Hanns Graaf
Dass ein Buch zum Klima, das stolze 25 Euro kostet, schon nach wenigen Monaten in dritter Auflage erscheint, ist bemerkenswert. Das Buch „Unerwünschte Wahrheiten. Was sie über den Klimawandel wissen sollten“ erschien 2020 im Verlag Langenmüller. Die Autoren sind nicht nur in der „Klimakritiker-Szene“ bekannt: der Chemiker und Experte für „Erneuerbare“ Prof. Fritz Vahrenholt und der Geologe Dr. Sebastian Lüning, der auch als IPCC-Gutachter tätig ist. Beide betreiben die Klima- und Energie-Seite www.kaltesonne.de. 2012 veröffentlichten beide ihr erstes Klima-Buch „Die kalte Sonne“ und sorgten damit für viel „Beachtung“ v.a. bei „alarmistischen“ Klimatologen und in etlichen Medien, die nicht müde wurden, die Thesen des Buches und die Autoren zu diskreditieren. Der Grund für die Aufregung? Vahrenholt und Lüning hinterfragten die These von der anthropogen Klimakatastrophe kritisch und plädierten u.a. dafür, die natürlichen Klimafaktoren stärker zu berücksichtigen.
Nun, 8 Jahre später, vertiefen sie auf 350 Seiten ihre Thesen. In 50 Kapiteln behandeln sie die wichtigsten Fragen zum Klima und zur Energiepolitik. Zunächst ist sehr positiv zu bewerten, dass die Autoren auch für Laien sehr verständlich schreiben. Beeindruckend ist der Daten- und Faktenreichtum. Alle Aussagen werden mit (insgesamt hunderten) Quellen belegt und stützen sich auf Fachpublikationen. Die Quellen sind im Internet einsehbar, wodurch der Umfang des Buches begrenzt werden konnte (www.unerwuenschte-wahrheiten.de).
Das Buch ist aktuell sicher das umfangreichste und faktenreichste Buch zum Klima auf dem deutschsprachigen Buchmarkt und hat seinen Erfolg verdient. Hier sind zwei Autoren am Werk, die sich mit der Materie auskennen und sich mit viel Fleiß durch die sehr umfangreiche Fachliteratur gewühlt haben. Das ist heutzutage, da die öffentliche Klimadebatte v.a. durch aufgeregte Youngster von Friday for Future und fachfremde Politiker und Medienleute und einige handverlesene „Wissenschaftler“ von PIK und IPCC geprägt wird, die täglich neu die Klimaangst schüren, allein schon bemerkenswert.
Die Autoren bestreiten weder den Klimawandel, noch den Einfluss des Menschen und des CO2 darauf. Doch sie zeigen überzeugend, dass das Klima wesentlich, von natürlichen Faktoren bestimmt wird: von den verschiedenen Wirkungen der Sonne und deren Schwankungen, den Meeresströmungen, der Bewölkung usw. Wenn diese natürlichen Faktoren – das ist eine der Hauptthesen – das Klima der Vergangenheit zu 100% bestimmt haben, dann können sie auch heute nicht verschwunden sein. Vahrenholt und Lüning weisen anhand von hunderten Studien nach, wie stark, ja dominant diese Faktoren sind, und dass insofern die Aussage des IPCC, der Mensch sei für 100% der Erwärmung seit 1850 verantwortlich, falsch ist. Varenholt und Lüning zeigen, dass die Erdgeschichte, v.a. auch die relativ gut bekannte Phase des Holozän (die letzten 10.000 Jahre), nicht nur viele Schwankungen und Wetterextreme aufwies, sondern auch Perioden enthielt, die über Jahrtausende deutlich wärmer waren als heute – ohne CO2 als Ursache.
Die Autoren hinterfragen Klimamodellierungen und Aussagen des IPCC und des PIK und zeigen, dass diese oft stark überzogen und im Widerspruch zur Realität stehen. Sie belegen, dass die Behauptungen von zunehmenden Extremwetter-Ereignissen, von einem exorbitanten Meeresspiegelanstieg, dem Aussterben der Eisbären usw. falsch sind. Ihr logischer Schluss lautet daher, dass für Katastrophismus kein Anlass besteht und wir wesentlich mehr Zeit haben, uns auf klimatische Veränderungen (so sie überhaupt von Relevanz sind) einzustellen.
