Hanns Graaf
Marx und Engels forderten im „Kommunistischen Manifest“: „Arbeiter aller Länder, vereinigt Euch!“. Damit sagten sie nicht nur, dass die Arbeiterklasse grundlegende gemeinsame Interessen hat und sich nicht vor den Karren ihrer nationalen Bourgeoisie spannen lassen sollte; sie meinten damit auch, dass das Proletariat sich eine Organisation auf internationaler Ebene schaffen müsse. Nur eine solche wäre in der Lage, die verschiedenen Erfahrungen der Klasse zu verarbeiten und die internationale Kooperation im Klassenkampf voran zu treiben.
Kurzer Rückblick auf die Geschichte von vier Internationalen
Wie ernst sie das meinten, geht schon daraus hervor, dass sich Marx und Engels von Anfang an mit der internationalen Dimension des Klassenkampfes befasst haben und mit Revolutionären vieler Länder Kontakt hielten. Beide waren 1864 auch an der Gründung der Internationalen Arbeiterassoziation (IAA), später als 1. Internationale bezeichnet, beteiligt und an führender Stelle tätig. Nach Marx´ Tod 1883 entstand die II. Internationale, in der die deutsche Sozialdemokratie eine führende Rolle spielte. Engels begleitete die Arbeit der Internationale wohlwollend-kritisch, erlebte aber deren komplette reformistische Degeneration nicht mehr, weil er 1895 starb.
Spätestens 1914 bezogen fast alle Parteien der II. Internationale eine sozialpatriotische Position, unterstützten ihre eigene Bourgeoisie und blockierten jede antimilitaristische Tendenz in der Arbeiterklasse. Mit Beginn des Weltkriegs formierten sich daher linke, antiimperialistische Kräfte der Sozialdemokratie wie Luxemburg, Liebknecht, Lenin, Trotzki u.a. in oppositionellen Strukturen. Mit den Treffen in Kienthal und Zimmerwald formierten sie sich. Nach dem Sieg der Bolschewiki 1917 in Russland entstand schließlich 1919 die III. (kommunistische) Internationale (Komintern).
Die Russische Revolution stimulierte die Gründung vieler kommunistischer Parteien weltweit. Aus kleinen Oppositionsgruppen war eine weltweite revolutionäre Bewegung geworden, die allerdings die Dominanz von reformistischen und anarchistischen Kräften über die Massen zwar attackieren, aber noch nicht brechen konnte. Die russische KP (Bolschewiki) war die stärkste und angesehenste Partei der Komintern. Doch die Verarbeitung und Systematisierung der Erfahrungen der (nach)revolutionären Ereignisse in Sowjetrussland durch die Komintern war trotz vieler Bemühungen ihrer ersten vier Kongresse unzureichend.
Mitte der 1920er Jahre übernahm in der UdSSR die Bürokratie, die sich um Stalin gruppierte, das Ruder. Sie entsorgte in Partei und Gesellschaft jede Demokratie, zerstörte die – ohnehin noch bescheidenen – Ansätze von Rätedemokratie und enteignete die Arbeiterklasse sozial. Ende der 1920er war die UdSSR zu einem staatskapitalistischen System geworden. Unter Stalin wandelte sich auch die Außenpolitik der UdSSR und der Komintern (die er 1943 auflöste) komplett: von einer revolutionären Konzeption zu einem strategischen Kompromiss mit dem Weltimperialismus, wozu die Arbeiterklasse in revolutionären Momenten der Bourgeoisie untergeordnet wurde. Diese Politik vereitelte alle revolutionären Möglichkeiten und bereitete dem Weltproletariat schwere Niederlagen (China, Spanien, Griechenland u.a.).
Nach dem Versagen der moskautreuen KPD 1933 war klar, dass die Komintern nicht mehr reformierbar war. Innerhalb und außerhalb der UdSSR entstand die „Linksopposition“ um ihre zentrale Figur Leo Trotzki. 1938 gründeten Teile davon die IV. Internationale. Diese wurde jedoch aus verschiedenen Gründen, auf die hier nicht näher eingegangen werden kann, nicht zu einer einflussreichen Struktur. Nach der Ermordung Trotzkis 1940 und nach 1945 scheiterte sie daran, realistische Perspektiven und – trotz wichtiger Ansätze (Übergangsprogramm) – die Programmatik weiter zu entwickeln. Anfang der 1950er spaltete sich die IV. Internationale. Dieser Spaltung folgten weitere, die bis heute als mehr oder weniger große Sekten existieren, die von sich behaupten, DIE IV. Internationale zu verkörpern.
