Form brauchten, wie wir sie jetzt haben, also durch die Implantierung der EE ins Energiesystem. Eine Alternative, die technisch nicht funktioniert bzw. weitaus mehr Resoourcen verbraucht und praktisch unbezahlbar ist, ist keine Alternative, sondern eine reaktionäre Utopie! Diese Probleme würden natürlich auch in einer nicht-kapitalistischen Gesellschaft auftreten. Doch JR und die GAM, ja die gesamte Linke tun so, als ob das nicht so wäre und die Revolution schlagartig alle technischen Probleme lösen würde. Das mag ja in Hinsicht auf die Technik sogar so sein, doch weder wird der Sozialismus andere Naturgesetze einführen noch die Beschaffenheit von Wind und Sonne ändern können. So einfach ist das.

Natürlich weiß auch JR, dass eine EW ohne Speicher nicht möglich ist. Doch er behandelt dieses Problem nur abstrakt und nicht konkret. Sein Motto heißt: in absehbarer Zeit löst sich das Speicherproblem. Das mag sogar so sein, doch die EW findet nicht in absehbarer Zeit statt, sondern schon heute und schon seit 20 Jahren. Das heißt, dass man die EW als Projekt durchzieht, das Jahr für Jahr eine zweistellige Milliardensumme – nur in Deutschland, weltweit sind es ca. 100 Milliarden – kostet, ohne dass die Speicherfrage auch nur annähernd gelöst wäre, ja eine Lösung zeichnet sich kurzfristig noch nicht einmal ab. Die EW ist tatsächlich eine Fahrt ins Nichts.

Hätte man dann mit einer EW angefangen, wenn die technischen Grundlagen vorhanden gewesen wären, wäre sie zwar (hinsichtlich des Klimas) unnötig, aber sie wäre immerhin überhaupt möglich. Doch so werden riesige Milliardensummen für ein Projekt ausgegeben, das so gar nicht funktionieren kann. Und die GAM und ihr Autor Roth befürworten dieses Hasardspiel grundsätzlich noch – bei all ihrer oft durchaus berechtigten Kritik an der EW. Ansonsten müsten sie fordern, dass die EW sofort beendet und erst dann weitergeführt wird, wenn zumindest die technischen Grundlagen dafür vorhanden sind. Das aber sagt die GAM nirgends.

Fazit

JR schreibt am Ende seines Artikels u.a.: „Das Reformflickwerk EEG ist also alles andere als geeignet auf dem Weg zu einer Energiewende, die ihren Namen verdient. Letztere braucht einen Plan zur Schaffung der weiter oben beschriebenen Voraussetzungen, eine integrierte Energiepolitik (Strom, Verkehr, Wärme, Industrie, Landwirtschaft, Haushalte). Sie muss zur Voraussetzung die Enteignung der großen Stromkonzerne und NetzbetreiberInnen haben und diegrünenEnergiegenossenschaften in den Plan einbeziehen. Der organisierte Ausstieg aus von fossilen Trägern erzeugtem und Kernspaltungsstrom kann nur gelingen, wenn die technisch und sozial unsinnigen Bestimmungen des EEG fallen.“

JR gibt hier also selbst zu, dass die Voraussetzungen für eine EW gar nicht gegeben sind, sondern erst geschaffen werden müssen. Doch er sagt nicht, dass die EW unter diesen Umständen sinnlos, ja sogar schädlich ist.

Eine EW, die vernünftig wäre, würde nicht auf EE (v.a. Wind und Solar) setzen, sondern v.a. auf energiesparende Techniken und auf die technische Weiterentwicklung der vorhandenen Technologien. So hätte die technische Aufrüstung der Kohlekraftwerke auf den neuesten Stand bis zu 20% weniger Kohleverbrauch und Emissionen aller Art bedeutet – mit weniger Aufwand als für die EE. Auch die neuen Errungenschaften auf dem Gebiet der Kerntechnik, die schon heute angewendet werden, zeigen, welch unermessliches Potential in ihr steckt. Von all dem hat die GAM keine Ahnung, weil sie – wie das Kaninchen auf die Schlange -, nur auf die Erneuerbaren starrt.  Anstatt einer materialistischen Sicht auf die technischen und naturwissenschaftlichen Realitäten und die realen Entwicklungstendenzen betrachtet sie die Welt aus einem „grünen“ Wolkenkuckucksheim.

In der Tendenz sagt JRs Artikel doch: unter anderen gesellschaftlichen Bedingungen, unter der Ägide der Arbeiterklasse (Arbeiterkontrolle usw.) können Entwicklungen wie die von Geisler die EW zum Erfolg führen. Doch JR schildert ja selbst, wie lange es bei Geisler von Idee bis zum Pilotprojekt gedauert hat: von 2011 bis 2017. Bis zur allgemeinen technischen Anwendbarkeit des Verfahrens würden weitere Jahre vergehen. So ist es im Prinzip auf allen Gebieten der Technik. Stattdessen versprechen uns die „grünen“ EW-Freaks andauernd, dass die Lösung nahe bevor steht.  Es ist ganz klar, dass es mindestens in den nächsten 10 Jahren keine technische Lösung des Speicherproblems geben wird; die EW wird also weitergeführt, ohne dass es eine technische Basis dafür gibt. Anstatt diesen monströsen Unsinn, der nur im Interesse der großen und kleinen „grünen“ Investoren liegt, zu beenden, will die GAM ihn weiterführen – die Scheiße soll nur besser gemacht werden.

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