Wagenknecht: Eine Alternative?

Hanns Graaf

Schon seit Jahren köchelt der Konflikt zwischen der LINKEN-Führung und Sarah Wagenknecht. Zuletzt hat sich die Situation noch zugespitzt. Anlässe dafür waren zum einen Wagenknechts Buch „Die Selbstgerechten“, in dem sie die Politik der LINKEN scharf kritisiert, zum anderen ihr gemeinsam mit Alice Schwarzer verfasster Aufruf zur Beendigung des Ukraine-Krieges durch Verhandlungen und die Kundgebung am Brandenburger Tor in Berlin, zu der Zehntausende kamen. Die offensichtliche Unvereinbarkeit vieler Positionen Wagenknechts mit der Politik des LINKEN-Vorstands hat diesen nun bewogen, mehrheitlich zu erklären, dass die LINKE in Zukunft ohne Wagenknecht auskommen will.

Dass die LINKE in einer schweren, ja existenziellen Krise steckt, ist unübersehbar. Bei der letzten Bundestagswahl erhielt sie gerade noch 4,9% und konnte nur noch aufgrund der drei Direktmandate eine Fraktion bilden. Allein die Tatsache, dass die LINKE aktuell nicht von der breiten Enttäuschung über die Ampel-Politik profitiert und in den Umfragen weiter unter 5% herumdümpelt, ist ein überdeutliches Zeichen für ihr politisches Versagen. Die Ankündigungen der Fraktionsvorsitzenden Dietmar Bartsch und Amira Mohamed Ali, nicht wieder für den Fraktionsvorsitz zu kandidieren, ist ein weiteres Zeichen der Krise.

Inkonsequenz

Trotz des unübersehbaren Bruchs zwischen Wagenknecht und der Mehrheit des Parteiapparats (und der hinter diesem stehenden Teil der Basis) zeigt auch der Umgang beider Seiten mit dem Problem, wes´ Geistes Kind sie sind. Das Agieren von Wagenknecht ist schon lange so, dass man es durchaus als die Partei schädigend bezeichnen kann. Insofern hätte ihr Ausschluss aus der Partei schon lange erfolgen können und müssen. Dass das nicht der Fall war, zeigt die Inkonsequenz der Apparatmehrheit. Sie fürchtet zu recht, mit Wagenknecht ihre bekannteste und beliebteste Politikerin und damit entsprechend auch Mitglieder und Wähler zu verlieren. Damit stellt sie faktisch das Wahlergebnis, d.h. die parlamentarische Präsenz über den politischen Inhalt. Die Sicherung von Posten und Geld war ihr lange wichtiger als die Beendigung der Krise und eine politische Klärung.

Wagenknecht selbst ist nicht besser. Als erfolgreiche Autorin materiell abgesichert, ist sie auf kein politisches Amt angewiesen. Doch anstatt aus ihrer, zum großen Teil berechtigten Kritik an der LINKEN die Konsequenzen zu ziehen, auszutreten und/oder eine neue Partei zu gründen, bleibt sie in der LINKEN und füttert die Spekulationen über eine Wagenknecht-Partei. Dieses Zögern ist nicht nur höchst unseriös, es ist politisch schädlich. Eine wirklich konsequent linke, aktivistische Partei, die sich für die Interessen der Lohnabhängigen und der Bevölkerungsmehrheit einsetzt, wie es Wagenknecht selbst betont, ist dringend notwendig, deshalb darf ihre Gründung nicht weiter hinausgezögert werden. Sicher kann eine Partei nicht aus der Hosentasche gezaubert werden, doch sie über viele Monate nur anzukündigen, ist unakzeptabel – erstens deshalb, weil es überhaupt keine öffentlich sichtbaren Schritte dazu gibt und zweitens, weil die AfD somit weiter ohne Konkurrenz als einzige „Opposition“ agieren kann.

Kürzlich äußerte sich auch Gregor Gysi zur Frage der Wagenknecht-Partei. Er wies darauf hin, wie schwierig es sei, eine Partei zu gründen, da man dafür ja „überall Büros eröffnen müsste“. An dieser Aussage wird deutlich, dass linke Politik für Leute wie Gysi v.a. mit Büros, Posten, Parlamentssitzen usw. zu tun hat, nicht aber damit, Initiativen zu ergreifen und Strukturen aufzubauen, um Widerstand zu leisten und Menschen zu eigener politischer Aktivität zu bringen. Dafür braucht man nicht zuerst und vor allem Büros. Wann, wenn nicht jetzt gibt es Grund und Gelegenheit, Widerstand zu mobilisieren – gegen die fatale Politik der Ampel?!