Wir müssen also konstatieren, dass es seit der Degeneration der III. und dem Scheitern der IV. Internationale seit ungefähr 100 Jahren keine revolutionäre Internationale mehr gibt, die diesem Namen gerecht wird. Wir haben es immer noch mit einer von Trotzki schon in den 1930ern konstatierten „Führungskrise des Weltproletariats“ zu tun. Betrachtet man die vielen Klassenkämpfe und revolutionären Krisen, die es seitdem gab, die nicht zum Sturz des Kapitalismus oder nur zur Etablierung weiterer staatskapitalistischer Staaten führten, so wird klar, welche fatalen Folgen diese Führungskrise hatte und hat.
Die Fünfte Internationale
Eine sehr kleine Minderheitsströmung im Trotzkismus begann Ende der 1970er damit, sich von der Illusion einer noch bestehenden IV. Internationale oder einer „trotzkistischen Familie“ zu lösen und für den Aufbau einer neuen Internationale bzw. ab 2003 für eine 5. Internationale einzutreten. Diese Strömung ist die „Liga für die 5. Internationale“ (LFI) bzw. ihre Vorgängerorganisationen, deren deutsche Sektion die „Gruppe ArbeiterInnenmacht“ (GAM) ist. Diese Strömung ging von der richtigen Einschätzung aus, dass alle „trotzkistischen“ Strömungen zum Zentrismus degeneriert sind und oft gegensätzliche Positionen beziehen. Die Vorgängerinnen der LFI, die BRKI und die LRKI, sahen die Ursache dieser Degeneration richtigerweise v.a. in der nicht erfolgten oder falschen Weiterentwicklung der Programmatik. Folgerichtig begannen sie, an die Lösung dieser Aufgabe zu gehen. Eine Reihe wertvoller programmatischer Dokumente gibt davon Zeugnis.
Doch ihre Neuerarbeitung der Programmatik litt von Beginn an darunter, dass sie erst dort ansetzte, wo die verschiedenen trotzkistischen Strömungen von Trotzkis Intentionen und seiner Methodik abgewichen waren. Es erfolgte jedoch weder eine konsequente Wiedererarbeitung des Marxismus von Marx noch eine kritische Aufarbeitung des Wirkens von Lenin und Trotzki. Es wurde angenommen, dass dort „alles klar sei“. Parallel dazu wurde auch versäumt, die Entwicklung des Imperialismus nach 1945 und den Übergang zum „Spätimperialismus“ in den 1990ern gründlich zu analysieren. Die Folge dieser Versäumnisse, dieses a priori Akzeptieren der Positionen von Lenin und Trotzki und deren „Auslegung“ von Marx war, dass die LFI zu wesentlichen Fragen falsche Positionen einnimmt – was Ergebnis oberflächlicher oder überhaupt fehlender Analysen ist.
In Folge dessen passt man sich einerseits links-bürgerlichen Ideologien und Kräften an, die für eine proletarisch-revolutionäre Perspektive weitgehend irrelevant sind („grüne“ Bewegungen, Wokeness, Arabischer Frühling), andererseits hält man Distanz zu oppositionellen Kräften, die für die Reorganisation des antikapitalistischen Milieus relevant sind: z.B. der linke Flügel der Anti-Corona-Proteste. Zudem hat sich in den vergangenen Jahren ein zunehmendes Sektierertum gezeigt. Während die GAM in der WASG noch interveniert hatte, lehnte sie diese Taktik gegenüber Aufstehen und dem BSW ab – obwohl beide genau wie die WASG Umgruppierungen im Reformismus darstellen und in diesen ein Minderheitsmilieu existiert(e), das für eine klassenkämpferische bzw. revolutionäre Politik gewonnen werden könnte.
