Die Klima-Hysterie von 2019 als Vorspiel

Vorbemerkung: Dieser Text ist ein Auszug aus einer längeren Arbeit zur Analyse des Imperialismus. Wir veröffentlichen ihn mit freundlicher Genehmigung des Autors. Kleinere Kürzungen sind durch ( … ) gekennzeichnet. Die Redaktion.

Jan Müller

Im Nachhinein ist deutlich zu erkennen, dass die Klima-Hysterie von 2019 Vorspiel und Einstimmung auf den Grundtenor der kommenden Epoche war. Es wurde mit unglaublicher Lautstärke das Narrativ ausgesponnen, dass „wir alle“ zugunsten des Klimas unseren Lebensstandard opfern müssen. Im Nachhinein war deutlich zu erkennen, dass etwas in der Luft lag. Zu wuchtig und aggressiv haben die Medien 2019 für das Klima getrommelt.

Die Umweltbewegung entstand in den 70er Jahren als Reaktion auf reale Probleme. Sie wurde allerdings von einer Fraktion der herrschenden Klasse von Anfang an als Vorwand für die Absenkung des Lebensstandards genutzt. Dafür steht der Club of Rome, dessen Bericht „Die Grenzen des Wachstums“ im Jahr 1972 erschien. Genauso wie beim Siegeszug des Neoliberalismus dauerte es Jahrzehnte, bis sich diese Strategie durchgesetzt hatte. Da mit der „normalen“ Warenproduktion kaum noch Geld zu verdienen ist, wurde es nach der großen Weltwirtschaftskrise von 2007-09 immer attraktiver, die noch beträchtlichen Steuereinkommen der Staaten anzuzapfen und zugleich die Löhne zu senken. Beides leistet des Klimanarrativ. Einerseits können die Kapitalisten Unsummen verdienen beim Umbau der Energieinfrastruktur und andererseits die Arbeiter mit geringeren Löhnen abspeisen, da der Konsumverzicht zugunsten des Klimas alternativlos sei. Die CO2-Steuer ist eine Reallohnsenkung für die breiten Massen. Das eingenommene Geld kann der Staat unter dem Vorwand des Green New Deal an die Oligarchen weiterleiten. (…)

Im Jahr 1990 erschien der erste IPCC-Sachstandsbericht. Seit dieser Zeit ist eine Radikalisierung dieser Berichte, ihrer Forderungen und des Mediendiskurses zu beobachten. Wissenschaftliche Kritiker oder „Flaumacher“ werden immer stärker diskreditiert. Seit den späten 10er Jahren ist eine offene Diskussion zum Klimawandel nicht mehr möglich.

Keine Bevölkerungsgruppe wurde so stark einer klimapolitischen Indoktrination unterworfen wie die Schüler. Das begann bereits Ende der 80er Jahre. Damals ließen die deutschen Kultusbehörden den Anti-Atom-Schocker „Die Wolke“ von Gudrun Pausewang als Pflichtlektüre in die Deutsch-Lehrpläne der Mittelstufe aufnehmen. Dieses literarisch unbedeutende Stück Fiktion beschreibt in völlig übertriebener Form die Folgen eines Supergaus im Kernkraftwerk Grafenrheinfeld. So fielen angeblich den Menschen, die 100 Kilometer (!) vom Reaktor entfernt lebten, die Haare aus, sie mussten erbrechen und sie konnten kaum noch laufen. Solche Erscheinungen der Strahlenkrankheit erlitten nach Tschernobyl aber nur ganz wenige Liquidatoren, die sich unmittelbar am zerstörten Reaktorkern aufhielten. (…) Außerdem ist der beschriebene Unfall in einem Druckwasserreaktor wie Grafenrheinfeld rein physikalisch undenkbar. Aber wenn solche Kritik geäußert wird, ziehen sich die Kultusbehörden auf den Standpunkt zurück, dass es sich nur um eine Fiktion, einen Roman handele. Dennoch wird der fiktive Supergau im Unterricht als realistisches Szenario porträtiert. ¹

Auf diese Weise wurde ganzen Generationen von Schülern die Kernenergie als hocheffektive CO2-freie Energiequelle madig gemacht. Um auch nur zu verstehen, wie Kernkraftwerke funktionieren und wie wenig realistisch Pausewangs Szenario ist, wäre ein profundes kernphysikalisches Wissen notwendig. Ein solches konnten die Kinder aber allein deshalb nicht erwerben, weil der naturwissenschaftliche Unterricht nach 1989 bewusst heruntergefahren wurde.