Der Grund, warum die LINKE ihrer Rolle als Opposition nicht nachkommt, ist nicht schwer zu finden. Ihre Politik zielt grundsätzlich darauf, den Kapitalismus zu reformieren. Das ist nicht falsch, weil ohne Kampf für Verbesserungen bzw. gegen Verschlechterungen auch eine revolutionäre Strategie „in der Luft hängen“ würde, es wäre kaum möglich, ein ausreichend starkes revolutionäres Potential zu formieren. Die Fehler des Reformismus sind andere: 1. ist sein „Kampf“ um Reformen nicht Teil einer Strategie, die auf die revolutionäre Überwindung des Kapitalismus zielt, sondern er bewegt sich nur innerhalb der Strukturen des Systems; 2. wird der Kampf – soweit von Kampf überhaupt gesprochen werden kann – fast nur mit demokratisch-parlamentarischen Mitteln geführt, d.h. unter Nutzung der ungefährlichen Spielräume welche die „Freiheitlich-demokratische Grundordnung“, die „Sozialpartnerschaft“ usw. bieten. Alle Ansätze einer proletarisch-räteartigen Selbstorganisation werden ignoriert oder bekämpft.

Gewerkschaftspolitik und …

Ein Beispiel soll das illustrieren. Klassenkämpferische Politik würde bedeuten, dass die LINKE eigene Strukturen bis hin zu Fraktionen in den Gewerkschaften aufbaut, die Kämpfe initiieren und führen und sich gegen das sozialdemokratisch-bürokratische Management und die reformistische Arbeitsteilung zwischen Betriebsräten (BR), Gewerkschaftsapparat und SPD richten. Die LINKE müsste z.B. dafür wirken, dass Streiks der Kontrolle von Basisorganen der Betriebe (Streikkomitees) unterliegen und nicht per se von BR und Gewerkschaftsbürokratie geführt (und oft genug ausverkauft werden). Das ist jedoch nicht die Politik der LINKEN, sie trägt alles in allem die sozialdemokratische Ausrichtung des DGB mit. Kein Wunder, dass sie so kaum als Alternative zur SPD wahrgenommen wird und fast ihre gesamte Arbeiterbasis als Mitglieder und Wähler verloren hat, weil diese die LINKE weder als alternativ noch als aktiv wahrnimmt.

… Mitregieren

Um Reformen umsetzen zu können, ist es freilich unabdingbar, zu regieren bzw. einer Regierungskoalition anzugehören. Jene LINKEN, die – zu recht – gegen das Mitregieren argumentieren, aber nicht zugleich die Mittel und Methoden des Reformismus grundsätzlich kritisieren, also primär auf klassenkämpferische Mobilisierung anstatt auf Nur-Parlamentarismus setzen, gehen am Kern des Problems vorbei.

Die Regierungsperspektive der LINKEN beruht auch auf der falschen Annahme, dass es möglich wäre, mittels parlamentarischer Mehrheiten grundsätzliche Reformen durchzusetzen. Sie geht dabei von der These aus, dass der Staatsapparat neutral und für ganz verschiedene Zwecke, d.h. gegensätzliche Klasseninteressen nutzbar wäre. Die wirkliche Macht aber liegt nicht beim Parlament, ja noch nicht einmal bei der Regierung, sondern beim Großkapital und dem Staatsapparat. Das Mitregieren der LINKEN ist wie der Schwanz, der mit dem Hund wedeln will. Historische Erfahrungen wie auch die verschiedenen Beteiligungen der PDS bzw. der LINKEN an Landesregierungen zeigen, dass diese mehr oder weniger gezwungen sind, die Spielregeln des Kapitalismus treu zu befolgen. Paradebeispiel dieser Politik ist der Berliner rot/rote Senat, der einen Großteil der kommunalen Berliner Wohnungen verscherbelt hat, um den maroden Haushalt zu sanieren. Anstatt die Wohnungssituation zu verbessern, hat sie diese damit noch weiter verschlechtert.

Eine korrekte Position zur Regierungsfrage wäre, jede Beteiligung an einer bürgerlichen Regierung – und damit die Verantwortung für die Verwaltung des Kapitalismus – abzulehnen. Nur an einer Arbeiterregierung aus linken und Arbeiterorganisationen, die sich auf die Mobilisierung der Klasse stützt und ein antikapitalistisches Programm verfolgt, kann man sich beteiligen. Bereits Rosa Luxemburg hat den „Ministerialismus“ und die Illusionen des Mitregierens scharf kritisiert – kein Grund für die LINKE, sich damit ernsthaft zu befassen.

Zurück zum Erfurter Programm?

