Ökonomie und Kommunismus

Ein Kommentar

Hanns Graaf

Die Organisation „Kommunistischer Aufbau“ (KA) stellt in einem Text dar, wie eine „sozialistische Planwirtschaft“ (so auch der Titel) aussehen könnte (https://komaufbau.org/sozialistische-planwirtschaft/).

Der Text des KA versteht sich durchaus als grundsätzlich: „In diesem Text“, heißt es, „werden wir darlegen, was die kommunistische Planwirtschaft von der kapitalistischen Marktwirtschaft unterscheidet, wir werden erläutern, wie Planung, Produktion und Verteilung im Sozialismus organisiert werden. Sowie die Frage behandeln, ob Menschen ohne kapitalistische Anreize zu Anstrengungen bereit sind und schlussendlich klären, dass Planwirtschaft nicht Mangelwirtschaft bedeutet.“ Dieser grundsätzliche Anspruch bewog uns, einige Anmerkungen dazu zu machen – zumal die meisten linken Organisationen zur Frage der „Planwirtschaft“ wenig Substantielles zu sagen haben.

Zu Beginn stellen die Autoren fest: „Planwirtschaft und sozialistische Demokratie sind eng miteinander verbunden. Das Eine ist vom Anderen nicht trennbar. Einem politischen System, das den Willen und die Interessen der absoluten Mehrheit der Bevölkerung zum Ausdruck bringt, kann nur ein Wirtschaftssystem entsprechen, das ihren Interessen dient. Ein solches Wirtschaftssystem wiederum muss auf gesellschaftlicher Planung basieren und um dauerhaft zu funktionieren, müssen alle Menschen an der Planung mitwirken.“

Der Verweis auf die Notwendigkeit gesellschaftlicher Planung – also einer Planung, die von der Gesellschaft für die Gesellschaft durchgeführt wird – ist völlig korrekt, weil sie gerade im Gegensatz zum Kapitalismus steht, wo eine Minderheit von Kapitaleignern in ihrem bornierten Interesse letztlich über die Ökonomie und deren „Planung“ bestimmt. Jedoch schießen die Autoren übers Ziel hinaus, wenn sie schreiben, dass „alle Menschen an der Planung mitwirken“ müssten. Das ist weder möglich noch notwendig. Vielmehr geht es darum, dass die Gesellschaft als Gesamtheit sich Strukturen schafft, welche eine sinnvolle Kopplung von Interessen – gesamtgesellschaftliche, Gruppen- und sogar Einzelinteressen – und deren Befriedigung sicherstellen.

Plan vs. Markt

Der Text stellt Marktwirtschaft und Planwirtschaft gegenüber: „Die Wirtschaftstheoretiker des Kapitalismus sprechen seit jeher von der „unsichtbaren Hand des Marktes“, die die Produktion und Verteilung im Kapitalismus reguliert. Tatsächlich herrscht wirtschaftlich gesehen im Kapitalismus eine ungeheure Unordnung, geradezu ein großes Chaos, ganz im Gegensatz zum Sozialismus. Hunderttausende von Unternehmen treten in jedem kapitalistischen Land auf diesem „Markt“ als Anbieter auf. Wie schafft der Kapitalismus es dennoch, dass die Waren, die benötigt werden, gekauft werden können? Er schafft es nicht.“

Nach über 150 Jahren industriellen Kapitalismus´ verwundert diese Einschätzung. Träfe sie zu, wäre der Kapitalismus schon lange kollabiert – es sei denn, wir glaubten, dass er trotzdem existieren (und Profite abwerfen) könnte, wenn es immer größere Berge an unverkäuflichen Waren geben würde. Natürlich gibt es eine beständige Tendenz zu Über-, aber auch zu Unterproduktion, doch diese verstärkt sich nicht. Im Grunde stellen das die Autoren auch selbst fest: „wo der Markt die Produktion reguliert, geschieht dies unter ungeheuren gesellschaftlichen und individuellen Kosten. Der Markt „bestraft“ (eigentlich leiden die ArbeiterInnen darunter) den Unternehmer, der ein Produkt anbietet, das keiner entsprechenden Nachfrage gegenübersteht. Der Preis des Produktes fällt, wenn die Nachfrage geringer als das Angebot ist und der Kapitalist muss seine Produktion auf ein anderes Produkt umstellen, nachdem es eine größere Nachfrage gibt, wenn er nicht weiter Verlust machen will.“

Ein Fehler in der Betrachtung des Kapitalismus besteht darin, davon auszugehen, dass der Kapitalist für „den Markt“ produzieren würde. Tatsächlich produziert er nur indirekt für den Markt bzw. die reale Nachfrage – und das aus drei Gründen: 1. interessiert ihn die Nachfrage resp. die Bedürfnisse nur, wenn diese mit Kaufkraft verbunden sind; 2. besteht ein Teil der Gesamtproduktion aus Produktionsmitteln, die nicht in die Massenkonsumtion eingehen; 3. wird die Nachfrage künstlich gesteuert (Werbung, Subventionen, staatliche Programme, steuerliche Abschreibungen, Sollbruchstellen bei Produkten und forcierte Entwertung zugunsten von Neukauf usw.); 4. werden auch Massenbedarfsgüter nicht direkt den Konsumenten angeboten, sondern dem Handelskapital, das zudem noch in sich differenziert und abgestuft ist (Zwischenhändler). Wenn z.B. die Zahl von Supermärkten steigt (was in Deutschland der Fall ist), so steigt auch die Warenmasse, die in den Regalen vorgehalten werden muss. Wahrscheinlich umfasst die in Läden und Lagern „gehortete“ Warenmenge mehrere Monatsproduktionen. Es ist aber falsch, zu behaupten, die Warenberge würden immer größer. Stattdessen oszilliert die Produktion um die Nachfrage, was Schwankungen einschließt, jedoch nichts mit einem andauernden Trend zu mehr Überproduktion zu tun hat. Auch ist Überakkumulation nicht identisch mit Überproduktion an Waren.

Sicher kann im Kommunismus dieser „überflüssige“ Warenberg abgeschmolzen werden und sogar mit weniger Produktion mehr Bedürfnisse befriedigt werden, indem Produktqualität, Haltbarkeit und Kompatibilität erhöht werden, doch die Ursachen wie die Lösung dieses Problems sind andere als die, welche der KA sieht.

