Fundstück XCIV

Immerhin hat das den Staat zur Hölle gemacht, dass ihn der Mensch zum Himmel machen wollte.

Fr. Hölderlin

Ein Gedanke zu „Fundstück XCIV“

  1. Achtung, anschnallen, nur für Erwachsene das hier folgende!

    „Schiebung, Schiebung, Schiebung… !“ Schalke04 hatte ein wichtiges Spiel verloren… . War irgendwann in den 70ern, und wie sich damals bald herausstellen sollte, war es Schiebung gewesen, eine Riesensauerei, Riesenskandal das! Und Schalke war nur der erste in einer länger werdenden Reihe… . Um überhaupt noch Fußballfan zu bleiben, mußte man schon irgendwie blöd sein. Bekanntlich aber gibt es Fußballfans bis heute hin und in großen Massen. Frage darum nun: Lassen sich Blöde eventuell gar in Massen herstellen, quasi industriell? Ja, geschieht täglich und vor aller Augen, ist so normal wie — Schulen.

    Wann eigentlich wurden Mannschaftssportarten populär (bzw. populär geMACHT)? Lange Geschichte — also, das war so: Vor der allgemeinen Verbreitung von schulischem Klassenunterricht gab es ausschließlich Einzelunterricht (und in ausschließlich Lesen, Schreiben und Rechnen). Gut erforscht für Frankreich, begann Klassenunterricht sich dort mit dem 18. Jahrhundert zu verbreiten. Und zwar langsam und zunächst nur in größeren Städten. Und es war der Schulbesuch verpflichtend ausschließlich für die Kinder von Armen — deren Eltern erhielten Leistungen aus der Armenfürsorge nur, wenn sie ihre Kinder in die städtischen Armenschulen schickten. Wirtschaftlich Unabhängige, insbesondere Handwerker, hüteten sich, ihre Kinder in jene Schulen zu geben, und ließen sie stattdessen auf eigene Kosten einzeln unterrichten. Sie wußten, daß der mit der Armenschule überhaupt erst erfundene gemeinschaftliche Unterricht in Klassen verblöden bzw. den Kindern eben nicht Kompetenzen vermitteln, sondern sie geist-seelisch brechen sollte. Um geeignete bzw. willige Arbeitskraft zuzurichten für die sich in Städten ausbreitenden menschenschinderischen Manufakturen.

    Mit der industriellen wirtschaftlichen und der 1789 in Frankreich folgen sollenden erstmaligen bürgerlichen politischen Revolution wurden aus Untertanen von Königen Staatsuntertanen. Und um einiges später zuletzt dann auch „Staatsbürger“. Was genau aber macht den Unterschied? Nun, mit dem 19. Jahrhundert wurde nach und nach die Staatsschule flächendeckend, die staatliche Pflichtschule, deren Besuch für die Kinder nun aller Staatsuntertanen gesetzlich verpflichtend wurde. Die pädagogische Methode der Staatsschule wurde aus den vorausgegangenen Armenschulen übernommen, die sog. simultane Methode = alle machen gleichzeitig — und genau dies letztere befähigte Staatsuntertanen schließlich, zu Staatsbürgern zu werden. Denn erst als dies große Werk des Aufbaus eines flächendeckenden staatlichen Pflichtschulwesens ganz vollendet war, konnte der Staatsuntertan politisch „emanzipiert“, sprich: er konnte wahlberechtigt werden, ein „Staatsbürger“ eben — alle machen gleichzeitig! Der Staatsbürger ist einer, dessen Fühlen, Denken und Wollen von ihm abgetrennt, der sich selbst entfremdet wurde — mittels Klassenunterricht, mittels von alle machen gleichzeitig. Und auf Kommando von oben, auf Kommando eines Maitre, deutsch = eines Meisters, eines staatlich bestallten Schulmeisters.

    Anmerkung: Historiographische Quelle hier ist ein französischer Geniestreich aus dem Jahre 1976: Anne Querrien, l’ensAignement (= Wortspiel aus Unterricht und Aderlaß).

    Alles ganz logisch. Macht ist, wenn ein Staatsbestallter „machet!“ sagt und wenn dann die ganze Mannschaft macht, die ganze Klasse, simultan. Oder die ganzen Staatsbürger alle, simultan. So war das jedenfalls früher, vor Einführung der digitalen Sklaverei. Welche ironischerweise Rückkehr zum Einzelunterricht ist, allerdings in digi-totalitär pervertierter Form. Frei nach Shakespeares Othello nun: Mannschaftssport und Mannschaftsschule haben ihre Schuldigkeit getan. Sie dürfen sich jetzt allöffentlich lächerlich machen. Und gehen. Und der wahlmündig geMACHTe Simultan- bzw. Staatsbürger auch. Denn wisse — wer Einzelsklaven hat, braucht keine Mannschaften mehr.

    Nachbemerkung: Soeben endete die Weltmeisterschaft im Frauenfußball. Und zwar mit Eklat und Skandal.

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