Im Kapitalismus ist das Lohnarbeitsverhältnis das grundlegende soziale Verhältnis. Der Kapitaleigner gebraucht Lohnarbeit (das sog. variable oder v-Kapital), weil diese den Mehrwert schafft, aus dem der Profit gezogen wird. Während die ArbeiterInnen den Kapitalisten nicht brauchen, ist dieser auf die ArbeiterInnen angewiesen. Das Lohnarbeitsverhältnis ist ein Ausbeutungs- und Unterdrückungsverhältnis. Was und wie produziert wird, entscheiden die Eigentümer der Produktionsmittel bzw. deren Management, nicht jedoch die lohnabhängigen ProduzentInnen und KonsumentInnen.
Der Kapitalist ist durch die Konkurrenz gezwungen, möglichst profitabel zu produzieren und dazu die Ausbeutungsrate durch niedrigere Löhne, längere Arbeitszeit oder höhere Arbeitsintensität zu steigern. Gegen diese u.a. Unbilden des Kapitalismus, z.B. die Arbeitslosigkeit, können sich die Beschäftigten wehren, indem sie streiken, also den Produktionsprozess unterbrechen. So liegen die Produktionsmittel (das sog. konstante oder c-Kapital) brach, bringen ihrem Besitzer keinen Nutzen, ja sie erzeugen für ihn trotzdem (laufende) Kosten. Dieser ökonomische Druck kann den Unternehmer zwingen, auf die Forderungen der Streikenden einzugehen, die Bedingungen des Verkaufs ihrer Ware Arbeitskraft verbessern sich für die Lohnabhängigen. Jedes Ergebnis eines Streiks ist aber nur ein zeitweiliger Kompromiss, der im Klassenkampf von „oben“ oder „unten“ und durch das Auf und Ab der Wirtschaft immer wieder in Frage gestellt wird.
Ein Streik hat meist ökonomische Ziele (Entlohnung, Arbeitsplatzsicherung, Arbeitsverhältnisse). Er richtet sich nicht gegen das Lohnverhältnis oder den Kapitalismus an sich. Trotzdem ist jeder Streik auch politisch: 1. ändert sich in der Aktion das Bewusstsein der Akteure; 2. spielen in jedem Streik auch Gesetze, Tarifregelungen usw. – also „politische“ Fragen – eine Rolle; 3. greift oft der Staat in Form von Gerichten, der Polizei oder Schlichtern in den Konflikt ein. Die Konfrontation mit dem bürgerlichen Staat führt dazu, dass den Lohnabhängigen besser bewusst wird, dass der Staat nicht neutral, sondern der Interessenvertreter der Bourgeoisie und also der Gegner der Lohnabhängigen ist. Die Erfahrung der kollektiven Aktion und Organisation stärkt ihr Klassenbewusstsein.
Ein Streik ist immer eine kollektive Aktion z.B. der Belegschaft eines Betriebes. Oft ist der finanzielle Spielraum des Kapitalisten, einen Streik durchzustehen, größer als jener der ArbeiterInnen, deshalb ist es für letztere von Vorteil, sich größere Strukturen, die Gewerkschaften, zu schaffen, um Streikende besser unterstützen zu können (z.B. größere Streikkasse). Im Zeitalter der großen Konzerne stellt sich umso mehr das Problem, dass ein Streik Auswirkungen auf den ganzen Konzern hat und oft auch mit dessen geballter Macht konfrontiert ist. Daher ist die Unterstützung des Kampfes einer Belegschaft durch andere im Konzern, in der Branche und in der Region von großer Bedeutung.
Seit Ende des 19. Jahrhunderts und besonders in der Russischen Revolution von 1905 gab es Massen- und Generalstreiks. Diese haben zu heftigen Diskussionen in der II. Internationale geführt. Deren rechtere und die Gewerkschaftsführer lehnten diese ab, weil sie – durchaus zu recht – begriffen, dass Massenstreiks ein das System bedrohendes Potential haben, während die Linken, z.B. Rosa Luxemburg, in den Massenstreiks ein zentrales Mittel des revolutionären Klassenkampfes erblickten.
Der Generalstreik umfasst mehrere wichtige Branchen und kann zentrale Bereiche der Industrie und des gesellschaftlichen Lebens lahm legen. Damit wirft er objektiv die Machtfrage auf: Welche Klasse bestimmt das Schicksal der Gesellschaft? Doch der Generalstreik allein kann die Machtfrage nicht lösen. Dazu muss die Arbeiterklasse die politische Macht, d.h. die Regierungsgewalt, übernehmen, den bürgerlichen Staat zerschlagen, das Kapital enteignen und ein Rätesystem errichten. Der Generalstreik paralysiert die Gesellschaft, hält sie in höchster Anspannung. Dieser Zustand kann natürlich nicht lange andauern: entweder die Bourgeoisie oder das Proletariat muss diese Doppelmacht-Situation für sich auflösen. Die reformistische Bürokratie der Sozialdemokratie und der Gewerkschaften wird alles versuchen, einen Generalstreik zu verhindern oder zu „befrieden“. Das schließt jedoch nicht aus, dass u.U. auch sie mitunter einen Generalstreik ausrufen, z.B. 1920, als so der reaktionäre Kapp-Putsch gestoppt werden konnte.
