Vor dem Blackout?

Hanns Graaf

Seit Jahren geistert die Gefahr des Zusammenbruchs des Stromsystems in Deutschland durch die Debatten um die Energiewende (EW). Nachdem zuletzt im Berliner Stadtteil Köpenick nach einem Kabelschaden tagelang der Strom ausfiel, wurden uns die Probleme eines Netz-Kollapses sehr praktisch vor Augen geführt. In der öffentlichen Diskussion – soweit es diese überhaupt gibt – betont die Seite der Kritiker die Gefahr eines Blackouts, während die EW-Protagonisten diese als unbegründete Angstmache abtun.

Doch der Blackout ist tatsächlich eine reale Gefahr – und wir kommen ihm immer näher. Dazu hier einige Fakten, die wir tw. einem Interview mit Prof. Dr.-Ing. Harald Schwarz, Lehrstuhlinhaber Energieverteilung und Hochspannungstechnik an der BTU Cottbus-Senftenberg, entnommen haben.

Eine Grundlage der stabilen Stromversorgung ist, dass die gesicherte Leistung höher als die mögliche Höchstlast im Stromnetz sein muss. Dazu bemerkt Prof. Schwarz: „Schauen wir uns die letzten 10-15 Jahre Energiewende in Deutschland an, so haben wir um die 120 Gigawatt PV- und Windstrom aufgebaut. Die gesicherte Leistung von PV ist aber 0%, bei Wind onshore ist es 1%, bei Wind offshore 2%. Im Klartext liefern die 120 GW, die wir in den letzten 15 Jahren aufgebaut haben, nahezu null Beitrag zur gesicherten Leistung. Wir werden ausschließlich mit Wind und PV nie eine gesicherte Stromversorgung aufbauen.“

Das Rückgrat einer sicheren Stromversorgung sind die Großkraftwerke, welche die Grundlast abdecken. Als Grundlast bezeichnet man jene Strommenge, die immer verbraucht wird und auf die variabler, d.h. vom Zusatzverbrauch abhängiger Strom aufgesattelt wird. Neben diesem quantitativen Element haben die Kraftwerke auch die äußerst wichtige qualitative Aufgabe, die gleichbleibende Netzspannung von 50 Hz zu sichern. Dazu Schwarz: „Vor zehn Jahren standen uns deshalb rund 100 GW Kraftwerksleistung aus sicheren Energieträgern zur Verfügung, das sind Kohle, Gas, Atom, Biomasse und Laufwasser. Die mögliche Höchstlast in Deutschland liegt derzeit bei ca. 85 GW. Inzwischen ist die gesicherte Leistung auf knapp 90 GW abgeschmolzen – und der Kohlekommissionsbericht sieht vor, dass wir davon bereits in drei Jahren weitere 20 GW gesicherte Leistung abschalten. Das soll dann noch weiter fortgesetzt werden. Wir geben in drei Jahren also unsere sichere Stromversorgung (…) auf und haben dann nur noch 80% der notwendigen gesicherten Kraftwerkleistung im eigenen Land, die wir brauchen, um uns verlässlich zu versorgen. 2030 sinkt das weiter auf 60%.“

Den Abbau der gesicherten Leistung zeigt das folgende Diagramm:

Verbleibende Leistung inkl. Reservekraftwerke

„Die deutliche Verringerung der verbleibenden Leistung zwischen den Stichzeitpunkten 2020 und 2021 ist im Wesentlichen auf den Wegfall der Netzreservekraftwerke zurückzuführen. Insgesamt wird hier vorausgesetzt, dass Inbetriebnahmen und Rückbau im konventionellen Bereich planmäßig erfolgen.“ (Netztransparenz.de, Bericht der deutschen Übertragungsnetzbetreiber zur Leistungsbilanz 2017-2021, S. 24)

Die Speicherillusion

Für das Problem der fehlenden sicheren Stromreserve gibt es zwei Lösungen: a) die Nutzung von Speicherstrom und b) der Stromimport.