Der KA schreibt: „Dass zu viele Waren (von Zahnbürsten bis zu Häusern) für die kaufkräftige Nachfrage produziert wurden, wird in einer kapitalistischen Marktwirtschaft immer erst offensichtlich, wenn sich der Überschuss bereits im Bereich von Millionen und Milliarden überschüssiger Waren bewegt.“

Nein, dieser Überschuss wird permanent sichtbar und ist durch die Marktforschung auch durchaus bekannt – nur kann der Einzel-Kapitalist wenig daran ändern, weil er an die vorhandenen Strukturen (Produktion-Handel-Verbraucher) gebunden ist. Er kann nicht das allgemeine Überfluss-Problem durch seine individuelle Entscheidung, weniger zu produzieren, lösen, ohne damit sein eigenes Grab zu schaufeln. Die Gesellschaft oder das Gesamtkapital verfügen andererseits aber auch nicht über einen Mechanismus, um das Problem „planmäßig“ zu beheben – es kommt zur Krise, in der das „überflüssige“ Kapital – meist Produktionskapazität, tw. die Produkte selbst – vernichtet werden, um einen neuen konjunkturellen Aufschwung zu ermöglichen.

Zudem schwankt die Nachfrage immer, alle Faktoren – von der Produktentwicklung über die Produktion bis zur Nachfrage – sind bestimmten Änderungen unterworfen. So machte die Einführung des Handys das Festnetztelefon genauso überflüssig wie die Erfindung von Motoren das Segelschiff oder die Pferdekutsche.

Der Beitrag von Marx

Der KA stellt fest: „Die Idee stattdessen gemeinschaftlich und planmäßig zu produzieren, also den Markt vollständig durch den Plan zu ersetzen, ist älter als Marx und Engels. Sie haben jedoch diese Idee aufgegriffen und weiterentwickelt. Sie haben aus einem schönen Traum ein tatsächlich umsetzbares Konzept gemacht.“

Zunächst: In vorkapitalistischer Zeit gab es keinen allgemeinen, umfassenden Markt. Auch Überproduktionskrisen gab es nicht, eher Perioden des Mangels, die aber v.a. durch das Sinken der Agrarproduktion aufgrund von Missernten oder durch Kriege hervorgerufen waren. Insofern hätte es gar keinen Sinn gemacht, einen allgemeinen Plan zu entwickeln. Noch dazu unter den Bedingungen der vorherrschenden Subsistenzproduktion. Marx leitete seine Vorstellungen einer allgemeinen Planung daher eben gerade nicht aus einem „schönen Traum“ ab, sondern aus der Analyse der Probleme, aber auch der produktiven Möglichkeiten des realen Kapitalismus.

Marx und Engels haben auch kein „umsetzbares Konzept“ entwickelt, sondern „nur“ einige Ideen und Prämissen. Bezüglich der Ökonomie haben sie sich (v.a. Marx) intensiv nur mit der Analyse der kapitalistischen Ökonomie bzw. der Literatur darüber befasst, aber kaum mit der Frage, wie eine nicht-kapitalistische Wirtschaft aussehen könnte, welche Ansätze es dafür gibt und welche Probleme sich für das Proletariat dabei stellen. Allein schon die Tatsache, dass Marx´ Analysen und Theoreme über 150 Jahre alt sind, sollte uns zu einer gewissen Vorsicht im Umgang mit ihnen mahnen …

Auch der KA verfällt dem Fehler, Marx und Engels recht willkürlich Positionen zu unterstellen. So etwa hier: „Marx und Engels beschreiben den Sozialismus, als Gesellschaft, in der Alle im Besitz der Produktionsmittel sind, diese nach einem einheitlichen Plan im Dienste der Gesellschaft verwenden und ebenso gemeinsam die Produkte aufteilen und konsumieren.“

Was heißt aber z.B. „Sozialismus“? Marx´ Ausführungen zur nach-kapitalistischen Ökonomie beziehen sich tw. auf die Übergangsgesellschaft, tw. auf den (eigentlichen) Kommunismus. Manchmal sind es eher Statements, die eine allgemeine Entwicklung meinen, manchmal sind es konkrete, programmatisch-taktische Forderungen, wie z.B. in den 10 Punkten im „Kommunistischen Manifest“, die sich aber auch nicht auf „den Sozialismus“ beziehen, sondern auf die Übergangsphase dahin (Diktatur des Proletariats). Oder: was heißt es, dass „alle im Besitz der Produktionsmittel sind“? Wie sehen die Eigentumsstrukturen genau aus? Gehören die Produktionsmittel allen („Volkseigentum“) – etwa in Form von Aktienanteilen? Welche Rolle spielt das Genossenschaftswesen? Welche Stellung als Eigentümerin, welche konkrete Verfügung hat eine Belegschaft über „ihren“ Betrieb? Der Verweis auf „Alle“ ist eine Phrase. Oder: Was meint die Formulierung des „einheitlichen Plans“? Wer legt den Plan wie fest? Welche Strukturen sind dafür nötig? Der KA hat hier wenig Konkretes zu bieten.

Das Planungsproblem

Zur Frage der Planung bleibt der KA nebulös: „Denn obwohl wir schon in der Schule lernen, dass Planwirtschaft ein Ding ökonomischer Unmöglichkeit sei, beweist selbst die Realität des heutigen Kapitalismus das genaue Gegenteil. Bereits heute wird die Produktion gewaltiger Konzerne, die teilweise mehr Werte schaffen als ganze Länder, überaus planmäßig organisiert. Hunderttausende ArbeiterInnen beschäftigen sich jeden Tag mit solchen Planungsaufgaben, um zu gewährleisten, dass jede Phase der Produktion nahtlos an die andere anschließt. Unsere Voraussetzungen um eine funktionsfähige Planwirtschaft zu schaffen sind also um ein vielfaches besser, als die der russischen ArbeiterInnen, die vor über hundert Jahren den ersten sozialistischen Anlauf starteten.“

Das ist, ganz allgemein gesehen, richtig. Doch wird hier nicht gefragt, was überhaupt geplant wird. Im Kapitalismus ist eine doppelte Planung erforderlich: einmal die Planung stofflich-technischer Ressourcen, daneben die wertmäßige Planung, d.h. Kosten bzw. Gewinn. Im Kommunismus hingegen wird es nur noch die erste Art von Planung geben. An die Stelle von Geld bzw. Preis tritt nach und nach (!) die Arbeitszeit als allgemeiner Maßstab. D.h. Inhalt und Ziel der Planung sind in Kapitalismus und Kommunismus sehr verschieden.

Planung heute ist im Vergleich zu Sowjetrussland tatsächlich in der Hinsicht einfacher, dass die Digitalisierung die Verarbeitung riesiger Datenmengen in kurzer Zeit ermöglicht. Anderseits ist sie aber auch schwieriger, weil das Entwicklungstempo in Wissenschaft, Technik und Wirtschaft viel höher ist und zugleich die Internationalisierung und das Produktsortiment weit größer sind als damals.

