Vom Tiger zum Bettvorleger

Hannah Behrendt

Als das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) vor einem Jahr gegründet wurde, war das für Viele mit großen Hoffnungen verbunden. Es gab mit Sahra Wagenknecht nicht nur eine kräftige Stimme gegen die Kriegspolitik der Ampel, es gab endlich auch eine Partei, die für eine grundsätzlich andere Politik eintreten wollte.

Was ist diese versprochene „andere Politik“? Eine konsequente Friedenspolitik, eine vernünftigere Energie- und Wirtschaftspolitik sowie anti-neoliberale Positionen. Als Partei, die großenteils aus der LINKEN kommt, gehören dazu aber auch andere Positionen zu Migration, Corona, Gendern usw., als sie von der LINKEN und den „grünen“ Woken vertreten werden.

Alternative?

In den Beiträgen von Aufruhrgebiet wurde immer betont, dass das BSW zwar punktuell bessere Positionen vertritt als die LINKE u.a. Parteien, das es zugleich aber auch strategisch gesehen die reformistische Politik der Linkspartei oder der SPD weiterführt.

Woran zeigt sich der Reformismus des BSW? 1. daran, dass es keinen Bezug zur Arbeiterklasse bzw. zur Arbeiterbewegung gibt. Von Klassenkampf ist überhaupt nie die Rede. Damit verbunden ist das Manko, dass nie etwas dazu gesagt wird, WIE man seine Ziele erreichen will: Mit welchen Taktiken? Mit welchen Bündnispartnern? Das Programm des BSW ist ein reiner Wunschkatalog, kein Anleitung zum Handeln, sprich: für den Klassenkampf. 2. ist die einzige Orientierung (und auch die einzige Form von Praxis) darauf gerichtet, sich an Wahlen zu beteiligen (was an sich nicht falsch ist) und in eine bürgerliche Regierung einzutreten (was allerdings falsch ist). 3. wird die zentrale Frage – die Eigentumsfrage – ausgeblendet und die Systemfrage nicht gestellt. Es gibt nicht den geringsten Anschein von Antikapitalismus in der BSW-Politik.

Die Politik des BSW zielt ausnahmslos auf einen etwas verbesserten Kapitalismus, den man nur dadurch zu erreichen hofft, indem man System-immanente Mechanismen, den Parlamentarismus, nutzt.

Beispiel Friedenspolitik

Wir können hier nicht im Detail zeigen, worin sich der Reformismus des BSW äußert, sondern möchten das nur am Beispiel der Friedenspolitik darstellen. Für Wagenknecht heißt Friedenspolitik, bestimmte Positionen in Talkshows, im Parlament, bei Kundgebungen und in Büchern zu vertreten. Das ist durchaus wichtig. Allerdings zielen diese Bemühungen nur darauf (und können auch nur darauf zielen), das Denken, die Medien, das Milieu der Politik zu beeinflussen und im besten (aber sehr unwahrscheinlichen) Fall andere parlamentarische Mehrheiten zu erreichen. Die Geschichte zeigt allerdings, dass Kriege, Rüstung und Militarismus so nicht verhindert werden können.

Es geht stattdessen aber v.a. darum, Menschen zu organisieren, in Aktion zu bringen und damit ihre Atomisierung zu überwinden. Dazu braucht es nicht nur Talkshows, sondern v.a. Strukturen vor Ort, an denen sich Menschen beteiligen können, mit denen man Menschen direkt erreichen kann. Dafür leisten Wagenknecht und das BSW nichts! Eine zentrale Demo pro Jahr ist dafür zu wenig! Wo initiiert das BSW Friedenskomitees vor Ort? Organisiert es einen bundesweiten Friedenskongress? Gab es Friedenskundgebungen im Rahmen der Landtagswahlkämpfe? Fehlanzeige! Gab es Aufforderungen an Gewerkschaftsgliederungen, gegen Krieg und Rüstung aktiv zu werden? Hat man versucht, praktisch mit diesem Milieu, das es ja gibt, zu kooperieren? Nein. Gab es Kritik an der Passivität der Gewerkschaftsapparate bzw. an deren Zustimmung zum Militarismus der Ampel? Nein!