Die vorhandenen Stromspeicher, v.a. Pumpspeicherkraftwerke, können die immer größer werdende Lücke an „sicherem Strom“ absolut nicht überbrücken. Auch Batteriespeicher sind noch kaum vorhanden, zudem würde deren Ausbau dreistellige Milliardensummen kosten und Jahrzehnte dauern. Auch das hochgelobte Power to gas-Verfahren (PtG) – die Umwandlung von „Überschussstrom“ in Gas und zurück in Strom – ist enorm teurer und hat einen sehr schlechten Wirkungsgrad, d.h. es geht dabei viel Energie „verloren“. „Wir wissen schon lange“, meint Schwarz, „dass überschüssige regenerative Energien gespeichert werden müssen. Das hat in den letzten 15 Jahren aber niemanden interessiert. Es gab bereits 2008 und 2010 Konzepte, die vor der kommenden Phase einer massiven Unterdeckung mit gesicherter Leistung warnten. Die Energiewende wurde trotzdem blind vorangetrieben.“

Bezüglich PtG meint Schwarz: „2006 gab es eine Pilotanlage mit 6 MW und weitere im Bereich um 2 MW. Seitdem ist bundesweit nichts mehr passiert. Aktuell plant RWE (…) eine Anlage mit 50 bis 100 MW. Um von dieser Größe in den Bereich von mehreren 10.000 MW zu kommen, brauchen wir nicht nur einen, sondern mehrere Schritte zum Hochskalieren und das dauert mehrere Jahrzehnte“.

Das Fehlen von Speichern stellt sich umso dramatischer dar, wenn wir bedenken, dass die anvisierte Umstellung des Autoverkehrs auf Elektromobilität den Strombedarf erheblich erhöhen und damit auch den Speicheraufwand deutlich vergrößern würde.

Import als Lösung?

Auch der zweite Ausweg, der Import von Strom, erweist sich als Sackgasse. In den letzten Jahren kam es immer öfter vor, dass Engpässe, wenn Wind- und Solarstrom ausfielen, durch Stromimporte überbrückt wurden. Da auch immer mehr Windräder und PV-Anlagen bei Windflaute, bedecktem Himmel oder nachts nichts liefern und immer mehr Grundlast-Kraftwerke vom Netz genommen werden (sollen), wird die Deckungslücke immer größer. Können die Kraftwerke der Nachbarländer sie füllen? Auch hier dämpft Schwarz „grüne“ Illusionen: „Hier stellt man schnell fest, dass Windflauten bei uns auch mit Windflauten bei den Nachbarn einhergehen. Dazu gibt es Fakten und Zahlen. Laufen unsere Kraftwerke unter Höchstlast, tun sie das in Polen und Tschechien auch. Die Wahrscheinlichkeit, dass uns die Nachbarn in einer kalten Dunkelflaute, bei weitgehendem Ausbleiben von Strom aus Wind und PV, mal eben 20 GW über den Strommarkt verkaufen können, halte ich für unrealistisch.“

Der Stromimport ist also keine Lösung. Zudem wäre dieser nur unter der Bedingung möglich, dass unsere Nachbarn bei sich keine EW durchführen, also die traditionellen Kraftwerke nicht durch Wind- und Solarstrom ersetzt werden. Außerdem bekämen wir dann durch die Hintertür gerade wieder Kohle- und Atomstrom, der bei uns abgeschafft werden soll. Und nicht zuletzt steigt die Abhängigkeit Deutschlands von Stromimporten, deren Senkung eines der Ziele der EW ist. Die EW ist also ein Schuss ins eigene Knie.

Deutschland exportiert immer mehr Strom (zum erheblichen Teil zu Dumping-Preisen). Das zeigt, dass die EW zu immer mehr Überschüssen über den realen Strombedarf hinaus führt, was aber nichts daran ändert, dass in bestimmten Momenten – deren Zahl immer mehr zunimmt – die EE den Inlandsverbrauch nicht decken kann.

