Steuern für den Staatsfunk?

Hannah Behrendt

Die Erhöhung der GEZ-Gebühren für die Finanzierung des Öffentlich-rechtlichen Rundfunks (ÖRR) sorgt jedes Mal für Diskussionen, die von Jahr zu Jahr intensiver werden. Zunehmend geht es nicht nur um die GEZ selbst, sondern auch um die Programm-Inhalte, v.a. von ARD und ZDF. Immer lauter wird gefragt: Was finanzieren wir da eigentlich?

Besonders von der AfD, Pegida, der „Anti-Corona“-Bewegung oder den „Klimakritikern“ wurde ARD und ZDF vorgeworfen, regierungsnah zu sein, Kritik auszublenden, einseitig und falsch zu berichten und durch alarmistische Berichterstattung die Stimmung anzuheizen. Obwohl diese Kritik nicht durchgehend zutrifft, ist sie in vielen Punkten durchaus berechtigt. Natürlich kann das nicht überraschen, denn die bürgerlichen Medien sind nicht neutral, sondern bewegen sich im Rahmen dessen, was dem kapitalistischen System dient. Das schließt Kritik und gute Beiträge verschiedener Art allerdings nicht aus. Diese stellen aber fast nie den Kapitalismus insgesamt infrage.

Das Programm steht zunehmend in der Kritik. Die Jagd nach Einschaltquoten ist damit verbunden, dass wir mit einer Unzahl von primitiven Ratesendungen, Arztserien und Talkshow-Dummgeschwätz überschüttet werden und der Bildungs-, Informations- und Kulturauftrag darunter leidet. Nicht selten wird auf Arte oder 3sat als das „bessere Fernsehen“ verwiesen.

Was ist die GEZ?

Die GEZ dient der Finanzierung des ÖRR, zu dem TV- und Radiosender gehören. Die Gebührenhöhe wird von einer „unabhängigen“ Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) festgelegt. Ihr gehören 16 Sachverständige (darunter nur eine Frau) an, die von den Bundesländern bestimmt werden. Wie demokratisch und Regierungsunabhängig diese Struktur ist, mag jeder selbst beurteilen. Der Gebühren-Entscheid muss einstimmig sein. Da diesmal Sachsen-Anhalt nicht zugestimmt hatte, musste das Bundesverfassungsgericht entscheiden. Schließlich wurde beschlossen, die GEZ um 86 Cent auf 18,36 Euro monatlich anzuheben.

Natürlich steigen auch beim ÖRR die Kosten, schon inflationsbedingt. Trotzdem muss die GEZ nicht nur hinsichtlich der Erhöhung, sondern grundsätzlich abgelehnt werden. Dafür gibt es mehrere Gründe:

1. ist die GEZ eine Massensteuer, die Reiche wie Arme gleichermaßen trifft. Knapp 20 Euro im Monat sind für Menschen mit geringem Einkommen eine relevante Summe. Es wäre so mindestens nötig, dass die GEZ-Gebühr vom Einkommen abhängt. Während z.B. ein Hartz IV-Bezieher im Monat 18,36 Euro für die GEZ berappen muss, werden ihm pro Monat nur 53 Cent für die Bildung des Kindes zugebilligt;

2. müsste eine demokratische Kontrolle der Kosten des ÖRR erfolgen. Diese würde leicht feststellen, dass etwa die TV-Promis unangemessene Honorare erhalten und die Funktionäre des ÖRR Bezüge, die nur als unanständig bezeichnet werden können. Die ARD veröffentlichte die Grundvergütungen seiner Intendanten. Danach erhielt WDR-Intendant Tom Buhrow 2020 404.000 Euro. Auch die anderen ARD-Intendanten kommen auf Grundeinkommen von 200-400.000 Euro. Dazu kommen oft noch Nebeneinkommen. Zwar verdienen auch Chefs und Spitzenmanager anderer Unternehmen so viel oder mehr, doch handelt es sich dabei nicht um öffentlich finanzierte Bereiche. Der ÖRR ist insofern nur ein Beispiel dafür, wie der Filz aus Staat, Politik und Medien sich selbst die Taschen füllt. Diese Praktiken im ÖRR sind umso abstoßender, als gerade im Medien- und Kulturbereich viele Menschen in prekären Verhältnissen leben. Gerade bei den Medien hat sich in den letzten Jahrzehnten der Bereich informeller, untertariflicher Beschäftigung immer mehr ausgeweitet.

Der ÖRR ist – anders als seine Selbstbezeichnung „öffentlich-rechtlich“ suggeriert – keineswegs öffentlich. Er unterliegt zwar nicht wie die privaten Medien direkt dem Einfluss privater Eigner, doch indirekt sehr wohl. Die gesamte Ausrichtung, die Programmgestaltung, die prägenden Personen usw. sind Teil des Establishments, verteidigen die bürgerliche Gesellschaft und halten sich an dessen Regeln – was aber einen gewissen Meinungsspielraum einschließt.