Nach diesem Muster sind in der Folgezeit zahlreiche weitere Umweltkampagnen in der Schule gefahren worden. So betrachtet eine Schülerin namens Ilka in einem Gedicht die Menschen als tödliches Virus, das die Erde befallen habe. Vernichtungsphantasien gegenüber 99% der Menschheit sind auch hier vorhanden.

Unsere Erde

Der Planet ist noch jung

Doch kippt er uns bald um.

Dieser Planet stirbt in kurzer Zeit,

denn er trägt ein Virenkleid.

Dieser Virus, die Weltbevölkerung,

bringt den Planeten um.

Atombomben, Waldrodung und CO2

wirkt bei ihm wie bei uns Blei.

Wenn nicht bald das Armageddon naht,

verbreitet sich der Mensch, die tödliche Saat.  ²

Kinder und Jugendliche wurden in der Schule schon seit Jahren mit apokalyptischen Meldungen zum Thema Klima bombardiert. Es werden richtiggehend Todesängste geschürt. ³ Geradezu penetrant findet sich in unzähligen Unterrichtsmaterialien die Aufforderung, zur Rettung des Klimas selbst aktiv zu werden. Auf der Grundlage einer immer emotionaler werdenden Medienberichterstattung zu Klimathemen bastelt die globale Elite schon seit Jahren an einer Jugendklimabewegung. Im Jahr 2007 war Felix Finkbeiner als Ur-Greta vorgesehen. Aber die geplante Bewegung zündete nicht. Im Jahr 2015 sollte Louis Motaal zur Ikone der Klimabewegung werden. Aber auch 8 Jahre später tat sich noch nichts. Im Hintergrund standen verschiedene transatlantische Stiftungen wie der Club of Rome und der German Marshall Funds oft the United States. ⁴

Offenbar wollte man 2018/19 nichts mehr dem Zufall überlassen. Am 20. August 2018 erregte ein Foto, das auf Twitter ⁵ gepostet wurde, weltweite Medienaufmerksamkeit. Angeblich war der Unternehmer und Klimaaktivist Ingmar Rhentzhog rein zufällig am schwedischen Parlament vorbei gekommen und hat dieses Bild aufgenommen. Es zeigte die 15jährige Schülerin Greta Thunberg bei ihrem ersten Klimastreik. Gegen die offizielle Legende spricht aber die Tatsache, dass das Bild exakt durchkomponiert ist (horizontale und vertikale Linien, leichte stürzende Linien, Goldener Schnitt etc.). Durch die Weitwinkelperspektive und die Tatsache, dass Greta allein auf dem Bild zu sehen ist, soll Mitleid mit dem „einsamen Mädchen“ ausgelöst werden.

Rhentzog besitzt die Firma We don’t have Time, die in den Bereichen grüne Soziale Netzwerke, Werbung und Handel mit Klimakompensationen, also modernen Ablassbriefen, aktiv ist. Die bekannten Fotos von Greta machte denn auch nicht Rhentzhog selbst, sondern Mårten Thorslund, Chief Marketing Officer von We don’t have Time. Die Postings erfolgten auch von den jeweiligen We don’t have Time-Accounts. Nach den Facebook- und Twitter-Postings berichteten umgehend 6 nationale Tageszeitungen und zwei TV-Sender über Gretas Schulstreik. ⁶

Ihren Durchbruch schaffte Greta Thunberg bei Auftritten auf der UN-Klimakonferenz in Kattowitz Ende 2018 und dem World Economic Forum Anfang 2019. Die Medien haben erfolgreich die Heldengeschichte vom armen kleinen Mädchen verkauft, das alleine angefangen hat, zu protestieren – angeblich „überhaupt nicht strategisch, sondern sehr authentisch“. Durch diese massive Berichterstattung wurde Greta zur Ikone der Klimabewegung. Obwohl sie außer emotionalen Appellen nichts zum Thema zu sagen hatte.

