Hannah Behrendt / Paul Pfundt
Die linke österreichische Gruppe „Der Funke“, veröffentlichte „Thesen zur Klimakrise“ (). Darin vertreten sie, wie die Mehrheit der Linken, die These von einer uns bedrohenden Klimakatastrophe: „Der Klimawandel stellt eine kolossale Bedrohung für die Menschheit dar und hat in der letzten Zeit zu gewaltigen Protesten (vor allem von jungen Menschen) geführt. Nur eine sozialistische Umgestaltung der Gesellschaft, bei der die Produktion von der Arbeiterklasse demokratisch und in Harmonie mit dem Planeten geplant wird, kann die Bedrohung des Klimawandels beenden.“
Wie immer in solchen Texten erfolgt auch hier keine empirische und wissenschaftliche Begründung dieser These. Sie wird a priori als richtig unterstellt. Lediglich einige (vermeintliche) Auswirkungen des Klimawandels – der immer stattfindet – werden angeführt. So heißt es u.a.: „Die Regenwälder brennen. In Australien und Kalifornien wüten Waldbrände. Überschwemmungen verwüsten Indonesien und Bangladesch. Ganze Inseln und Küstengebiete werden rasch überschwemmt. Dürren und Hungersnöte führen zu einem Exodus von Flüchtlingen. Hitzewellen in Europa töten jeden Sommer tausende von Menschen. Jeden Tag verschwinden ganze Arten vom Planeten. Die Klimakrise ist kein hypothetisches Problem für künftige Generationen, sondern bedroht uns im Hier und Jetzt.“
Das klingt zunächst plausibel und bezüglich der aufgeführten Phänomene stimmt alles. Doch bereits hier zeigt sich auch die ganze Naivität und Unwissenschaftlichkeit des Herangehens. Es geht nämlich nicht darum, ob es diese „Klimafolgen“ (oft handelt es sich nur um Wetterereignisse) gibt, sondern darum, ob diese 1. perspektivisch (mit der unterstellten weiteren Erwärmung) zunehmen und 2., wie sich diese Zusammenhänge in der Klimageschichte zeigen.
Zur ersten Frage: die Wetterstatistik der nationalen Wetterorganisationen, z.B. auch des Deutschen Wetterdienstes“ (DWD) zeigen, dass es eine generelle Zunahme solcher Ereignisse nicht gibt. Sogar der Weltklimarat IPCC stellt das in seinem großen Bericht AR 5 (2014) fest. Wenn uns Politik, Großmedien und „Grüne“ etwas anders erzählen, lügen sie! Schon ein ganz klein wenig Recherche hätte genügt, um das zu wissen. Dass das versäumt wurde, zeigt, was von der Klimapolitik des „Funken“ zu halten ist. Dass es auch an Sachverstand mangelt, offenbart z.B. die Aussage, dass „Die Regenwälder brennen“. Regenwälder brennen nicht, weil es heiß ist oder etwas wärmer als „normal“. Sie brennen (fast) nur, weil Menschen Brände legen, z.B. um Weideland zu gewinnen. Das hat nichts mit K wie Klima zu tun, sondern mit K wie Kapitalismus.
Bezüglich der 2. Frage sieht es nicht besser aus. Irgendwelche Vergleiche mit der Klimahistorie findet man weder beim „Funken“ noch in der „offiziellen“ Klimawissenschaft oder -propaganda – aus gutem Grund. Jeder historische Vergleich würde nämlich zeigen, dass die jetzige Warmphase weder außergewöhnlich noch durch CO2 hervorgerufen ist. Dieses ahistorische Vorgehen ist mit der marxistischen Methode absolut unvereinbar, liebe „Marxisten“ vom „Funken“.
Der „Funke“ bezieht sich zustimmend auf die These, die Erwärmung auf 1,5 °C zu begrenzen. Dabei fällt ihm jedoch gar nicht auf, dass es sich hier um einen simplen Taschenspielertrick handelt. Es wird nämlich nirgends gesagt, von welchem historischen Referenzzeitpunkt bzw. -temperatur man dabei ausgeht. So wird das Erreichen oder Nichterreichen des 1,5-Grad-Ziels zur reinen Auslegungsfrage. Seit Mitte des 19. Jahrhunderts haben wir eine Erwärmung von 1,0-1,1 Grad erlebt, es blieben dann also nur noch wenige Zehntel Spielraum. Andererseits gab es in unserer aktuellen Klimaphase, dem sog. Holozän, das vor etwa 10.000 Jahren begann, mehrere Perioden von tausenden Jahren (!), als es noch wärmer war als heute (was übrigens nichts mit dem CO2 zu tun hatte). Wozu dient also das 1,5-Grad-Ziel? Nur zu Propagandazwecken, es hat wissenschaftlich keinerlei Wert. Auch hier geht der „Funke“ der bürgerlichen Klimapropaganda auf den Leim.
