Paul Pfundt
Solaranlagen boomen. Das betrifft die Photovoltaik, also die Stromerzeugung aus Sonnenlicht – im Unterschied zur Solarthermie, der Erzeugung von Warmwasser. Firmen wie Enpal preisen ihre Paneele massiv an, v.a. Balkonkraftwerke erfreuen sich einer großen Nachfrage.
Für diese Entwicklung gibt es verschiedene Gründe: 1. werden Solarpaneele, die meist aus China kommen und nicht vom „Klimaschutzvorreiter“ Deutschland, immer billiger. 2. wird die Photovoltaik geradezu aggressiv beworben. 3. sind Anschaffung und Montage von Kleinsolaranlagen, v.a. von Balkonkraftwerken, einfach und erschwinglich. Die Rentabilität ergibt sich allerdings zum großen Teil nur daraus, dass durch die Energiewende (EW) der Strom immer teurer geworden ist, so dass sich heute Investitionen in eine Solaranlage lohnen.
Der Solarboom ist Teil der Klimapolitik der Ampel-Regierung. Bis 2030 sollen Solarpaneele mit einer Leistung von 215 Gigawatt (GW) neu installiert werden. Allein 2023 wurden mehr als eine Million neue Solaranlagen in Betrieb genommen. Lt. Statistischem Bundesamt gab es im April 2024 in Deutschland etwa 3,4 Mill. Photovoltaikanlagen mit einer Nennleistung von insgesamt 81.500 Megawatt.
Wie viele Menschen, die nicht dialektisch, sondern eher mechanisch denken und kaum Ahnung von technischen Zusammenhängen haben, sehen auch Kanzler Scholz und sein Wirtschaftsminister Habeck den Erfolg nur darin, dass die Zahl der Solaranlagen zunimmt. So forderte Scholz: „Pro Tag müssen 43 Fußballfelder an Solaranlagen entstehen“. Dass ein technisches System – das Stromsystem – nicht einfach massiv verändert werden kann, indem man einige Komponenten modifiziert, ohne damit auch die Funktionalität des Gesamtsystems zu verändern, ist den „Klimaschützern“ und Energiewende-Befürwortern aller Art offenbar unklar.
Problem Photovoltaik
Solarthermie zur Warmwasserbereitung ist eine einfache und relativ billige Möglichkeit, Energie zu sparen. Zudem stellt sie keinen Eingriff in die Funktionalität des Stromsystems dar. Ganz anders verhält es sich mit der Photovoltaik – zumindest dann, wenn sie in größerem Umfang zum Einsatz kommt. Den privaten Betreiber eines Balkonkraftwerks interessiert nur, dass er mit seiner Anlage seine (!) Stromkosten senken kann. Je mehr Strom sie erzeugt, desto besser für ihn.
Beim Stromsystems als Gesamtsystem stellt sich die Sache aber ganz anders dar. Dessen Besonderheit besteht darin, dass in jeder Sekunde Erzeugung und Verbrauch übereinstimmen müssen. Die Netzspannung muss immer 50 Herz betragen. Bei einer minimalen Abweichung von nur wenigen Herz nach oben oder unten kollabiert das Netz – es kommt zu einem Blackout. Selbst ein Stromausfall von nur einer Stunde würde allein in Deutschland Milliarden Euro und etliche Menschenleben kosten.
Die Netzstabilität funktioniert i.w. dadurch, dass es große rotierende Massen gibt: die Großturbinen der Kraftwerke. Die Möglichkeit, durch das Regeln von Stromflüssen (Redispatching), die Netzspannung stabil zu halten, ist technisch eingeschränkt und teuer. Eine andere Möglichkeit, für Netzsicherheit zu sorgen, ist der Im- und Export von Strom. Auch diese Möglichkeit ist aber – schon angesichts der enormen Größe des deutschen Strommarktes – begrenzt.
Das Problem des „erneuerbaren“ Stroms von Wind- und Solaranlagen ist deren Volatilität (Schwankungen in der Verfügbarkeit) aufgrund des Ausfalls der Erzeugung bei Windstille oder in der Nacht bzw. bei bedecktem Himmel und im Winter). So haben wir schon heute an wind- und sonnenreichen Wochenenden im Sommer einen Überschuss an „erneuerbarem“ Strom. Dagegen liefern die Zigtausend Windräder und Solaranlagen bei Dunkelflaute nichts. Solche Mangelsituationen aber kommen durchaus häufig vor. Die These der EW-Befürworter, dass irgendwo immer die Sonne scheint oder der Wind weht, hat sich als weltfremde Propaganda erwiesen. Bisher gab es aber noch keinen Blackout, weil es genügend zuverlässige Erzeuger in Form der Kohle- oder Kernkraftwerke gab, die solche Schwankungen ausgleichen können und das Netz stabil halten. Nimmt deren Zahl aber weiter ab, ist es nur eine Frage der Zeit, dass es zum Kollaps kommt.