Davon abgesehen stimmte diesmal alles: Das Geschlecht, das Aussehen, das Alter, die Herkunft und die Geschichte. Offensichtlich kam Greta auch deshalb bei vielen Menschen so gut an, weil sie für ihr Alter sehr kindlich aussah und damit das Kindchenschema aktiviert wurde. Mit Gretas Herkunftsland Schweden werden ausschließlich positive Assoziationen verbunden: Astrid Lindgren, freie, selbstbewusste Kinder, Bullerbü, saubere Natur, ein starker Sozialstaat. Diese wurden dann auf ihr Anliegen übertragen. Man stelle sich nur mal vor, dieses Mädchen käme aus Russland oder selbst aus Rumänien. Das würde nicht funktionieren. Mit Russland verband der Mainstream bereits 2018 die finstere „Putin-Diktatur“, mit Rumänien Korruption und Rückständigkeit. Auch das Narrativ wurde geschickt gewählt, denn de facto wird das allen Menschen bekannte Märchen vom Aschenputtel nacherzählt. Das ist alles so perfekt, dass an eine generalstabsmäßige Planung zu denken ist. ⁷

Anfang 2019 begannen nach Gretas Auftritt in Davos jeden Freitag urplötzlich Klimademonstrationen von Schülern. Offenbar ist die hierfür notwendige Infrastruktur wie Webseiten, Chatgruppen, Spendenkonten, Logos und Materialien in kürzester Frist aus dem Boden gestampft worden. Oder sie war bereits da. Tatsächlich waren die führenden Kader dieser Bewegung keineswegs naive Schüler, sondern geschulte Aktivisten. Luisa Neubauer, Carla Reemtsma, Jakob Blasel und Louis Motaal zum Beispiel waren schon seit Jahren in der neoliberalen Partei „Die Grünen“, bei Greenpeace oder dem BUND aktiv. Luisa Neubauer und Carla Reemtsma sind nach Recherchen von Sputnik Jugendbotschafterinnen der One-Foundation, welche wiederum teilweise von der Open-Society-Foundation des Georges Soros finanziert wird. ⁸

Diese Demonstrationen fanden nicht nur in Deutschland und Österreich statt, sondern quasi weltweit. Deshalb nannte sich die Bewegung auf Englisch Fridays for Future. Allerdings waren die Demos in Deutschland, dem von Greenpeace-Aussteiger Patrick Moore wegen dessen ökologischem Fanatismus so genannten „Herz der Finsternis“ am größten und dauerten am längsten. Während sich in den meisten anderen Ländern die Demonstrationen hauptsächlich auf das Frühjahr 2019 konzentrierten und dann abflauten, dauerten sie in Deutschland das ganze Jahr über an und erreichten ihren Höhepunkt erst im September.

Hierzu trugen auch die Medien ganz wesentlich bei. Denn gemessen an der medialen Berichterstattung waren die Demonstrationen verhältnismäßig klein. An den Klima-Demonstrationen am 19. März 2019 nahmen zum Beispiel in Berlin 22.000 und in Bremen 5.000 Menschen teil. Dennoch beanspruchten sie den größten Teil der Fernsehnachrichtensendungen dieses Tages. Die ARD produzierte sogar Werbefilme für die Demonstrationen auf Facebook, wo die Menschen aufgefordert wurden, an ihnen teilzunehmen. Die Demos gegen den Irakkrieg 2003, die Montagsdemonstrationen gegen Hartz IV 2004, die Demos gegen die G20 in Hamburg 2017 und erst recht die Demo gegen das Transatlantische Freihandelsabkommen TTIP im Jahr 2015 mit mehr als 200.000 Teilnehmern waren sehr viel größer, aber sie bekamen nur einen Bruchteil der Medienaufmerksamkeit. Bei der Anti-TTIP-Demo 2015 waren die Medien geradezu beflissen bemüht, diese vollständig auszublenden.

65,3% der demonstrieren Schüler gehörten der „Oberschicht“ oder der „Oberen Mittelschicht“, nur 7,1% der Arbeiterklasse an. Migranten waren weitaus geringer in der Bewegung vertreten als in der Gesamtgesellschaft. Die Bewegung war also nicht „divers“, sondern sehr weiß. 60% der Teilnehmer an den Demonstrationen waren weiblich. ⁹ Letzteres kann nicht überraschen, haben doch die Frauen den Neoliberalismus von Anfang an stärker unterstützt als die Männer. Denn er brachte zwar der Gesamtgesellschaft massive Lohnsenkungen, aber davon waren insbesondere die Männer in ihrem Normalarbeitsverhältnis betroffen.