Ergebnis dieser Fehleinschätzungen und falschen Taktiken war, dass die GAM und die LFI nicht wuchsen. Die LFI ist von ihrem Ziel, eine 5. Internationale aufzubauen bzw. eine Dynamik dahin mitzugestalten, weiter entfernt denn je. Hat die LFI-Tendenz schon organisatorisch – nach über vier Jahrzehnten (!) – nichts vorzuweisen, so hat sich auch ihre Politik negativ entwickelt, in theoretisch-programmatischer Hinsicht dominiert eine unfruchtbare, unkreative Herangehensweise. Ausdruck dessen ist auch die Tatsache, dass LFI und GAM ihre Stagnation nicht bilanzieren.
Arbeiterparteitaktik
Die hier geschilderten Probleme sind keine Zufallsprodukte. Sie haben ihre Ursache in einer fehlerhaften Methode. 2003 sah die LFI noch korrekt die Anwendung der Arbeiterparteitaktik auf internationaler Ebene als Weg zur Fünften an. Diese Taktik besagt, dass dort, wo es keine Arbeiterpartei und keine stärkere revolutionäre Gruppierung gibt, ein Prozess des Aufbaus einer revolutionären Arbeiterpartei initiiert werden muss, in den verschiedene linke, kämpferische, oppositionelle Milieus eingebunden werden müssen. Dabei müssen Marxisten ein revolutionäres Programm vertreten – gegen linksreformistische u.a. „linke“ Konzepte. Das Ergebnis wäre eine revolutionäre Partei bzw. Internationale oder zumindest eine Stärkung des revolutionären Potentials.
Es ist an sich nur logisch, dass diese internationale Taktik auch auf nationaler Ebene angewendet werden muss. Davon ist aber z.B. bei der GAM keine Rede, oppositionelle und Widerstands-Potentiale (Corona, Aufstehen, Proteste gegen die Ampel u.a.) werden ignoriert oder sogar bekämpft und als nur rechts, reaktionär oder verschwörungstheoretisch verunglimpft.
Anstatt Strukturen aufzubauen, um breitere oppositionelle Schichten anzuziehen, z.B Friedenskomitees, bewegt man sich oft fast nur in linken Insiderprojekten (Demos), diskutiert mit trotzkistischen Minigruppen über abstruse Wahlprojekte oder übt den Schulterschluss mit der Antifa.
Politische Abwege
Wir wollen hier nur einige der politischen Fehler der GAM bzw. der LFI benennen. Es fing schon zu Beginn des 21. Jahrhunderts damit an, dass die Antiglobalisierungsbewegung (AGB) viel zu positiv eingeschätzt, ihr reformistischer Charakter und ihre starke Verankerung in der lohnabhängigen Mittelschicht (LMS, Studenten) unterschätzt wurden. Die AGB wurde übertrieben als zentraler Ausgangspunkt für den Aufbau einer neuen Internationale angesehen. Ähnlich einseitig und wurde der Arabische Frühling eingeschätzt. Die Tatsache, dass in dieser Bewegung die Arbeiterbewegung (soweit überhaupt vorhanden) und revolutionär-sozialistische Kräfte fast keine Rolle spielten, wohingegen allerlei reaktionäre Kräfte (Clans, religiöse Gruppen, pro-westliche NGOs usw.) aktiv waren, wurde „übersehen“.
Ähnlich falsch sind die Positionen der LFI zu „grünen“ Ideologien und Kräften (Klima, Energie, Kernkraft, Globalismus, Fridays for Future u.a.). Hier mangelt es an jeder naturwissenschaftlichen Analyse, die offizielle Propaganda wird weitgehend unkritisch nachgeplappert. Genauso fehlt auch eine genaue Analyse der sozialen Kräfte, die hinter diesen Bewegungen und Ideologien stehen.
Auch andere „links“-bürgerliche Ideologien wie die „Geschlechterpolitik“ und das Gendern werden tw. unkritisch nachvollzogen. Besonders krass war die Haltung der LFI zur Corona-Frage. Ihre Null-Covid-Politik war einfach absurd. Selbst im Nachhinein, da Hunderte seriöse Studien zeigen, wie unsinnig, ja tw. schädlich die Massenimpfungen und die Lockdowns waren, mangelt es der LFI an jeder Bereitschaft zur Reflexion oder gar Korrektur ihrer Politik.