Diese reformistische „Enthaltsamkeit“ führt aber jetzt schon zu bundesweit sinkenden Umfragewerten des BSW, weil jeder einigermaßen wache Mensch weiß, dass mit Wahlen und Mitregieren allein nichts erreicht erreicht werden kann. Auch diese Einsicht hat ja dazu geführt, dass sich Millionen von Lohnabhängigen von SPD und Linkspartei abgewendet haben. Die ganze „Neuerung“ des BSW besteht nun darin, diese fatale Strategie zum x-ten Mal zu wiederholen.

Aber auch die Kritik von Wagenknecht am Kriegskurs der Ampel ist unzureichend. So spricht sie andauernd vom „Angriffskrieg Putins“ – und „vergisst“, dass Kiew bereits 2014 einen Bürgerkrieg gegen die russische Mehrheitsbevölkerung im Donbass begonnen hat, der bis Anfang 2022 bereits 14.000 Tote gefordert hat. Sie spricht von der „Annektion der Krim“, obwohl das Parlament und die Bevölkerung der Krim schon seit 1991 mehrfach klargemacht haben, dass die Krim nicht zur Ukraine gehören will, sondern zu Russland bzw. unabhängig sein möchte. Unterbelichtet bleibt bei Wagenknecht auch, dass der Westen mit der Ostausdehnung der NATO und die Ukraine mit ihren Ankündigungen, der NATO beitreten zu wollen, Russland geradezu gezwungen hat, die weitere „Einkreisung“ durch die NATO zu stoppen.

Mit derart unzureichenden, ja falschen Positionen kann der offiziellen Kriegspropaganda schwerlich effektiv begegnet werden.

Landespolitik

In Thüringen ist das BSW Teil der Landesregierung mit CDU und SPD. Auch in Brandenburg steht die Koalition mit der SPD. Wagenknecht hat immer betont, dass eine Regierungsbeteiligung nur infrage komme, wenn in der Landespolitik klare friedenspolitische Positionen erkennbar wären. In der Präambel der Thüringer Koalitionsvereinbarung von CDU, SPD und BSW heißt es dazu:

„Als künftige Regierung des Freistaats Thüringen eint uns der Wille zum Frieden in Europa. Wir nehmen die Sorgen und Ängste unserer Bürgerinnen und Bürger ernst, dass Krieg in Europa ist und Deutschland mit hineingezogen werden könnte. Wir bekennen uns zur europäischen Friedensordnung und wenden uns gegen jegliche Bestrebungen, mit kriegerischen Mitteln Grenzen zu verschieben. Im Rahmen der europäischen und bundesstaatlichen Ordnung unterstützen wir alle diplomatischen Initiativen, den von Russland gegen die Ukraine entfesselten Angriffskrieg zu beenden. (…) Wenngleich wir hinsichtlich der Notwendigkeit von Waffenlieferungen an die Ukraine zur Verteidigung ihrer territorialen Integrität und Souveränität unterschiedlicher Auffassungen sind, eint uns das Ziel, eine diplomatische Lösung des Krieges gegen die Ukraine und den Abbau der damit verbundenen Spannungen innerhalb Europas mit dem Ziel eines Waffenstillstandes und gerechten, dauerhaften Friedens im Sinne der Charta der Vereinten Nationen und des Budapester Memorandums voranzutreiben. (…) Wir erkennen aber auch an, dass viele Menschen in Thüringen die geplante Stationierung von Mittelstrecken- und Hyperschallraketen kritisch sehen bzw. ablehnen.“

Konkret bedeutet das – nichts! Ob dieses allgemeine Blabla dort steht oder nicht oder in China ein Sack Reis umfällt … Das Geschwafel von einer „europäischen Friedensordnung“ oder das Gerede vom „gerechten, dauerhaften Frieden im Sinne der Charta der Vereinten Nationen“ ist so naiv wie unverbindlich – gerade jetzt, da sich erneut zeigt, dass Kapitalismus immer noch und immer wieder zu Krieg führt und kein Völkerbund, keine UNO und keine Haager Landfriedensordnung je Frieden gebracht oder gar garantiert haben. Auch in der Präambel ist wieder vom „von Russland gegen die Ukraine entfesselten Angriffskrieg“ die Rede. Kein Wort zur Rolle des Westens, der NATO und der Ukraine, die diesen Konflikt provoziert haben. Austritt aus der NATO? Fehlanzeige! Bundeswehr, Aufrüstung, Waffenexporte u.a. nach Israel, damit es den Völkermord in Gaza weiterführen kann? Keine Aussagen dazu! Solche „friedenspolitischen“ Statements sind das Papier nicht wert, auf dem sie stehen. Im Gegenteil: sie vermitteln den falschen Eindruck, dass CDU und SPD an einer friedlichen Lösung des Ukrainekonflikts interessiert wären.

