Freie Linke: Ein Beitrag zur Debatte

Vorbemerkung: Der folgende Text bezieht sich auf den Beitrag „Alter Wein in neuen Schläuchen“ (https://aufruhrgebiet.de/2022/10/alter-wein-in-neuen-schlaeuchen/) von Hanns Graaf. Dieser kritisierte das Wahlprojekt „Soziale Liste Zukunft“ (SLZ), das auch von Mitgliedern der Gruppe „Freie Linke Zukunft“ (FLZ) angeschoben wurde. Daraufhin gab es von FLZ-Unterstützern eine Replik, die wir hier (kursiv gesetzt) vollständig wiedergeben und mit Kommentaren versehen haben. Redaktion Aufruhrgebiet

„1. Hanns Graafs eigene Strategie war genauso wenig erfolgreich. Wo ist denn die große trotzkistische Massenpartei, die tief in der Arbeiterklasse verwurzelt ist? Wie kommt es denn, dass sich mit dem Great Reset alle trotzkistischen und auch kommunistischen Parteien hinter die Kapitalisten gescharrt haben?“

Anmerkung der Redaktion (AdR): Hanns Graaf ist 2016 aus dem organisierten Trotzkismus ausgeschieden. Trotzdem er weiter einige zentrale Elemente von dessen Methodik vertritt, hat er auch eine umfangreiche historisch-kritische Bilanz des Trotzkismus veröffentlicht. Die SLZ verfügt im Unterschied zu Graaf nicht einmal im Ansatz über eine solche Bilanz und strategische Ansätze. Sich für den Kommunismus zu erklären ist zwar gut, aber keine Konzeption. Dafür wäre u.a. eine Aufarbeitung des Stalinismus, des Trotzkismus u.a. Ismen nötig, woran es der FLZ aber fehlt.

„2. Sicherlich ist die Gründung der SLZ nicht optimal gelaufen. Andererseits drängte die Zeit. Wir konnten nicht auf alle möglichen Bedenkenträger warten, die selbst nichts auf die Reihe bekommen. Wir konnten nach dem katastrophalen Linken-Parteitag auch nicht warten, ob sich vielleicht Sarah Wagenknecht herablässt, nun doch noch eine eigene Partei zu gründen.“

AdR: Diese Passage ist völlig sinnfrei. Warum drängte die Zeit? Die Bundestagswahlen sind noch lange hin. Und: entweder ist eine Eigenkandidatur sinnvoll und möglich oder nicht, das kann nicht von der LINKEN abhängig gemacht werden. Auch ein eigenes Wagenknecht-Projekt wäre nur ein rein reformistisches, wie schon „Aufstehen“ gezeigt hat. Es hätte aber evtl. den Vorteil, dass hinter ihm reale Massen stehen, was bei der SLZ nicht annähernd der Fall ist. Die FLZ startet ein Wahl-Projekt, ohne den mindesten Schimmer von einer Wahltaktik und eine realistische Kräfteeinschätzung zu haben.

„3. Wir haben keine Absicht, bei Wahlen anzutreten, wenn wir nicht reale Chance haben. Dies mag in der heutigen Zeit nicht so abwegig erscheinen, wie viele annehmen.“

AdR: Dann hättet ihr es eben auch sein lassen sollen!! Es gibt andere, relevantere und wichtigere Aufgaben, als ein dubioses Wahlvehikel auf einen Holzweg zu zerren. Für den zweiten Satz fehlt jede Begründung.

„4. Graaf tut so, als wären unsere Forderungen ein exakt ausgearbeitetes Programm. Dem ist nicht so. Es handelt sich nur um die drängendsten Sofortforderungen.“

AdR: Ein Wahlprogramm ist natürlich kein vollständiges Programm. Graaf hat der SLZ das auch gar nicht vorgeworfen. Aber zu den „drängendsten Sofortforderungen“ gehört auch, dass wenigstens pars pro toto aufgezeigt wird, wie sich die Klasse organisieren soll (Räte, Kontrollkomitees, Basisstrukturen usw.), um Widerstand leisten zu können. Gerade das geschieht nicht. Das komplett Reformistische am SLZ-“Programm“ sind weniger die Forderungen an sich, als das Fehlen dieser organisierenden Losungen. She. dazu das „Übergangsprogramm“.

