Jahrhundertelang waren die Juden in Europa Pogromen ausgesetzt. Manche Bürgerrechte und bestimmte Berufe waren ihnen verwehrt. So wurden sie in den Handel und die Geldwirtschaft, später in Intelligenz-Berufe gedrängt. Im Mittelalter hatten Juden eine wichtige Funktion als Finanziers von Königen und dem Adel sowie im Fernhandel inne. Als mit dem Aufkommen des Kapitalismus Handel und Finanzwesen in die Hände der (meist nichtjüdischen) Bourgeoisie gerieten, verloren viele Juden ihre frühere gesellschaftliche Stellung und wurden zu Parias. Die Vorbehalte und der Hass auf die Juden speisten sich aus verschiedenen Quellen: aus der Konkurrenz, aus der Ausbeutung der Armen durch jüdische Wucherer und aus den nichtjüdischen Religionen. Oft wurden die Juden von den Herrschenden zum Sündenbock gemacht, um von den wirklichen Problemen abzulenken.
Wirtschaftlicher Abstieg und Diskriminierung führten ab dem 19. Jahrhundert zur Flucht vieler osteuropäischer Juden nach Westeuropa und in die USA. Die vorherrschende Tendenz unter den Juden war aber, sich in die bürgerliche Gesellschaft zu integrieren. Der größte Teil der westeuropäischen Juden war assimiliert, bewahrte aber zugleich seine religiöse und kulturelle Eigenständigkeit. Die Juden bereicherten die Entwicklung von Wissenschaft und Kultur in Europa.
Das Judentum ist eine religiös-kulturelle, aber keine ethnische Gemeinschaft. Innerhalb des Judentums gibt es deutliche soziale Abstufungen. Der Großteil der Juden gehört dem Proletariat an, ein Teil zu den Mittelschichten, eine Minderheit zählt zur Bourgeoisie. Insofern sind die Juden keine Klasse. Sie sind aufgrund ihrer geographischen Zerstreuung, ihrer starken Assimilation und wegen des Fehlens eines Staatsgebildes (bis zur Gründung Israels 1948) auch keine Nation. Selbst die hebräische Sprache wurde von den Juden kaum mehr als Alltagssprache genutzt und erst wieder in Israel künstlich „aufgewertet“.
In den 1880ern und 90ern gab es zunehmend Pogrome gegen Juden, v.a. in Osteuropa, nationalistische und völkische Ideen verstärkten sich. Ausdruck dessen war z.B. die Dreyfuss-Affäre in Frankreich. Vor diesem Hintergrund erfolgte eine Politisierung der Juden. Ein Teil sah in der sozialistischen und Arbeiterbewegung eine Kraft, die auch die Diskriminierung der Juden beenden könnte. So war z.B. der jüdische „Bund“ Teil der russischen Sozialdemokratie, viele Intellektuelle, die aus jüdischen Familien stammten, wurden bekannte SozialistInnen: z.B. Karl Marx, Rosa Luxemburg oder Leo Trotzki.
Als Reaktion auf die permanente Unterdrückung der Juden, aber auch auf die linken Tendenzen im Judentum entstand der Zionismus. Die Idee, nach Jerusalem, nach „Zion“, zurückzukehren, war zwar bei den Juden schon immer vorhanden, doch begründet wurde der Zionismus als politische Strömung erst Ende des 19. Jahrhunderts von Theodor Herzl, der 1896 sein Buch „Der Judenstaat“ veröffentlichte, in dem die grundlegenden Ideen des Zionismus dargelegt sind. Herzl war Mitorganisator des 1. Zionistischen Weltkongresses, der 1897 in Basel tagte, und Präsident der dort gegründeten „Zionistischen Weltorganisation“.