Das pazifistische Palaver verdeckt allerdings nicht, dass es zu konkreten Fragen auch grundlegende Differenzen gibt, etwa zur „Notwendigkeit von Waffenlieferungen an die Ukraine zur Verteidigung ihrer territorialen Integrität und Souveränität“. Sollte es dazu im Bundesrat eine Abstimmung geben, würde sich Thüringen der Stimme enthalten. Wagenknechts Behauptung, dass es per Bundesrat eine Einflussnahme auf die Außen- und Militärpolitik der BRD geben könnte, ist maßlos übertrieben.

Die ganze Verlogenheit von BSW, CDU und SPD zeigt sich auch an dieser Passage der Präambel: „Wir erkennen aber auch an, dass viele Menschen in Thüringen die geplante Stationierung von Mittelstrecken- und Hyperschallraketen kritisch sehen bzw. ablehnen.“ Das stimmt sicher. Doch wenn die Koalition das ernst nehmen würde, müsste sie eine klare Position dazu einnehmen oder eine Volksabstimmung dazu durchführen. So aber drückt sie sich um eine Position herum.

Beispiel Brandenburg

Die gleiche Haltung offenbart die Präambel der Brandenburger Koalitionsvereinbarung zwischen SPD und BSW. Darin heißt es u.a.: „Bedrohungen von Frieden, Wohlstand und Zusammenhalt nehmen zu.“ Die Hauptverantwortung des Westens dafür wird verschwiegen. Stattdessen wird wieder Russland die Alleinschuld zugeschoben: „Der völkerrechtswidrige Krieg Russlands gegen die Ukraine erschüttert Europa.“ Weiter heißt es: „Wir nehmen die Sorgen der Bürgerinnen und Bürger ernst, dass sich der Krieg ausweitet und damit das Risiko besteht, dass auch Deutschland in eine sich immer schneller drehende Kriegsspirale hineingezogen wird. Der Krieg wird nicht durch weitere Waffenlieferungen beendet werden können.“ Was bleibt so von der richtigen BSW-Forderung nach Beendigung der Waffenlieferungen übrig? Nichts! Dafür soll sogar die „Fähigkeit der Bundeswehr zur Verteidigung gestärkt werden (…) Deswegen stehen wir zur Bundeswehr und ihren Brandenburger Standorten.“ Na also, wenn´s konkret wird, sind sich die reformistischen „Friedensfreunde“ einig. Die Grundlage dafür, dass die Bundeswehr am Hindukusch oder demnächst wieder an der Ostfront eingesetzt wird, ist doch, dass sie ihre gemütlichen Standorte zuhause behält.

Ist es Wahnsinn, hat es doch Methode

Ohne Frage zeigen schon die beiden Präambeln, dass die Friedenspolitik des BSW mehr Schein als Sein ist. Das ist aber kein Zufall, sondern Ausdruck und notwendige Folge der politischen Methode des BSW, die in ihrer Logik dem folgt, was die SPD und die LINKE schon immer praktiziert haben. Diese besteht darin, nur auf Parlamentarismus und Mitregieren zu setzen, dabei aber die Grundlagen der imperialistischen Politik des Westens nicht in Frage zu stellen: v.a. die Mitgliedschaft in der NATO, die Existenz der Bundeswehr usw. Das Gerede von Abrüstung, Entspannung usw. dient letztlich nur dazu, so zu tun, als ob man antimilitaristische Politik betreiben würde. Wie sagt der Volksmund so treffend zu dieser Politik: links blinken und rechts abbiegen.

Schon die Idee mitzuregieren, um Veränderungen zu erreichen, ist völlig falsch. Wirkliche Veränderungen – auch im Sinne von Reformen – sind nur erreichbar und können nur verteidigt werden, wenn die Lohnabhängigen, v.a. die Gewerkschaften, dafür kämpfen und sich dazu Strukturen schaffen. Früher nannte man das Klassenkampf. Gerade den will aber der Reformismus nicht oder nur in einem sehr engen Rahmen. Aufgrund der Jahrzehnte langen reformistischen Klassenkampf-“Abstinenz“ hat das Bewusstsein, kämpfen zu müssen und zu können, stark gelitten. Was folgt nun daraus? Für Reformisten: Wir haben ja schon immer gesagt, dass das mit dem Klassenkampf nicht funktioniert. Für Revolutionäre: Wir haben schon immer gesagt, dass Reformismus nicht funktioniert, deshalb muss der Klassenkampf wieder angekurbelt werden.

