Rassismus ist eine bürgerliche Ideologie, die behauptet, dass die Menschheit aus qualitativ höherwertigen und minderwertigen Rassen bestehen würde. Natürlich gibt es verschiedene Ethnien, die sich sowohl physisch (Hautfarbe, Haarfarbe, Augenform usw.) als auch kulturell (Sprache, Traditionen usw.) unterscheiden. Doch der Rassismus überbetont solche einzelnen Merkmale und verbindet mit ihnen menschliche Fähigkeiten und Eigenschaften als typisch für eine Rasse. Dass z.B. die Juden in Europa traditionell überproportional im Handel und im Geldgewerbe tätig waren, resultiert u.a. aus mittelalterlichen Verboten zur Ausübung „ehrbarer“ handwerklicher oder agrarischer Berufe durch Juden.
Vorbehalte und Ängste gegenüber Fremden gab es schon immer in menschlichen Gemeinschaften. Sie waren Ausdruck von Unwissen, aber auch von Vorsicht gegenüber möglichen Gefahren. Doch diese „Vorbehalte“ haben nichts mit Rassismus zu tun. Denn Rassismus bedeutet systematische, pseudo-wissenschaftlich begründete Stigmatisierung, die praktisch zur Benachteiligung, Unterdrückung oder sogar zur physischen Ausrottung anderer Menschen, Ethnien, Glaubensgemeinschaften usw. führt. Rassismus ist nicht nur eine individuelle Ansicht, sondern eine systematische Methode zur Ausübung von Herrschaft in der Klassengesellschaft. Die Wurzeln des Rassismus reichen oft weit zurück, z.B. in das indische Kastensystem und in die Religion.
Die inhaltliche Konzeption des Rassismus und auch der Begriff „Rassismus“ entstanden bzw. verfestigten sich erst mit der Entwicklung der bürgerlichen Gesellschaft und des Nationalstaats. In verschiedenen anthropologischen Theorien wurden willkürliche Zusammenhänge von Kultur und „rassischen“ Eigenarten konstruiert und mit „völkischen“, nationalistischen und religiösen Ansichten verbunden. So wurden rassistische Vorurteile v.a. mit dem Kolonialismus gefördert und von ihm genutzt. Sie richteten sich besonders gegen schwarze und indigene Völker, die unterdrückt, ausgeplündert, versklavt oder ausgerottet wurden. Die Kolonialpolitik der kapitalistischen Ära wurde oft damit begründet, angeblich minderwertigen „Naturvölkern“ die höhere Kultur des Westens zu bringen.
Welche bizarren ideologischen Amalgame oft entstehen, zeigt der Zionismus. Er entstand Ende des 19. Jahrhunderts als Reaktion auf die rassistischen Pogrome gegen Juden, war aber auch eine bewusste Gegenbewegung zum jüdischen Teil der Arbeiterbewegung. Der Zionismus versuchte, sein Ziel eines eigenen Judenstaates in Palästina mit Hilfe des Imperialismus zu erreichen, was ihm schließlich mit der Gründung Israels auch gelang. Doch auch der Zionismus beruhte auf der These eines kulturell höher stehenden Judentums als eines „auserwählten Volkes“, was dieses berechtigen würde, auf Kosten der angeblich kulturell niedriger stehenden arabischen Mehrheitsbevölkerung einen eigenen Staat zu errichten. Insofern ist der Zionismus anti-rassistisch und rassistisch zugleich.
Die absurdesten und verbrecherischsten Auswüchse der rassistischen Pseudowissenschaft brachte der deutsche Faschismus hervor. So wurde die Existenz einer jüdischen Rasse konstruiert, die u.a. durch besonderes Blut, eine besondere Nasenform usw. geprägt wäre und typische negative Eigenschaften wie Geiz, Raffgier oder Hinterlist aufweisen würde. Diese „Eigenschaften“ wurden dann als Begründung genommen, um „die Juden“ – ähnlich ordnete man die Sinti und Roma, die Schwarzen oder die Slawen ein – zu stigmatisieren, sie als minderwertig, als „Parasiten am gesunden Volkskörper“ usw. zu unterdrücken, zu verfolgen und zu vernichten. Parallel zur Konstruktion solcher Rassen von „Untermenschen“ wurde behauptet, dass es eine qualitativ höhere arisch-germanische Rasse von großen blonden, blauäugigen und kämpferischen Menschen gebe.
