Judenunterdrückung und -vernichtung haben im 20. Jh. grausame Formen angenommen. Judenverfolgungen gab es aber schon viel früher und leider wird es sie noch so lange geben, wie es Kapitalismus gibt.
Im Altertum erfolgte der Warenaustausch im Mittelmerraum v.a. über die Phönizier. Mit dem Aufstieg Griechenlands und der Perser verloren die Phönizier jedoch ihr Handelsmonopol. Parallel zum Niedergang des phönizischen Handels spielt Palästina zunehmend eine Rolle im Handel, speziell im riesigen Perserreich. Schon lange vor dem babylonischen Exil, in das viele Juden gezwungen waren, lebten viele Juden außerhalb Palästinas als Kaufleute. An vielen Orten bildeten sie eigene Gemeinschaften, gleichzeitig aber vermischten sich viele Juden auch mit der ansässigen Bevölkerung und gingen in ihr auf (Assimilation).
In der Antike war die Landwirtschaft der Haupwirtschaftszweig. Die Griechen und Römer äußerten sich oft verächtlich über den Handel. So blieb ein Großteil des griechischen und römischen Handels in der Hand von Fremden, die oft Juden waren. Die Juden in der Diaspora (Orte, wo Juden eine sehr kleine Minderheit waren) erfüllten so eine wichtige Funktion für die Wirtschaft und den kulturellen Austausch der antiken Gesellschaften. Ihre besondere soziale Funktion, ihre soziale Stellung, ihre Religion und Kultur schweißten die Juden trotz ihrer regionalen Zerstreutheit zusammen, was dazu führte, dass sie ihre Eigenständigkeit in fremden Milieus oft über Jahrhunderte behaupten konnten. Wo es diese kulturellen und sozialen Qualitäten nicht gab, glichen sie sich an, so etwa die jüdischen Bauern in Nordafrika oder die jüdischen Grundbesitzer im Deutschland des 4. Jh., die meist zum Christentum übertraten.
Mit dem Niedergang des Römischen Reiches, dem Verfall der Städte und des Handels nahm die Bedeutung der Juden noch zu. Jetzt waren es fast nur noch sie, die Handel trieben. Im frühen Mittelalter sind „Jude“ und „Händler“ oft Synonyme. Sie sind es, die den Handel zwischen Europa und dem Orient aufrechterhalten. Außerdem betreiben sie zinsbringende Geldgeschäfte. Die Konzentration auf diese Tätigkeiten war auch dadurch bedingt, dass es Juden in etlichen Staaten untersagt war, ein „normales“ Gewerbe, z.B. als Handwerker zu betreiben. Könige und Adelige waren auf das Geld der Juden angewiesen. In der Regel wurden sie daher von den Königen und den Mächtigen der Gesellschaft, die auf ihre Geldquelle nicht verzichten mochten, beschützt. Die königlichen Schatzmeister im Hochmittelalter waren oft Juden. Bis zum 10./11. Jh. waren die Juden also keineswegs Verfolgungen ausgesetzt, sondern hatten ihren Platz als Händler in einer weitgehend naturalwirtschaftlichen Gesellschaft inne.
Dann aber zieht ihnen die ökonomische Entwicklung den Boden unter den Füßen weg. Seit dem 11. Jh. breiten sich die Städte und der Handel aus. Eine einheimische christliche Kaufmannsklasse entsteht, welche die Juden nach und nach aus dem Handel verdrängt. Dieser Prozeß ist in Westeuropa etwa mit dem 13. Jh. beendet. Die Juden ziehen sich auf Wuchergeschäfte zurück. Aber auch aus diesem Bereich werden sie durch die Entwicklung des christlichen Kreditgeschäfts gedrängt. Ihr Wucher ist durch die ökonomische Entwicklung überholt und erscheint daher als besonders ausbeuterisch.
Diese Entwicklungen führten oft zur Verfolgung und zu Massakern an den Juden – oft initiiert von Adeligen, die ihr Land an jüdische Wucherer verloren hatten. Die religiösen Vorbehalte der Christen gegen die Juden wurden dafür instrumentalisiert. Ende des 13. Jhs. werden die Juden nach Massakern aus England vertrieben, Ende des 14. aus Frankreich, Ende des 15. aus Spanien. Sie finden Zuflucht im rückständigen Osteuropa, das noch tief im Feudalismus steckende Polen wird ihr Hauptzufluchtsort.
Mit der kapitalistischen Entwicklung in Westeuropa seit dem 16. Jh. werden einige wenige Juden zu Kapitalisten, viele sinken zu Kleinhändlern, Wucherern und Trödlern ab. Vom großen Geschäft ausgesperrt, handeln sie mit dem einfachen Volk. Der Hass der Bauern gegen „den Juden“ richtet sich eigentlich also gegen den sie schröpfenden Wucherer.
Mit den bürgerlichen Revolutionen wird das Programm der Assimilation der Juden aufgestellt. Dazu hat Marx schon 1843 gemeint, dass es keine wirkliche Emanzipation der Juden sein könne, wenn sie sich als „Geldmenschen“ in die vom Geld beherrschte bürgerlich-kapitalistische Gesellschaft „gleichberechtigt“ eingliedern könnten.