„5. Graaf fordert Klarheit in der Klimafrage. Dabei wird dieses und andere Themen wie LGBTQ etc. von den Herrschenden genau deshalb zugespitzt, um zu spalten. Dem wollen wir nicht noch zusätzlich Vorschub leisten.“

AdR: LGBTQ ist in Deutschland keine gesamt-gesellschaftlich relevante Frage. Sie ist eine bürgerliche Ideologie, um von den wirklichen Problemen (Benachteiligung von Frauen) abzulenken und zu spalten. Da habt ihr recht. Um gegen Diskriminierung von Minderheiten (egal welcher Art) anzugehen, braucht es keine Genderei. Bei der Klimafrage ist das anders. Sie ist seit 30 Jahren ein wesentlicher Teil der Politik der Herrschenden (Energiewende, Kapitalvernichtung, um Neuinvestitionen zu generieren, Umverteilung nach oben usw.). Es ist unsinnig, sich über die aktuellen Energieprobleme aufzuregen, über deren Hauptursache, die Klima- und Energiewendepolitik, aber zu schweigen. So hat sich z.B. die Mehrheitsmeinung zur Kernenergienutzung komplett umgedreht – aber nicht durch den Einfluss der Linken, sondern weil immer deutlicher wird, dass a) die Kernenergie nicht so schlimm ist, wie die Medien behaupten und b), weil die neueren Entwicklungen der Kerntechnik zeigen, welche unerhörten Vorteile diese hat und dass tatsächliche und angebliche Risiken ausgeschaltet werden können. Wenn wir die Massen vom Einfluss der bürgerlichen Politik und Ideologie wegbringen wollen, was sicher auch das Anliegen der FLZ ist, so ist das unmöglich, ohne mit der Klimahysterie zu brechen. Geschieht das nicht, wie bei der SLZ, die zwar „klimakritische“ Position teilt, sie aber, wenn es drauf ankommt, verschweigt. Wie sollen die Menschen vom Irrationalismus der Grünen geheilt werden, wenn ihre Klimapolitik nicht kritisiert wird?! Die SLZ führt so nur die falsche Politik der Linken der letzten Jahrzehnte fort, anstatt sie zu überwinden.

Hier zeigen sich auch zwei methodische Fehler: 1. geht es immer auch um langfristige, strategische Fragen und nicht nur darum, wer aktuell was vertritt. Ihr opfert diesen perspektivischen Aspekt auf dem Altar des „Jetzt oder nie“. Der Klassenkampf wird aber weitergehen, egal was aktuell passiert. 2. ist eure Position zur Klimafrage (ob man sie benennt oder nicht) Ausdruck der Methode der Volksfront. Zu dieser gehört nämlich, dass wesentliche Elemente eines proletarisch-revolutionären Programms (Eigentumsfrage, revolutionärer Sturz usw.) verschwiegen werden, um bürgerliche (!) Partner nicht zu verschrecken. Meist wird das dann hinter dem Slogan, „die Massen erreichen“ versteckt. Die SLZ erreicht keine Massen (was mit dem Programm selbst gar nichts zu tun hat). Wenn schon, hätte darum die SLZ ein konsequent revolutionär ausgerichtetes Programm haben müssen, um wenigstens die revolutionären Linken zu erreichen. So aber ist auch das unmöglich. Eure gesamte Politik, wie sie sich auch bei der FLZ zeigt, ist reine Volksfront-Politik. Auch dazu hat Graaf viel geschrieben, was direkt mit Strategie zu tun hat. Was habt ihr dazu?!

„6. Obwohl Graaf sicherlich einige Punkte anspricht über die zurecht gestritten werden kann, verstehen wir seine Beweggründe nicht, einen Artikel über die SLZ mit einer Reihe teils falscher, teils arg plumper, jedenfalls für den an der SLZ interessierten Leser kaum relevanten Anschuldigen gegen die FLZ zu versehen. Vorweg: Etwas wundern wir uns allerdings, warum Hanns Graaf, obwohl er am Konzept der SLZ kaum ein gutes Haar lässt, er sich dann so bitterlicher echauffiert, dass die FL Berlin nicht mit an Bord geholt worden sei …? Wenn es denn stimmte. HG wurde von uns informiert, dass seine Darstellung nicht korrekt ist. Das interessiert ihn nicht, er lässt die Falschdarstellung weiter im Text. Sind also die eigentlich irrelevanten und wenig substanziellen Angriffe doch nicht so nebensächlich für den Text?“