Viele Linke in der LINKEN fordern eine Rückkehr zu den Positionen des Erfurter Programms der LINKEN. Damit sind v.a. die dort formulierten friedenspolitischen Positionen gemeint. In der Tat sind diese mit der derzeitigen Politik der LINKEN-Führung zur Ukraine nicht kompatibel. Keine Waffenlieferungen, Austritt aus der NATO u.a. Positionen kollidieren mit der einseitigen Unterstützung der Ukraine gegen den „Aggressor“ Russland. Auch die Forderung nach Waffen für die Ukraine, wie z.B. von Thüringens LINKEN-Ministerpräsident Ramelow, widersprechen dem Programm (dafür müsste Ramelow eigentlich aus der Partei ausgeschlossen werden). Selbst die Forderung nach Austritt Deutschlands aus der NATO wird aufgeweicht, z.B. indem Gysi statt dieser Forderung die windelweiche und praktisch zu nichts verpflichtende Losung nach „Auflösung der NATO“ vertritt.

Doch eine „Rückkehr zu Erfurt“ ist keine Lösung, weil sie am Grundproblem der Politik der LINKEN vorbeigeht. Dieses besteht nämlich weniger darin, dass es falsche „Losungen“ enthält, sondern darin, dass diese rein reformerisch sind und weitgehend offen gelassen wird, WIE diese umgesetzt werden sollen. Jede programmatisch-taktische Konkretisierung fehlt darin. So bleibt es dem Apparat bzw. dem politischen Voluntarismus überlassen, wie „Friedenspolitik“ praktisch aussieht. Hier – wie auch in allen anderen Fragen – ist das Programm ein reiner Wunschkatalog und keine Anleitung zum praktischen Handeln resp. zum Klassenkampf. Würde die LINKE aber über ein solches Programm verfügen und es umsetzen, könnte sie sich jede Hoffnung auf ein Mitregieren mit der SPD oder den Grünen abschminken. Eine Bundesregierung, die aus der NATO austreten wollte, ist undenkbar. Niemals würde die SPD mit der LINKEN auf einer solchen Basis koalieren. Die Abweichung von den bzw. die Aufweichung der hehren Prinzipien von Erfurt ist daher eine logische Folge der reformistischen Gesamtstrategie der LINKEN. Daher ist es auch unmöglich, die Partei nach links zu stoßen, wie MARX21 u.a. Linke in der LINKEN es schon seit 2006 versuchen.

Auch das Selbstverständnis der LINKEN als „linke pluralistische Partei“ bedeutet praktisch, dass sie für alles vermeintlich „Linke“ offen ist. Anstatt ausgehend von historischen Erfahrungen ein klares Programm zu erarbeiten, bewegt man sich a priori im Rahmen des Reformismus. Im Prinzip können Mitglieder und v.a. Funktionäre jede Art von Politik irgendwie mit dem verwaschenen Programm und der Berufung auf den Pluralismus begründen. Gerade der Pluralismus verhindert die Erarbeitung, Festlegung und Verbesserung einer wissenschaftlich und historisch fundierten Politik. Das Grundverständnis, das dem Erfurter Programm zugrunde liegt, ist nicht die Lösung, sondern das Problem.

Welches Programm?

Aufgrund der rein reformistischen Parteipraxis und -programmatik gibt es in der LINKEN weder eine Kenntnis darüber noch ein Verständnis dafür, wie ein revolutionäres Programm aussehen könnte. Diese notwendige und grundlegende Debatte ist schon 1989/90 bei der Umwandlung von der SED in die PDS ausgeklammert worden. Für Marxisten ist das übliche Minimal-maximal-Programm des Reformismus unbrauchbar – nicht nur zur Überwindung des Kapitalismus, sondern selbst zur Erkämpfung von Reformen. Warum? Die Alltagsforderungen (Minimalprogramm) verbleiben komplett im Rahmen des Systems. Das Proletariat wird so bestenfalls zum Hamster im Rad des Kapitalismus, der ewig rennt, aber nie zum Ziel gelangen kann. Andererseits sind die Maximalforderungen reine Losungen für sozialistische Sonntagspredigten, die nichts Konkretes bedeuten und zu nichts verpflichten.

Die LINKE versteht sich offiziell als „pluralistische linke Partei“. Diese Charakterisierung ist nicht nur nichtssagend – was heißt „links“? -, sie verkleistert auch die Tatsache, dass die Partei eine rein reformistische Formation ist, die alle Grundlagen des Systems (Privateigentum, Lohnarbeit, Konkurrenz, Profitproduktion, Staat, Entfremdung usw.) akzeptiert – wenn auch „kritisch“ und reformerisch. Das Programm mit seinen allgemeinen, verwaschenen Positionen dient v.a. dazu, linke, kritische Menschen anzuziehen und programmatisch „zufrieden zu stellen“. Die konkrete Politik wird dann je nach den Anforderungen der Realpolitik vom bürokratischen Apparat exekutiert – so, wie es bei allen sozialdemokratischen und stalinistischen Parteien immer war und ist.