Diese biologistischen Auffassungen sind nicht nur unwissenschaftlich, sie ignorieren oder verfälschen auch die Geschichte. So werden v.a. die permanente Vermischung von Ethnien durch Jahrtausende von Wanderungsbewegungen ausgeblendet und bestimmte Stereotype (Nation, Volk) historischen Entwicklungsstufen übergestülpt, die Nationen noch gar nicht kannten, wie z.B. die Germanen. So wurde die deutsche Nation quasi als aus dem Germanentum – also völkisch – abgeleitet und begründet und nicht als Ergebnis der Entwicklung bürgerlicher Klassenverhältnisse gesehen.
Besonders mit dem Beginn der kolonialen Expansionen und mit der Herausbildung der bürgerlichen Nationalstaaten entwickelte sich der Nationalismus. Dieser ist die zentrale Herrschaftsideologie der kapitalistischen Gesellschaft und oft mit rassistischen Ansichten verbunden. Der Nationalismus dient – wie auch der Rassismus – zum einen dazu, die Spaltung der Gesellschaft in gegensätzliche Klassen durch die Suggestion einer Volks- oder Rassegemeinschaft zu verschleiern und die Massen zur Unterstützung der Machtinteressen des eigenen Kapitals gegen Konkurrenten zu motivieren. Rassismus und Nationalismus spalten die Unterdrückten und behindern so deren gemeinsamen Widerstand gegen ihre Ausbeuter und Unterdrücker.
Schon Marx und Engels betonten, dass das Proletariat sich nur befreien kann, wenn es seine nationalistischen und rassistischen Denkweisen überwindet. So verwiesen sie darauf, dass die englischen ArbeiterInnen ihre nationalistische und rassistische Haltung gegenüber den Iren aufgeben und die nationale Unterdrückung der Iren durch den britischen Staat bekämpfen müssten.
Noch heute ist der Rassismus Teil der bürgerlichen Ideologie und oft mit Chauvinismus und Nationalismus verbunden. Der Rassismus richtet sich heute etwa gegen Juden, gegen Muslime oder gegen Schwarze. Doch oft vermischen sich rassistische Einstellungen und Handlungen mit anderen, tw. sogar fortschrittlichen Motiven. So verbindet sich z.B. häufig die berechtigte Kritik am reaktionären Staat Israel mit anti-jüdischen rassistischen Ressentiments. Diesem Übel kann nur begegnet werden, wenn der berechtigte Befreiungskampf der PalästinenserInnen gegen Israel seine bürgerlich-nationalistisch-religiösen Führungen und Konzeptionen überwindet und stattdessen eine proletarische, sozialistische, internationalistische und multiethnische Ausrichtung zur Grundlage hat.
Anti-rassistische Einstellungen kommen oft als links-kleinbürgerliches „Multikulti“ daher. Diese Ideologie übersieht aber zum einen die Klassenfrage, zum anderen die Systemfrage. So richtig es in den Zeiten des „Kampfes gegen den Terrorismus“ ist, der rassistischen Diskriminierung der Muslime entgegen zu treten, so notwendig ist es zugleich, den reaktionären und spalterischen Charakter des Islams (wie jeder anderen Religion) zu kritisieren und auf den spezifisch unterdrückerischen Charakter der islamischen Regime, z.B. gegenüber Frauen, hinzuweisen.
Wirkliche Gleichberechtigung und ein harmonisches Zusammenleben aller Menschen ist mit kapitalistischer Ausbeutung und Unterdrückung letztlich unmöglich und nicht einfach durch mehr Toleranz oder Integrationsbemühungen – so positiv sie an sich sind – herstellbar. Der Rassismus u.a. reaktionäre Ideologien können nur überwunden werden, wenn die materiellen Verhältnisse, denen sie entspringen, überwunden werden. Die Alternative zum Rassismus ist letztlich der gemeinsame Klassenkampf aller Ausgebeuteten und Unterdrückten – über ethnische, kulturelle und religiöse Unterschiede hinweg.