Die Klimabewegung
Dazu heißt es u.a.: „Der Kapitalismus tötet den Planeten. Dies ist die Schlussfolgerung, die viele Aktivisten korrekt gezogen haben. Daher die Forderungen, die weithin von den Klimastreiks gestellt werden: «System change, not climate change»; «Planet over Profit». Es ist das kapitalistische System, das mit seinem unersättlichen Streben nach Profit für die Zerstörung der Umwelt verantwortlich ist. Ökosysteme werden ausgelöscht und die Verschmutzung der Luft, die wir atmen, und des Wassers, das wir trinken, schreiten voran.“
Hier fällt zunächst auf, dass die Klimafrage mit verschiedenen ökologischen Fragen in einen Topf geworfen wird. Wenn Fridays for Future (FfF) das macht, ist das eine Sache, wenn „Marxisten“ das nicht kritisieren, ist das etwas anderes.
Es ist auch eine komplette Fehleinschätzung, dass FfF – ganz abgesehen von den Grünen und den „grünen“ NGOs – antikapitalistisch wären. Für sie reduziert sich der Anti-Kapitalismus meist auf einen „Green new deal“. Revolutionäre, die für ihre Positionen in FfF geworben haben, wurden daher auch meist ausgegrenzt. FfF setzt für die Erreichung ihrer Ziele nicht auf die Arbeiterklasse und klassenkämpferische Methoden, sondern auf die „Einsicht“ der bürgerlichen Politik und auf den Staat bzw. auf individuelle Aktionen. Halten das die Genossen vom „Funken“ für Anti-Kapitalismus?!
Der „Funke“ stellt fest: „Viele Aktivistinnen und Aktivisten sind zu Recht zu dem Schluss gekommen, dass eine Massenmobilisierung unerlässlich ist. Aber wir müssen auch die Lehren aus der bisherigen Bewegung ziehen und ihre Grenzen erkennen. Straßenproteste, Schul- und Studierendenstreiks reichen nicht aus. Klimaaktivisten müssen sich mit der organisierten Arbeiterklasse verbinden und für radikale politische Veränderungen kämpfen.“
Das ist ganz allgemein sicher richtig. Doch wie soll die Arbeiterklasse einbezogen werden? Die meisten Arbeiter wissen sehr wohl, dass die Klimapolitik und die daraus folgende Energiewende (EW) auf ihre Kosten gehen. „Umwelt“-Steuern, Verbote und Energiepreise belasten schon heute die Massen. Wenn der „Funke“ zu FfF schreibt, dass sich „Millionen (…) an diesen internationalen Protesten beteiligt“ haben, dann stimmt das zwar, aber es handelt sich dabei v.a. um Schüler, Studenten und Mittelschichtler – die Arbeiterklasse, die mit wirklichen Streiks Druck ausüben könnte, blieb völlig außen vor.
Der „Funke“ meint: „Linke politische und soziale Bewegungen sind auf der ganzen Welt auf dem Vormarsch. Die Aufgabe besteht darin, die Militanz und Radikalität der studentischen Klimastreiks in die breitere Arbeiterbewegung zu tragen, in der ArbeiterInnen und Jugendliche gemeinsam für eine klare sozialistische Umweltpolitik kämpfen.“
Diese Passage belegt die Oberflächlichkeit der Analyse des „Funken“. Erstens sind „linke politische und soziale Bewegungen“ eben nicht auf dem Vormarsch, sondern meist in der Defensive oder scheitern kurz nach ihrem Entstehen (Arabischer Frühling, Podemos, Syriza, Black lives matter oder früher die Anti-Globalisierungs-Bewegung). Warum wohl erfreut sich der Kapitalismus immer noch relativ guter Gesundheit, wenn sich die Linke so prächtig entwickelt?! Zweitens wird hier unter dem Etikett „links“ alles mögliche subsumiert: von kleinbürgerlichen Bewegungen über Reformismus bis zu (den seltenen) wirklich subjektiv-revolutionären Ansätzen. Drittens sollte für Marxisten unter „Militanz“ eine proletarisch-revolutionäre Ausrichtung verstanden werden und nicht irgendein „linker“ Aktionismus. Schon die Bezeichnung „Streik“ für die Spaziergänge von FfF ist absurd und sollte von Marxisten nicht übernommen werden. Die „eigenartige“ Einschätzung von Bewegungen durch den „Funken“ verweist auf dessen Anpassung an nicht-proletarische und nicht-revolutionäre Kräfte, die auch nichts mit einer Einheitsfrontpolitik zu tun haben. Diese wendet sich nämlich nur an linke und Arbeiterorganisationen und schließt politische Kritik an den Partnern ein.
Ökologische Wende?