Der Frage der Planung in der nach-kapitalistischen Gesellschaft widmet der KA einen Abschnitt. Er beginnt so: „Die Planwirtschaft kann erst beginnen, sobald die Gesellschaft einen Plan entwickelt hat. Sie muss ihren Bedarf an jedem Gut ermitteln und einschätzen. Der Bedarf an Materialien leitet sich dabei aus dem Bedarf an den Endprodukten ab.“

Der erste Satz ist eine Tautologie. Tatsächlich beginn die Planung damit, dass man ganz simpel von dem ausgeht, was schon im Kapitalismus erzeugt und welcher Produktionsapparat dafür genutzt wurde. Damit beginnend kann man dann die Art und Menge der Produkte beeinflussen und die Ökonomie entsprechend verändern. Dazu braucht es nicht schon zu Beginn einen Gesamtplan, sondern zunächst Planungen in Teilbereichen.

Der KA stellt völlig richtig fest, dass es nötig sei, „zu ermitteln, welche Konsumgüter (Lebensmittel, Kleidung usw. usf.) die Menschen benötigen, um ihre Bedürfnisse zu befriedigen. Hierbei geht es nicht nur um die Menge, sondern auch um die Qualität: Welche Kleidung ist gefragt? Was sind die Ernährungsgewohnheiten, wie verändern sie sich? Nach welchen Büchern besteht große Nachfrage, nach welchen geringere? Hierzu sind verschiedene Mechanismen denkbar“. Leider wird nicht näher darauf eingegangen, welche „Mechanismen“ und Strukturen es dafür braucht.

Weiter heißt es: „Will man die Produktion sogar erweitern, um noch mehr gesellschaftliche Bedürfnisse zu befriedigen oder neue Technologien einzuführen, muss dementsprechend auch die Produktion der Produktionsmittel zuerst wachsen.“ Sicher ist das u.U. nötig. Doch der Hauptweg muss darin bestehen, gesellschaftlich unnötige Produktion, unproduktive Bereiche und schlechtes Produktdesign abzubauen. Erfolgt dies konsequent, so können auch bestimmte Produktionen erweitert werden, ohne dass die Gesamtproduktion bzw. die Herstellung von Produktionsmitteln steigen muss. Die Prämisse von der zuerst notwendigen Ausweitung der Schwerindustrie, die in der Position des KA durchscheint, stammt aus der Stalin-Zeit. Diese ist sowieso nur unter den besonderen Umständen eines unterentwickelten Landes plausibel; daneben verweist sie aber gerade auf die Absurditäten des stalinschen Wirtschaftsaufschwungs, bei dem es nie gelang, die hohe Ausschussquote wirklich in den Griff zu bekommen und zudem ein Großteil des Produktionszuwachses der 1920/30er Jahre in die aberwitzig aufgeblähte Rüstung und in unnütze Prestigeprojekte floss.

Ein anderes Beispiel dafür, dass der KA tw. stalinistischen Vorstellungen (die man wohl für „marxistisch“ hält) anhängt, ist das folgende: „Der sozialistische Staat hat das Außenhandelsmonopol inne. Das heißt nur er darf eventuelle Überschüsse der Produktion ins Ausland verkaufen, um im Tausch dafür Waren aus dem Ausland einzuführen.“

Davon abgesehen, dass selbst die Stalinisten einsehen mussten, dass die Betriebe eine gewisse Selbständigkeit auch im Handel bzw. bei der Kooperation mit anderen Unternehmen (auch ausländischen) brauchen, war die staatliche Bevormundung des Außenhandels – der Schutz der Wirtschaft des Arbeiterstaates vor den negativen, krisenhaften Einflüssen des Kapitalismus ist nicht dasselbe – ein wesentlicher Grund für die Untergrabung des Leistungsprinzips und der Behinderung der Unternehmen.

Zentralismus

Hinter etlichen Vorstellungen des KA steht der Glaube, dass alles Wirtschaften von einer oberen „Zentrale“ geregelt werden müsse. Auch diese Idee kommt aus dem Stalinismus, der sie von Lenin hat, der sie wiederum von der II. Internationale übernahm – jedenfalls kommt sie so nicht von Marx.

Das kommt z.B. hier zum Ausdruck: „Die Erstellung des Plans wird dabei von einer Kommission geleitet, die vom obersten Rat – dem höchsten Gremium der Rätedemokratie – bestimmt wird. Diese Plankommission zentralisiert jegliche Informationen über die im Besitz der Gesellschaft befindlichen Produktionsmittel und baut ihren Plan darauf auf. Der Plan wird anschließend in der Struktur des Rätestaates von oben nach unten durch seine verschiedenen Ebenen geschickt, um in allen betroffenen Gremien diskutiert zu werden.“
In dieser Vorstellung läuft alles darauf hinaus, dass nur von oben bestimmt wird. Die Basis bzw. die unteren Gremien dürfen höchstens danach ihren Senf dazugeben: „Regionale Gremien diskutieren, ob der Plan mit den Bedürfnissen der Entwicklung ihrer Region übereinstimmt und ArbeiterInnen in den Betrieben diskutieren, ob der im Plan vorgesehene Beitrag ihres Betriebes realistisch, zu niedrig oder zu hoch angesetzt ist. Auf diesen Anmerkungen aufbauend, wird der Plan zur zentralen Plankommission zurückgeschickt und nach einer weiteren Überarbeitung vom obersten Rat beschlossen. Die ganze Gesellschaft wirkt somit am Ende mit an der Erfüllung eines von ihr diskutierten und beschlossenen Planes.“

Bemerkenswert an dieser Konzeption ist auch, dass die Konsumenten, für die ja letztlich produziert werden soll, in ihr gar nicht auftauchen. Auch fehlt in diesem Konzept jeder Mechanismus, der dafür sorgen könnte, dass es einen technischen Fortschritt und damit eine Steigerung der Arbeitsproduktivität gibt. Denn die technische Innovation ist nicht einfach so zentral planbar, sie muss integraler Bestandteil des Produktionsprozesses in jedem Betrieb sein. Im Grunde entspricht das Planungs-Prozedere des KA ziemlich genau der Praxis im Stalinismus. Deren Ergebnis ist bekannt.

Seit der Wende sind sehr viele gute und sachkundige Darstellungen von wichtigen Akteuren der DDR-Wirtschaft erschienen. Leider hat sich der KA (wie die gesamte „radikale Linke“) nicht oder kaum damit beschäftigt, sonst wäre ihm aufgefallen, dass ihr Modell an vielen Stellen wenig Neues bietet und an den realen Problemen weit vorbei geht. Alles in allem erinnert die Planungs- und Ökonomie-Konzeption des KA oft an eine Art Puppentheater, wo ein Spieler oben die Fäden aller Puppen in der Hand hält, nur: Wirtschaft und Gesellschaft sind kein Puppentheater.

Die Frage der Enteignung

Marx und Engels betonten schon im Manifest“, dass die Enteignung des Kapitals und der Übergang zu einer anderen Produktionsweise ein längerer Prozess ist und kein einmaliger Akt. Ganz anders der KA: „Bevor überhaupt an den Aufbau einer sozialistischen Planwirtschaft zu denken ist, müssen diese (Privateigentümer, d.A.) erst einmal enteignet werden.“ Das bedeutet: schnelle Enteignung aller Kapitalisten.