Der Zionismus ist keineswegs „die“ Weltanschauung „der Juden“, sondern eine besondere bürgerliche Ideologie innerhalb des Judentums. Der Zionismus befürwortet eine kapitalistische Ordnung. Herzl behauptete, dass „die Juden“ eine eigene Nation seien und daher Anspruch auf einen eigenen Staat hätten. Nur dieser könne den Juden eine sichere Existenz bieten. Von Beginn an versuchten die Zionisten, ihren Staat mit Hilfe der Regierungen der kapitalistischen Großmächte zu erschaffen. Der Zionismus war von Beginn an nicht auf eine friedliche Koexistenz oder gar multi-ethnische Gesellschaft in Palästina ausgerichtet, sondern auf die Bevorzugung der Juden gegenüber anderen Bevölkerungsgruppen.
Nach dem Ersten Weltkrieg war Palästina britisches Mandatsgebiet. Der britische Außenminister bot der zionistischen Bewegung an, sich dort anzusiedeln – den britischen Kolonialpolitikern war klar, dass die Beherrschung Palästinas ohne jüdische Siedler schwierig sein würde. So wurde Palästina nach einer ersten jüdischen Einwanderungswelle Anfang der 1920er zu einer kolonialen Siedlerkolonie. In den 1920er und 1930er Jahren begehrten die Araber gegen die britische Kolonialherrschaft auf. Da die Briten in dieser Situation die Juden als Stütze ihrer Herrschaft gegen die Araber benutzten, richtete sich der Hass der Araber auch gegen die Juden. Nachdem in Palästina über Jahrhunderte verschiedene Volksgruppen und Religionen weitgehend friedlich zusammen gelebt hatten, spaltete der Kolonialismus diese Einheit und schürte die Gegensätze und den Hass zwischen ihnen.
Eine Begründung für das zionistische Staatsprojekt war die These, dass die Juden das „auserwählte Volk“ seien und kulturell höher ständen als etwa die Araber. Die Idee, den „rückständigen Völkern“ eine „höhere Kultur“ zu bringen, teilt der Zionismus mit anderen reaktionären Ideologien, mit denen die koloniale Unterdrückung begründet wurde. Die Schaffung Israels sollte damit verbunden sein, dass Juden Unternehmen gründen, in denen die Araber als Billigarbeiter beschäftigt wären. All diese Ideen erweisen den Zionismus als nationalistische und rassistische Ideologie der besonderen Art. Die Verfassung Israels enthält noch heute Elemente, welche die Juden gegenüber anderen Bevölkerungsgruppen bevorzugen. So konnten z.B. in der „Staats-Gewerkschaft“ Histadrut nur Juden Mitglied werden.
Der Zionismus wurde – trotz der Unterstützung durch die bürgerlichen Staaten – nie zur dominanten Strömung innerhalb der Juden. Erst der Faschismus und der Holocaust verstärkten die zionistischen Ansichten unter den Juden massiv. Nach 1945 wuchs der Zustrom von Juden aus Europa nach Palästina. Auch die imperialistischen Großmächte unterstützten diese Migration und die Gründung Israels 1948. Dafür gab es viele Gründe: erstens war nach dem Holocaust der moralische und politische Druck zur Schaffung eines jüdischen Staates sehr stark, zweitens waren die europäischen Regierungen froh, im eigenen Land das „Judenproblem“ damit „gelöst“ zu haben, drittens instrumentalisierte man von Beginn an Israel als Brückenkopf und Statthalter des Imperialismus im Nahen Osten. Das war zum einen wichtig, weil der Einfluss des britischen Imperialismus als Ordnungsfaktor in der Region zurückging bzw. der US-Imperialismus diese Rolle anstrebte. Zum anderen waren der Nahe und Mittlere Osten als wichtigste Ölregionen der Welt von zentraler Bedeutung. Der sich verstärkende arabische Nationalismus wurde dort zum potentiellen Konkurrenten des Imperialismus um die Vorherrschaft, v.a. ab den 1950er und 60er Jahren.