Von dieser Position aus kritisieren sie auch die Politik der Energiewende (EW) als völlig überzogen und als desaströs für Wirtschaft und Gesellschaft, weil sie nicht nur das Klima nicht rettet, sondern riesige neue Probleme schafft: soziale, wirtschaftliche und ökologische. Die Autoren stellen überzeugend dar (was Energiefachleute schon lange wissen und manchmal auch sagen), dass die EW die Stromversorgung unterminiert und dass es finanziell bzw. technisch unmöglich ist, das Strom- und Energiesystem nur oder wesentlich auf den „Erneuerbaren Energien“ (EE) zu basieren. Erfreulicherweise wenden sich die Autoren auch gegen die Atomphobie und stellen dar, welche Fortschritte die Nukleartechnik in den letzten Jahrzehnten gemacht hat und welche unerhörten Möglichkeiten sie für die Zukunft, ja sogar schon für die Gegenwart bietet.
Wer das neue Buch von Vahrenholt und Lüning liest, wird nicht umhin können, den Klimaalarmismus und die EW-Ideologie und deren Protagonisten abzulehnen oder zumindest kritisch zu hinterfragen. Auf jeden Fall wird dem Leser ein Berg an Fakten und Daten präsentiert und ihm ein guter Einblick in die klimawissenschaftliche Debatte und die neuen Erkenntnisse der letzten drei Jahrzehnte gewährt. Allein die Fülle der im Buch verarbeiteten Studien und die große Zahl der aufgeführten „kritischen“ Klimaforscher beweist, dass es weder einen 97%-Konsens noch eine Klimawissenschaft gibt, die „settled“ ist, sondern viele Diskussionen und einen großen Berg ungelöster Fragen. Die Autoren stellen überzeugend dar, dass im Grunde alle neuen Erkenntnisse der Klimaforschung der letzten 30 Jahre (zu Meeresströmungen, solaren Wirkungen, zu den Wolken usw.) darauf hindeuten, dass das Klima v.a. von natürlichen Faktoren gesteuert wird und nicht wesentlich vom CO2.
Aus marxistischer Sicht sind aber auch einige kritische Anmerkungen nötig. Ein wichtiger Streitpunkt (zumindest in Teilen der „Klimaskeptiker“) betrifft die Frage, ob CO2 überhaupt eine Erwärmungswirkung hat und ob der Treibhauseffekt, der die Grundlage der IPCC-“Theorie“ darstellt, wissenschaftlich korrekt ist. Die Autoren gehören selbst nicht zu diesem Lager der „Skeptiker“ hätten aber zumindest auf diese Problemstellung hinweisen können.
Einen ernsten Mangel sehen wir darin, dass das Buch nicht die „Installation“ des Klimaalarmismus historisch darstellt und dessen sozial-ökonomische und politisch-ideologische Hintergründe und Interessen darstellt. Sobald man sich dieser Aufgabe stellt (Belege dafür gibt es zuhauf), würde klar werden, dass hinter dem offiziellen „Klimaklamauk“ handfeste Interessen stehen – nicht nur der „grünen“ Bewegungen, sondern von Teilen des Großkapitals und der Finanzmarktakteure, aber auch vieler kleiner Wind- und Sonnenbarone. Der Klimaalarmismus ist ein gutes Beispiel für die zunehmenden Tendenzen zum Irrationalismus der spät-kapitalistischen Gesellschaft. Diese fehlenden Aspekte mindern aber nicht die ansonsten hohe sachlich-fachliche Qualität des Buches.
Übrigens bestätigt das Buch auch die wesentlichen Aussagen der Broschüre „Kippt das Klima?“ aus dem Verlag Aufruhrgebiet von 2018.
Es bleib zu hoffen, dass die v.a. bei Klima und Energie weitgehend uninformierte und ignorante Linke, die sich damit zum Anhängsel bürgerlicher Politik macht, dieses Buch liest und ihre Positionen (soweit überhaupt vorhanden) grundsätzlich überdenkt. Das wäre ein Schritt dahin, sich wieder der materialistischen, historisch-kritischen und dialektischen Methode von Marx zu nähern und den links-kleinbürgerlichen ideologischen Dunstkreis zu verlassen.