In all diesen Fragen steht die LFI auf der falschen Seite der Barrikade und stützt die absurden, repressiven und schädlichen Projekte der Herrschenden.
Ein anderes Beispiel ist die Position der LFI bzw. der GAM zur Migration. Anstatt eine marxistische Position dazu einzunehmen und die Massenmigration als Folge und Funktion der neokolonialen Weltordnung und ihrer Krisen zu sehen, stellt man sich auf eine „humanistische“ Position, die sich fast nur darum dreht, Geflüchteten zu helfen. Das ist zwar richtig, doch dabei wird ausgeblendet, zu welchen Problemen die Massenmigration sowohl in den Herkunfts- wie in den Zielländern führt. Jede Kritik an der Massenmigration wird per se als rechts, rassistisch usw. verleumdet. Die GAM-Losung „Für offene Grenzen“ wirkt zwar links, ist aber tatsächlich nur weltfremd und würde im Fall ihrer Umsetzung zur Zuspitzung vieler sozialer Probleme führen.
Problem Mittelschicht
Ein weiterer Aspekt mangelnder Analyse der GAM bezieht sich auf die lohnabhängige Mittelschicht (LMS), die sich vom klassischen Kleinbürgertum unterscheidet. Obwohl die GAM die LMS als besondere soziale Schicht durchaus anerkennt, begreift sie nicht deren besondere und gegenüber früher deutlich größere Bedeutung im sozialen und politischen Gefüge. Die meisten Bewegungen basieren heute auf dem Kleinbürgertum (Corona-Proteste, Proteste gegen die Ampel) oder auf der LMS (die Grünen, „grüne“ Bewegungen, FfF usw.). Das ist v.a. deshalb so, weil die Arbeiterbewegung und die Linke so passiv sind bzw. regierungsnahe Positionen vertreten. So wird jede Art von Opposition fast automatisch von nichtproletarischen Kräften dominiert. Das schließt jedoch nicht aus, dass in diesen Bewegungen oder in Aufstehen oder dem BSW auch linkere, proletarische Kräfte aktiv sind. Diese könnten für eine andere Politik gewonnen werden. Dafür muss man aber aktiv eingreifen, vor Ort sein und nicht nur einen kritischen Artikel schreiben, am Rand stehen und linke Parolen rufen. Das ist eine Karikatur auf revolutionäre Politik!
Umgruppierung: Auf welchem Programm?
Die LFI ist nun Teil der „Umgruppierung von revolutionären Kräften“, die neben der LFI aus der „International Socialist League“ und der „International Trotskyist Opposition“ besteht – alle drei verstehen sich als trotzkistisch. In einer gemeinsamen Resolution vom 21.11.24 erklären diese Organisationen, sie seien übereingekommen, „einen Prozess der Zusammenarbeit, des Austauschs und der Diskussion zu beginnen, um zu versuchen, eine Fusion unserer internationalen Organisationen vor Ende des nächsten Jahres zu erreichen“ (Quelle).
Dieses Bemühen könnte an sich nur positiv bewertet werden; schaut man sich aber den politischen Geist dieser Erklärung genauer an, so zeigt sich schnell, dass das Gebäude der neuen Internationale auf sumpfigem Untergrund erbaut wird.
Die Resolution sagt, dass sich die Annäherung „aus tiefgreifenden Übereinstimmungen in der Charakterisierung der Weltlage, der revolutionären Politik gegenüber den wichtigsten Ereignissen des gegenwärtigen Klassenkampfes“ ergibt. Das trifft zu – doch offenbart diese Übereinstimmung auch gravierende Mängel. So heißt es grundlegend: „Wir sehen die Perspektive einer sich vertiefenden Systemkrise des Kapitalismus, mit zunehmender ungleicher sozialer und politischer Polarisierung, mit einer Zunahme rechter und rechtsextremer Tendenzen, die in vielen Ländern sogar die Regierung stellen, verbunden mit Widerstand, Massenmobilisierungsbewegungen, Streikwellen, Rebellionen, Revolutionen und dem Entstehen einer neuen und jungen radikalisierten militanten Vorhut im weltweiten Klassenkampf.“
Wo, bitte schön, gibt es diese letzteren Entwicklungen?! Natürlich gibt es immer Widerstand in dieser oder jeder Form, doch aktuell findet dieser auf einem sehr niedrigen Level oder oft gar nicht statt – zumindest in Europa, Nordamerika und Asien. In Europa gibt es einen Rechtstrend. Wo es aber Widerstand gab, zog es nicht nur die GAM vor, diesen pauschal und einseitig als „rechts“ oder „verschwörungstheoretisch“ zu denunzieren (Proteste gegen Corona, gegen die Ampel, gegen die Energiewende). Wo es Umgruppierungen im Reformismus – als Ausdruck seiner Krise – gab, intervenierte man nicht (Aufstehen, BSW). Die Einigkeit besteht in dieser falschen Politik!
