Lied von der Pleiße

Hanns Graaf

Zwar wälzt sich alles um und ist im Fließen,
Doch krumm, gewunden ist des Wassers Lauf.
So lässt sich aus dem Pleißeplätschern schließen:
Auch hier in Sachsen geht es nicht bergauf.

Mit einer Elster hast du dich vereinigt.
Weißgott, was keine saubre Lösung war.
Noch ungeklärt der Vorgang, ungereinigt.
Wohl stärker stinkt es uns im nächsten Jahr.

Durch Sachsen geht die Pleiße und die Pleite.
Vom Regen in die Traufe kam das Land.
Die Zukunft suchte lange schon das Weite,
Wo sie bis heut noch keine Bleibe fand.

Mit uns ging baden unsre ganze Chose,
Die neue Welt, die eine halbe blieb.
Welch Menetekel: eine Blechbierdose,
Die, rot vom Rost, mit dir gen Westen trieb.

Ach, viel zu friedlich fließt sie hin, die Pleiße!
Zu beiden Seiten liegt geduckt das Land.
Erneut spült es hier an die alte Scheiße.
So kriegt auch Sachsen seinen goldnen Strand.

Was schlängelst du dich durch, kriechst unter Brücken,
Bleibst in den Grenzen deiner Ufer brav?
Du lehrst das Land sich fügen und sich bücken.
Dran weidet sich und wiederkäut ein Schaf.

Zwei Arbeitslose suchen nach dem Haken,
Wenn sie zu dir im Trüben fischen gehn.
Wie hängt so tief und grau das Himmelslaken!
Wie sich der Pleiße dunkle Strudel drehn.

In Leipzig sind die Wogen längst geglättet.
Verlaufen hat sich, was sich einst gestaut.
Die Helden haben kaum sich selbst gerettet
Und haben sich seitdem nichts mehr getraut.

1991