ABC des Marxismus XXXVI: Was ist Populismus?

Der Begriff „Populismus“ leitet sich vom lateinischen „populus” (Volk) ab. Als populistisch werden sehr unterschiedliche politische Formationen oder ideologische Strömungen bezeichnet. Es wird meist zwischen Rechts- und Linkspopulismus unterschieden. In den letzten Jahren haben sich in vielen Ländern populistische Parteien und Bewegungen gebildet: rechte, wie die Front National, die FPÖ, Pegida oder die AfD, und linke, wie Podemos oder Aufstehen. Einige rechts-populistische Parteien regieren sogar (mit). Oft vermischen sich „linke“ und „rechte“ Elemente wie etwa bei der Gelbwesten-Bewegung in Frankreich. Populismus in Gestalt politischer Formationen gab es jedoch schon früher (faschistische Bewegungen, Peronismus, Chavez). Populismus prägt als Methode mehr oder weniger jede bürgerliche Politik, ob rechts oder links.

Der Populismus ist v.a. eine politische Methode. Die Analyse aller Populismen zeigt, dass deren Programmatik immer bürgerlich ist, weil sie sich (ob links oder rechts) immer im Rahmen der kapitalistischen Gesellschaft und ihrer „Spielregeln“ bewegt. Wird Populismus nicht als Methode, als Demagogie, sondern als Inhalt, als besondere politische Wesenheit betrachtet, wird damit deren bürgerlicher Charakter tendenziell verschleiert.

Der Populismus weist viele Schattierungen auf und entzieht sich von daher einer genaueren Kennzeichnung. Gleichwohl weist er allgemeine Merkmale auf. So leugnet, verwischt oder relativiert er die Klassengegensätze und die Frage des Gesellschaftssystems. Der Populismus überhöht Probleme und konstruiert „Feinde“ bzw. Buhmänner (Juden, Ausländer, Flüchtlinge, Ungläubige, „die Politik“, „das Establishment“), um die Massen von den eigentlichen Macht- und Klassenstrukturen abzulenken und eine nationale, rassische oder religiöse „Schicksals- oder Volksgemeinschaft“ oder eine Gemeinsamkeit der „kleinen Leute“ zu suggerieren bzw. zu schaffen.

Eine besonders bekannte und folgenreiche Form von militantem Rechtspopulismus war die faschistische Bewegung in Deutschland, v.a. in Gestalt der SA und des „national-revolutionären“ Flügels (Röhm, Strasser). Demagogische und irrationale Ideologien wie das Germanentum oder der Antisemitismus waren mit scheinbar anti-kapitalistischen Slogans wie gegen das „raffende (jüdische) Kapital“, die „Volksgemeinschaft“ und den „nationalen Sozialismus“ verbunden. Nur so war es möglich, eine militante Bewegung zu schaffen, die für die Großbourgeoisie, das Kleinbürgertum und die Mittelschichten, aber auch für deklassierte Teile des Proletariats attraktiv waren. Als der Faschismus an die Macht gelangt war, wurden dieser Populismus und der Bewegungscharakter zu Gunsten einer bonapartistischen Diktatur im Interesse des deutschen Großkapitals zurückgestutzt (Röhm-Putsch).

Der Populismus entsteht meist in der Situation einer sich zuspitzenden sozialen Krise, wenn die „normalen“ Herrschaftsmechanismen, z.B. die Demokratie, und politischen Kräfte die sozialen Konvulsionen nicht mehr regulieren können. Die etablierten (Volks)parteien – rein bürgerliche wie reformistische – verlieren dann oft an Attraktivität und Bindungskraft. Die zunehmende soziale Dynamik und politische Polarisierung lässt neue Formationen entstehen. Diese wenden sich – da sie im „Establishment“ nicht oder schwächer vertreten sind – gegen die etablierten Herrschaftsstrukturen. Von den „Etablierten“ heben sie sich durch größere Radikalität und tw. durch eine stärker auf Mobilisierungen setzende Politik ab.

Sie stehen in Konkurrenz zu den „normalen“ bürgerlichen Parteien und deren Politik und können sich daher nicht offen auf die Seite „der Bourgeoisie“ stellen; sie können und wollen sich aber auch nicht auf das Proletariat stützen, weil das in der Konsequenz Bruch mit dem Kapitalismus bedeuten könnte. Diese Position „zwischen“ den Klassen führt zur Betonung der Differenz zwischen denen „oben“, der „Elite“, dem „Establishment“, der „Macht“ und denen „unten“, der Masse, dem „Volk“ usw.. Bei dieser Gegenüberstellung wird an realen Macht- und Unterdrückungsstrukturen angeknüpft, diese werden „kritisiert“; dabei wird aber auch von ihrer Einbindung in Klassenstrukturen abstrahiert. Der bürgerliche Staat und das Privateigentum werden nicht infrage gestellt.