Der „Funke“ behauptet, dass Wissenschaft und Technologie für eine „klimagerechtere“ Produktion vorhanden wären: „Die Stromnetze könnten mit Wind-, Sonnen- und Gezeitenkraft dekarbonisiert (ohne oder mit wenig CO2-Emission) werden. Autos und Transportsysteme könnten auf Elektrizität, Batterien und Wasserstoff umgestellt werden. Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz könnten den Energiebedarf von Haushalten und Industrie drastisch senken.“ Nur verschwenden die Klimaschützer vom „Funken“ keinen Gedanken daran, welche enormen technischen Probleme sich dabei stellen und was die Dekarbonisierung kosten würde. Würden sie darüber genauer nachdenken und recherchieren, wüssten sie, dass sie auf Basis der „Erneuerbaren Energien“ (EE), also v.a. mit Wind- und Solaranlagen, unmöglich ist, was Kosten, Ressourcenverbrauch, Effizienz und ökologische Schäden anbelangt. Ingenieurtechnische und ökonomische Analysen dazu gibt es genug – nur der „Funke“ nimmt sie (wie fast alle Linken) nicht zur Kenntnis.
Das Fehlen einer soliden Analyse führt nun erwartungsgemäß zu absurden Schlüssen. Der „Funke“ meint: „Aber diese lebenswichtigen Maßnahmen erfordern allesamt zwei Dinge: Planung und Ressourcen. Beides kann der Kapitalismus nicht leisten.“ Warum nicht? Auch im Kapitalismus wird geplant, allerdings entsprechend den Profitzielen der stärksten Kapitalgruppen. Die EW etwa ist – trotz der privaten und neoliberalen Elemente – durchaus eine geplante Veranstaltung, bei der der Staat massiv in den Markt eingreift: durch die EEG-Regelungen, durch Subventionen, durch Steuern, durch Verbote usw. Allein der Umstand, dass erhebliche Bereiche des Finanz- und Großkapitals und viele große und kleine Investoren in „grüne“ Projekte investieren, zeigt, dass sich „Öko“-Investments besonders lohnen. Es ist außerdem völlig egal, ob unsinnige und überflüssige Technologien geplant oder ungeplant eingeführt werden – falsch ist es in jedem Fall.
Auch die Ressourcenfrage stellt sich ganz anders, als der „Funke“ denkt. Die EE, Batterietechnik, E-Autos usw. verbrauchen weitaus mehr Ressourcen als die „traditionellen“ Techniken. So soll lt. Weltbank z.B. der Verbrauch von Lithium bis 2050 um fast 1.000% steigen, der von Cobalt um knapp 600% usw. Ein modernes 3 MW-Windrad besteht aus 5-6.000 Tonnen Material, weitaus mehr, als jedes Kraftwerk pro erzeugter Menge Energie benötigt. Schutz der Umwelt und der Ressourcen? Das Gegenteil ist der Fall.
Der „Funke“ irrt, wenn er glaubt, die „Kapitalisten werden nicht in die erforderlichen Maßnahmen investieren, aus dem einfachen Grund, weil es sich nicht lohnt, dies zu tun. In der Tat stehen Technologien wie erneuerbare Energien, die potenziell einen Überfluss an grünem, sauberem, nahezu kostenlosem Strom liefern könnten, grundsätzlich im Widerspruch zum Profitmotiv und zum Marktsystem.“ Warum investieren aber so viele Kapitalisten in die EE?! Warum müssen die EE nach Jahrzehnten immer noch subventioniert werden, wenn sie denn „nahezu kostenlosen Strom liefern“?! Man fragt sich, in welcher Welt die Genossen vom „Funken“ eigentlich leben, wenn sie behaupten, „der Kapitalismus kann nicht geregelt werden. Er kann nicht gezähmt und «grün» gemacht werden.“ Er wird jeden Tag durch den Staat „geregelt“, Öko-Investments gehören zu den am stärksten wachsenden Segmenten der Wirtschaft. Das Problem daran aber ist, dass der Kapitalismus trotz aller „Regelungen“ Kapitalismus bleibt.