AdR: 1. wäre die Einladung der FL Berlin zum Projekt SLZ eine Selbstverständlichkeit, wenn es ernst gemeint ist, ein Wahlprojekt aufzubauen, das ja von einer Masse an Stimmen und Unterstützern lebt. Dass die FL Berlin – wenn überhaupt – nur per Chat angesprochen wurde, zeigt das falsche Verständnis der SLZ-Initiatoren ganz klar. Ein solches „offizielles“ Projekt muss auch offiziell – also nicht über einen Chat – anderen Organisationen bekannt gemacht werden. Das ist (zumindest für die FL Berlin) nicht erfolgt. 2. zeigt dieses Vorgehen auch, dass die FLZ kein wirkliches Interesse daran hat, die FL als Gesamtstruktur aufzubauen. Die SLZ zeugt genauso davon wie schon die Gründung der FLZ an sich. Anstatt das gesamte FL-Spektrum zu einer handlungsfähigen Struktur zu entwickeln und die programmatische Klärung voran zu bringen (was die FL Berlin immer versucht hat), konstruiert man ein separates Mini-Projekt, das gar keine programmatische Basis hat (höchstens einen kruden Stalinismus). Schon bei der Erarbeitung der Plattform hätten andere Linke eingebunden werden müssen, nicht erst irgendwann später. Zuerst hätte in und mit der gesamten FL geklärt werden müssen, ob ein Wahlprojekt überhaupt sinnvoll ist. Gerade das ist nicht erfolgt!

Dass Graaf seinen Text nicht wegen irgendwelcher Kommentare nachträglich ändert, ist selbstverständlich. Niemand macht so etwas. Auf Euren Kommentar haben wir hiermit ja reagiert. Wer den Text von Graaf liest, wird merken, dass es darin wesentlich um zwei Fragen geht: 1. Ist die SLZ gerechtfertigt, d.h. repräsentiert sie relevante Kräfte? und 2. Was taugt das Programm? Es ist durchaus bezeichnend, dass Ihr zu diesen substantiellen Fragen fast nichts zu sagen habt.

„Nun kurz zu den Vorwürfen:
a) Die FL sei nicht mitgenommen worden: Das ist falsch: die Partei-AG, aus der die SLZ hervorging, wurde in allen Chats der FLZ (die die ursprünglichen FL-Chats sind und in denen fast alle Fller nach wie vor drin sind) angepriesen. Das war Ende März. Damit wusste jeder im Umkreis der FL, dass in Richtung Parteifrage von einigen Genossen Anstrengungen unternommen wurden. Jeder (bis auf, die handvoll Leute, mit denen die FLZ nicht mehr arbeitet) hätte teilnehmen können und es haben Leute teilgenommen aus der FLZ, der FL oder weder noch und so ist das nach wie vor. Am 21. Juni, kurz vor dem Parteitag der PdL hat die SLZ ihren ersten Aufruf zur Zusammenarbeit veröffentlicht und an viele Mitglieder der PDL, Gewerkschaften, die Presse und linke Organisationen herausgeschickt. Hanns Graaf liest die MagMa, muss er übersehen haben.
Vor dem Start der Website und des finalen Aufrufs ging nochmals eine Email an die verschiedenen FL-Gruppen heraus. Darauf auch keine Reaktion. Der Vorwurf, niemand wusste von etwas, ist also absolut haltlos. Es hat schlichtweg niemanden interessiert.“

AdR: Siehe oben. Aber vielleicht haben andere Leute euer Projekt auch einfach nur als unsinnig empfunden? Schon die Idee, dass eine Mini-Combo wie die FLZ einen „Aufruf zur Zusammenarbeit“ an die PdL schickt, zeugt von einer völligen Verkennung des Kräfteverhältnisses. Hier hat der Schwanz versucht, mit dem Hund zu wackeln. Zudem kann es für Revolutionäre nicht nur um eine Zusammenarbeit gehen, sondern auch und v.a. um den politischen Kampf gegen den Reformismus. Davon kann beim Projekt SLZ gar keine Rede sein. Gegenwärtig geht es doch darum, die wenigen brauchbaren Reste der antikapitalistischen Linken zu sammeln und politisch fit zu machen, damit sie als Initiativ-Kern für den Aufbau einer neuen Arbeiterpartei wirken können. Euer Wahlprojekt leistet dafür nichts. Die FLZ zeigt in keinerlei Hinsicht, dass sie ein Verständnis für die allgemeinen und strategischen Aufgaben der Linken und der Arbeiterbewegung hat.