Rechtspopulistische Parteien repräsentieren bestimmte Sektoren des Kapitals oder streben danach. Ihre Kritik am herrschenden „Konsens“ beinhaltet mitunter auch richtige Elemente, sie brechen mit einigen „Tabus“, Lügen oder Fehlern der etablierten bürgerlichen Politik. So lehnt z.B. die AfD als einzige Partei den Klimaschutz und die Energiewende ab. Ähnliche Ansichten gibt es auch in CDU, CSU und FDP, doch dort stellen sie Minderheitsmeinungen dar, die an den Rand gedrängt werden. Eine Kritik am Rechtspopulismus muss solche Positionen und die Kritik am „mainstream“ sachlich bewerten und sich vor Pauschalkritik hüten. V.a. aber muss dieser „Kritik“ eine proletarisch-revolutionäre und klassenkämpferische Alternative entgegengesetzt werden.

Gegenüber dem Rechtspopulismus müssen die Linke und die Arbeiterbewegung anders agieren, als gegenüber „normalen“ bürgerlichen Parteien, weil Organisationen wie die AfD oft direkte Verbindungen zu Faschisten und militanten Rassisten haben. Deshalb tragen sie oder Teile von ihnen zur Stärkung der extremen Rechten bei und können eine Quelle zur Entstehung größerer faschistischer Formationen sein. Den rechten Populisten muss daher bei Veranstaltungen, Aufmärschen usw. militant entgegengetreten werden. Der Rechtspopulismus profitiert stark davon, dass die Linke und die Arbeiterbewegung bestimmte Themen nicht aufgreifen, sich nicht als radikale und aktive Alternative in Stellung bringen und sich ins System einordnen.

Der Linkspopulismus ist wesentlich Reformismus. Als solcher werden begrenzte Reformen bzw. die Bewahrung bestimmter politischer und sozialer Standards gefordert. Die linken PopulistInnen gründen ihre Politik nicht auf der Arbeiterklasse, deren Mobilisierung und Organisierung, sondern auf einer linken „Volksbewegung“. Diese soll auf das etablierte linksbürgerliche Spektrum Druck ausüben. Der anvisierte „Politikwechsel“ zielt dabei letztlich aber immer nur auf einen Führungs- oder Regierungswechsel, nicht auf die Überwindung der kapitalistischen Wirtschaft und Gesellschaft. Die Interessen, Kampfmethoden und Strukturen des Proletariats (Streiks, Arbeiter-Räte-Demokratie, Selbstverwaltung, Genossenschaften) werden einem „Kompromiss“ mit dem Privateigentum und dem bürgerlichen Staat untergeordnet und die Interessen der Mittelschichten stark berücksichtigt. Obwohl der radikale Gestus und die Dynamik des Linkspopulismus mitunter Massen von Unterdrückten und ArbeiterInnen anziehen und organisieren kann, führt er weder zu einer revolutionären Partei noch zur grundsätzlichen Änderung der sozialen Verhältnisse und verliert daher seinen Anhang und Einfluss bald wieder.

Der linke Populismus zeichnet sich oft durch eine stärkere Militanz und Aktivität aus – die jedoch meist von einer reformistischen informellen Führungs-Crew oder einem Caudillo kontrolliert wird. Das praktische Agieren, z.B. der Gelbwesten (auch wenn sie keine „rein linke“ Bewegung darstellt) ist tw. sehr militant. Dabei handelt es sich aber v.a. um einen spontanen, kleinbürgerlichen Radikalismus, der nicht auf „radikale“ proletarischen Klassenkampfmethoden wie (Massen)streiks oder die Bildung von Räte- und Selbstverwaltungsstrukturen orientiert.

RevolutionärInnen müssen gegenüber dem Linkspopulismus offensiv auftreten. Sie müssen ihn nicht nur kritisieren, sondern dann, wenn er sich formiert, sofort und direkt eingreifen (Entrismus) und in der Bewegung für antikapitalistisch-revolutionäre Positionen eintreten. Diese aktive Haltung ergibt sich schon daraus, dass die reformistische Arbeiterbewegung tendenziell an Einfluss und Attraktivität für die Massen verliert und diese sich daher oft unabhängig von ihr formieren. Dazu kommt, dass die „radikale“ Linke als Folge ihres jahrzehntelangen Niedergangs kaum Einfluss hat und weder programmatisch noch praktisch eine wirkliche Alternative zum Reformismus darstellt. Um neue Kräfte zu gewinnen und stärkeren Masseneinfluss zu bekommen, ist es daher für MarxistInnen dringend notwendig, in links-populistischen Bewegungen zu intervenieren, sie nach links zu drücken bzw. zu spalten und im besten Fall für den Aufbau einer revolutionären Partei zu gewinnen.

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