Hannah Behrendt
Das zentrale Problem der antikapitalistischen Linken nicht nur hierzulande ist deren numerische Schwäche und deren Zersplitterung. Beides ist Resultat grundlegender programmatischer Defizite, die sich über viele Jahrzehnte angehäuft und schon früher für schwerste historische Niederlagen der Arbeiterbewegung gesorgt haben. Die Misere betrifft auch nicht nur die „radikale Linke“, sondern äußert sich auch in einem niedrigen Klassenbewusstsein des Proletariats.
Die Initiative Aufruhrgebiet hat sich deshalb der Aufgabe verschrieben, den politischen und organisatorischen Erneuerungsprozess der „radikalen Linken“ voranzutreiben. Das bedeutet: mehr Diskussionen zwischen linken Organisationen und engere praktische Kooperation. Wir kritisieren seit Jahren das Sektierertum und die diversen Anpassungen an „links“-bürgerliche, v.a. „grüne“ Ideologien und Bewegungen und das fatale Fehlen an Bereitschaft, die Grundlagen des jeweiligen Ismus historisch-kritisch zu überprüfen. Umso angenehmer ist es, wenn wir hier auf Entwicklungen eingehen können, die zeigen, wie die (subjektiv) revolutionäre Linke aus ihrer selbstverschuldeten Unmündigkeit und Handlungsschwäche herauskommen kann.
Wir haben empfohlen, bei der Bundestagswahl ungültig zu wählen (hier). Bei Redaktionsschluss war uns die Kandidatur eines Genossen der trotzkistischen „Spartakist Arbeiterpartei Deutschlands“ (SpAD) noch nicht bekannt und taucht darin deshalb nicht auf. Gleichwohl halten wir diese Kandidatur in Hamburg-Wandsbeck für korrekt und unterstützenswert. Warum? Der Kandidat der SpAD, Toralf Endruweit, ist Arbeiter im Hamburger Hafen. Er ist im „Komitee von Hafenarbeitern für eine kämpferische ver.di“ aktiv (she. dazu hier). Dieses Komitee war u.a. im Kampf gegen die Hafenprivatisierung und den MSC-Deal aktiv. Toralf kandidiert auf der „Internationalistischen Liste“, die v.a. von der MLPD getragen wird.
Taktik des Arbeiterkandidaten
Diese Kandidatur ist für uns ein Beispiel für eine Arbeiterkandidatur, die unterstützt werden kann, auch wenn die Organisation(en), hier die SpAD und die MLPD, aufgrund ihrer mangelhaften Programmatik und der fehlenden relevanten Verankerung in der Klasse ansonsten nicht bei Wahlen unterstützt werden können. Die Taktik des Arbeiterkandidaten begründet sich damit, dass dieser eine Verankerung in einem kämpferisch-oppositionellen Milieu der Lohnabhängigen hat und die Kandidatur diesen Kampf popularisieren kann.
Dieses gute Beispiel ist mit einer zweiten positiven Aktivität verbunden. Am 18. Januar 25 fand in Berlin eine Diskussion zum Thema China und der zentralen Frage statt, welchen Klassencharakter China hat, ob es eine kapitalistisch-imperialistische Macht ist oder nicht. Das Podium stellten die SpAD, die stalinistische MLPD und die trotzkistische RCIT. Allein diese Konstellation ist bemerkenswert, weil es alles andere als üblich ist, dass Trotzkisten und Stalinisten/Maoisten miteinander reden. Zudem hatte die SpAD zwei Diskutanten zur Seite, die eine komplett andere Position vertraten als sie selbst. Die Diskussion verlief – wer hätte das gedacht? – kontrovers, aber sehr sachlich. Aufruhrgebiet war mit einem Diskussionsbeitrag dabei. Natürlich betrachten auch wir China als imperialistische Macht und nicht wie die SpAD als deformierten Arbeiterstaat.
Doch darum geht es hier nicht. Es geht darum, dass Veranstaltungen wie diese notwendig sind, um die sektiererische politische Begrenzung der Organisationen der „radikalen Linken“ aufzubrechen. Diese besteht z.T. daraus, dass man Positionen anderer Gruppen und Strömungen, ja oft sogar der eigenen, gar nicht kennt und sich in seinem ideologischen Glashaus im Besitz der Wahrheit wähnt.
Veranstaltungen wie diese und die Kandidatur in Hamburg sind Beispiele dafür, wie wir uns aus der Krise herausarbeiten können!