Man stellt richtig fest: „Die Krise der revolutionären Führung der Arbeiter:innenklasse und der Massen ist akuter denn je“. Dass gerade deshalb aber die Massen sich an nicht-proletarischen, nicht dezidiert linken Bewegungen beteiligen oder überhaupt passiv bleiben, ist ihnen nicht klar, zumindest verfügen sie über keine geeignete Taktik dazu.
Ja, es ergibt sich die „Notwendigkeit einer neuen Internationale, die in den weltweiten Kämpfen der Ausgebeuteten und Unterdrückten verwurzelt ist, um eine Führung aufzubauen und ein Programm aufzustellen, das auf dem Erbe von Marx, Engels, Lenin, Trotzki, Luxemburg und der Erfahrung von über 150 Jahren Kampf der Arbeiter:innenbewegung gegen Bürokratie, Bourgeoisie und Imperialismus fußt.“ Doch wenn z.B. zu den oben von uns geschilderten Fragen keine geeigneten Analysen und Konzepte vorliegen, kann von einem neuen, brauchbaren Programm keine Rede sein.
Beispiel Ukraine
Wie unzureichend die Positionen der drei Organisationen tw. sind, zeigt sich am Beispiel des Ukraine-Konflikts. Dazu heißt es u.a.: Wir sehen „den Widerstand des ukrainischen Volkes gegen die Invasion des russischen Imperialismus als den vorherrschenden Prozess. Eine revolutionäre Politik bedeutet daher, den Widerstand zu unterstützen und das Selbstbestimmungsrecht des ukrainischen Volkes, aber auch das des Donbass zu verteidigen, und gleichzeitig der arbeiter:innenfeindlichen Politik Selenskyjs entgegenzutreten und für die Auflösung der NATO zu kämpfen.“
Diese Position ist lächerlich. 1. gibt es aktuell nur den Widerstand in Form der offiziellen, von der NATO informell geführten ukrainischen Armee und nicht einfach einen „des Volkes“. Ein Sieg des Kiewer Regimes wird nicht die Freiheit der Ukraine bringen, sondern die – jetzt schon massive – Ausplünderung des Landes durch den westlichen Imperialismus verstärken. 2. ist es absurd anzunehmen, dass das Selbstbestimmungsrecht des Donbass (und der Krim) gesichert werden könne, indem Kiew militärisch unterstützt wird. Gerade die Unterdrückung der berechtigten Separationswünsche der unterdrückten russischen Mehrheit im Donbass hatte ja bereits 2014 (!) – und nicht erst 2022 – zum Krieg (in Form eines Bürgerkriegs) geführt.
Welcher Weg zur Internationale?