Eine Programmatik, d.h. ein System von Strategie und Taktik, das die Arbeiterklasse befähigt, den Kapitalismus zu überwinden, muss nicht neu erfunden werden. Es existiert bereits – zumindest in wesentlichen methodischen Ansätzen – in Gestalt des „Übergangsprogramms“ der IV. Internationale von 1938. Darin systematisierte Trotzki die Erfahrungen der revolutionären Arbeiterbewegung, v.a. der Bolschewiki, und die Schlussfolgerungen aus den Siegen und Niederlagen des Proletariats. Das „Übergangsprogramm“ ist die einzige Art von Programm, das eine strukturelle Verbindung zwischen den Minimalforderungen und dem Maximalprogramm herstellt. Für die PDS oder die LINKE war das aber nie ein Thema.

Wagenknechts Programm

Wofür steht nun Wagenknecht politisch? Kann sie bzw. ihre Partei eine Alternative zur LINKEN, zu deren kruden Reformismus sein? Schauen wir uns dazu den „Der Aufruf für eine populäre Linke“ an, den sie verfasst bzw. unterstützt hat.

Darin heißt es z.B.: „Umso wichtiger ist in dieser Situation eine politische Kraft, die all denjenigen eine starke, laute Stimme gibt, die sich sehnlichst eine verantwortungsvollere Politik für sozialen Ausgleich und Frieden wünschen.“ Sozialer Ausgleich – im Kapitalismus?! Verantwortungsvolle Politik für Frieden – von Regierungen, die dem Kapital dienen und auf Krisen des Systems reagieren?! Das ist nicht Antikapitalismus, das ist dieselbe reformistische Tagträumerei wie auch bei der LINKEN!

Weiter lesen wir: „Wir wollen eine LINKE, die für die Mehrheit der Bevölkerung, die Arbeitenden, die Familien, die Rentnerinnen und Rentner und die sozial Benachteiligten aktiv ist. DIE LINKE darf sich nicht auf bestimmte Milieus verengen.“ Hier bezieht Wagenknecht zurecht Position gegen die Minderheiten-, Gender- und Milieupolitik der LINKEN, die nebensächliche Fragen aufbläst und damit wesentliche außen vor lässt. Zu recht kritisiert Wagenknecht hier – wenn auch nicht immer in adäquater Weise -, dass die LINKE sich dem kleinbürgerlichen Milieu der Grünen anpasst. Doch auch bei Wagenknecht vermissen wir einen klaren Bezug auf die Arbeiterklasse als historisches Subjekt von sozialen Veränderungen und umso mehr klare Vorschläge, wie man die fatale Herrschaft des Reformismus über die Arbeiterbewegung aufbrechen kann.

Weiter ist von einer „glaubwürdige(n) soziale(n) Alternative“ die Rede, „die die Menschen nicht moralisch von oben herab belehrt“ und „zugleich die wirksamste Kraft gegen Rechts“ ist. Doch was heißt das konkret? Auch hier nur Phrasen auf dem Rasen. Wie es z.B. erreicht werden kann, die Gewerkschaften stärker zum Klassenkampf zu „animieren“, ist Wagenknecht keinen Gedanken wert. Oder doch: „DIE LINKE setzt auf Zusammenarbeit mit Gewerkschaften und sozialen Bewegungen, will dort verankert sein und sie unterstützen. Aber sie hat als Partei nicht die Aufgabe, die bessere Gewerkschaft zu sein oder die weitestgehenden Forderungen einzelner Bewegungen als eigenes Programm zu verkünden. Überzogene und unrealistische Forderungen schaden ebenso wie ein opportunistisches Streben nach Mitregieren um den Preis der Aufgabe linker Ziele.“ Diese Passage zeigt sehr deutlich, was der Kern von Wagenknechts Politik ist. Jede Art von Kritik am oder gar Alternative zum Reformismus der Gewerkschaftsbürokratie wird zurückgewiesen. Dafür wird die völlig unsinnige These bemüht, dass die „Partei nicht die Aufgabe (hat), die bessere Gewerkschaft zu sein“. Natürlich nicht, wer hätte das je verlangt?! Mit den „überzogenen und unrealistischen Forderungen“ ist natürlich alles gemeint, was den Reformismus und Bürokratismus wirklich attackiert und eine klassenkämpferische Gewerkschaft anstrebt. Vor solchen Statements muss der Bürokratie nicht bange sein. Das Mitregieren kritisiert sie nur, wenn es „opportunistisch“ ist und „linke Ziele“ aufgibt. Dass Mitregieren nur um diesen Preis überhaupt möglich ist, versteht sie nicht.

Weiter gibt es ein geradezu lächerliches Bekenntnis: „Wir verteidigen das Völkerrecht, verurteilen Angriffskriege und lehnen doppelte Standards in der Außenpolitik ab.“ Dass das „Völkerrecht“ kein Recht der Völker ist, sondern ein Formelwerk der Herrschenden, ist Wagenknecht auch entgangen. Auch Selensky berief sich auf das Völkerrecht, als er schon 2014 das Streben der Russen im Donbass nach nationaler Souveränität mit einem Granatenhagel beantwortete.