Die soziale Schlagseite dieser Bewegung zeigt sich auch in ihren Führungspersönlichkeiten. Mit Luisa Neubauer und Carla Reemtsma kommen zwei wichtige Protagonisten – übrigens Cousinen – aus dem superreichen Reemtsma-Clan. Neubauer wird ein Vermögen von mindestens 2,6 Millionen Euro zugeschrieben. ¹⁰

Sarah Wagenknecht: „Es war eine Bewegung der Bessergestellten, die sich auf Gymnasien und Universitäten konzentrierte, aber an Haupt-, Real und Berufsschulen kaum stattfand.“ ¹¹ Akademikerkinder blieben unter sich, wie ein Teilnehmer feststellte. ¹²

Die Kälte und Gleichgültigkeit der Angehörigen dieser Bewegung gegenüber den Existenzängsten der weniger privilegierten Teile der Bevölkerung hat dem Klimaschutz insgesamt sehr geschadet. So etwa Äußerungen, dass der kleinliche Kampf um Arbeitsplätze und Lebensstandard zurückstehen muss, wenn es um die Zukunft des Planeten geht. Die hypersensible Rücksichtnahme in Sprachfragen hindert die Linksneoliberalen nicht daran, das Feindbild der Boomer, der „weißen, alten Männer“, der zwischen 1945 und 1970 geborenen, ganz offensiv zu pflegen. So wird eine ganze Generation für den Klimawandel verantwortlich gemacht, völlig egal, ob es sich um einen Kapitalisten handelt, der mit dem Privatjet um die Welt düst oder um einen einfachen Arbeiter. ¹³

In den Medien wurden 2019 richtiggehende Kampagnen gegen weiße alte Männer gefahren. So forderte die taz demagogisch, dass Menschen über 60 ihr Wahlrecht verlieren sollen. ¹⁴ Ein Kinderchor des WDR sang Anfang 2020 eine umgedichtete Version des Nonsens-Liedes „Meine Oma fährt im Hühnerstall Motorrad“. Dort heißt es: „Meine Oma ist ne alte Umweltsau.“ Der Autor dieser Umdichtung schmähte alle Kritiker dieses Liedes als Nazis. Nur zwei Monate später verlangten dieselben Medien, dass „wir alle“ unsere Freiheiten zum Schutz der „vulnerablen Bevölkerungsgruppen“ also der „alten Umweltsäue“ aufzugeben hätten. Hieran zeigt sich eindeutig, dass es den medialen Hetzern nur darum ging, verschiedene Bevölkerungsgruppen im Interesse der Herrschenden gegeneinander aufzubringen.

Nur 4% der Teilnehmer waren in politischen Parteien, weitere 4% in Jugendorganisationen der Umweltschutzverbände aktiv. Das bedeutet freilich nicht, dass die Fridays for Future-Bewegung spontan war. Ganz im Gegenteil machte es die politische Unerfahrenheit der ökologisch indoktrinierten Jugendlichen umso einfacher, diese in neoliberales Fahrwasser zu steuern. 63% der DemonstrationsteilnehmerInnen unterstützen politisch die Grünen, 12% die Linken. Die anderen Parteien spielten keine Rolle. 15

Spätestens als die Fridays for Future-Bewegung am 8. April 2019 ihre Forderungen aufstellte, war klar, dass es sich um eine neoliberale, reaktionäre Bewegung handelte, die sich frontal gegen die Interessen der weniger privilegierten Bevölkerungsteile richtet. Hauptforderung war nämlich die Einführung einer CO2-Steuer von 180 Euro pro ausgestoßener Tonne CO2. Desweiteren:

  • Nettonull 2035 erreichen;
  • Kohleausstieg bis 2030;
  • 1/4 der Kohlekraftwerke sofort abschalten;
  • 100% erneuerbare Energieversorgung bis 2035 16

Was hier bewusst sehr abstrakt formuliert wurde, bedeutet nichts anderes als den totalen Um- bzw. Abbau der Industriegesellschaft innerhalb von 15 Jahren. Die Reste des Massenwohlstandes der Nachkriegszeit sollen also auch noch liquidiert werden.

Kohle- und Kernkraftwerke sollten abgeschaltet und die Energieinfrastruktur für Billionen Euros auf Photovoltaik und Windkraft umgestellt werden, die weitaus weniger leistungsfähig sind. Anna Veronika Wendland bewertet diese Forderungen wie folgt: „Die Erneuerbaren stoßen bei der Bewältigung einer solchen Aufgabe [100% der Energieversorgung zu übernehmen] nach heutigem wissenschaftlichen Ermessen an ihre physikalisch-technischen Grenzen. Es steht also zu befürchten, dass sich dann eben die Menschen an die von ihrer Regierung gewählten unzureichenden technischen Mittel, in diesem Fall eine Energiewandlung niedriger Dichte anzupassen haben, ähnlich der unserer Vorfahren.“ 17