Ausbau der Erneuerbaren?

Politik und Medien vermitteln tagtäglich den Eindruck, dass wir mit dem Ausbau der „Erneuerbaren Energien“ (EE) der Lösung des Klimaproblems immer näher kommen würden. Schwarz bemerkt dazu: „In den Medien wird suggeriert, dass mit 40% Quote der Erneuerbaren auch 40% Deutschlands mit regenerativem Strom gesichert versorgt werden. Dem ist nicht so. Das physikalische Grundverständnis energietechnischer Zusammenhänge in den Medien und der Bevölkerung ist leider sehr gering.“

Quelle

Schwarz konstatiert: „Parallel zum Aufbau der Erneuerbaren haben wir CO2-freie Kernenergie abgebaut. Was wir auf einer Seite aufgebaut haben, wurde auf der anderen Seite abgebaut. Zudem wurden Kohle- und Gaskraftwerke durch die volatile Einspeisung der Erneuerbaren zu einem extrem fluktuierenden Betrieb gezwungen, um so die ständigen Einspeiseschwankungen von Wind und PV mit dem Strombedarf in Übereinstimmung zu bringen. Das ist wie Stop and go mit dem Auto in der Stadt. Das führt auch zu höheren Emissionen pro Kilometer, als auf der gleichen Strecke mit konstanter Geschwindigkeit auf der Autobahn oder Bundesstraße zu fahren. Wir haben im Ergebnis über 20 Jahre hinweg in blindem Aktionismus im dreistelligen Milliardenbereich Steuergelder ausgegeben, ohne nennenswert etwas bei den Emissionen zu erreichen.“

Gas als Alternative?

Ohne Kohle- und Atomstrom stünden künftig v.a. Gaskraftwerke für eine stabile Versorgung zur Verfügung. Doch Strom aus Gas ist nicht nur teuer, es wird dabei auch CO2 freigesetzt. Die EW-Befürworter verweisen immer auf die hohen CO2-Emissionen der Braunkohleverstromung. Doch Schwarz betont zu recht, dass die Realität beim CO2 etwas anders aussieht: „Wir betrachten die CO2-Emissionen nur im Wandlungsprozess vor Ort, in diesem Fall ist Gas deutlich günstiger als Kohle. (…) Wenn die tatsächlichen CO2-Emissionen durch Erzeugung und Transport mitbetrachtet werden, dann nimmt das bei Braunkohle aufgrund des geringen Abstandes zwischen Tagebau und Kraftwerk nur wenig zu, Steinkohle geht deutlich nach oben, da viel Steinkohle für unsere Kraftwerke heute aus Australien kommt und bei Gas explodieren die Emissionswerte geradezu. Es gibt Gasfelder wie das amerikanische Schiefergas samt Transport nach Deutschland, bei dem die Gesamtemissionen dann weit über der Braunkohle liegen.“

Quelle

Ein verstörendes Fazit

Aus den angeführten technischen und naturwissenschaftlichen Fakten ist klar ersichtlich, dass die EW die Grundlagen einer sicheren Stromversorgung untergräbt. Schwarz verweist auf reale Situationen, als wir nur knapp an einem Blackout vorbei geschrammt sind: „Insgesamt betreiben wir das Stromnetz in den letzten Jahren immer stärker am Limit. Anfang der 2000er-Jahre gab es zwei größere Blackouts (Italien bzw. Teile Westeuropas), weil der neu eingeführte Stromhandel über das europäische Verbundnetz und die physikalischen Randbedingungen für den Netzbetrieb plötzlich nicht zusammenpassten.