Weiter wird behauptet: „Die erste und zunächst wichtigste Form des gesellschaftlichen Eigentums im Sozialismus ist das Staatseigentum. Solange die Räte ein lebendiges Rückgrat des sozialistischen Staates darstellen und sich dieser durch sie in den Händen der ArbeiterInnenklasse befindet, repräsentiert der Staat die ArbeiterInnen als kollektive Eigentümer aller Produktionsmittel. (…) Noch in der Revolution müssen wir ArbeiterInnen die Produktion übernehmen und sie unseren vorherigen Ausbeutern entreißen.“

Dem KA fällt hier der Widerspruch in seinen eigenen Ausführungen gar nicht auf. Wenn die Arbeiter beginnen, schon während der Revolution die Produktion „zu übernehmen“, dann hat das mit dem Staat zunächst gar nichts zu tun (weil es diesen „Arbeiterstaat“ noch gar nicht gibt) und findet auf betrieblicher Ebene statt, tw. in Form von Genossenschaften. Gerade Sowjetrussland hat gezeigt, dass die Eliminierung der proletarischen Selbstverwaltung zugunsten der Verstaatlichung nicht nur zu einer ineffizienten Wirtschaft, sondern auch zur Herrschaft der Bürokratie geführt hat.

Weiter führt der KA aus: „Bei vergangenen Versuchen, den Sozialismus zu verwirklichen, wurden immer wieder auch Zugeständnisse an einzelne kleinere Eigentümer gemacht, ihre Enteignung verzögerte sich etwas. Gerade gegenüber KleinbürgerInnen, also Unternehmer, die nur in einem sehr begrenzten Maße fremde Arbeitskräfte ausbeuteten, hat man sich im allgemeinen bemüht, das Prinzip der Freiwilligkeit anzuwenden. Diese Flexibilität ist genau richtig und notwendig. Maßgebend ist, dass der Fortschritt hin zu einer vollständigen Zentralisierung der Produktion in den Händen der Gesellschaft ständig vorangetrieben wird und die vorübergehend verbleibenden kapitalistischen Eigentumsformen eben keine Bedrohung für die junge sozialistische Macht darstellen.“

Diese Passage widerspricht der oben geäußerten Ansicht, dass alles Kapital schnell und vollständig enteignet werden muss. In Deutschland etwa arbeitet die Mehrzahl der Arbeiter nicht in Großunternehmen, sondern in kleinen und mittelständischen Unternehmen. Es stimmt auch nicht – mindestens für Sowjetrussland -, dass man „sich im allgemeinen bemüht (hätte), das Prinzip der Freiwilligkeit anzuwenden.“ Und: Warum soll es notwendig sein, alles vollständig zu zentralisieren?! Auch hier wieder eine deutliche Reverenz des KA an den Stalinismus.

Zur UdSSR heißt es: „Die russischen Bauern hatten nach Jahrhunderten schlimmster Ausbeutung gerade erst durch die (demokratische) Revolution eigenes Land erhalten. Dementsprechend klammerten sie sich an dieses frisch erworbene Eigentum. Zunächst musste die Revolution mit ihnen den Kompromiss schließen, dass sie als Kleineigentümer wirtschaften konnten. Später war die Verbundenheit zum Eigentum noch immer so stark, dass man sich entschied, Genossenschaften als Form des Kollektiveigentums einzuführen.“

Die Formulierung „dass man sich entschied“ ist eine Umschreibung, ja Verharmlosung der verbrecherischen und ökonomisch fatalen Zwangskollektivierung, die „man“ – tatsächlich war es das Stalinsche Politbüro – beschlossen hat. Die Bezeichnung “Genossenschaften als Form des Kollektiveigentums“ ist mehr als naiv, denn die von Stalin erzwungenen Kolchosen waren eher besondere Staatsbetriebe als wirkliche Genossenschaften. Zudem fehlten alle objektiven ökonomischen Voraussetzungen dafür, dass sie hätten funktionieren können. Stalins Politik war nicht nur hinsichtlich der Freiwilligkeit bei der Kollektivierung eine grundsätzlich Abweichung von Lenins Vorstellungen, sie zeigt auch, wie verkommen, weltfremd und bizarr die stalinschen Politikaster (geworden) waren. Der mit der Zwangskollektivierung angerichtete ökonomische Schaden war in etwa genauso groß wie der Nutzen der zeitgleich stattfindenden Industrialisierung.

Dem KA fällt auch gar nicht die Widersinnigkeit dieser Aussage auf: „Später war die Verbundenheit zum Eigentum noch immer so stark, dass man sich entschied, Genossenschaften als Form des Kollektiveigentums einzuführen.“ Wenn dem so war, dann hätte man von einer Kollektivierung eher (noch) Abstand nehmen sollen, statt sie zu forcieren. Hinter dieser Aussage des KA steht aber auch wieder die Vorstellung einer zentralisierten Staatswirtschaft, die keine wirkliche genossenschaftliche Selbstverwaltung kennt.

Produktion im Sozialismus

Der KA stellt zunächst korrekt fest: „Insgesamt ist eine sozialistische Gesellschaft dazu in der Lage, um ein vielfaches produktiver zu wirtschaften als eine kapitalistische Gesellschaft auf gleichem technologischem Niveau. Arbeit für die Luxusgüter der Kapitalisten, gewaltige Transportrouten, Werbung und der ständige Konkurrenzkampf um die Kundschaft, sowie die Arbeit von Bankern, Versicherungsangestellte und anderen Bürokraten wird überflüssig. Es gibt auch keine ökonomische Notwendigkeit für Arbeitslosigkeit mehr, wie es im Kapitalismus noch der Fall ist. Die Gesellschaft versorgt sich als Ganzes und kann somit auch jeden an den anfallenden Arbeiten beteiligen. Alle arbeiten, aber unter Umständen müssen sie nicht mehr so lang oder intensiv arbeiten wie im Kapitalismus.“

Doch danach zeigt sich wieder ein Abgleiten in den Stalinismus: „In der sozialistischen Sowjetunion war eine der ersten Maßnahmen die Einführung eines Achtstundentages, was damals fast auf der ganzen Welt noch nicht durchgesetzt worden war. Wenige Jahre später führte man den Siebenstundentag ein, für besonders belastende Arbeiten sogar den Sechsstundentag. Ein Standard, der zum Beispiel im kapitalistischen Deutschland selbst heute noch nicht erreicht wurde.“