Diese Probleme werden von den Parteistiftungen durchaus gesehen. Damit 100% Erneuerbare funktioniert, muss der Stromverbrauch nach einer Studie der Heinrich-Böll-Stiftung bis 2050 um 40% abgesenkt werden. Da vom Rest auch noch die Ladeinfrastruktur der Elektroautos der Wohlhabenden und die industrielle Energieproduktion abgehen, die auch noch auf elektrischen Strom umgestellt werden soll, bleibt für die einfache Bevölkerung nicht mehr viel übrig. Unter diesen Umständen wird sich der jetzige Lebensstandard nicht halten lassen. 18

Nach einer Studie der Rosa-Luxemburg-Stiftung kann der grüne Kapitalismus kein Wohlfahrtsstaat mehr sein. Höhere Löhne müssten erkämpft werden, aber die Fähigkeit der Arbeiter, dies zu tun, ist gering. Allerdings kennen aufgrund des ökologischen Umbaus die Kosten für Energie und Lebensmittel nur eine Richtung – und zwar nach oben. Da können die Löhne nicht mehr mithalten, es entsteht also eine Reproduktionslücke. Der Wert der Ware Arbeitskraft wird abgesenkt.

Auf kurze Sicht werden steigende Reproduktionskosten bei stabilen oder sinkenden Reallöhnen zu gesellschaftlicher Unzufriedenheit oder sogar zu den oft diskutierten „Unruhen“ führen. Der Staat reagiert darauf mit Repression und verwandelt sich in einen autoritären Maßnahmenstaat. Die Rolle des grün-kapitalistischen Staates gegenüber Arbeitern und anderen subalternen Gruppen wird vor allem darin bestehen, ihren Ausschluss von bestimmten Formen des „exzessiven“ Konsums zu organisieren: Von Luxusnahrungsmitteln über Klimaanlagen bis hin zu Fernreisen. „Um diese Rolle effektiv spielen zu können, wird der Staat zunehmen autoritär werden müssen, was wiederum durch die steigende Verfügbarkeit von Mitteln zur sozialen Kontrolle im biopolitischen Versuch, unseren Konsum zu regulieren, ermöglicht werden wird.“ 19

Angehörige der gehobenen Mittelklasse werden von dieser Entwicklung hellauf begeistert sein: Die grüne Einschränkung des Konsums der Unterschichten wird es den Mittelklassen erlauben, weiterhin so zu konsumieren, wie sie es gewohnt sind, gegebenenfalls legitimiert durch den Kauf nahezu nutzloser ökologischer Ablassbriefe. 20

Was Kaufmann und Müller erst für 2050 vorhergesehen haben kann dank des Ukrainekrieges schon im Winter 2023/24 zur düsteren Realität werden: „Die Bundesregierung sieht sich gezwungen, bei der Europäischen Energieagentur in Brüssel eine Vergrößerung des deutschen Energiebudgets noch im laufenden Zuteilungsjahr einzufordern. Erkältungswellen und Grippeepidemien als Folgen der durch die Energie- und Wärmerationalisierungen verursachten unzureichenden Heizmöglichkeiten in deutschen Haushalten bei gleichzeitig eisigen Außentemperaturen sowie der für die Mehrheit der Bevölkerung kaum mehr erschwingliche Kraftfahrzeugverkehr haben zur massiven Unzufriedenheit in weiten Teilen Deutschland[s] geführt.“ 21

Man kann die Verkommenheit der Linkspartei ermessen, wenn sie trotz dieser seit 2009 (!) bekannten und absehbaren Folgen für ihre Kernklientel die neoliberale Jugendklimabewegung devot lobhudelte und seitdem von einer sozial-ökologischen Wende als ihrem Endziel spricht.

Aber auch alle angeblich noch radikaleren linken Gruppen unterstützten ungeachtet dieser Folgen die neoliberale Klimabewegung. Das reichte von der DKP über trotzkistische Gruppen wie die ISO und Marx21 bis hin zur MLPD und der KPD. Auch die angeblich marxistische Tageszeitung junge Welt trommelte für Fridays for Future. Die gleichen Kräfte unterstützten auch die Corona-Hysterie und zum großen Teil sogar den Krieg des Westens gegen Russland. Nach Ansicht von Dagmar Henn ist die Streubreite hier viel zu gering, wenn es eine natürliche Entwicklung wäre. Vielmehr ist anzunehmen, dass alle diese Organisationen von westlichen Geheimdiensten durchsetzt und gesteuert sind. 22

Die Funktion von Rezos sehr bekanntem YouTube-Video Die Zerstörung der CDU 23 vom 18. Mai 2019 war es, die Klimaproteste in einen Wahlsieg der Grünen bei den in wenigen Tagen stattfindenden Europawahlen umzumünzen. Das ist auch hervorragend gelungen. Die Grünen konnten ihren Stimmenanteil von 10,7% 2014 auf 20,5% am 26. Mai 2019 glatt verdoppeln und haben damit die Wahl gewonnen. Seit dieser Zeit halten sich die Grünen bei Wahlen und Umfragen etwa bei dieser Marke. Im Kern ging es bei Rezo um das Klima-Thema. Alles was er sonst noch gesagt hat, waren „Schluckhilfen“ (Gerhard Wisniewski).