Zum wichtigen Thema der Klima- und Energiepolitik sagt der Aufruf: „Wir wollen eine wirksame und eine gerechte Umwelt- und Klimapolitik, die die Perspektive der Beschäftigen beachtet. Der Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen kann nur gelingen, wenn er durch massive staatliche Investitionen gefördert wird.“ Keine Kritik am unwissenschaftlichen Klima-Alarmismus und der damit begründeten Energiewende. Die „Gerechtigkeit“ ihrer Klimapolitik besteht darin, dass der Staat die entstehenden Unkosten übernimmt. Das ist im Kern das, was auch die Grünen wollen.

Und Wagenknechts Fazit? „Um politisch zu überleben, muss DIE LINKE sich verändern – ohne ihre Grundsätze aufzugeben, die im Erfurter Programm beschrieben sind.“ Das heißt hinsichtlich der Strategie, der Methoden und der Taktik: Weiter so! Zu neuen Erfolgen mit genau jenem Programm, dass die LINKE in die jetzige Todeskrise geführt hat. Immerhin „stehen wir in grundsätzlicher Opposition zum Marktradikalismus und zu kapitalistischer Herrschaft. Unser Ziel ist ein neuer, demokratischer und ökologischer Sozialismus.“ Nein, nicht zum Kapitalismus steht man in Opposition, sondern nur zum „Marktradikalismus“. Wenn die Ablehnung der „kapitalistischen Herrschaft“ ernst genommen werden soll, dann müsste hier z.B. etwas stehen von der Zerschlagung des Staates und dessen Ersetzung durch eine Rätedemokratie. Von den marxschen Postulaten – z.B. Überwindung des Lohnsystems, der tradierten Arbeitsteilung, der Entfremdung usw. bleibt nichts übrig.

Dass Wagenknecht grundlegend nichts anderes vertritt als die LINKE und früher auch die SPD zeigen auch ihre Bücher oder der Gründungsaufruf für „Aufstehen“. Sicher bezieht sie in vielen Fragen (Migration, Corona, Klima, Energie, Ukraine usw.) oft realistischere und bessere Positionen als die LINKE und ist deswegen für viele Menschen eine Bezugsperson, ein Vorbild, das sich vom politischen Mainstream positiv abhebt und auch Charakter zeigt, sich dem medialen und politischen Druck entgegen zu stellen. Doch eine Alternative zur LINKEN und zum Reformismus von SPD und DGB ist sie nicht. Sie will den Reformismus wieder attraktiver und massentauglicher machen – nicht aber ihn überwinden. Wie hieß es doch in einem Lied aus der DDR so schön: „Alles wird besser, aber nichts wird gut“.

Was bewirkt eine Wagenknecht-Partei?

Sollte es demnächst tatsächlich eine Wagenknecht-Partei geben, so hätte das gravierende Folgen für die politische Landschaft, für die linke Szene und evtl. auch für die Arbeiterbewegung. Wir haben schon gezeigt, dass diese Folgen sich aber nicht etwa aus der Neuheit der Politik von Wagenknecht ergeben, sondern viel eher aus den Folgen der Parteikonstituierung an sich. Da Wagenknecht mit Sicherheit einen relevanten Teil der Mitglieder, des Apparats und der Wähler der LINKEN „mitnimmt“, ist klar, dass die LINKE damit erledigt ist, weil sie erheblich an Masse, Einfluss, Posten und Geld verliert. Die 5%-Hürde ist dann für sie viel zu hoch. Das wäre vorübergehend an sich nicht so dramatisch, doch für eine Partei, die sich v.a. auf den Parlamentarismus und das Mitregieren orientiert, bedeutet es das KO. Der Zerfall der LINKEN oder die Fusion mit der SPD bleiben dann als Optionen.

Die zweite Wirkung einer Wagenknecht-Partei wäre, dass ein gar nicht so kleines Milieu von linken Menschen, aber auch bürgerlichen Demokraten, Pazifisten und Kritikern der Ampel, die nicht AfD wählen wollen, angezogen würden. Das könnte auch für die AfD zum Problem werden und ihren Aufwärtstrend beenden.

Eine dritte Wirkung aber wäre die wichtigste: es gibt ein Milieu von Linken, die sich als Antikapitalisten verstehen und sich auf die Arbeiterklasse beziehen. Ein erheblicher Teil dieses Milieus würde die neue Partei als Chance ansehen, etwas Neues aufzubauen, das zumindest tw. mit dem Reformismus brechen könnte. Vielen Linken, die bisher in irgendwelchen „linksradikalen“ Ministrukturen agieren mussten, böte sich die Chance, ihr enges Glashaus zu verlassen. Von diesem Milieu könnten auch durchaus Initiativen ausgehen für kämpferische Kampagnen und programmatische Diskussionen.

