Paul Pfund
Die Bewegung gegen die Wohnungsnot provoziert geradezu die Frage, wie „das Wohnen“ in einer anderen, kommunistischen Gesellschaft aussehen könnte. Dazu hier einige Überlegungen.
Im Kapitalismus dienen das Bauen, die Vermietung und der Verkauf von Immobilien dazu, Profit zu erwirtschaften. Die Befriedigung realer Bedürfnisse ist dabei nur Mittel zum Zweck. Schon die Frage, was und wie gebaut wird, ist stark von den spezifisch kapitalistischen Strukturen und Bedürfnissen bestimmt. So erfordert die umfangreiche Bürokratie entsprechend viele Bürogebäude, die Vielzahl von Privatunternehmen führt zu einer riesigen Zahl von Dependencen. Die in der Regel seht hohen Gewerbemieten sind in den Produktpreisen enthalten und werden also den KonsumentInnen übergeholfen.
Wohnungen und Wohnhäuser im Kapitalismus sind der bürgerlichen Kleinfamilie bzw. dem privaten Kleinhaushalt angepasst. So findet die bürgerliche Gesellschaftsstruktur auch in der Baulichkeit ihren Ausdruck. Bezeichnenderweise war in dieser Hinsicht das Bauen im Kapitalismus wie in den stalinistischen Staaten gleich. In der DDR nannte der Volksmund die Plattenbauten nicht ganz zu Unrecht „Arbeiterschließfächer“.
Im Sozialismus – und schon während der Übergangsgesellschaft – wird die Bautätigkeit allgemein wie der Wohnungsbau im Speziellen völlig anders aussehen und anderen Prämissen entsprechen als in der bürgerlichen Gesellschaft Der Abbau von Bürokratie und die Minimierung von Gewerbe-Immobilien in Folge der Umstrukturierung der gesellschaftlichen Produktivkräfte (GPS) und der Produktrevolution hätte zwei wesentliche Effekte: viele Gebäude könnten für andere Zwecke genutzt werden bzw. es wäre weniger Neubau nötig.
Die Wohnungen im Sozialismus werden anders sein als heute und einer anderen Lebensweise entsprechen. Nicht mehr das enge Korsett der Kleinfamilie und des Kleinhaushalts, sondern ein flexibler Rahmen – sowohl im Sinn von „Baulichkeit“ wie im Sinn von praktisch-alltäglichen Lebensstrukturen – für individuelle, „familiäre“ (im Sinn von sozialer Kleinstruktur) wie auch für kollektive Bedürfnisse – wird dann nötig, aber auch möglich sein.
Natürlich wird jeder Mensch und jede Partnerschaft auch im Sozialismus individuellen Lebens- und Wohnraum haben wollen und müssen, zugleich aber wird es Räume kollektiven Miteinanders geben, die jetzt im Wohnungsbau fehlen. Die Isolation der Menschen voneinander durch Familie und Kleinstwohnung und die damit verbundene Beschränkung der Individualität wie der Kollektivität kann dann überwunden werden. Der Überdruss, die mit den Jahren oft zunehmende Langeweile in Familie und Partnerschaft kann und muss auch dadurch aufgehoben werden, dass die Kollektivität zunimmt. Freilich ist das ein gesellschaftlicher Prozess, der länger dauern wird und auf Freiwilligkeit beruhen muss. So richtig es ist, dafür Modelle zu denken, so unmöglich ist es, die reale Entwicklung in ein ideelles Korsett zwingen zu wollen. Letztlich kann nur die kollektive Erfahrung zeigen, was den individuellen, den kollektiven und den gesamtgesellschaftlichen Bedürfnissen am besten entspricht.
Was heißt Vergesellschaftung?
Es kann verschiedene Wohnformen geben: die individuelle Wohnung bzw. das Einfamilienhaus, die WG oder eine Mischung aus beiden. So sollte ein Wohnhaus, eine Wohnanlage oder ein Kiez immer auch Gemeinschaftsräume haben, wo man gemeinsam die Freizeit verbringt, gemeinsam kocht, Kinder betreut, wäscht usw. Das Wäschewaschen ist ein gutes Beispiel dafür, welche Vorteile die Gemeinschaftlichkeit haben kann. Der heutige Standard besteht darin, dass jede Wohnung eine Waschmaschine hat. Für einen Trockner oder ein größeres Bügelgerät ist meist kein Platz in der Wohnung. Denken wir uns ein Stadthaus mit 10 Wohnungen. Dort gibt es heute 10 Waschmaschinen. In einem Kollektivhaus gäbe es z.B. einen „Waschraum“ mit sage 4 Maschinen, 2 Trocknern und einer Bügelmaschine. So könnte man gleichzeitig Weißes und Buntes waschen, trocknen usw. Ein deutlich besserer Waschservice ist möglich – mit weniger Maschinen. Dem Nachteil des zusätzlichen Waschraums stehen die Platzeinsparung in 10 Bädern, die Ersparnis von Waschzeit und 33% der Maschinenkosten gegenüber. Demgegenüber sind öffentliche – ob genossenschaftliche oder private – Waschsalons, zu denen man mit einem Bündel Schmutzwäsche extra hinlaufen und den ganzen Waschvorgang abwarten muss, wenig attraktiv. Sicher können beide Modelle Formen einer Vergesellschaftung der Hausarbeit sein, doch die eine davon ist gut, die andere schlecht.
Die gemeinsamen Waschküchen in den proletarischen Vierteln früherer Zeiten waren somit nicht nur Notbehelfe, sondern auch embryonale Formen von Vergesellschaftung. Dass diese Formen im Stalinismus nicht weiterentwickelt worden sind, verweist darauf, dass diese Gesellschaft sich zwar das Etikett Sozialismus aufgeklebt hat, aber der Inhalt ein ganz anderer war.