Dazu: 1. war die UdSSR nie sozialistisch, sondern bis Ende der 1920er eine Übergangsgesellschaft, die ab den 1930 in den Staatskapitalismus mündete. Beinahe jede Form demokratischer Artikulation und Verfügungsgewalt über die Produktionsmittel und die Gesellschaft insgesamt hatten die Arbeiterklasse und die Massen an die Bürokratie verloren. Von einem Räte-System konnte keine Rede mehr sein. 2. ist empirisch belegt, dass die gesetzlichen Vorgaben zur Länge des Arbeitstages oft nicht eingehalten wurden (von den Millionen Menschen in den Gulags ganz zu schweigen). 3. ist es nach Marx zwar ein Ziel, die notwendige Arbeitszeit zu verkürzen, doch für sich genommen besagt die Länge der Arbeitszeit noch nicht viel. Weit bedeutsamer ist nämlich die Produktivität der Arbeit – und diese lag in der UdSSR immer deutlich unter dem Niveau des Westens. Bis 1917 waren jedoch die Produktivität und Profitabilität der russischen Industrie noch genauso hoch wie im Westen. Erst die bürokratische Staatswirtschaft hat dann zum Zurückbleiben geführt. Und selbst die Produktivität pro Arbeitsstunde sagt noch wenig aus über die Gesamtproduktivität der Gesellschaft. Es ist kein Zufall, dass eine Senkung der Arbeitszeit im Ostblock nur am Anfang stattfand, um dann immer mehr gegen Null zu gehen. So erkämpfte die IG Metall in der BRD die 35-Stunden-Woche, nicht der FDGB in der DDR. Schon in der UdSSR der 1920er Jahre waren Überstunden oder „freiwillige“ Arbeit und auch „freiwillige“ Spenden vom Lohn von bis zu 10% derart verbreitet, dass der 8-Stunden-Tag oft nur eine Farce war. Von einer Überwindung der Entfremdung – für Marx eine zentrale Kategorie – in Ökonomie und Gesellschaft ist beim KA überhaupt keine Rede.

„Alles spricht dafür, dass bei dem heutigen Stand der Produktivkraftentwicklung sogar eine noch deutlich stärkere Arbeitszeitverkürzung denkbar wäre. Diese Arbeitszeitverkürzung dient allerdings nicht nur einer Verlängerung der Freizeit und Erholungsphasen für die ArbeiterInnen, sie ist zugleich eine Voraussetzung dafür, dass die ArbeiterInnen sich zu wirklichen LeiterInnen des Staatsapparats entwickeln können, in dem sie sich kollektiv bilden und alle wichtigen Aspekte des politischen und gesellschaftlichen Lebens ausführlich diskutieren. Die freigewordenen Ressourcen werden auch genutzt, um die ständige Weiterbildung der ArbeiterInnen sowohl in ihrem Beruf als auch in gesellschaftlichen Fragen zu ermöglichen.“ Dem stimmen wir zu – nur: warum ist hier nur vom „Staatsapparat“ die Rede, aber nicht von Räten u.a. Strukturen von Arbeiterdemokratie?! Marx betonte, dass der Staat mit der Entwicklung zum Kommunismus absterben müsse. Der KA betont stattdessen, „dass die ArbeiterInnen sich zu wirklichen LeiterInnen des Staatsapparats entwickeln“. Das ist das Gegenteil von Marx´ Intention, der eine Gesellschaft ohne Staat wollte!

Die Umweltfrage

Der Beitrag des KA wendet sich auch der Frage des Verhältnisses von Ökonomie und Natur zu. Dazu heißt es: „Im Kapitalismus wird die Natur ewig ein letztlich vernachlässigbarer Faktor bleiben, bis die Zerstörung unserer Umwelt soweit fortgeschritten ist, dass die Profite der Kapitalisten unmittelbar gefährdet sind.“ Alle Rohstoffe stellen „Natur“ dar. Sie sind im Kapitalismus keinesfalls ein „vernachlässigbarer Faktor“, denn sie haben einen Preis, der sich nach der Nachfrage, aber auch nach der Verfügbarkeit richtet, also auch und v.a. danach, wie viel Arbeit nötig ist, um die Rohstoffe zu erkunden, zu fördern, zu transportieren, umzuformen usw.

Weiter heißt es: „Selbst dann wird es aber keinen konsequent „grünen Kapitalismus“ geben können. Der Drang, die Produktionskosten und somit auch Maßnahmen für den Umweltschutz möglichst gering zu halten und die Produktion ins Unermessliche auszuweiten, lässt sich in diesem System nicht beseitigen. Erst der Sozialismus in seiner Kombination aus Rätedemokratie und Planwirtschaft ermöglicht der Gesellschaft, eine bewusste Entscheidung zu treffen: Den Schutz der natürlichen Umwelt der Menschheit zu einem übergeordneten Ziel der Planwirtschaft zu machen und alle dafür notwendigen Maßnahmen und Anstrengungen zu unternehmen. Konkret zum Beispiel Recyclingmethoden auch dann anzuwenden, wenn es kurzfristig weniger Aufwand erfordern würde, Rohstoffe erneut aus der Erde zu gewinnen und das alte Produkt zu vernichten.“

Wir stimmen dem allgemein durchaus zu, geben aber zu bedenken, dass trotz aller Naturzerstörung auch für den Kapitalismus ein Interesse und eine Notwendigkeit besteht, die Natur nicht zu zerstören und dass es Mechanismen (wenn auch oft zweifelhafte) gibt, dies zu sichern. Gehen z.B. bestimmte Rohstoffe zur Neige, werden diese teurer und andere Herstellungsverfahren und Materialien werden entwickelt und verwendet. Das ist übrigens keine Besonderheit des Kapitalismus sondern eine Eigenschaft jeder Produktionsweise. Als im antiken Libanon das Zedernholz knapp wurde, hat man darauf mit Fällbeschränkungen und Wiederaufforstung reagiert. Dasselbe passierte im spätmittelalterlichen Europa. Wer glaubt, der Kapitalismus ginge daran zugrunde, dass (irgendwann einmal, aber jedenfalls nicht im 21. Jahrhundert) Kupfer oder Erdöl zur Neige gehen, der begreift nichts von wissenschaftlich-technischer Entwicklung und von Kapitalismus.

Der KA versteht nicht, dass es „das Kapital“ nicht gibt, sondern verschiedene Fraktionen, die miteinander konkurrieren, aber auch kooperieren. Sicher gibt es Teile der Bourgeoisie, die ohne Rücksicht auf die Natur „auf Teufel komm raus“ wirtschaften. Es gibt aber auch andere, die von der Natur und deren Erhaltung bzw. deren Reparatur leben: der Tourismus, die Landwirtschaft, die Öko-Industrie usw. – letztere ist eine der am stärksten wachsenden Brachen. Sicher ist die kapitalistische Methode, erst Schäden anzurichten, um sie danach wieder zu reparieren, Wahnsinn – doch das ist etwas anderes, als – wie der KA – zu behaupten, dass der Kapitalismus die Natur letztlich vernichten wird.