Auch die Kontroll- und Entscheidungsstrukturen sind nicht wirklich öffentlich. Die Rundfunkräte (RR) überwachen die Einhaltung des „gesetzlichen Sendeauftrags“, zu dem u.a. das „Vielfaltssicherungskonzept“ gehört, nach dem verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen der Zugang zum ÖRR garantiert werden soll. Zu den Aufgaben der RR gehört u.a. die Wahl der Intendanten, die Programmüberwachung, die Wahl des Verwaltungsrates und die Genehmigung des Haushalts der Sender. Den RR gehören Vertreter verschiedener Vereinigungen an, etwa Gewerkschaften, Frauenverbände, Kirchen und Parteien. Das erscheint zwar demokratisch, doch letztlich bleiben die Vertreter der jeweiligen Bürokratie unter sich. Eine reale Einflussmöglichkeit von gewählten „Basisvertretern“ z.B. aus Kultur oder Wissenschaft gibt es nicht. Das spiegelt sich auch im Programm wider. Im Grunde sind ARD und ZDF Tummelplätze für Prominente aller Art – egal, worum es geht. Nicht Fachleute kommen zu Wort, nicht inhaltliche Alternativen werden dargestellt, sondern die ewig gleichen Politiker und „Experten“ – letztere vornehmlich Leute, die mit dem politischen Mainstream, soweit er von oben kommt, kompatibel sind. Besonders typische Beispiele dafür ist die Berichterstattung zu den Themen Ukraine, Russland, Klima, Energiewende oder Corona. Was dort an Einseitigkeit und Lügen präsentiert wird – oft dazu noch von Leuten, die vom Fach keine Ahnung haben – kommt dem Vorwurf der Lügenmedien schon sehr nah.

Jede ernsthafte Kritik an der GEZ oder an den Strukturen des ÖRR muss dabei ansetzen, den Zugriff des Establishments, der Bürokratie zu bekämpfen und den Einfluss wirklich basisdemokratisch bestimmter Strukturen zu stärken.

Und die Linke?

An der Linken geht diese Problematik weitgehend vorbei. Ihre Kompetenz in Sachen Medienkritik geht fast gegen Null. Oft genug wird die bürgerliche Propaganda für bare Münze genommen und nachgeplappert. Nur sehr selten wird inhaltliche Kritik an den bürgerlichen Medien geübt, die auf Recherche beruht. Die linken Medien, besonders die der Gruppen der „radikalen“ Linken, sind in Inhalt und Aufmachung oft so schlecht, dass es einfach peinlich ist. Nur im Internet gibt es einige gute Portale, die allerdings nicht antikapitalistisch, sondern allenfalls links-reformistisch orientiert sind. Ja, in mancher Hinsicht haben sogar rein bürgerlich ausgerichtete Internetmedien mehr kreativen und sachorientierten Journalismus zu bieten als der ÖRR und erfüllen wenigstens in Ansätzen ihre Funktion als „kritisches Korrektiv“.

Trotz aller Kritik am ÖRR sollten wir jedoch nicht übersehen, dass er fast noch einen Segen darstellt gegenüber den privaten TV- und Radiosendern, die oft nur peinliche und unappetitliche Verblödungsinstrumente und Ausdruck der kulturellen und geistigen Degeneration des Kapitalismus sind. Insofern muss die Kritik etwa der AfD an der GEZ zurückgewiesen werden, die für die Abschaffung der GEZ plädiert – zugunsten eines Modells, wo jeder Nutzer eine individuelle Gebühr für den ÖRR bezahlt wie für bestimmte Privatsender. Doch dann wäre nicht jede öffentliche Kontrolle überhaupt ausgehebelt, auch die Programmqualität und deren Vielfalt, z.B., die Dritten Programme, würden darunter leiden. Gleichwohl ist die Forderung nach Abschaffung der GEZ aber richtig – egal, wer sie aufstellt.

Die Linke und die Arbeiterbewegung sollten fordern:

  • Weg mit der GEZ! Finanzierung des ÖRR durch Steuern (was auch weniger aufwändig wäre)! Höhere Besteuerung von Reichtum und Kapital!
  • Öffentliche Kontrolle und Festlegung der Finanzierung des ÖRR durch gewählte Vertreter der Basis von Strukturen der Medien, der Kultur, der Wissenschaft und der Beschäftigten im ÖRR und der Gewerkschaft! Deutliche Kürzung aller überzogenen Vergütungen!
  • Demokratisch legitimierte und kontrollierte „Programmräte“! Keine Vertreter von Regierungsparteien und Kirchen in Gremien des ÖRR!
  • Schaffung einer gemeinsamen, antikapitalistisch orientierten und qualitativ guten Medienpräsenz (Internet und Offene TV-Kanäle) der „radikalen“ Linken und der Arbeiterbewegung, zur Abbildung des linken Meinungsspektrums, der Förderung der Diskussion und der Popularisierung praktischer Projekte!

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