Zuzustimmen ist dem „Funken“ aber bei folgender Aussage: „Dem «Konsumismus» und «Wachstum» die Schuld zu geben, ist ein Täuschungsmanöver. Umweltschäden werden nicht durch Industrialisierung oder Wachstum verursacht, sondern durch die Art und Weise, wie die Produktion im Kapitalismus organisiert und kontrolliert wird. Weit davon entfernt, für Effizienz zu sorgen, führt der Wettbewerb und das Profitmotiv zu einem Wettlauf nach unten, der enorme Verschwendung und Verschmutzung verursacht. Konzerne bauen eine Obsoleszenz (beschränkte Lebensdauer) in die Produkte ein, um mehr verkaufen zu können. Eine riesige Werbeindustrie versucht uns zum Kauf von Dingen zu überzeugen, die wir nicht brauchen. (…) Der Schwerpunkt der «Degrowth»-Theorie ist falsch und hemmt die Aktivität. Es muss eine Frage der Produktion sein und wie wir produzieren, nicht des Konsums und der «Konsumentenentscheidungen». Was nützen individualistische Boykotte angesichts der Anarchie und des Chaos des Marktes? Wir brauchen einen rationalen Produktionsplan unter demokratischer Kontrolle über die Wirtschaft, nicht individuelle Boykotte und «ethischen Konsum.“
Auch der Schlussfolgerung des „Funken“ kann zugestimmt werden: Die “Unternehmen und Industrien sollen als Teil eines rationalen, sozialistischen Produktionsplans in gemeines Eigentum überführt und unter demokratische Kontrolle gebracht werden. Nur dann können wir eine nachhaltige Wirtschaft schaffen, in der ein steigender Lebensstandard nicht im Widerspruch zum Schutz des Planeten steht.“ Doch was bedeuten hier „gemeines Eigentum“ und „demokratische Kontrolle“?
Der Funke fordert u.a.: „Große Energiemonopole, fossile Energiekonzerne und Übertragungsnetze verstaatlichen und unter die demokratische Kontrolle der ArbeiterInnen stellen, indem wir unsere Energieversorgung aus den Händen der Profiteure und Ölbarone nehmen. Mit gesellschaftlichem Eigentum könnten wir Masseninvestitionen in erneuerbare Energien tätigen und fossile Brennstoffe ausgliedern, während wir gleichzeitig die Preise für die Verbraucher senken.“
Auch hier begegnet uns v.a. Verwirrung. Zunächst ist Verstaatlichung (ob mit oder ohne Arbeiterkontrolle) kein „gesellschaftliches Eigentum“. Warum wäre sonst auch ein besondere Kontrolle nötig?! Um „gesellschaftliches Eigentum“ würde es sich handeln, wenn die Betriebe den Arbeitern gehören würden (der Belegschaft in Kooperation mit anderen und verbunden mit Organen der Klasse und der Konsumenten). Nun ist eine Verstaatlichung unter Kontrolle der Arbeiter ein Schritt in diese Richtung und unter bestimmten Umständen ein zeitweiliger Kompromiss im Klassenkampf – jedoch nicht das eigentliche Ziel. Die Nichterwähnung der Möglichkeit der Schaffung proletarisch-kollektiv-genossenschaftlichen Eigentums zeigt, dass auch der „Funke“ in der zentralen Eigentumsfrage nur reformistisch oder zentristisch orientiert ist und nicht revolutionär.
Marx´ Position hingegen war ganz klar eine, die das Genossenschaftssystem betont. Dazu hier ein Beleg von vielen: In einer Resolution für die Internationale Arbeiterassoziation (IAA) schrieb Marx 1866 zum Genossenschaftswesen: „Wir anerkennen die Kooperativbewegung als eine der Triebkräfte zur Umwandlung der gegenwärtigen Gesellschaft (sic!), die auf Klassengegensätzen beruht. Ihr großes Verdienst besteht darin, praktisch zu zeigen, dass das bestehende despotische und Armut hervorbringende System der Unterjochung der Arbeit unter das Kapital verdrängt werden kann durch das republikanische und segensreiche System der Assoziation von freien und gleichen Produzenten.“ Und: „Wir empfehlen den Arbeitern, sich eher mit Produktivgenossenschaften als mit Konsumgenossen-schaften zu befassen. Die letzteren berühren nur die Oberfläche des heutigen ökonomischen Systems, die ersteren greifen es in seinen Grundfesten an“.
Die diversen Vorschläge des „Funken“ zur „Ökologisierung“ wiederholen ansonsten meist nur das, was die Grünen fordern, etwa Investitionen in „grüne“ Fahrzeuge und den Ausbau des ÖPNV – ohne die Sinnhaftigkeit und die technische Machbarkeit zu hinterfragen.
Fazit
Obwohl der „Funke“ grundsätzliche Kritik am Kapitalismus übt, den oft fadenscheinigen „Umweltschutz“ hinterfragt und bestimmte Schwächen der „grünen“ Bewegungen benennt, kann man seine Postionen nicht als marxistisch-revolutionär ansehen, sondern als zentristisch. Sie verbinden unwissenschaftliche Dogmen zu Klima und Energie mit reformistischen Konzepten (Verstaatlichung) und einer „allgemeinen“ sozialistischen Orientierung. Dieser Mischmasch ist jedoch nicht nur ungeeignet dazu, ein revolutionäres Potential aufzubauen, er stärkt auch die Illusionen in die links-bürgerliche Ökologie-Bewegung. Damit konterkariert er aber gerade seine sozialistischen Ambitionen.