Jeder Streik ist mehr oder weniger Ausdruck der Machtentfaltung der Arbeiterklasse. Dafür aber, dass er zu einem Fortschritt in der Organisation und im Bewusstsein der ArbeiterInnen führen oder überhaupt erfolgreich sein kann, ist es nicht egal, wie ein Streik geführt wird.
In der Regel, gerade auch in Deutschland, werden Streiks von den Gewerkschaften in Kooperation mit den Betriebsräten (BR) geführt. Die reale Kontrolle über die Organisation, die Ziele und die Beendigung eines Streiks hat de facto die Bürokratie der Gewerkschaft. Auch wenn es dabei demokratische Verfahren und Strukturen gibt (Urabstimmungen, Tarifkommission), so ist doch immer wieder zu beobachten, dass möglichst verhindert werden soll, dass der Kampf sich ausweitet oder zu militant geführt wird. So enden Streiks – die hierzulande meist „normale“ Streiks innerhalb der Tarifrunden-Rituale sind – in der Regel mit einem (oft schlechten) Kompromiss. Das führt auch dazu, dass die Gewerkschaften mehr als Verwaltungs- und „rechtliche“ Vertretungsorgane anstatt als Kampfstrukturen angesehen werden und deren Attraktivität für viele Lohnabhängige gering ist.
RevolutionärInnen geht es grundsätzlich darum, über das reformistische Management eines sozialen „Ausgleichs“ zwischen Kapital und Arbeit hinaus den Kapitalismus insgesamt zu überwinden. Daher treten sie bei Streiks dafür ein, dass die Gewerkschaften möglichst viel an Kampfkraft der Klasse mobilisieren und nicht in „vorauseilendem Gehorsam“ einen Kompromiss anstreben. Sie treten dafür ein, dass die Belegschaft(en), dass die Basis möglichst weitgehend demokratisch und direkt über Ziele, Mittel und Methoden eines Streiks entscheidet. Dazu bedarf es u.a. einer Streikleitung (Streikkomitee) auf Ebene des Betriebes wie der Gewerkschaft, die demokratisch gewählt, jederzeit kontrollierbar und abwählbar ist.
RevolutionärInnen treten gegen Geheimniskrämerei und Kungelei hinter den Kulissen für völlige Offenlegung aller Verhandlungen und Pläne der Streikleitung gegenüber der Basis ein. Sie engagieren sich für möglichst effektive und umfangreiche Solidaritätsaktionen durch andere Belegschaften, Gewerkschaften, die Bevölkerung und die Arbeiterbewegung (SPD, LINKE, Sozialverbände). Sie fordern, dass die Geschäftsunterlagen des Unternehmens für die Belegschaft einsehbar sind, v.a. wenn Entlassungen wg. schlechter Geschäftslage oder eine Schließung zu befürchten sind. Die Besetzung des Betriebes, die Weiterführung der Produktion unter Arbeiterkontrolle oder Blockaden von Zufahrten u.ä. Maßnahmen können notwendig werden, um den Streik zu gewinnen.
Steht ein Betrieb vor der Schließung, weil er (angeblich) nicht mehr rentabel ist, müssen RevolutionärInnen dafür eintreten, dass die Geschäftsunterlagen offengelegt werden, um die reale Situation des Unternehmens überprüfen zu können. Sie fordern nicht die Verstaatlichung des Betriebes, sondern plädieren – in Abhängigkeit von dessen wirtschaftlicher Lage und dessen realen Perspektiven – für die Übernahme des Betriebes durch die Belegschaft. Eine grundsätzliche Orientierung – von vornherein – auf die Verstaatlichung ist doppelt fehlerhaft: 1. verstärkt sie die Illusionen in den (bürgerlichen) Staat und lenkt davon ab, dass die Klasse selbst zum Eigentümer werden soll. 2. steckt oft die Illusion dahinter, dass der Staat als Eigentümer besser wäre als ein privater Besitzer oder die Verstaatlichung gar ein Ausdruck von Vergesellschaftung wäre. Vom Staat kann u.U. gefordert werden, dass dieser finanzielle Hilfe leistet, um den Weiterbetrieb des Unternehmens zu gewährleisten, oder ein Sozialprogramm ausstattet. Im Fall, dass das Unternehmen verstaatlicht wird, muss für möglichst viele Kontrollmöglichkeiten der Belegschaft gekämpft werden.
Nur mittels einer solchen Streiktaktik und Orientierung kann ein wirklicher Effekt für die Erhöhung des Klassenbewusstseins und des Organisationsniveaus erzielt werden und den ArbeiterInnen die zentrale Rolle der Selbstorganisation, der Selbstverwaltung und der Arbeiterkontrolle bewusst werden.