Auch im Winter 2011 auf 2012 war das Gleichgewicht zwischen Verbrauch und Erzeugung empfindlich gestört, als es durch den Konflikt zwischen Russland und der Ukraine zur verminderten Gasdurchleitung und damit einem Gasmangel in Süddeutschland kam. Wir waren kurz vor dem kritischen Punkt der Unterfrequenz, bei dem dann alle verfügbaren Kraftwerksreserven ans Netz gebracht werden und bereits erste große Verbraucher abgeschaltet werden, um ein weiteres Absinken der Frequenz zu verhindern, das ungebremst nach sehr kurzer Zeit zu einem Netzzusammenbruch führen kann. Es gab helle Aufregung in der Politik, daraufhin wurde eine Regelung zur Abschaltung energieintensiver Industrie im Falle besonderer Herausforderungen geschaffen. Allein in 2018 wurden Teile der Aluminiumindustrie über diese Maßnahme 78 Mal abgeschaltet.

Das waren zwar keine Katastrophenszenarien, aber man hat in diesen Zeiten gemerkt, dass die Regelleistung nicht mehr ausreicht und der Markt die Lücke nicht schließen kann. Zum vergangenen Jahreswechsel gab es auch eine plötzlich auftretende Unterdeckung von 6 GW, die man ausgleichen konnte, weil die Kraftwerke nicht auf Höchstlast waren. Am 10. Januar gab es eine Situation, in der die Frequenz in wenigen Minuten, quasi aus dem Nichts, bis auf 49,8 Hertz abgesunken ist. 14 Tage später gab es das gleiche Phänomen in die andere Richtung. Bis heute weiß in diesen Fällen niemand, worin genau die Ursachen lagen. Der Netzbetrieb in Europa ist durch die beliebige Ein- und Ausspeisung hochgradig wacklig geworden. Das wird weiter zunehmen.“

Schwarz´ Einschätzung wird auch durch die Zahl der Re-Dispatch-Eingriffe zur Stabilisierung des Stromnetzes bestätigt. Seit Beginn der EW ist die Zahl der Eingriffe zur Netzstabilisierung gewaltig gestiegen. Gab es 2010 nur 300 solche Re-Dispatch-Eingriffe, waren es 2012 schon 1.000, 2015 waren es 15.811, 2017 schließlich 20.438! Wir nähern uns also einem Blackout immer mehr an …
Dank der EW-Protagonisten in Politik, Wirtschaft, Medien und Ideologie-höriger „Wissenschaft“ wird unsere Stromversorgung ruiniert – mit dramatischen ökonomischen, sozialen und ökologischen Folgen. Selbst wenn die These von der drohenden CO2-getriebenen Klimakatastrophe stimmen würde, erweist sich die EW mit der Implantierung der EE als komplett ungeeignete Lösung.
Dass auch die gesamte Linke diesen Wahnsinn – trotz partieller Kritik – unterstützt, zeigt, dass die Tendenz des zunehmenden Irrationalismus dieser Gesellschaft auch die Hirne der Linken vernebelt. Die Überwindung des Kapitalismus mutiert hier unversehens zur Zerstörung der Energieversorgung. Man möchte angesichts der geistigen Dunkelflaute der Linken ausrufen: Es werde Licht!

Ein Gedanke zu „Vor dem Blackout?“

  1. Herzlichen Dank für die Vermittlung der Fakten, die meist wenig beachtet werden.
    Ein Hinweis, angeregt durch das Interview mit Prof. Schwarz:
    Er sagt, „… man darf aber nicht vergessen, dass ein großflächiger und langanhaltender Blackout
    in Deutschland unvorstellbar schlimm werden würde. Der Bundestag hat hierzu mal 2011 eine große Studie in Auftrag gegeben, die man auch mit etwas Suchen herunterladen kann. Dort wurde alles zumindest für den ersten Tag des Blackouts sehr detailliert untersucht – und wer das gelesen hat, möchte das nicht erleben.“
    Diese Studie ist hier zu finden:
    https://www.tab-beim-bundestag.de/de/pdf/publikationen/buecher/petermann-etal-2011-141.pdf

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