Im Sommer 2019 wurden massenhaft Klimanotstände ausgerufen. Das war nur rein symbolisch gemeint – heißt es. Ganz stimmt das aber nicht. In einer Mittelstadt forderten Klimaliste und Linke, dass die Stadt nach der Ausrufung des Klimanotstandes das große Sommerfest nicht mehr ausrichten sollte – immerhin stoßen die Autos der am Fest teilnehmenden Gäste bei der Hin- und Rückfahrt CO2 aus. Damals lehnte der Oberbürgermeister dieses Ansinnen noch ab, obwohl er von den Medien mächtig Druck bekam. In den Folgejahren fand dieses Fest wegen Corona dann aber doch nicht mehr statt. In Hamburg wollte die Linksfraktion das Amt des Ersten Bürgermeisters mit dem des Umweltsenators zusammenlegen und ihm Sondervollmachten verleihen. Er sollte jeden Beschluss der Bürgerschaft aufheben dürfen, wenn durch seine Ausführung CO2 emittiert wird. Darunter fallen zum Beispiel auch Beschlüsse zum Neubau von Sozialwohnungen. 24 Soweit wollten damals selbst die Grünen noch nicht gehen. Aber das ändert nichts daran, dass wichtige Exponenten der Klimabewegung wie Luisa Neubauer die Demokratie ablehnen und das nicht erst 2022.

Die Ausrufung von Klimanotständen, von der lokalen bis zur EU-Ebene, war wohl vor allem als Testballon gedacht, ob das Bürgertum eine autoritäre Herrschaft goutieren würde. Leider hat es den Test bravourös bestanden. Wahrnehmbare Proteste gab es nicht.

Die Klimabewegung war also keineswegs eine breite Volksbewegung, sondern eine Bewegung aus dem oberen Drittel der Gesellschaft. Es schien aber so, als hätte die neoliberale Klimabewegung zumindest am 20. September 2019 mit dem so genannten Klimastreik ihre schmale soziale Basis ausweiten können, denn nach Medienangaben haben an diesem Tag 1,4 Millionen Menschen in der Bundesrepublik demonstriert, 2,7 Millionen weltweit. Das war eines der größten Demonstrationsereignisse in der BRD überhaupt. Allein in Berlin, der Hauptstadt der Bewegung, sollen zwischen 100.000 und 270.000 Menschen demonstriert haben.

Nach Aussagen von Beobachtern waren unter den Demonstranten etwa 30% Schüler und 70% Erwachsene. Diese riesige Demonstration ist erst dadurch zustande gekommen, weil viele Betriebe ihrer Belegschaft frei gegeben hatten, damit sie an den Demonstrationen teilnehmen konnten. Darunter befanden sich Netzwerkfirmen mit besonders miesen Arbeitsbedingungen wie Amazon, Zalando und Flixbus. Einige der 2.800 Kapitalisten der Entrepreneurs for Future haben an diesem Tag ihre Firmen geschlossen und ihre Belegschaften zur Demo geschickt. Der Begriff Klimastreik passt da eher nicht. Es handelte sich vielmehr um eine Klimaaussperrung. Auch die Berliner Stadtverwaltung hat am 20. September ihre Arbeit eingestellt und ihre Mitarbeiter ebenfalls zur Demo geschickt. Dadurch bestand für die Beschäftigten zumindest ein starker sozialer Druck, an diesen Demonstrationen teilzunehmen. Auch viele Schulen haben die Teilnahme an der Demo zur Pflichtveranstaltung erklärt. Von einer Freiwilligkeit konnte da kaum mehr die Rede sein. Solche Praktiken hat es in der BRD seit den 50er Jahren nicht mehr gegeben. Damals hatte der Westberliner Senat mehrfach antikommunistische Hetzveranstaltungen organisiert, zu denen 100.000sende Menschen herangekarrt wurden.