Mit der Massenemigration der osteuropäischen Juden und dem Übergang zum Monopolkapitalismus Ende des 19. Jhs. wird der Antisemitismus akut. Das Kleinbürgertum wird niederkonkurriert und sucht die Schuldigen bei denen, die man für die „Repräsentanten“ von Geld und Kapital hält – den Juden, wenngleich das große Kapital tatsächlich schon längst überwiegend in „christlichen“ Händen ist. Nach dem 1. Weltkrieg und v.a. mit der Weltwirtschaftskrise von 1929 können die Nazis das ruinierte und verzweifelte Kleinbürgertum mit antisemitischer Propaganda gewinnen. Um vom Klassenwiderspruch zwischen Bourgeoisie und Proletariat abzulenken und ein Feindbild aufzubauen, werden von den Nazis ein Kampf der „Rassen“ – Arier gegen Juden – behauptet und die Massen rassistisch aufgehetzt. Die Nazis verbanden durch den Mythos vom „jüdischen Bolschewismus“ zudem den Antisemitismus mit dem Antikommunismus. Der Antisemitismus führte zur Unterdückung, Vertreibung und schließlich zur massenhaften Vernichtung der Juden. Entgegen der faschistischen Demagogie vom „jüdischen Wucherer“ ist es jedoch eine historische wie aktuelle Tatsache, dass sich auch das Judentum in verschiedene Klassen teilt. Es gibt ein jüdisches Proletariat, zu dessen Klassengegnern auch jüdische Kapitalisten gehören. Aktuell rührt die Ablehnung „der Juden“ zum Teil daher, dass diese mit Israel und dessen reaktionärer Politik identifiziert werden.
Die vermeintliche Alternative zum Antisemitismus – der Zionismus – ist jedoch ein untaugliches Rezept. Unmittelbarer Anlaß für die Entstehung des Zionismus waren in den 1880er Jahren die Judenprogrome in Russland und die Dreyfus-Affäre in Frankreich. Auf die Judenverfolgung und den Antisemitismus reagiert der Zionismus, der von Theodor Herzl begründet wurde, mit dem Wunsch nach einem eigenen jüdischen Staat in Palästina. Statt Selbstverteidigungskomitees gegen Progrome zu bilden, wie es die Bolschewiki gemeinsam mit den Juden machten, nimmt der Zionismus die Judenfeindlichkeit als gegeben hin, ja benutzt sie sogar als Anreiz für Juden, nach Palästina „heimzukehren“. Der Zionismus ist nicht nur deshalb reaktionär, weil er versucht, die Probleme der Juden zu lösen, indem er auf die Auswanderung anstatt auf den Klassenkampf orientiert. Er ist es auch deshalb, weil er für die Gründung eines eigenen Staates von Anfang an auf die Unterstützung der imperialistischen Großmäche setzte und ihn auf Kosten der „kulturell tiefer stehenden“ arabischen Volksgruppen errichten wollte.
Mit Unterstützung der USA gelang es nach dem 2. Weltkrieg, den Staat Israel zu gründen. Dieser Staat, der auf der Vertreibung der arabischen Bevölkerung von ihrem Land beruht und Nicht-Juden im eigenen Land rassistisch unterdrückt, ist ein strategischer Partner und ein Brückenkopf des Imperialismus im Nahen Osten, um anti-imperialistischen Bestrebungen in der ölreichen Nahost-Region zu begegnen. Sicher gab es zwischen der arabischen und jüdischen Bevölkerung in der Region immer wieder Konflikte in der Geschichte, wie es auch lange Phasen friedlichen Miteinanders gab. Doch erst mit dem Einwirken des Imperialismus in der Region hat sich der Konflikt zwischen Israel und der arabischen Bevölkerung extrem und fast unauflöslich zugespitzt. Zuerst praktizierte die britische Kolonial- bzw. Mandatsmacht nach dem 1. Weltkrieg in Palästina eine Politik des „Teile und herrsche“, später war es v.a. der US-Imperialismus, der Israel unterstützte und hochrüstete.
MarxistInnen unterstützen die berechtigten nationalen und sozialen Forderungen der arabischen Massen, insbesondere der PalästinenserInnen, gegen den israelischen Staat. Das muss allerdings eine scharfe Kritik an nationalistischen, religiösen u.a. reaktionären Ideologien, Organisationen und Taktiken wie etwa der Hamas einschließen. Eine Lösung der jahrzehntelangen Konflikte in dieser Region kann nur die soziale Revolution durch das verbündete arabische und jüdische Proletariat erreicht werden. Anstelle des kapitalistischen und rassistischen Staates Israel muß ein multiethnischer Arbeiterstaat als Teil einer Föderation arabischer Arbeiterstaaten errichtet werden.
Von einigen „Linken“, die sich gegen den Antisemitismus richten, werden andere Linke, die sich gegen die unterdrückerische und rassistische Politik Israels wenden, als „antisemitisch“ verunglimpft. Diese sog. „Antideutsche Linke“ zeigt damit aber nur, dass sie das Wesen des Zionismus und den Charakter und die Funktion des Staates Israel nicht begriffen hat und sich zum Werkzeug imperialistischer Politik macht.
Die wirkliche Emanzipation der Juden ist ihre Emanzipation von dem, was sie „historisch“ waren – Vertreter des Geldes; aber „wenn der Jude dies sein praktisches Wesen als nichtig erkennt und an seiner Aufhebung arbeitet, arbeitet er aus seiner bisherigen Entwicklung heraus an der menschlichen Emanzipation schlechthin“, schrieb einst Marx dazu. Denn diese besteht im Sturz des Kapitalismus durch die internationale Revolution und im Übergang zu einer klassenlosen Gesellschaft, in der die Gesellschaft nicht mehr auf Privateigentum beruht und in rivalisierende Teile zerfällt, und somit auch die reale Basis für Rassismus jeder Art überwunden ist. Der Kampf gegen Judenunterdrückung und Antisemitismus muss Teil des allgemeinen Klassenkampfes werden. Konsequenter Kampf gegen Antisemitismus heißt Kampf gegen den Kapitalismus.