Der Stalinismus hat in Bezug auf die Umwelt schlimmer gewütet als der Westen – obwohl er eine Planwirtschaft hatte. Allerdings – und darauf weist der KA auch korrekt hin – mangelte es an der (Räte)demokratie. Doch der KA versäumt es, konkret zu sagen, wie das Verhältnis Ökonomie – Natur verbessert werden kann. Es wird lediglich auf das Recycling verwiesen. Dabei wird aber ausgeblendet, dass auch das Recycling den „Naturverbrauch“ nur mindern, aber nicht beenden kann. V.a. stellt sich der KA – wie viele Linke – nicht einer zentralen Frage: eine nach-kapitalistische Gesellschaft müsste das Lebensniveau der übergroßen Mehrheit der (noch dazu weiter wachsenden) Menschheit deutlich erhöhen, was ohne Erhöhung des produktiven Outputs schlicht unmöglich ist. Marx sprach vom Kommunismus als einer Überflussgesellschaft. War Marx verrückt? Nein, nur war für ihn der (potentiell mögliche) Überfluss das Ergebnis einer völlig anders strukturierten und ausgerichteten Ökonomie und Gesellschaft – die er allerdings nicht genau beschrieben hat. Diese „weißen Flecken“ anhand der Erfahrungen der Geschichte zu füllen, ist gerade eine der Aufgaben, der sich Marxisten stellen müssten – was sie leider kaum getan haben.

Letztlich geht es darum, das gesamte Gefüge aus Produktion, Verteilung, Nutzung, Produktdesign usw. völlig umzugestalten. Lange Haltbarkeit, Kompatibilität und 100% Recyclingfähigkeit der Produkte, geschlossene Stoffkreisläufe, Rationalisierung sozialer (technischer) Strukturen usw. sind dabei einige Schlagworte. Immerhin vertritt der KA aber nicht die in der Linken verbreitete, von den „Grünen“ übernommene, reaktionäre Orientierung, dass sich die Konsumenten bescheiden und ihre Bedürfnisse einschränken sollen. Marx dagegen betonte immer, dass jede Veränderung im Bereich der Produktion ansetzen müsse und nicht bei der Konsumtion.

Güterverteilung im Sozialismus

Immer wieder begegnet uns die scheinbar unverzichtbare Reminiszenz an den Stalinismus: „Auch wenn das durchschnittliche Lebensniveau wie zum Beispiel in den ersten Jahren der Sowjetunion schnell steigen kann, ist die Frage, wie die Güter verteilt werden, keine Banalität.“

In den ersten Jahren, d.h. bis etwa Mitte der 1920er, stieg das Lebensniveau überhaupt nicht, schon gar nicht schnell, sondern es sank bzw. blieb niedriger als vor 1917. Das lag natürlich auch an Krieg und Bürgerkrieg, jedoch nicht nur. Selbst danach, unter der Regie Stalins, also ab Ende der 1920er kam es immer wieder zu neuen Engpässen und Problemen, die wesentlich aus einer verfehlten Wirtschaftspolitik herrührten. Allein die Zwangskollektivierung ab 1929 führte dazu, dass Millionen verhungerten und riesige produktive Potentiale vernichtet wurden. Angesichts dessen ist die obige Formulierung des KA nicht nur falsch, sondern geradezu demagogisch.

Der KA beruft sich bezüglich der Verteilung auf eine Aussage von Marx: „Der Kommunismus (…) zeichnet sich bezüglich der Güterverteilung durch das Prinzip „Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Bedürfnissen“ aus.

Marx hat nirgends behauptet, dass es eine scharfe Trennlinie zwischen zwei Verteilungsmechanismen geben würde. Natürlich bestehen schon in der Übergangsgesellschaft verschiedene Prinzipien nebeneinander. So gibt es neben unterschiedlichen Stundenlöhnen und Einkommen auch diverse kostenlose soziale Serviceleistungen z.B. bei Bildung oder im Gesundheitssystem. Der Verweis auf Marx bringt hier also wenig mehr als die Einsicht, dass das Niveau von sozialer Produktivität – ja der Lebensweise der Gesellschaft insgesamt – noch nicht „rein kommunistisch“ ist, weder bezüglich der Fähigkeiten noch der Bedürfnisse – davon ganz abgesehen, dass wir heute schlecht wissen können, wie dies im Kommunismus genau aussehen wird.

Wir stimmen dem KA aber durchaus zu, wenn er sagt: „Der Sozialismus wird die Lebensbedürfnisse der ganzen Bevölkerung umfassender, sicherer und kostengünstiger befriedigen können, als der Kapitalismus das je vermochte. Denn der Sozialismus kommt ohne alle oben genannten „falschen Kosten“ des Kapitalismus aus.“ Mit den „falschen Kosten“ meint der KA vermutlich die diversen unproduktiven Strukturen und die aus dem Mehrwert gezogenen Profite.

Weiter schreibt der KA: „Im Kommunismus soll also jeder soviel für die Gesellschaft leisten, wie in seinen Fähigkeiten liegt und dafür ganz frei nach seinen Bedürfnissen, die gesellschaftlichen Reichtümer nutzen dürfen. Bevor dieses Prinzip jedoch in der ganzen Gesellschaft angewendet werden kann, müssen vermutlich mehrere Generationen in kommunistischem Sinne erzogen werden. Als notwendiges Zugeständnis an das oft genug noch egoistische Denken der Menschen wendet daher der Sozialismus das Prinzip „Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seiner Leistung!“ an.“

Die Entwicklung zum Kommunismus wird auch „neue“ Menschen hervorbringen, genauso wie der Kapitalismus „neue“ – in neue Klassen geteilte – Menschen hervorgebracht hat, die sich z.B. von jenen des Mittelalters oder der Antike unterschieden. Doch ist dafür weniger die Erziehung verantwortlich, wie das der KA meint, sondern andere gesellschaftliche und Produktivstrukturen. Diese prägen wesentlich den Menschen, der nach Marx eben „das Ensemble gesellschaftlicher Verhältnisse“ ist.