Illusionen

Viele Menschen, die die westliche Kriegspolitik ablehnen, unterstützen oder wählen das BSW. Das ist insofern verständlich, da es keine andere relevante (!) Kraft gibt, auf die man sich beziehen könnte. Eine ganz andere Sache ist es aber, wenn Reformisten aller Couleur die Politik des BSW schönreden. Ein Beispiel dafür sind die Nachdenkseiten (NDS). Dort schreibt ihr Gründer Albrecht Müller, langjähriges prominentes SPD-Mitglied: „Dem BSW ist es gelungen, eine gesellschaftliche Diskussion über die Sinnhaftigkeit der US-Raketenstationierung vom Zaun zu brechen. Zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik wird in einem Koalitionsvertrag eine Stationierung von US-Waffen auf deutschem Boden kritisiert. Dazu kommt die deutliche Kritik an immer weiteren Waffenlieferungen an die Ukraine. In einer Gesellschaft, in der uns jeden Tag die Kriegspropaganda aus den Talkshows entgegenschallt, ist das ein Unterschied ums Ganze.“

Da hat Müller zwar recht, doch die Debatte gibt es seit Monaten, deshalb wird das BSW ja gewählt. Jetzt geht es darum, Widerstand aufzubauen, die Anti-Kriegs-Bewegung zu stärken. Doch gerade davon ist bei ihm nicht die Rede, geschweige denn, dass er die Regierungsbeteiligung(en) des BSW überhaupt infrage stellen würde. Noch nicht einmal zu einer Kritik an den Larifari-Positionen in den Koalitionsvereinbarungen reicht es (bisher) bei Müller.

Zuzustimmen ist Müller allerdings, wenn er die LINKE und deren Kritik am BSW aufs Korn nimmt: „Die Linken, die jetzt granteln, haben sich ein Hoch auf den militarisierten Lissabon-Vertrag der EU in die Koalitionsvereinbarung reinschreiben lassen. Und die PDS hat sich 2001 in die Präambel im Berliner Koalitionsvertrag diktieren lassen, die NATO sei wunderbar: „Wir wissen um die besondere Verpflichtung Berlins gegenüber dem Bund und zu bundesfreundlichem Verhalten. Wir wissen um die Erwartungen des Bundes und der Länder, die an die Politik Berlins mit Blick auf ihre Hauptstadtfunktion gerichtet sind. Berlin repräsentiert eine der führenden Industrienationen der Welt, die in die westliche Wertegemeinschaft eingebunden ist, die der Organisation der Vereinten Nationen und dem nordatlantischen Bündnis angehört, die die Erweiterung der Europäischen Union anstrebt und die zahlreiche weitere internationale Verpflichtungen erfüllt.“

In der Tat: Wer so etwas mitträgt, sollte sich mit Kritik am BSW zurückhalten. Die Positionen der LINKEN zeigen aber auch, dass die These, das BSW (oder früher Aufstehen) stehe rechts von der Linkspartei, mehr als fraglich ist. Sie zeigen vielmehr, dass die LINKE und das BSW aus einem reformistischem Holz geschnitzt sind, wenngleich die Form variiert.

Regieren – zu welchem Preis?

Die jahrzehntelange Praxis von SPD und Linkspartei, sich an Regierungen zu beteiligen, hat gezeigt, dass eine Reformierung des Kapitalismus – von dessen Überwindung ganz zu schweigen – so nicht funktioniert. Dort, wo etwa die SPD früher bestimmte soziale Verbesserungen erreicht hat, war das mehr der konjunkturellen Lage (Langer Nachkriegsboom) zuzuschreiben, als ihrer eigenen Politik. Es darf auch nicht vergessen werden, dass noch bis in die 1980er die Gewerkschaften deutlich aktiver waren und noch von einer ArbeiterBEWEGUNG gesprochen werden konnte, die Druck auf Staat und Kapital ausgeübt hat – wenn auch in einem reformistischen Rahmen. Die Reformisten, die auf die sozialen Effekte der SPD-Politik und die „Soziale Marktwirtschaft“ verweisen, seien daran erinnert, dass die BRD die meiste Zeit von der Union regiert wurde.