Neben allen Problemen einer Wagenknecht-Partei bietet diese eben auch Chancen einer Erneuerung der Linken und der Arbeiterbewegung. Wie groß diese Dynamik ist, welche umwälzende Wirkung sie hat, hängt wesentlich davon ab, ob es Kräfte gibt, die diese Chance erkennen und ganz bewusst für einen Erneuerungsprozess zur Schaffung einer klassenkämpferisch-revolutionären Linken eintreten.

Neue Arbeiterpartei

Aufruhrgebiet hat wiederholt betont, dass es darum geht, eine neue, revolutionäre Arbeiterpartei, eine neue KPD, aufzubauen. Wir haben dargelegt, dass diese nicht einfach gegründet, ausgerufen oder herbei-fusioniert werden kann, sondern nur Ergebnis einer größeren und längerfristigen Umgruppierung sein kann, diese ist auch ein organisatorischer Prozess, aber v.a. auch einer der programmatischen Erneuerung. Die Entstehung einer Wagenknecht-Partei wäre dafür ein relevanter Rahmen. Daher müssten all jene Linken, die einen wirklichen Neustart wollen und nicht nur den X-ten Neuaufguss des alten Reformismus, sich in diese Partei aktiv einbringen und deren Entwicklung beeinflussen.

Das Wagenknecht-Projekt könnte somit ganz andere Wirkungen haben, als ihre Initiatoren wollen. Schon 2005, als die WASG entstand, gab es – wenn auch schwache – Ansätze einer Neuformierung der „radikalen Linken“, die aber aus zwei Gründen versandeten: erstens beteiligte sich das Gros der Linken nicht an der WASG und überließ damit deren Schicksal den Reformisten, die sie zur Fusion mit der PDS führten. Zweitens entschieden sich die meisten jener (meist trotzkistischen) linken Gruppen letztlich auch für den Eintritt in die LINKE, was jedem Versuch, ein „linkeres“ Projekt voranzutreiben, den Boden entzog (eine positive Ausnahme stellte damals die Gruppe Arbeitermacht dar). Das betrifft bes. die damaligen Gruppen Linksruck (heute Marx21) und SAV. Ihre Idee, die LINKE nach links zu drücken, weil deren Charakter noch „offen“ wäre und sie sich „deutlich“ von der SPD unterscheiden würde, ist komplett gescheitert. Mit Janine Wissler ist eine Ex-Linksrucklerin heute sogar Vorsitzende der LINKEN – geholfen hat es nichts. Im Gegenteil: in ihrer Ära ging es besonders schnell nach rechts – und bergab.

All diese Vorgänge müssen aber nicht nur als mehr oder weniger dramatisches Schauspiel (oder als Komödie) auf der politischen Bühne betrachtet werden, wo bestimmte Protagonisten auftreten. Die Krise der Linkspartei wie auch Wagenknechts Projekt sind nur Reaktionen darauf, dass das ganze Theater bebt. Es geht um eine doppelte Krise: die des Reformismus und die des Systems. Gerade letztere wird hierzulande durch die besonders reaktionäre, massenfeindliche und strunz-dumme Politik der Ampel befeuert. Die Lebensverhältnisse für Millionen werden sich in den nächsten Monaten und Jahren weiter verschlechtern. Die Unterminierung des „Sozialstaats“ und der „Sozialpartnerschaft“ zerrüttet zugleich auch die Ideologie und die Strukturen des Reformismus, die an deren Funktionieren gebunden sind. Das, was ab 2005 in Folge der Agenda-Reformen auftrat – die Abwendung von Millionen von der SPD und die Entstehung der WASG – wird sich dann weit stärker äußern. Die Krise des Reformismus ist eine notwendige, aber nicht hinreichende Grundlage für die Reorganisation der revolutionären Linken. Hinzukommen muss noch ein Kern von Marxisten, der dem Druck noch das Bewusstsein des Druckes hinzufügt und für eine antikapitalistisch-revolutionäre Perspektive eintritt.

Eine Wagenknecht-Partei ist nicht die Lösung, sondern selbst Teil des Problems des Reformismus – doch sie kann zugleich zum Katalysator einer Umgruppierung werden. Insofern – und nur in diesem Sinn – könnte sie sich als historisches Projekt erweisen.

9 Gedanken zu „Wagenknecht: Eine Alternative?“

  1. Ich stimme Tschurjumow Gerassimenko zu. Letztlich ist es auch relativ einfach: Jetzt sammeln sich Reformer – mit teilweise, Betonung auf TEILWEISE – guten Forderungen unter dem „Banner“ von Wagenknecht. Wer jetzt Energie in dieses Projekt reinsteckt, um dann zu entdecken: HUCH, das sind ja Reformer, und wer dann bestimmte Leute von dort in eine andere Richtung zu bewegen…..der wird ja feststellen: Wir haben die kleinen Ressourcen nicht für das genutzt, für was wir eigentlich einstehen. Und dann gibt es wieder keine Alternative. Das ist doch eigentlich ziemlich einleuchtend??!! Warum etwas größer machen (BSW), was sowieso QUARK ist?