Genauso wenig überzeugend ist die Polemik des KA gegen das „egoistische Denken“. Zunächst ist dieser Egoismus ja nichts anderes als das sich Kümmern um das, was der „persönliche Lebensbereich“ ist. Wenn wir nicht auf die Ebene persönlicher Schrullen, die den Egoismus oft ausmachen, abgleiten wollen, so ergibt sich der Egoismus wesentlich aus der allgemeinen sozialen Unsicherheit, der Atomisierung und der Konkurrenz in der bürgerlichen Gesellschaft. Der Kommunismus besteht nun aber nicht darin, das Eigeninteresse abzuschaffen, sondern es in kollektive Strukturen einzubinden. Insofern wird der Kommunismus (vermutlich) nicht weniger, sondern mehr „Egoismus“, ein Mehr an „Sich kümmern“ aufweisen. Der Unterschied besteht aber darin, dass im Kapitalismus das Eigeninteresse (v.a. der Leute, deren „Ego“ eine soziale Rolle spielt, also v.a. der Kapitaleigner) oft den Interessen der Gesellschaft schadet, während es im Kommunismus der Allgemeinheit nützt. Wenn ich z.B. mehr arbeite als andere, weil ich ein höheres Einkommen will, so ist das zunächst ganz egoistisch, indem es aber auch zugleich den Reichtum der Gesellschaft mehrt, ist es auch sehr sozial. Etwas ironisch könnte man daher das Prinzip „Wenn Jede(r) an sich denkt, ist an Alle gedacht“ als kommunistisch ansehen.

Die weiteren Ausführungen im Text des KA sind durchaus richtig, weil sie ein Verständnis dafür zeigen, dass beim Übergang zum Kommunismus verschiedene gegensätzliche Prinzipien und Strukturen zugleich auftreten. Doch auch hier mangelt es wieder an der genaueren Auseinandersetzung mit den historischen Erfahrungen, die v.a. in Gestalt der Ostblock-Staaten vorliegen. So lesen wir z.B.: „Auch bei den bisherigen Anläufen zum Sozialismus wurden beide Verteilungsprinzipien durchaus kombiniert. So wurden ergänzend zum Lohn nach Leistung, Nahrungsmittelgutsscheine für Grundnahrungsmittel entsprechend der Zahl der Familienmitglieder ausgegeben.“ Da fragen wir uns, welche „bisherigen Anläufe zum Sozialismus“ gemeint sein könnten, da es nur in Russland einen Arbeiterstaat (bis Ende der 1920er) gab, ansonsten jedoch nur Staatskapitalismus. Selbst wenn man den Ostblock nicht als staatskapitalistisch ansieht, muss man doch zugeben, dass dieser sich nicht zum Kommunismus hin, sondern von ihm wegentwickelt hat. Auch wird hier der wichtige Umstand missachtet, dass es im Ostblock massive Subventionen gegeben hat, die oft dramatische ökonomische Negativwirkungen hatten und jede Art von Leistungsprinzip und wirtschaftliche Rechnungsführung untergraben haben.

Solche, die historischen Fakten ignorierenden, Passagen werden ergänzt durch utopisches Geschwurbel wie dieses: „Die Organisierung von lokalen oder regionalen Verteilstellen, anstelle von kapitalistischen Supermärkten, wurde historisch des öfteren von Konsumgenossenschaften, also ArbeiterInnen, die sich zu diesem Ziel zusammengeschlossen hatten, durchgeführt. Es ist ein sinnvolles Element der Planwirtschaft, da so selbstorganisiert von den Menschen in einem bestimmten Viertel ihr eigener Bedarf bestimmt wird und an die höheren Stellen der Planwirtschaft in Form von Produktanfragen weitergeleitet wird.“ Was bitte sind „lokale oder regionale Verteilstellen“? Tante-Emma-Läden? Und natürlich fehlt auch hier nicht der Verweis, dass man sich „an die höheren Stellen der Planwirtschaft“ wenden solle. Wenn etwa der Einzelhandel nicht ein sich selbst regulierendes System ist, sondern der Umweg über eine „höhere Stelle“ nötig ist, dann ist das ein Zeichen dafür, dass es nichts taugt. Stalins Staatshandelsstruktur ist ein markantes Beispiel dafür: mit wesentlich mehr Aufwand als im Kapitalismus wurden wesentlich weniger Waren bereitgestellt. Einem solchen „Sozialismus“ ist sogar der heutige Kapitalismus noch vorzuziehen.

Ein nächster Abschnitt widmet sich den „Preisen im Sozialismus“. Dort heißt es: „Grundsätzlich werden Preise im Sozialismus vor allem eine Größe sein, die den gesellschaftlichen Arbeitsaufwand, der in einem Produkt steckt, zum Ausdruck bringt. Preise und Buchführung der einzelnen Betriebe und Wirtschaftszweige sind somit eine Voraussetzung, um überhaupt den Überblick über das wirtschaftliche Leben der Gesellschaft erhalten zu können.“ Richtig! „Sie bilden sich dabei aber nicht im ständigen Kampf zwischen Angebot und Nachfrage wie im Kapitalismus heraus, wo die Preise diverser Produkte weit über ihren Wert steigen bzw. darunter fallen. Sie werden vielmehr im Zuge der Aufstellung des Wirtschaftsplans festgelegt.“ Dazu sei angemerkt, dass sich im Kapitalismus die Preise durchaus nicht wesentlich, d.h. im Durchschnitt, durch den „Kampf zwischen Angebot und Nachfrage“ bestimmen, sondern v.a. durch die Produktions- bzw. Kapitalkosten (v+c) plus den Profitaufschlag.

Auf das eigentliche Problem, wie die realen Aufwendungen durch eine Planung abgebildet werden können, geht der KA nicht ein. Der Stalinismus zeigte sich immer außerstande, reale Preise festzulegen bzw. zu ermitteln. Daher gab es ständig Industriepreisreformen, um die Disproportionen zu beheben, was aber nie gelang.

Immerhin stellt der KA aber richtig fest: „Dennoch können die Preise nicht vollkommen willkürlich festgelegt werden, da es unmittelbar zu schweren Missverhältnissen in der Wirtschaftsplanung führt, wenn die Preise vollkommen losgelöst von der für die Produktion eines bestimmten Guts notwendigen Arbeit festgelegt werden.“

Anreize

Unter dem Titel „Anreize im Sozialismus“ geht der KA auf einige konkrete Fragen und Erfahrungen der UdSSR ein. Da heißt es: „In der Sowjetunion wurden diverse Methoden der Kollektivprämien erprobt, auch um das Bewusstsein der sozialistischen Menschen weiterzuentwickeln. Sie wurden ausgeschüttet, wenn der Betrieb bestimmte, im Plan angegebene Kennzahlen überschritt. Heute können wir aus diesen Erfahrungen schöpfen. Ein Problem, das sich dabei oft zeigte: Egal, wie leitende Gremien der Planwirtschaft die Anreize setzten, Möglichkeiten zur Manipulation boten sich in vielen Fällen. Wurde das Produktionsvolumen nicht nach Stückzahl, sondern nach Masse bestimmt, wurden zum Teil schwerere, aber minderwertige Materialien verbaut. Ging es nur nach der Stückzahl, wurde schnell, aber ineffizient und mit hohem Materialaufwand gearbeitet.“

Richtig. Diese Probleme der „willkürlichen Auslegung“ von Normen, Planzielen usw. durch die betriebliche Bürokratie waren grundsätzlicher Natur. Das hatte jedoch weniger mit dem Prämiensystem zu tun als mit mit dem Fehlen exakter wirtschaftlicher Rechnungsführung und Preisbildung sowie dem fast völligen Fehlen von Möglichkeiten der Konsumenten (sowohl der privaten wie der Betriebe), Einfluss auf die Produktion zu nehmen bzw. bei Zulieferung mangelhafter Produkte Regress einzufordern. In den 1920/30ern – aber auch noch danach – war der Anteil von Ausschuss oder minderwertiger Produkte in der UdSSR enorm hoch. Dieses Problem wurde (und konnte) durch die Planung von Ressourcenmengen nicht behoben werden. Der Mechanismus, der im Kapitalismus solche Erscheinungen eindämmt, ist die Marktkonkurrenz. Überall da, wo diese in den Staatswirtschaften ausgeschaltet wurde, ohne dass es einen anderen wirkungsvollen Mechanismus an deren Stelle gab, hat es zu den bekannten Problemen geführt.