Ein markantes Beispiel für das Scheitern des „Regierungs-Reformismus“ sind die Regierungsbeteiligungen von PDS bzw. Linkspartei. So wurden von Rot/Rot in Berlin massenhaft kommunale Wohnungen an Immobilienkonzerne verscherbelt. Als dann die Bewegung „Deutsche Wohnen und Co. enteignen!“ entstand, die von einer Mehrheit der Berliner Bevölkerung unterstützt wurde, war es auch die LINKE, die die Bewegung ins Leere laufen ließ und sie schließlich in einer Kommission „entsorgte“. Auch die „linke“ Sozialpolitik bestand meist nur darin, bestimmte Projekte (z.B. ein Sozialticket für den ÖPNV) zu lancieren – auf Kosten anderer Leistungen. Geld von einer Tasche in die andere zu schieben, galt dann als große soziale Errungenschaft.

Schaut man sich den Koalitionsvertrag von Thüringen an, so findet man darin durchaus auch einige positive Dinge, so etwa bezüglich der Aufarbeitung der Corona-Maßnahmen oder die Behebung von Problemen im Bildungsbereich. Doch das sind weder Dinge, die man als Reformpolitik bezeichnen könnte, noch sind es Anliegen, die nur das BSW hätte. Man könnte eine Regierungsbeteiligung evtl. noch damit begründen, dass man parallel zum Regieren den Klassenkampf voran bringen möchte, um seine Koalitionspartner unter Druck zu setzen – doch auch das ist nicht der Plan des BSW. Es wäre tatsächlich klüger gewesen, als BSW eine Minderheitsregierung aus CDU und SPD aus der Opposition heraus zu „begleiten“. Positive Vorhaben hätten so unterstützt, negative verhindert werden können. V.a. aber hätte man keine Mitverantwortung übernommen für das Management der Krisen und Zumutungen des Kapitalismus. So aber folgt man erneut nur der alten politischen Methode der LINKEN – und man wird damit genauso ins Desaster geraten wie sie.

Opposition

In unseren Beiträgen im Blog Aufruhrgebiet haben wir von Anfang an den reformistischen Grundcharakter des BSW dargestellt und kritisiert. Zugleich haben wir aber auch gesagt, dass das BSW in einigen konkreten Fragen (u.a. Krieg, Klima, Energie, Migration, Gendern, Corona) etwas bessere, aber trotzdem unzureichende Positionen vertritt als andere Parteien und die LINKE. Wir sehen uns auch darin bestätigt, dass es eine Minderheit in der Unterstützerschaft (kaum bei den wenigen handverlesenen Mitgliedern) gibt, die sich als Antikapitalisten verstehen und für eine klassenkämpferische Politik gewonnen werden könnten. Das – und der Kampf gegen den Wagenknecht-Reformismus – wäre aber nur möglich, wenn sich die „radikale Linke“ in den Formierungsprozess des BSW eingemischt hätte. Sie hielt sich aber in ihrem üblichen Sektierertum komplett raus, so dass es weder Opposition gegen den Wagenknecht-Kurs gab, noch konnte es gelingen, linke kritische Elemente für eine andere Politik zu gewinnen. Ähnlich wie schon bei Aufstehen hat die linke Szene komplett dabei versagt, in einer politischen Krise des Reformismus aktiv einzugreifen.

Die mit unverbindlichen linken Phrasen getarnte Anpassungspolitik des BSW stößt aber durchaus auf Kritik im BSW und dessen Umfeld. So äußerte sich z.B. Friedrich Pürner, BSW-Mitglied der ersten Stunde in Thüringen und forderte den Abbruch der Koalitionsgespräche: „Wer je einen kräftig gewürzten Eintopf erwartet hat, dann aber einen faden und verwässerten vorgesetzt bekam, der wird geschmacklich nachvollziehen können, worüber ich schreibe. Auf rückgratlose Weise wurden unsere Überzeugungen und Positionen in hohem Bogen über Bord geworfen. (…)