Richtig ist aber auch, dass sich die Menschen nicht gegen diese Zumutungen gewehrt haben und sich von der hysterischen und euphorischen Stimmung auf diesen Demos haben mitreißen lassen. 25
Im Anschluss an die Großdemonstration hat die Bundesregierung die CO2-Steuer beschlossen und damit die Lebensverhältnisse der breiten Massen weiter verschlechtert. Die Arbeiter und Angestellten haben also am 20. September 2019 gegen ihre eigenen Interessen demonstriert.

1 Vgl. Fabian Herrmann: Atomhörnchen liest »Die Wolke« – offener Brief an Gudrun Pausewang, Nuklearia, 20.08.2016, im Internet: https://nuklearia.de/2016/08/20/die-wolke-gudrun-pausewang/, abgerufen am 22.02.2023

2 Dirk Maxeiner / Michael Miersch: Alles Grün und gut?, München 2014, S. 310

3 Vgl. Andreas Peter: Wenn Verschwörungstheorien wahr werden – Heute: Greta und die Fridays for Future – Teil 1, Sputnik, 08.06.2019, im Internet: https://de.sputniknews.com/gesellschaft/20190608325170151-greta-thunberg-fridays-for-future-teil-1/, Seite wegen der EU-Zensur nicht mehr verfügbar. Gespeichert bei Archive.is

4 Vgl. Michael Krüger: Das Geschäftsmodell Fridays for Future der Plant for the Planet Foundation des Club of Rome, Science Sceptical Blog, 26.04.2019, im Internet: http://www.science-skeptical.de/klimawandel/das-geschaeftsmodell-fridays-for-future-der-plant-for-the-plantet-foundation-des-club-of-rome/0017914/, Seite nicht mehr verfügbar. Gespeichert bei Archive.is.

5 Originaltweet von Gretas erstem Schulstreik: https://twitter.com/WeDontHaveTime/status/1031657287763599365, abgerufen am 05.03.2022

6 Vgl. Cory Morningstar: The Manufacturing of Greta Thunberg – for Consent: The Political Economy of the Non-Profit Industrial Complex [ACT I], Wrong Kind of Green, 17.01.2019, im Internet: https://www.wrongkindofgreen.org/2019/01/17/the-manufacturing-of-greta-thunberg-for-consent-the-political-economy-of-the-non-profit-industrial-complex/, abgerufen am 22.02.2023.

7 Vgl. Thomas Röper: Der neue Eiserne Vorhang und das Ende des Wohlstandes im Westen, 22.07.2022, Anti-Spiegel, im Internet: https://www.anti-spiegel.ru/2022/der-neue-eiserne-vorhang-und-das-ende-des-wohlstandes-im-westen/, abgerufen am 22.02.2023.

8 Vgl. Peter, 08.06.2019, a.a.O., Andreas Peter: Wenn Verschwörungstheorien wahr werden – Heute: Greta und die Fridays for Future – Teil 2, Sputnik, 09.06.2019, im Internet: https://de.sputniknews.com/gesellschaft/20190608325170151-greta-thunberg-fridays-for-future-teil-2/, Seite wegen der EU-Zensur nicht mehr verfügbar.

9 Moritz Sommer, Dieter Rucht, Sebastian Haunss, Sabrina Zajak: Fridays for Future, ipb working paper 2/2019, im Internet: https://protestinstitut.eu/ein-jahr-fridays-for-future-studie/, abgerufen am 22.02.2023, S. 11ff.

10 Valentin Müller: Luisa Neubauer: Familie und Ausbildung der »deutschen Greta«, Focus, 31.01.2023, im Internet: https://praxistipps.focus.de/luisa-neubauer-familie-und-ausbildung-der-deutschen-greta_114883, abgerufen am 22.02.2023. Inzwischen berichtet auch der Mainstream. Noch 2019 wurde der Autor dieser Zeilen von »Linken« massiv angegriffen, als er bezweifelte, dass Neubauer ausschließlich von einem 400-Euro-Stipendium der Studienstiftung des deutschen Volkes leben würde.

11 Sahra Wagenknecht: Die Selbstgerechten, Frankfurt am Main 2021, E-Book, Kapitel Exklusives Milieu

12 Vgl. Wagenknecht 2021, a.a.O., Kapitel Exklusives Milieu

13 Vgl. Jan Müller: Warum hat die Linke in der Coronakrise versagt?, in Autorenkollektiv: Dark Winter, 2021, S. 254, im Internet: https://magma-magazin.su/broschueren/dark-winter-analysen-zum-corona-kapitalismus/, abgerufen am 22.02.2023.