    1. Es sind eben nicht nur „Reformer“, die Wagenknecht folgen – und selbst wenn. Es sind viele linke Aktivisten und auch Sozialisten darunter. Es geht nicht (nur) darum, zu warten, bis die „Revolutionäre“ vom Himmel fallen (davon abgesehen, dass die auch oft nicht besser sind als die Reformisten, weil: sektiererisch, dogmatisch, praktisch untätig usw. Es geht darum, in Milieus, die aktiv und offen sind, revolutionär-marxistische Positionen zu vertreten und Menschen dafür zu gewinnen. Wer glaubt, dass das nicht möglich ist, sollte sich nicht Revolutionär nennen. Natürlich wäre eine Umgruppierung auf revolutionärer Grundlage viel besser – nur ist davon nichts zu sehen.

  2. Diese Analysen sind sehr gut. Mit fehlt jedoch auch hier eines – das Thema politische Bildung. Was will man von einer Generation erwarten, der schon in der Schule eingebleut wird, dass Marx Murks ist, Lenin ja nur Vordenker einer totalitären Gesellschaftsordnung war. Es beschäftigt sich kaum noch jemand mit den Werken von Marx, Engels und Lenin. Ich will hier nicht dem Parteilehrjahr das Wort reden, hier wurde der große Fehler begangen, Zitate aus Werken der drei Klassiker aus dem Zusammenhang zu reißen und für die Erklärung bestimmter Phänomene der gesellschaftlichen Entwicklung zu nutzen. Eines muss klar werden – Sozialismus und weiterführend der Kommunismus sind wissenschaftlich begründete Entwicklungen der menschlichen Gesellschaft. Und diese Wissenschaft begründete sich auf einem ausgiebigen Studium der bis dahin durchlaufenen menschlichen Entwicklung – von der Urzeit über die Schaffung und Nutzung der Produktionsmitteln in diversen gesellschaftlichen Konstellationen bis hin zu einer fundierten und logischen Darstellung der Entwicklung des Kapitalismus und seiner höchsten Form, des Imperialismus. Marx und Lenin haben die Entstehung von Kriegen dem Macht- und Profitstreben dieses Gesellschaftssystems zu recht zugewiesen. Eine wirklich sozialistische/kommunistische Partei muss bei Strafe ihres Scheiterns diese grundlegenden Erkenntnisse nicht neu erfinden, sie muss diese Erkenntnisse in eine Programmatik umsetzen, die eine Überwindung dieses unmenschlichen Systems zur Folge hat. Und da sich das Kapital mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln (Staatsmacht, Polizei, Armee usw.) dagegen wehren wird, wird es wie 1917 in Russland und 1918 in Deutschland ablaufen müssen. Raus auf die Straßen – Generalstreik, die Masse der unterdrückten Menschen muss sich wehren. Lenin schrieb in der Revolutionstheorie sinngemäß: „Eine revolutionäre Situation entsteht, wenn die oben nicht mehr können, und die unten nicht mehr wollen.“ Was uns eigentlich nur noch fehlt ist eine Kraft, die auf der Grundlage all dieser Erkenntnisse die führende Rolle übernimmt…

  3. Ich finde den Artikel bis zum letzten Absatz vor „Neue Arbeiterpartei“ gut und richtig, sieht man einmal davon ab, dass die PdL, Erfurt hin oder her, nicht einmal Reformismus bietet, sondern nur eine fanatische Variante der Grün-Partei. Aber lassen wir das.
    Richtig wird dargestellt, wie sinnlos es war bzw. noch ist, die PdL nach links stoßen zu wollen. Das hat ein Freund von mir schon nach Gründung der PDS vergeblich versucht, hieß damals „Kommunistische Plattform“. Zum wiederholten Male wird dann gefordert, eine neue revolutionäre Arbeiterpartei aufzubauen. Und zum wiederholten Male wird das „Wie“ nicht thematisiert, darum dreht sich aber alles! Stattdessen sollen „klassenkämpferisch-revolutionär bewusste Kräfte“ in die „Wagenknecht-Partei“ (W-P) eintreten und ihre Entwicklung beeinflussen.
    Warum, warum um alles in der Welt soll die W-P für eine „programmatische Erneuerung“ sein, was die PdL nicht sein konnte? Die W-P wird gerne herbeigeschrieben von den – selbsterklärt! – sozialdemokratischen „NachDenkSeiten“. Diese Sorte Leute werden die Partei mitgründen, das Programm hat Hanns Graaf ja auch schon analysiert. W. war früher mal Kommunistin und in der KP der PDS, begann dann ihren Abstieg zu immer sozialdemokratischeren Auffassungen und landete endlich beim saarländischen Schaumwein Marke Lafontaine. Eine, Zitat: „ausgebrannte und führungsschwache“ W. will nun nicht mehr als den „schönen Kapitalismus“ der 60er Jahre der BRD zurück, den sie als spätgeborene DDRlerin nicht einmal kennt.
    Wieso sollen sich Revolutionäre im x-ten Aufguss einer sozialdemokratischen Partei abarbeiten? Wieso soll das diesmal klappen, wenn all die unzähligen Male zuvor nicht?
    Man bedenke: diese W-P startet ja mit einem sozialdemokratischen Programm, mit Personal das dazu passt, u.a. aus Reihen der NDS, und das nach links dichtmachen wird!