Die Lösung des KA dafür ist diese: es müsse „Stück für Stück das Bewusstsein (geschaffen) werden, dass im Sozialismus die eigene Anstrengung dem Individuum und der ganzen Gesellschaft zu einem besseren Leben verhilft und nicht wie im Kapitalismus nur die Ausbeuter reicher macht.“

So erweisen sich strukturelle Probleme der Produktionsweise, der Stellung der Eigentümer, der Produzenten und Konsumenten, der wirtschaftlichen Subjekte (der Betriebe) zueinander und zur Gesellschaft insgesamt für den KA letztlich nur als – Bewusstseinsfrage. Das ist blanker Idealismus und nicht Materialismus – und es erklärt nichts!

Der KA wendet sich auch der Frage zu, wie technologischer Fortschritt ohne Konkurrenz möglich sei. Zum Kapitalismus wird zunächst festgestellt: „Zu glauben, dass mit der Abschaffung der kapitalistischen Konkurrenz, die Wissenschaft zum Erliegen kommt, setzt voraus zu glauben, dass diese Konkurrenz heute die Triebfeder der Wissenschaft sei. Aber ist es glaubwürdig, dass die genialsten Köpfe des Kapitalismus, nur aus Gewinnsucht handeln?“

Zunächst: Natürlich ist im Kapitalismus die Konkurrenz der entscheidende Stachel zur permanenten technischen Umwälzung des Produktionsprozesses. Diese Frage ist auch nicht nur, wie sich das der KA offenbar vorstellt, eine Frage der Intelligenz der „genialsten Köpfe“, sondern auch und v.a. eine Frage von Investitionen, also von Kapitalflüssen. Woran und wofür geforscht wird, wird meistens von Unternehmen vorgegeben bzw. organisiert, wo auch die meisten Wissenschaftler und Techniker arbeiten und wo die meisten Patentanmeldungen gemacht werden.

Auch folgende Passage verweist auf ein etwas einseitiges Bild des Kapitalismus: „Auch werden die ForscherInnen (…) von den unsinnigen Methoden des kapitalistischen Wettbewerbs erlöst. Sie müssen nicht mehr ihre eigenen Erkenntnisse, Thesen und Theorien bis kurz vor der Veröffentlichung ihrer Ergebnisse vor der wissenschaftlichen „Konkurrenz“ geheim halten, sondern können diese miteinander austauschen und sich gegenseitig unterstützen.“ Was der KA hier darstellt, betrifft eher die Technik-Entwicklung in Unternehmen als „die Wissenschaft“, wo neben aller Konkurrenz auch die Kooperation stark ausgeprägt ist.

Natürlich gab und gibt es auch Erfindungen ohne Kapitalismus und Privateigentum, die Frage, die hier steht, ist aber, wie es auch ohne Konkurrenz und Privateigentum gelingen kann, für wissenschaftlich-technischen Fortschritt zu sorgen, der sogar noch dynamischer als im Kapitalismus sein müsste – denn gerade das ist die entscheidende Begründung des Kommunismus. Dazu sagt der KA nichts außer einigen Allgemeinplätzen (negative Wirkungen der Konkurrenz, Geschäftsgeheimnis, Patentschutz, Nutzung von Schwarm-Intelligenz usw.). Ansonsten verweist man auf die überlegene Bildung im Sozialismus. In Deutschland besuchen über 40% aller Schüler ein Gymnasium – Tendenz steigend. Was ist da an Steigerung noch möglich? Sicher spielt Bildung eine Rolle, v.a. aber spielen andere Faktoren eine Rolle: Wie ist die Verbindung zwischen Wissenschaft und Produktion? Wie ist das Verhältnis zwischen planmäßig organisierter Forschung und Vielfalt und Freiheit der Forschung? Usw. usf.

Fazit

Der Text des KA beschreibt insgesamt die Notwendigkeit und Möglichkeit einer nachkapitalistischen Ökonomie. Er wendet sich zurecht gegen die bürgerliche These, dass die kapitalistische Ordnung alternativlos wäre und eine „Planwirtschaft“ nicht funktionieren könne. Hier stimmen wir dem KA zu. Die Schwächen des Textes bestehen aber darin, dass vom Kapitalismus ein Bild gezeichnet wird, das der Realität tw. nicht gerecht wird. Ihre Vorstellungen einer nachkapitalistischen Ökonomie (es wird kaum zwischen der Übergangsgesellschaft und der höheren Phase unterschieden) sind insgesamt sehr allgemein. Sie bieten analytisch sehr wenig hinsichtlich der Aufarbeitung historischer Erfahrungen, v.a. Osteuropas. Das liegt offenbar daran, dass man die dortigen stalinistischen Ordnungen als mehr oder weniger sozialistisch ansieht, obwohl sie eher eine Karikatur darauf waren. Insofern überrascht es auch nicht, dass der KA weitgehend einer Auffassung von „Planwirtschaft“ anhängt, die „staatssozialistisch“ ist. Hier knüpft sie stark an Vorstellungen an, die aus dem Umkreis II. Internationale – Lenin – Stalin stammen, aber nicht von Marx. Marx hat sich nie und nirgends für eine Staatswirtschaft ausgesprochen, sondern für eine auf Selbstverwaltung und Genossenschaftlichkeit beruhende Wirtschaft plädiert – ohne diese aber genauer zu skizzieren. Diesen „weißen Fleck“ zu füllen ist eine aktuelle Aufgabe für Marxisten. Der Beitrag des KA dafür ist sehr gering. Gleichwohl ist der Beitrag des KA wert, in der Linken diskutiert zu werden. Wir sehen unsere Aufgabe mit diesem Beitrag als erfüllt an und verweisen zugleich auf unsere zahlreichen Beiträge zum Thema auf unserer Homepage www.aufruhrgebiet.de und unsere Broschüre „Die proletarische Wirtschaft“.

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