Laudatio des Tages vom 10.10.2016

HaHo

Anetta Kahane schreibt regelmäßig Kolumnen für die Berliner Zeitung und ist in der Amadeu-Antonio-Stiftung aktiv. Hier wie da wendet sie sich gegen Rassismus u.a. rechtes Denken und Treiben. So weit, so gut.

Doch unser doppeltes Lob erhält sie heute dafür, dass sie uns einen erhellenden Einblick in die Denke einer echten Reformistin gibt und wir zugleich auch mehr Klarheit darüber erhalten, warum die Linke so wenig attraktiv für viele Leute ist.

Frau Kahane wendet sich in ihrer Kolumne in der Berliner Zeitung (BZ) vom 10.10.16 zunächst gegen die rechten Pöbler vom 3.10. in Dresden. Verständlich. Doch wirklich lobenswert ist eben, wie sie das macht. „Bis auf die Pöbler selbst und ihre politischen Partner“ – hier ist wohl die AfD gemeint – „kann derlei niemand mehr sehen.“ Hier gelingt es Anetta Kahane sehr schön, die ungeliebte Realität auszublenden, z.B. den Umstand, dass für die AfD im Osten derzeit jede Wahl ein Anlass zum Jubeln ist. Dass rechtes Denken längst zweistellig und in der Mitte der Gesellschaft und in etablierten Parteien wie CSU und CDU angekommen ist, ordnet sie sehr überzeugend der Kategorie „niemand“ zu. Wirklich überzeugend! Der (allerdings unwichtige) Umstand, dass es am 3.10. in Dresden keinen wahrnehmbaren linken Protest gab, ist Frau Kahane als linker Aktivistin verständlicherweise keine Anmerkung wert. Auch der mehrfache Verweis auf die Rolle des Alkohols für die Meinungsbildung des Pöbels ist soziologisch absolut korrekt (allerdings gibt es da einen gewissen Widerspruch zum jahrelang stagnierenden Bierabsatz und den ständig steigenden Bierpreisen in Deutschland – vielleicht ein Thema für die nächste Kolumne?).

Frau Kahane betätigt sich auch als sympathische Frau Knigge, wenn sie klar ausspricht, wie sich das Volk politisch korrekt zu verhalten hat: „Sie trauen sich, sie brechen Regeln, und freuen sich am Erfolg und dem Beifall, den sie von Gleichgesinnten erhalten.“ Tja, was soll man tun, wenn der Gegner nicht applaudiert? Aber sich trauen und Regeln brechen – das geht denn doch zu weit! Wenn am Tag der Einheit Feiern angesagt ist, dann wird gefeiert, verdammt nochmal! Und Regeln, die man noch nicht einmal selbst bestimmt, darf man natürlich auch nicht brechen! Hilf der Polizei, schlag Dich selbst! Ruhe heißt die erste Bürgerpflicht! Ordnung ist schließlich eine deutsche Grundtugend! Hier hätte Frau Kahane sogar noch etwas deutlicher werden können.

Unsere Kolumnistin sieht „tiefe Verachtung gegenüber denen, die noch etwas Konstruktives wollen“. Genau: das ist es doch, was Merkel, Gauck und alle anderen Politiker, Bosse und Bonzen, die sich in Dresden feiern, immer wollen. Nur deshalb funktioniert doch die Welt überall so prima!

Frau Kahane offenbart auch eine wirklich erstaunliche Analysefähigkeit: „Die Welt soll aus den Fugen geraten, das ist das Ziel. (…) Zerstören, was immer es an gesellschaftlicher Übereinkunft gibt.“ Hier wird Frau Kahane endlich auch deutlich genug. Chapeau! Jeder Protest, jeder Kampf, nicht nur der Rechten, sondern damit natürlich auch der Linken; oder gar eine (das Unwort der Epoche) Revolution – das ist alles Murks. Alles hat zu bleiben, wie es ist! Leider hat die Autorin uns nicht erläutert, was genau die „gesellschaftliche Übereinkunft“ ist, vom wem sie bestimmt wird und in wessen Interesse sie liegt. Aber man kann ja nicht alles hinterfragen.

Auch zum Charakter von Pegida (daher kommen doch die Dresdener Randalierer) ist Frau Kahanes Analyse geradezu beeindruckend. Sie hebt hervor, dass der islamische Terrorismus vom „rechten  Mob gebraucht“ wird, „um die eigenen Untergangsfantasien anzufeuern.“ Genau. Dass Pegida sich nach den ersten islamischen Terroranschlägen gegründet hat, ist nämlich reiner Zufall. Und dass Pegida sich gegen den islamischen Terror ausspricht, ist nur Tarnung, in Wahrheit finden sie ihn gut. So sieht eine Analyse aus. Bravo, Frau Kahane!