Ein allgemeiner arabischer Anti-Judaismus ist bis in die 1930er Jahre nicht feststellbar. Erst mit der kolonialen Vorherrschaft der Briten in Palästina und v.a. mit der Gründung Israels eskalierten die sozialen und militärischen Konflikte zwischen Juden und Arabern. Der Landhunger der jüdischen Siedler wurde dadurch gestillt, dass die früheren palästinensischen Bewohner vertrieben wurden oder aber das Land arabischen Großgrundbesitzern abgekauft wurde. Auf letzteren Umstand verweisen die Verteidiger Israels oft, um die Legitimität der Expansion Israels zu belegen. Doch tatsächlich zeigt diese Argumentation nur, wie komplett bürgerlich sie ist, weil sie nicht die Klassenfrage stellt, d.h. die Vertreibung und den Verlust der Lebensgrundlage der palästinensischen Bauern und Landarbeiter nicht berücksichtigt, sondern alles nur als „normalen“ Verkaufsvorgang ansieht. Noch heute führt die von Israel subventionierte Ansiedlung von Juden im Westjordanland zur Benachteiligung und Vertreibung der Palästinenser.
Im Zuge der aggressiven Siedlungspolitik und nach mehreren Kriegen zwischen Israel und den arabischen Nachbarstaaten dehnte sich das Staatsgebiet Israels aus. Heute ist Israel ein hochentwickelter kapitalistischer Nationalstaat, der über großes militärisches Potential verfügt. Diese Entwicklung und diese Stärke konnte er aber nur durch die massive finanzielle und militärische Unterstützung durch den Imperialismus, v.a. durch die USA, erlangen. Die Grundlage der Existenz Israels ist die Vertreibung und Benachteiligung der Palästinenser, der Preis ist ein permanenter Krieg. Die Blockade Gazas und die Zerstückelung und Besetzung großer Teile des Westjordanlandes belegen, dass Israel ein aggressiver, rassistischer Staat ist. Auch die israelischen Juden selbst bezahlen dafür einen hohen Preis durch die Militarisierung der Gesellschaft, enorme Rüstungskosten, die daraus resultierende Staatsverschuldung und permanenten Bürgerkrieg.
Der Nahost-Konflikt ist im Kern kein Konflikt zwischen Religionen, er ist auch und v.a. ein Konflikt zwischen Klassen: dem Kapital in Gestalt der jüdischen Bourgeoisie und dem Imperialismus, der sie unterstützt, und auf der anderen Seite dem Proletariat, v.a. dem arabischen Proletariat. Eine Lösung des Palästina-Konflikts ist nur möglich, wenn der Klassenkampf bewusst vom arabischen und vom jüdischen Proletariat gemeinsam geführt wird. Dazu müssen sich die Palästinenser von ihren religiös-nationalistischen Führungen (PLO, Hamas u.a.) trennen und ihre tw. vorhandenen reaktionären Juden-feindlichen Ansichten überwinden. Vor allem aber muss das jüdische Proletariat seine Instrumentalisierung für die pro-imperialistische Politik Israels überwinden.
Der Kampf der Palästinenser gegen den Staat Israel und für das Recht auf Rückkehr bzw. Entschädigung ist vollauf berechtigt, was allerdings nicht bedeutet, dass damit auch alle Kampfmittel (z.B. Selbstmordanschläge tw. auch gegen Zivilisten) und die Politik z.B. der Hamas gutgeheißen werden können. Der Zionismus hat nicht die Erlösung der Juden gebracht, sondern sie in Gestalt Israels selbst zu Unterdrückern gemacht. Die Kritik an Israel und am Zionismus hat nichts zu tun mit Antisemitismus. Eine wirkliche Perspektive für die Juden und die Massen der Region, ein Ende der jahrzehntelangen Konflikte kann nur die Beseitigung des Staates Israel und die Schaffung einer multikulturellen und säkularen sozialistischen Räterepublik Palästina sein!
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