Wir als neue politische Kraft haben es versäumt, unsere Akzente in diesem Papier (gemeint ist der Entwurf des Koalitionsvertrags) zu setzen. (…) Die Gespräche müssen abgebrochen werden. Besser auf Ministerposten verzichten, als diesen faden Eintopf die nächsten fünf Jahre auslöffeln zu müssen. (…) Im Sondierungspapier konnten sich BSW, CDU und SPD nicht auf ein direktes Benennen der Fehler in der Corona-Zeit einigen. Was raus kam, ist das, was zur Zeit die Aufarbeitung blockiert. „Es war schlimm; die Pandemie hat geschadet; wir wussten es nicht besser; wir müssen daraus lernen“. Die Wahrheit ist aber, dass man vieles eben schon besser wusste. Die RKI-Protokolle belegen das. (…) Es war nicht die Pandemie, die etwas „offenbart“ hat. Es waren die politischen und oft evidenzlosen Maßnahmen, die zu einer tiefen Spaltung geführt haben. (…) Gerade, wenn man (…) selbst in einer verantwortungsvollen Position, wie beispielsweise Katja Wolf (…) gegenüber Maßnahmenkritikern und Ungeimpften nicht zimperlich war, werden der Fokus und das Scheinwerferlicht auf dieser Person liegen. (…) In Thüringen ist der Zeitpunkt zum Ziehen der Reißleine gekommen. Das BSW kann jetzt nur noch verlieren.“

Recht hat er! Auch die Nachbesserungen des Thüringer Koalitionspapiers auf Intervention von Wagenknecht haben am Dilemma des BSW nicht viel geändert.

In Brandenburg hat der BSW-Landtagsabgeordnete Sven Hornauf erklärt, wegen Kritik an der Stationierung des von Israel gekauften Luftabwehrsystems „Arrow 3“ nicht für SPD-Regierungschef Dietmar Woidke im Landtag zu stimmen. Daraufhin forderte ihn BSW-Landeschef Robert Crumbach (bis Ende 2023 noch SPD-Mitglied) auf, das Landtagsmandat niederzulegen.

Doch Pürner und Hornauf sind Ausnahmen, und ihre Kritik ist keine, die den Reformismus als politische Methode grundlegend ablehnt. Trotzdem ist schon jetzt vielerorts eine Abkehr von Unterstützern, die vom BSW enttäuscht sind, zu beobachten. So schildert z.B. Detlef Rabethge aus Mecklenburg-Vorpommern im „Nordkurier“ seine Erfahrungen: „Die restriktive Aufnahmepolitik zum Beispiel, wonach viele Antragsteller nicht Mitglied wurden, war der ideale Nährboden für ein Postengeschacher. Das sehen auch viele sogenannte Unterstützer so. Inzwischen haben uns viele verlassen, weil sie offenbar nur gut waren als Plakatkleber im Wahlkampf. Zudem ist es in einem dreiviertel Jahr nicht gelungen, Strukturen aufzubauen. Stattdessen herrschen Zwist und Gruppenbildung im BSW, das sich bereits innerparteilich aufreibt.“

Perspektive

Das BSW hat Hoffnungen von Millionen auf eine bessere linke Politik, v.a. in der Friedensfrage, geweckt. Bei drei Landtagswahlen in Ostdeutschland hat sie hervorragend abgeschnitten. Doch ihre sonstige Passivität und politische Oberflächlichkeit, ihre Anpasserei an das bürgerliche Establishment haben viele dieser Hoffnungen schon wieder enttäuscht. Das zeigen auch die bundesweiten Umfragewerte, die trotz der Wahlerfolge schlechter geworden sind.

Wir haben in unseren Beiträgen prognostiziert, dass es nicht wie bei SPD und Linkspartei Jahrzehnte dauern wird, bis auch das BSW sich ins Abseits manövriert und die Unterstützung der Lohnabhängigen – soweit sie diese überhaupt genießt – weitgehend verloren hat. Die aktuellen Entwicklungen bestätigen unsere Prognose. Eine neue Kraft hätte das BSW überhaupt nur werden können, wenn es die tieferen historischen Ursachen des Niedergangs des Reformismus analysiert hätte und dessen Politik überwinden wollte. Dazu fehlt dem BSW alles!

Die Politik und die Probleme des BSW sind nur ein Ausdruck der tiefen historischen Krise der Arbeiterbewegung und der Linken. Wir brauchen nicht ein neues dreibeiniges Pferd wie das BSW, sondern eine neue antikapitalistische Arbeiterpartei! Diese kann jedoch nicht aus der Hosentasche gezaubert oder um eine Galionsfigur herum aufgebaut werden. Sie kann nur das Ergebnis eines tiefgreifenden Umbruchs, einer umfassenden Neuformierung der linken Szene und der Arbeiterbewegung sein.

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