Wir nähern uns nun den argumentativen Glanzstücken der Kahane-Kolumne.

„Kein Wunder, dass die Pöbler gerade im Osten so stark sind, in der DDR gab es schließlich keine Scham als Element politischer Kultur, weder mit Blick auf den Krieg noch angesichts des Holocausts. In der DDR hieß der Nationalsozialismus einfach Hitler-Faschismus. An dem war der Kapitalismus schuld, die Bonzen also aus Wirtschaft und Finanzen. Und dann kamen die Angloamerikaner und bombten grundlos das schöne Dresden kaputt.“

Fast hätten wir gedacht, in der DDR hätte Jeder von Faschismus, Krieg und Holocaust schon in der Schule gehört. Dank Frau Kahane wissen wir nun, dass das nicht so war. Fast hätten wir auch gedacht, die Kollektivschuld-These (des Volk solle sich schämen!) – anstelle der Frage, welche Klasse hinter dem Faschismus steht – wäre nur im Westen vertreten worden und nicht auch von der SED. Dankenswerterweise hat uns Anetta darauf hingewiesen, dass es anstelle der Klassenanalyse mehr Scham hätte geben sollen. Und – um Gottes Willen – fast hätten wir geglaubt, der Kapitalismus wäre der Schoß gewesen aus dem der Faschismus gekrochen war. Frau Kahane hat uns vor soviel Dummheit bewahrt.

Anetta demonstriert uns auch, wie Antifaschismus geht. Da reicht es nämlich nicht, mit der  Amadeu-Antonio-Stiftung gegen Rechts aktiv zu sein. Nein, dazu muss man auch unbedingt  Bomber Harris loben, weil der als große antifaschistische Tat kurz vor Kriegsende noch das von  Militär und Rüstung fast freie, dafür aber mit Flüchtlingen und Lazaretten gut ausgestattete Dresden ausradierte. Nicht Flugblätter, nicht Aufrufe, die Nazis zu stürzen – nein, Bomben sollten sich ins Gehirn der Dresdner einbrennen (und auch gleich den Rest des Körpers abfackeln). Das ist links! Alle – z.B. die Dresdner -, die das nicht so gut finden, sind deshalb rechte und reaktionäre Arschlöcher. So sammelt man Sympathie für die Linke. Liebe Dresdner, versteht doch endlich: Von Anetta lernen, heißt siechen lernen!

Unsere Frau Kahane kritisiert auch sehr treffend, dass es völlig falsch ist, wenn die Dresdner Störer „Immer wieder die da oben“ verantwortlich machen. Genau, wer die Macht hat, der hat genug Sorgen, den soll man nicht noch kritisieren oder gar anpöbeln; grundsätzlich nicht, egal, was der Inhalt ist.

Bei all dem vielen Lob müssen wir leider aber auch eine – sicher unbedeutende – Schwäche zur Sprache bringen. Leider ist unsere geschätzte Frau Kahane selbst nicht ganz frei davon, die “da oben“ verantwortlich zu machen. Die Bomber über Dresden kamen schließlich auch von oben. Und an der wunderbaren „gesellschaftlichen Übereinkunft“ haben „die oben“ doch wohl auch einen ganz klitzekleinen Anteil, oder? Zum Beispiel daran, dass es eine Übereinkunft gibt, dass Flüchtlinge im Mittelmeer absaufen, weil alle Fluchtwege über Land von „oben“ geschlossen werden.

Und wenn der Justizminister Herr Maas von der SPD das Internet von oben zensiert, dann darf man als Linke natürlich nicht die Meinungsfreiheit verteidigen, da muss man wie Frau Kahane eifrig mittun. Warum auch nicht, ihr wahres Vertrauen nach „oben“ hatte sich ja schon in der DDR bewährt, wo sie als IM Victoria Journalisten, Ausländer (!) und linke Regimekritiker an die Stasi verpfiff.

Ja, Frau Kahane demonstriert uns vorbildlich, dass jeder Radikalismus von unten schlecht ist und alles Gute von oben kommt – je nachdem aus Bombenschächten oder den Büros des deutschen Staates. Die unten sind nur frech und saufen, die oben hingegen sind konstruktiv. Ja, so geht Reformismus. Links sein und immer auf gutem Fuß mit Bossen und Bonzen. So kriegt man als Linke sogar eine Kolumne in der bürgerlichen Presse.

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