„b) FLZ hat zwei Treffen von der FLB ausgeschlagen. Eines ja, von einem zweiten wurde sie nicht informiert. Währenddessen war und ist sie ohnehin in Gesprächen über ein Treff, übrigens war HG auf die Konferenz der FLZ und anderen eingeladen, zusammen mit Vertretern der FLB, was er dem Leser erspart, dem er sonst so einiges an eher belanglosen Interna auftischt.“

AdR: Seit Monaten ist Graaf (auf eigene Initiative) auf Euch zugegangen, hat Treffen vorgeschlagen, einen Raum besorgt usw. Eine wirkliche Reaktion kam von Euch nicht. Das Pfingsttreffen der FL – das erste reale Treffen nach dem Lockdown – wurde von der FLZ mehr oder weniger ignoriert. Euer späteres Treffen in Prag wurde dahingehend von Euch „limitiert“, dass nur ein/zwei Leute von der FL Berlin kommen sollten (und bestimmte Genossen durften gar nicht). Graaf, der zugesagt hatte, konnte dann wg. Krankheit nicht kommen. Es geht auch nicht nur um ein Treffen „ausgesuchter Leute“, es geht um eine Diskussions- und Klärungsprozess, der alle, dass heißt das gesamte FL-Milieu (und evtl. darüber hinaus), einschließt. Die FLZ hat mit ihrer Gründung, mit der SLZ und durch ihr Gesamtverhalten gezeigt, dass sie das nicht will. Die FLZ ist daher ein Sektiererprojekt – noch dazu ohne jede politisch-programmatische Substanz. Die ganze Sache hängt nicht an dieser oder jener Einladung, die kam oder nicht kam.

„c) Von einem Autor, der in jedem Artikel von anderen „marxistische Analyse“ einfordert und der politischen Linken in Deutschland ständig die Leviten ließt und das nicht immer ganz schlecht, überrascht es durchaus, dass er meint eine Bewegung wie die FL könne sich spalten, weil jemand ein paar Leute aus Chats entfernt.“

AdR: Das hat Graaf nirgends vertreten. Bezüglich der Chats ist aber ganz klar, dass hier (von wem konkret auch immer, Graaf nennt ja auch keine Namen) Fehler gemacht worden sind. Man kann interne und äußere Kommunikation nicht vermengen, man kann eine politisch-programmatische Debatte überhaupt nicht per Chat führen, man kann sich nicht über Monate (!) fast nur um ein Thema (Corona) kümmern usw. Darum geht es. Aufruhrgebiet hat in mehreren Beiträgen die Zentralität der Arbeiterpartei-Taktik und des Aufbaus einer neuen Arbeiterpartei dargestellt. Welches zentrale Projekt hat die FLZ? Doch nicht etwa die SLZ?

Es geht darum, ein gründliche Analyse des aktuellen Kapitalismus, seiner Veränderungen in den letzten 100 Jahren vorzunehmen. Es geht darum, das Scheitern aller (!) Richtungen der Linken zu analysieren und darüber eine ernsthafte und offene (!) Debatte aller sich als antikapitalistisch-revolutionär verstehenden Linken zu beginnen. Das ist zwar eine längerfristige Aufgabe, die aber sofort begonnen werden muss. Die Gretchenfrage dabei wird sein, wer diesen Prozess voran bringt, wer sich ihm verweigert oder wer irgendwelche anderen kurzsichtigen Projekte aus der Hosentasche zaubert, die nichts bewirken können. Letztlich geht es darum, den Marxismus und dessen historisch-kritische Methode auf den Marxismus selbst anzuwenden. Marx wäre dabei – ob die FLZ dabei sein will?

4 Gedanken zu „Freie Linke: Ein Beitrag zur Debatte“

  1. Als im Wesentlichen Unbeteiligter möchte ich dennoch einen Einwand formulieren, was die Einschätzung der „Spaltung“ der FL angeht, die H. Graaf formuliert.

    Dass zu dem Projekt FL eine Volksfrontideologie nicht nur hinzukam, sondern für es konstitutiv gewesen ist, sollte nicht unter den Tisch gefallen lassen werden. Denn darin haben sich die damaligen Protagonisten nicht unterschieden, dass sie einer linken Bewegungsinitiative nur Chancen in Anlehnung an den bürgerlichen Protest gegeben haben. In Berlin wird das wohl mehr nach frente popular geklungen haben als nach Stalin, im Grunde war es aber das gleiche Dogma, dass die Artikulation eines Klassenstandpunktes ausgeschlossen hat.