Natürlich gibt es auch Gegenmaßnahmen, auf die die „grünen“ Energiewende-“Experten“ mit 20 Jahren Verspätung nun auch gekommen sind: Backup-Kraftwerke und Speichertechnik. Dumm nur, dass es sie entweder (noch) nicht gibt oder sie sehr teuer sind. Die Kosten der Energiewende sind gigantisch. Der Blog Tech For Future kam auf 476 Mrd. Euro, die in den letzten 20 Jahren in die Energiewende geflossen sind. Deutschland will noch vor 2050 Net Zero (keine neuen Kohlenstoff-Emissionen) erreichen, was zu weiteren Kosten führen würde. Tech for Future kam auf ein Summe von 3.750 Mrd. Euro. Das wären jährlich rund 190 Mrd. Euro.
Apokalypse voraus?
Photovoltaik-Anlagen werden immer mehr zum Problem für die Netzbetreiber. Ein besonderes Risiko sind die nicht steuerbaren sog. Balkonkraftwerke. Das Problem, dass die Netze dem Solarboom derzeit nicht gewachsen sind, hat nun auch die Bundesnetzagentur erkannt. Im Interview mit der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ (NOZ) hat Agentur-Präsident Müller angekündigt: „Es führt kein Weg daran vorbei, neue Solaranlagen steuerbar zu machen. Sie müssen auf den Markt reagieren, also die Einspeisung stoppen, wenn niemand für den Strom bezahlen will.“ Zudem verlangte Müller, dass Verteilernetzbetreiber in der Lage sein müssen, „bei kritischen Netzsituationen Solaranlagen zu steuern, um Netze stabil zu halten.“ Diese technische Lösung ist woanders, z.B. in Italien, schon üblich. Dort nutzt man intelligente Stromzähler. Deren massenhafter Einbau hierzulande aber erfordert große Investitionen, die wahrscheinlich die Bürger bezahlen müssten. Nicht zuletzt wird das Stromnetz durch die intelligenten Zähler auch komplizierter und damit störanfälliger. Der „Fortschritt“ der EW besteht also darin, erst ein Problem, das es vorher gar nicht gab, zu schaffen, um es dann mit viel Aufwand zu lösen.
Der Erfolg der EW, der Ausbau der Erneuerbaren, hat also einen großen Haken: die installierte Erzeugerkapazität wird immer größer; in Momenten mit viel Sonne und Wind und wenig Verbrauch (v.a. an Sommerwochenenden) wird viel zu viel Strom erzeugt, bei Flaute zu wenig oder fast nichts. Erzeugung und Verbrauch klaffen immer weiter auseinander. Das Netzmanagement und der Import und Export von Strom (soweit überhaupt möglich) werden immer teurer.
Eon-Chef Birnbaum warnt: „Es wird nur noch ein Jahr dauern, dann bricht das System zusammen. Warum? In Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern gibt es Anträge von 190.000 MW Photovoltaikanlagen. (…) Wir brauchen 80.000 (MW) in ganz Deutschland! Wir kriegen den Strom gar nicht weg. Aber wir müssen ihn nehmen. Sie können eine Hausanlage nicht abstellen – (sie) speist ein. Das ist doch verrückt, das wird immer weiter gemacht!“
Parallel steigen auch die Aufwendungen für Speicher und Backup-Kapazitäten. Derzeit wird versucht, die abgeschalteten Kernkraftwerke durch neue Gaskraftwerke zu ersetzen. Da diese aber nur manchmal – in Situationen mit zu wenig Wind und Sonne – arbeiten, sind sie generell unökonomisch. Dieser Umstand führt aktuell dazu, dass es keine Investoren gibt, die so dumm sind, zu investieren. Letztlich wird der Staat das Minus tragen – und die Zusatzkosten den Verbrauchern aufbürden. „Der Geringverdiener in der Mietwohnung zahlt für die Solaranlage auf dem Einfamilienhaus des Besserverdieners“, konstatiert Eon-Chef Birnbaum. Nicht zuletzt leidet die Netzsicherheit und die Strompreise steigen weiter. Diese Entwicklung belastet nicht nur die Bürger finanziell, sondern auch die Industrie – Standorte und Arbeitsplätze sind gefährdet.
Die Abwanderung bzw. die Investitionszurückhaltung bei der deutschen Industrie, v.a. bei den Energie-intensiven Branchen, nimmt zu. In ihrer typisch kurzsichtigen und für die Realität blinden Weise reagiert nun auch die Politik. So forderte Finanzminister Lindner (FDP), die Betreiber von Solaranlagen, die nicht regelbar sind, mit einer Strafsteuer zu belegen, aus der dann die Mehrkosten für das Stromsystem bezahlt werden können.
Schon jetzt zeigt sich: Wir werden für die zweifelhaften „Erfolg“ der EW noch viele viele weitere Milliarden versenken – ohne dass es dem Klima irgendwie nutzt. Die ganze Welt lacht über die deutsche Energiepolitik – doch tatsächlich ist es nur zum Heulen, wie Dummköpfe, Opportunisten und Profiteure das Energiesystem und das Land ruinieren. Genauso zum Heulen ist, dass der größte Teil der Linken und die Arbeiter“bewegung“, d.h. die Gewerkschaften, den Klamauk der Klima- und Energiepolitik mitmachen, anstatt dagegen zu kämpfen. Die Quittung haben die LINKE, die SPD und die völlig marginalisierte „radikale Linke“ bereits erhalten: sie werden immer schwächer. Ja, wir brauchen ein anderes Klima, frischen Wind und mehr Licht – in der linken Szene und in der Arbeiterbewegung!