Der häusliche „Waschraum“ setzt allerdings voraus, dass die NutzerInnen gemeinsam festlegen, welche Maschinen man braucht, wer wann wäscht usw. Das aber ist proletarische Selbstverwaltung, das ist proletarisches Eigentum, das bedeutet, eine Wirtschaft und Gesellschaft der „assoziierten“ ProduzentInnen zu haben, wie es Marx wiederholt nannte. Das heißt, ohne Privateigentum und ohne Staat zu leben – und dann auch noch produktiver und geselliger als heute.
Dasselbe Modell ist für das gemeinschaftliche Kochen und Essen der Hausgemeinschaft denkbar – auf völlig freiwilliger Basis. Demgegenüber erscheinen die „öffentlichen Kantinen“, die in linken oder „kommunistischen“ Zukunftsvisionen oft auftauchen, geradezu obskur. Jede(r) soll wählen können, ob er/sie lieber privat in den eigenen vier Wänden, in der Hausgemeinschaft speisen oder kochen will oder aber in einer Gaststätte „gut essen“ gehen will. Ob letztere privat oder genossenschaftlich geführt wird oder eine Mischform beider ist, das ist sicher keine zentrale Frage der Entwicklung des Kommunismus. Klar ist aber auf jeden Fall, dass eine Verstaatlichung kein dafür geeignetes Modell ist. Die Selbstverwaltung kleiner Einheiten, etwa von Häusern, und deren Vernetzung nach oben, ist zudem wesentlich rationeller als ein bürokratisches Verwaltungssystem, das sowohl bei der Privatisierung wie bei der Verstaatlichung nötig ist.
Gerade auch im Bereich des Wohnens zeigt sich, dass selbstverwaltete, genossenschaftliche Strukturen weit besser und rationeller funktionieren können als staatliche oder private. Insofern ist es ein wesentlicher konzeptioneller Mangel der aktuellen Mieterbewegung bzw. der in ihr aktiven politischen Kräfte, dass sie diese Frage fast komplett ausblenden und sich nahezu ausschließlich darauf orientieren, das Privateigentum zugunsten der Verstaatlichung zurückzudrängen. Damit aber bleiben die BewohnerInnen Objekte von Staat und Kapital und sind mehr oder weniger wie vorher deren „Launen“ unterworfen. Sie hatten bisher kein Wohneigentum und fast keine Verfügung darüber und werden künftig genauso enteignet bleiben.
Von Linken wird oft Lenin zitiert, der einmal sagte, dass die Köchin lernen müsse, den Staat zu regieren. Das ist allgemein ganz richtig. Leider nahm die Politik der Bolschewiki – und umso mehr die Politik des Stalinismus – den Köchinnen und dem Proletariat insgesamt fast jede Möglichkeit dazu. Auch Lenins Vorstellung bestand v.a. darin, dass sich die Köchin in die Politik einmischt und sich an der Arbeit politischer bzw. staatlicher Gremien beteiligt. Das ist richtig – allerdings nur insofern, als diese Gremien wirkliche proletarische Selbstverwaltung und Rätestrukturen repräsentieren und nicht neue, wenn auch etwas andere bürokratische Apparate. Regieren muss aber v.a. heißen, das die Köchin möglichst direkt darüber bestimmt, wie ihr Leben und Arbeiten abläuft. Gerade das Überflüssigwerden von separaten, abgesonderten staatlichen Apparaten – das „Absterben des Staates“ wie Marx und Engels betonten – ist eine wesentliche Grundlage und ein wichtiges Merkmal der Entwicklung Richtung Kommunismus. Lenins Modell und das der Bolschewiki war der allumfassende Staat, an der alle Proletarier als „Staatsangestellte“ (Lenin) aktiv mitwirken. Das ist nicht Marx, das ist ein Gegenmodell zu Marx. Das ist nicht die Befreiung der Köche, sondern deren Verwandlung zu Apparatschiks. Das ist nicht das Salz in der Suppe, sondern deren Versalzung.
„Ich denke das die Ansätze die vorgeschlagen wurden viel zu kurz gegriffen sind. Wieso kann die Wäsche nicht gesellschaftlich gewaschen werden?“ Das ist ein Beispiel. Ich habe allerdings gezeigt, dass der Waschsalon (den es ja trotzdem noch geben kann) unrationeller ist (Wegezeit, Pesonalaufwand).
Ansonsten: Warum sind Einfamilienhäuser „unsozial“? Sollen die dann alle abgerissen und durch 10-Geschosser ersetzt werden?!
Ich denke das die Ansätze die vorgeschlagen wurden viel zu kurz gegriffen sind. Wieso kann die Wäsche nicht gesellschaftlich gewaschen werden? Eventuell gefällt das jemanden der den Flur nicht reinigen mag, dann tauscht er Arbeit. ich denke das es eine Kantine geben muss und die Küchen der Wohnung stark verkleinert werden. Es wird heute doch schon gesellschaftlich gegessen. Hier ist auch Pizza Service gemeint, nicht nur Kantinen und Mensa etc. Zur Arbeitsteilung: http://peerconomy.org/text/peer-oekonomie.pdf
Die Einfamilienhäuser werden verschwinden sie sind „Steinzeit“ und unsozial.
Dazu https://www.syndikat.org/wp-content/uploads/2017/02/broschuere_nr7.pdf
Der ISW München hat gerade eine gute Broschüre herausgebracht die zeigt das Geld nicht das Problem ist. http://www.linkes-oldenburg.de/wp-content/uploads/2019/05/9.-Das-M%C3%A4rchen-Finanzierung.pdf
Ein Thema das in den Vordergrund drängt, allerdings ist die Definitionshoheit bei den Bürgerlichen.