    Ist die FL Berlin inzwischen zu einer prinzipiell anderen Auffassung gelangt?—

    1. Zur Volksfrontstrategie: Es ist ein Unterschied, ob man a) mit bürgerlichen Kräften eine gemeinsame politische Plattform bildet oder gar eine Regierung, gemeinsame Aktionen, Bündnisse usw. formiert oder b) bei Aktionen mit eigenen Vorstellungen auftritt. Beides trifft bzw. traf auf die FL zu. Variante b) ist ok, leider fehlt es der FL dafür noch oft an propagandistisch fundierten Positionen. Die Protestbewegungen waren und sind klassenübergreifend, tw. kleinbürgerlich geprägt und politisch und sozial heterogen. Das führt dazu, dass es nicht immer ganz einfach ist, eine korrekte Taktik zu erarbeiten und anzuwenden. Nicht jeder Fehler dabei ist schon ein systematischer. Daher gab und gibt es dazu auch viele Diskussionen in der FL. Die Heterogenität der Proteste gegen Corona, die Krise, den Krieg erklärt sich 1. daraus, dass bisher v.a. die untere Schicht des Kleinbürgertums (Handwerk, Kultur, Gastronomie usw.) und deren Angestellte betroffen waren, weniger die Industriearbeiterschaft, öff. Dienst u.a. 2. erklärt sie sich aus der Inaktivität und Staatstreue der Linken und der Arbeiterbewegung. Die FL ist als Bewegungsmilieu gestartet – ohne Programm, ohne klare demokratische Strukturen. Es kommt jetzt darauf an, diese zu entwickeln. Dazu gehört, wie Du richtig sagst, die Formulierung eines Klassenstandpunkts. Das wiederum inkludiert v.a. die Frage, was die Klasse heute ist und wie der Klassenkampf geführt werden muss.

  2. Hanns Graaf fragt: „Warum drängte die Zeit?“ Da muss man zurückfragen, in welcher Parallelwelt lebst du denn? Deutschland ist in jeder Beziehung am Ende und du fragst, warum man das dringend ändern muss.

    1. Woran sieht man, dass D. am Ende ist? Ist die Regierung am Ende? Nein. Die letzte Landtagswahl wie auch die Umfragen zeigen, dass dem leider nicht so ist. Zudem ist von einer linken, klassenkämpferischen Opposition nichts zu sehen. Das trifft auch auf die aktuelle Protestbewegung zu, die sehr schwach und politisch sehr wirr ist. Funktioniert der bürgerliche Staatsapparat nicht mehr? Gibt es keine Bourgeoisie mehr? Selbst die Wirtschaft funktioniert aktuell noch. Wer also behauptet, D. wäre „in jeder Beziehung am Ende“, der muss ein anderes Land meinen. Selbst wenn es so wäre, fehlt jede proletarisch-sozialistische Opposition. Eine (vor)revolutionäre Situation würde also ungenutzt verstreichen. Und selbst, wenn die Zeit drängen würde, ist ein Wahlprojekt sicher keine geeignete Option.

      In Deiner Antwort kommt die schon sattsam bekannte Unfähigkeit der dt. Linken zum Ausdruck, eine Krise – um die handelt es sich natürlich trotzdem – korrekt einzuschätzen. Ständig wird das „letzte Gefecht“ ausgerufen, anstatt die mittel- und langfristigen Aufgaben, darunter den Aufbau einer neuen Arbeiterpartei, anzupacken. Wir haben der FLZ nicht umsonst vorgeworfen, die anstehenden Grundfragen nicht zu verstehen und statt dessen unmotivierte Projekte aus der löchrigen Tasche der Revoluzzerhose zu zaubern.

      Natürlich kann die jetzige Situation (Energiekrise, Teuerung usw.) noch eskalieren und zweifellos würde die Weiterführung der derzeitigen „grünen“ Ampel-Politik den dt. Kapitalismus ruinieren und ihn noch stärker zum abhängigen Anhängsel der USA machen – doch das ist eine Option, ob sie Realität wird, wird sich zeigen.

      Ja, die Zeit drängt. Aber nicht in dem Sinn, kurzfristig Half way house-Projekte zu initiieren, sondern ruhig und systematisch damit anzufangen, die strategischen Aufgaben abzuarbeiten. Das fängt mit einer vernünftigen Analyse an und nicht mit unbegründeten „Endzeit-Szenarien“.

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