14 Vgl. Johanna Roth: Rentner, gebt das Wahlrecht ab!, taz, 01.06.2019, im Internet: https://taz.de/Kolumne-Der-rote-Faden/!5597166/, abgerufen am 22.02.2023.

15 Sommer, ipb working paper 2/2019, a.a.O., S. 33.

16 Fridays for Future: Unsere Forderungen an die Politik, im Internet: https://fridaysforfuture.de/forderungen/, abgerufen am 22.02.2023

17 Anna Veronika Wendland: Ökodiktatur und Ökomodernismus, 06.02.2019, Salonkolumnisten, im Internet: https://www.salonkolumnisten.com/oekodiktatur-und-oekomoderne/, abgerufen am 22.02.2023

18 Vgl. Sean Sweeney: Another Energy is possible, Heinrich Böll Stiftung Publication Series Ökologie 44.2, 2018, im Internet: https://www.boell.de/sites/default/files/radical_realism_for_climate_justice_volume_44_2.pdf, abgerufen am 22.02.2023.

19 Stephan Kaufmann und Tadzio Müller: Grüner Kapitalismus, Berlin 2009, S. 177, im Internet: https://www.rosalux.de/fileadmin/rls_uploads/pdfs/Reihe_21/R21GruenerKapitalismus.pdf, abgerufen am 22.02.2023.

20 Kaufmann, Müller 2009, a.a.O., S. 179

21 Kaufmann, Müller 2009, a.a.O., S. 177

22 Vgl. Dagmar Henn: Alle für die NATO oder was die Linke im Westen zerstörte, 20.10.2022, im Internet: https://deutsch.rt.com/meinung/152128-alle-fur-nato-oder-was/https://deutsch.rt.com/meinung/152128-alle-fur-nato-oder-was/, abgerufen am 22.02.2023.

23 Vgl. Rezo: Die Zerstörung der CDU, 18.05.2019, im Internet: https://www.youtube.com/watch?v=4Y1lZQsyuSQ, abgerufen am 22.02.2023.

24 Vgl. Aufbruch mit Gegenwind, 15.08.2019, Die Zeit, im Internet: https://www.zeit.de/hamburg/2019-08/fridays-for-future-aktivismus-hamburg-rathaus-forderungen/komplettansicht?print, abgerufen am 22.02.2023.

25 Vgl. Andreas Kopitz: Globaler Klimastreik am 20.9.2019 In Berlin: Immer mehr Unterstützer von Fridays for Future, 13.09.2019, Berliner Zeitung, im Internet: https://www.berliner-zeitung.de/wissen/klimawandel/grosse-demo-in-berlin-diese-unternehmen-ermutigen-ihre-mitarbeiter-zum-klimastreik-33161246, Meldung nicht mehr verfügbar.

Ein Gedanke zu „Die Klima-Hysterie von 2019 als Vorspiel“

  1. Meines Erachtens schätzt Müller die Wirkung des Buches von Kaufmann/Müller falsch ein. Tatsächlich war seine Verbreitung gerade in der Antifabewegung damals sehr auffällig, da sich dieses Milieu bis dato wenig mit „grünen“ Themen beschäftigt hatte. Seminare, die das Buch als Grundlage benutzen, ließen sich noch heute im Umfeld von Juzen und AZ´s finden. Es scheint (und schien) mir eher so, dass es sehr gut geeignet war, junge Linke auf „kritische“ Weise von ihrer als nicht mehr wünschenswerten erachteten Beschäftigung mit Faschismustheorien abzbringen und sie auf die im Erscheinungsjahr des Buches 2009 von der Obama-Regierung ausgegebenen Losung von der Green Economy einzuschwören.

    https://www.theguardian.com/world/2009/feb/25/barack-obama-green-economy-environment

    Ob dies in der Intention der Autoren lag, sei dahingestellt – und es ist hier nicht geboten auf die persönlichen Verwicklungen in der Berliner marxistischen Szene Ende der Nuller angesichts der verlockenden Angebote der RL-Stiftung einzugehen.

    Immerhin bleibt das Buch lesenswert, da es selbst einen wichtigen Schnittpunkt der deutschen und us-amerikanischen Diskurse darstellt. Nicht aber für ihre Ignoranz wäre die PdL gegenüber solchen Veröffentlichungen zu tadeln, sondern für die diskursstrategische Verwendung, die sie für sie findet.

    Das zur Warnung.

    https://www.rosalux.de/publikation/id/4328/gruener-kapitalismus

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