ABC des Marxismus Teil II: Was bedeutet Eigentum?

Es gibt verschiedene Formen von Eigentum. Persönliches Eigentum bezeichnet Dinge, welche für die private Lebensführung nötig sind (Kleidung, Möbel, Wohnung, Auto). Es gibt Kollektiveigentum (z.B. Genossenschaften) und es gibt Staatseigentum (z.B. kommunale Einrichtungen oder Unternehmen in der Hand des Zentralstaats).

Wenn MarxistInnen vom Eigentum sprechen, meinen sie damit in der Regel jedoch das Privateigentum an Produktionsmitteln (PM). Was sind PM im Kapitalismus? Die kapitalistische Produktion dient der Erzeugung von Gewinn (Profit) für die Eigentümer der PM. Da Profit letztlich aus der Ausbeutung von Lohnarbeit erfolgt, sind PM jene Mittel, die das ermöglichen. Niemand aber kann wirklich reich werden, wenn er nur ein oder zwei ArbeiterInnen ausbeutet. Er muss dazu eine größere Zahl von Lohnabhängigen beschäftigen. Als PM gelten im Kapitalismus also jene Mittel, welche die Ausbeutung vieler LohnarbeiterInnen ermöglichen. Ein einzelnes Taxi macht niemand reich, der Besitz eines Taxiunternehmens mit 100 Fahrzeugen dagegen schon. Mit kapitalistischen PM sind also Betriebe, Banken, Handelsunternehmen, große Fonds oder Aktienpakete gemeint.

Wer die großen PM besitzt, bestimmt nicht nur die Wirtschaft, sondern hat die Mittel und den Einfluss, die Geschicke der gesamten Gesellschaft zu lenken. Der Redakteur einer Zeitung hat Einfluss auf den Inhalt seines Artikels, der Eigentümer der Zeitung jedoch hat entscheidenden Einfluss auf die Ausrichtung der gesamten Zeitung.

Die Eigentumsfrage, d.h. die Frage, wem die PM gehören, welche Eigentumsverhältnisse durchgesetzt bzw. verteidigt werden, ist für MarxistInnen nicht die einzige, aber die zentrale Frage, um den Charakter einer Gesellschaft zu bestimmen. Die Eigentumsverhältnisse sind der Kern der Produktionsverhältnisse (PV), d.h. der Art und Weise, wie und was eine Gesellschaft produziert, wer darüber bestimmt, wie sie austauscht, kurz: wie ihr materielles Leben aussieht.

Die Stellung zu den PM definiert auch wesentlich die soziale Struktur. Die PM-Besitzer bilden die Klasse der Bourgeoisie (Kapitalisten), die Nichtbesitzer die Klasse der Arbeiterklasse (Proletariat). Dazwischen gibt Mittelklassen und -schichten (Bauern, Handwerker, Kleinhändler, Beamte usw.). Der Widerspruch zwischen der sozialen Stellung und den Interessen der Klasse der Bourgeoisie hier und denen des Proletariats dort ist der zentrale Widerspruch des Kapitalismus. Schon im „Kommunistischen Manifest“ bemerken Marx und Engels: „In diesem Sinn können die Kommunisten ihre Theorie in dem einen Ausdruck: Aufhebung des Privateigentums, zusammenfassen.“

Um die realen Machtstrukturen, um Ausbeutung und Unterdrückung, um den Klassengegensatz zu verdecken, verschleiern Staat, Politik, Medien, Bildungswesen und Wissenschaft den Eigentumsbegriff. Ein PKW und eine Spedition, eine Wohnung und eine Wohnanlage, ein Sparbuch und Großaktienbesitz, ein Fernseher und ein Medienkonzern, eine Heimwerker-Werkstatt und ein Industriebetrieb – die bürgerlichen juristischen Kategorien fassen alles unter demselben Eigentumsbegriff. Ergebnis: Seht her, auch ein Arbeiter hat Privateigentum! Doch über bestimmte Konsumgüter zu verfügen, heißt eben nicht, der besitzenden Klasse anzugehören und ihre Privilegien zu genießen.

Die Entstehung des Privateigentums ging einher mit der Entwicklung der menschlichen Produktivkräfte. Im Frühstadium der Menschheit, als die Produktivität so niedrig war, dass noch kein Überschuss (Mehrprodukt) erzeugt wurde, konnte es auch kein Privateigentum geben. Erst mit dem Übergang zu Ackerbau und Viehzucht war das möglich, die Gesellschaft differenzierte sich sozial, es entstanden staatliche Strukturen (Armee, Polizei, Verwaltung), welche dazu dienten, den Reichtum der Minderheit zu schützen bzw. auszuweiten und die Ausbeutung der Mehrheit sicherzustellen.

Was in früheren Gesellschaften mit mehr oder weniger Anwendung von Gewalt geschah, vollzieht sich im Kapitalismus meist im gesetzlichen Rahmen der Demokratie. Der Arbeiter ist freier Staatsbürger wie der Kapitalist auch. Alle haben formal die gleichen Rechte. Erst wenn das System insgesamt in Frage gestellt wird, der Klassenkampf sich zuspitzt oder im Angesicht einer Revolution ist die herrschende Klasse genötigt, den staatlichen Repressionsapparat oder den faschistischen Mob zu mobilisieren; dann wird die Gewalt hinter der bürgerlichen demokratischen Fassade offensichtlich.

Der Kapitalismus hat die Vergesellschaftung der Produktion enorm vorangetrieben. Der Mensch der Urgesellschaft brauchte zum Überleben seinen Stamm und die natürlichen Ressourcen seines Stammesgebiets; die heutige Gesellschaft produziert im Weltmaßstab. Doch diese Vergesellschaftung findet gewissermaßen blind statt. Sie vollzieht sich hinter dem Rücken der Menschen und ist nicht Ergebnis bewusster Planung durch die Gesellschaft, sondern Ergebnis von Konkurrenz und Markt. Das private Eigentum und die private Aneignung des Reichtums der Gesellschaft geraten immer mehr in Widerspruch zum gesellschaftlichen Charakter der Produktion.

In Krisen und Kriegen werden immense Mengen produktiver Ressourcen vernichtet. Die Gesellschaft betreibt einen ungeheuren Aufwand, um unproduktive und repressive Strukturen (Armee, Polizei, Bürokratie, Werbung usw.) aufrecht zu erhalten, anstatt die Bedürfnisse der Menschen zu befriedigen. Die Entwicklung der produktiven Kräfte der Menschheit, von Wissenschaft und Technik, führen oft genug nicht nur zur Verbesserung des Lebens, sondern zugleich zu mehr Konflikten, zu höherer Ausbeutung, zu Arbeitslosigkeit und Umweltzerstörung.

Die Bourgeoisie, die Klasse der Kapitalbesitzer, muss durch die Arbeiterklasse gestürzt und enteignet werden. Die Arbeiterklasse kann kein Interesse am Fortbestand des Privateigentums haben, da dieses nur den Fortbestand ihrer eigenen Ausbeutung bedeutet. Sie muss den Produktionsapparat in gemeinschaftliches Eigentum verwandeln und die Anarchie des Marktes durch demokratische Planung ersetzen. Sie muss die übernommenen Produktivkräfte, die noch alle Merkmale der Profitlogik tragen, in eine sozialistische Produktivkraft zur Befriedigung gemeinsamer Bedürfnisse und zur Erreichung demokratisch festgelegter Ziele umgestalten.

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