In der Erklärung der drei Organisationen heißt es: „Es ist nicht weniger wichtig, dass wir uns auch über die Notwendigkeit einig sind, revolutionäre Kräfte international auf der Grundlage eines prinzipiellen revolutionären Programms und einer gesunden Methode des Aufbaus zu gruppieren, eines demokratischen Zentralismus, der es uns ermöglicht, alles in einer Atmosphäre der Solidarität unter Genoss:innen zu diskutieren, Nuancen und Meinungsverschiedenheiten zu verarbeiten, mit gemeinsamen internationalen Positionen und Kampagnen in den Klassenkampf einzugreifen und uns gegenseitig beim Aufbau unserer nationalen Organisationen zu unterstützen.“
So weit, so gut. Der Haken an dieser Auffassung ist aber, dass sie unvereinbar ist mit der 2003 von der LFI angenommenen Methode des Aufbaus der 5. Internationale. 1. ergibt die Fusion von drei trotzkistischen Minigruppen keine Internationale – was jedoch nicht heißt, dass eine solche Fusion nicht u.U. richtig sein kann. Eine Internationale aber ist nicht nur quantitativ, sondern auch qualitativ mehr als eine solche, von der Arbeiterklasse weitgehend isolierte, Mini-Troika. Ein – gegenüber der nationalen Situation modifizierter – demokratischer Zentralismus (Demozent) ist für eine Internationale notwendig. Doch mit der 2003 von der LFI beschlossenen Arbeiterparteitaktik auf internationaler Ebene ist der Demozent nicht kompatibel, weil er die Akzeptanz einer bestimmten Programmatik voraussetzt, anstatt diese in der Diskussion erst zu erarbeiten. Die drei Gruppen werden sich vielleicht auf ein Programm einigen können – dass dabei aber ein Programm herauskommt, das über trotzkistische „Selbstverständlichkeiten“ hinausgeht und eine historisch-kritische Aufarbeitung des Trotzkismus einschließt, ist sehr unwahrscheinlich, wenn man sich die Positionen dieser Gruppen anschaut.
Weiter heißt es: „Wir glauben, dass es auf diese Weise möglich ist, die theoretischen, politischen und methodischen Grenzen eines großen Teils der gegenwärtigen politischen Strömungen des Trotzkismus zu überwinden, deren Politik und Aufbaumodelle sich seit Jahrzehnten als unzureichend erwiesen haben (…). Die Strömungen, aus denen wir kommen, und die sich in einem Prozess des Zusammenwachsens befinden, waren nicht frei von Fehlern, die wir zu korrigieren gedenken.“
Das haben auch schon andere trotzkistische Strömungen versucht – und alle sind daran gescheitert, weil sie sich meist nur auf den „Trotzkismus“ bezogen, der nach Trotzkis Tod (1940) entstand, aber nicht die Methode Trotzkis (und in ähnlicher Weise Lenins) kritisch betrachteten. So blieben Abweichungen und Differenzen zwischen diesen beiden und Marx unterbelichtet: die Staatsfrage, dass Problem Selbstverwaltung vs. Staatswirtschaft, die Auffassungen von Partei und Klassenbewusstsein u.a. Es mangelte immer schon daran, überhaupt methodische Differenzen von Lenin/Trotzki zu Marx zu erkennen.
Ein Problem hinsichtlich der korrekten, den Bedingungen angemessenen, Arbeiterparteitaktik der LFI früher und dem heutigen Agieren der Troika besteht auch darin, dass sie bedeutende aktuelle Fragen nicht analysieren und deshalb falsche Positionen dazu einnehmen: Proteste gegen die Corona-Hysterie, gegen den Klima- und Energiewende-Irrsinn, die Kernkraftfrage, die „Milieu- und Geschlechterpolitik“, zur Massenmigration usw. Die Folge davon ist, dass die linkeren Teile dieser Bewegungen nicht gewonnen werden konnten – und gewonnen werden wollten. Parallel dazu mangelt es den drei Organisationen – zumindest, was in Deutschland und Europa beobachtet werden kann – an wichtigen Elementen von Einheitsfrontpolitik u.a. Taktiken, so z.B. an Interventionen in reformistischen Projekten wie „Aufstehen“ oder dem BSW, wo es eine gewinnbare Minderheit von Antikapitalisten gab oder gibt. Grundlegende Schwächen zeigen sich auch dabei, längerfristige Strukturen aufzubauen, die es ermöglichen, in die Bevölkerung hinein zu wirken, z.B. Friedenskomitees und Selbstverwaltungsstrukturen. Stattdessen beschränkt man sich fast nur auf linke Insideraktionen (Demos) oder symbolische Aktionen wie Blockaden von AfD-Parteitagen. So bleibt man im eigenen Dunstkreis – und hält den sektiererischen Mief für den Geruch der Revolution.
So positiv es von der Troika auch ist, die Frage der Internationale aufzugreifen und praktische Schritte zu unternehmen, so fragwürdig ist die Art und Weise. Wie sagte schon der alte Goethe: „Getretner Quark wird breit, nicht stark.“