Um einen Streik erfolgreich durchführen zu können, ist es immer notwendig, Maßnahmen gegen Streikbruch durch rückständige (bisweilen betriebsfremde) ArbeiterInnen und gegen Angriffe der Polizei oder des Werkschutzes zu ergreifen. Dazu sind Streikposten notwendig, die bei bzw. schon vor einer Zuspitzung des Konfliktes zu einem proletarischen Selbstschutz oder einer Arbeitermiliz über den Rahmen des Betriebes hinaus ausgebaut werden können. Welche Chancen ein Streik hat und welche Maßnahmen nötig und möglich sind, hängt stark davon ab, wie die Wirtschaftslage und die Klassenkampfsituation beschaffen sind. Gibt es Massen- oder einen Generalstreik, müssen RevolutionärInnen dafür eintreten, dass sie bis zur Errichtung der Arbeitermacht in Form einer Arbeiterregierung, die sich auf Räte und Milizen stützt und den bürgerlichen Staat zerschlägt, weiter getrieben werden.
Die meisten Streiks werden um ökonomische Forderungen geführt, doch es gibt auch politische Streiks. So, wie es in der Gesellschaft keine strikte Trennung zwischen der ökonomischen und der politischen Sphäre gibt, existiert diese auch nicht in grundsätzlicher Weise bei Streiks. Die in Deutschland fast ausschließliche Beschränkung von Streiks auf ökonomische, in Tarifkonflikte eingebundene Ziele resultiert v.a. aus dem „sozialpartnerschaftlichen“ System und der damit verbundenen reformistischen Selbstbeschränkung des Klassenkampfes und die reformistische Arbeitsteilung zwischen dem für Tarif-Fragen zuständigen DGB und der für „die Politik“ zuständigen SPD. Die in den Rahmen von Tarifkämpfen um nur ökonomische Fragen eingezwängte reformistische Streikkonzeption will so Fragen der politischen Macht, des Staates, der Gesellschaftsordnung usw. ausblenden. Sie dient der bewussten Entpolitisierung der Arbeiterklasse und der Ablenkung von militanten Klassenkämpfen und von einer revolutionären Perspektive. Das drückt sich auch darin aus, dass „wilde“ Streiks außerhalb von Tarifrunden, weil sie gegen die „Friedenspflicht“ verstoßen, sowie politische Streiks und der Generalstreik in Deutschland de facto verboten sind. DGB, SPD und Linkspartei akzeptieren diese undemokratische Einschränkung der Widerstandsmöglichkeiten der Arbeiterbewegung. Doch letztlich hängt die praktische Geltung solcher Regelungen vom Kräfteverhältnis im Klassenkampf ab und nicht von Paragraphen.
Ein wichtiger Effekt von Streiks ist die stärkere Einbeziehung von unorganisierten, oft rückständigeren Arbeiterschichten in den Klassenkampf. Oft führt ein Streik dazu, dass die Mitgliederzahl der Gewerkschaften steigt, während Niederlagen oder der Ausverkauf eines Streikkampfes durch die Bürokratie zu Austritten führt.
Streiks sind – so die landläufige Meinung – Sache der Gewerkschaft. Doch die Bürokratie, welche die Einzelgewerkschaften und den Dachverband DGB politisch und strukturell dominiert, verfolgt eine klar sozialdemokratisch-reformistische Politik und ist auch personell stark mit der SPD (in geringerem Maße auch mit der LINKEN) verwoben.
Streiks sind Sache der Tarifpartner – einen andere verbreitete Ansicht. Doch in allen Arbeitskämpfen ist „der Staat“ in Form von Gerichten, der Polizei oder den Medien ein wichtiger Faktor – meist auf Seiten der Arbeit“geber“. Für RevolutionärInnen ist ein Streik keineswegs nur Sache der Gewerkschaft oder einer Belegschaft. Letztlich berührt der Erfolg oder die Niederlage eines Teils der Klasse immer auch die Gesamtklasse. Der Versuch des Reformismus, Streiks oder die „Zuständigkeit“ für Streiks zu „separieren“ und zu begrenzen, drückt ihr Interesse aus, die Ausweitung solcher Klassenkämpfe grundsätzlich zu beschränken und jede weiterführende Dynamik zu verhindern, weil diese sich gegen die Grundfesten der herrschenden Ordnung, das Privateigentum und das Lohnarbeitssystem richten könnten. Daher müssen AntikapitalistInnen gegen die politische und administrative Vorherrschaft des Reformismus in den Gewerkschaften kämpfen und für eine Demokratisierung und eine klassenkämpferische Ausrichtung eintreten. Dazu dienen u.a. der Aufbau einer klassenkämpferischen Basisbewegung und einer revolutionären Fraktion in den Gewerkschaften.