    Ich möchte wissen, wie viele Leute ihre Zeit mit dem untauglichen Versuch verplempert haben, irgendeinen Laden in was Anständiges umzumodeln! Wie viele von denen resigniert haben – und wie viele begeistert mit der Pöstchenjagd weitergemacht haben …
    Trotzkisten, die mit Begeisterung alle Parteien von der SPD bis dann zur W-P heimgesucht haben, hat man gern unterstellt, das sei der eigentliche Zweck der Übung: „klassenkämpferisch-revolutionär bewusste Kräfte“ in Parteigrabenkämpfen zu verheizen. Mit was anderem als Klassenkampf also…

    1. Sie haben recht damit, dass man die LINKE nicht ummodeln kann. Die „Trotzkisten“ haben (fast alle) nicht verstanden, was Trotzki unter Entrismus verstanden hat. Doch wir vertreten eben nicht die Auffassung, die Wagenknecht-Partei zu reformieren. Entweder es gelingt Marxisten, dort die Mehrheit für ihr Programm zu erringen, was sehr schwer ist, dann ist diese Partei eine revolutionäre. Gelingt dies nicht, muss man austreten. Die zentrale Frage dabei ist, wie groß das Potential an (subjektiven) kämpferischen Antikapitalisten ist, die mehr wollen als nur die Wagenknecht-Politik. Schon in Aufstehen hat sich gezeigt, dass es dort eine Minderheit solcher Leute gab. V.a. auf dieses Milieu zielt unsere Entrismus-Taktik. Auf jeden Fall bedarf es eines heftigen Fraktionskampfes und einer offenen, grundsätzlichen Programmdebatte. Wenn wir unterliegen, müssen wir die gesammelten Kräfte in einer eigenen revolutionären Struktur organisieren.

      1. Meinen Kommentar vom 2. September hätte ich mir sparen können. Die von mir sehr geschätzte Dagmar Henn hat sich gestern, am 23.10.23, anlässlich seiner Vorstellung zum BSW geäußert:
        https://meinungsfreiheit.rtde.life/meinung/184724-buendnis-sahra-wagenknecht-kein-erwachen/
        Ich werde von dieser hervorragenden Analyse nichts zitieren, lesen kann’s ja jeder bei Interesse. Nur so viel zum eventuellen Wirken von Revolutionären in so einer Partei: „Aber der Verein hat erklärt, er wolle strenge Kontrolle über die Mitgliedschaft der künftigen Partei ausüben, wobei nicht die mögliche Unterwanderung durch transatlantische Netzwerke als Problem benannt wird, sondern die Befürchtung, dass es zu „Chaos und Streitigkeiten“ kommen könnte.“ (Dagmar Henn, RT DE 23.10.2023)

        1. Sie haben recht, Wagenknecht und Co. werden versuchen, alles, was antikapitalistisch ist, rauszudrängen. Damit würden sie sich aber auch als undemokratisch outen. Es ist notwendig, dass Antikapitalisten sich in BSW bzw. die Partei einbringen – nicht, um sie umzumodeln, sondern um linke Menschen für eine wirkliche Alternative zu gewinnen! Sich rauszuhalten und nur zu kritisieren ist sektiererisch und überlässt ein relativ großes linkes Milieu komplett den Reformisten. So kann die tiefe Krise der revolutionären Linken nicht gelöst werden.

    2. Ich stimme dem Genossen T. G. grundsätzlich zu. Es ist dies auch ein alter Fehler von Marx und Engels in Bezug auf ihre Illusionen in die Sozialdemokratie Deutschlands. Obwohl ihre „Kritik des Gothaer Programms“ nur unter heftiger Protest der Parteiführung nach Jahren
      endlich veröffentlicht wurde und obwohl der selbst ernannte „Sozialist“ Dühring von eben genau von den selben Leuten in den Himmel gelobt wurden, so vertrauten M +E der angeblichen gesunden Elan der Arbeitermassen.

      1. Marx und Engels hatten wenig Illusionen in die SPD. Sie haben verschiedene Kritiken formuliert. Es gab an ihrer Haltung eher zu kritisieren: 1. dass ihre Kritik (u.a. zum Gothaer Programm) zwar zutreffend war, aber die wesentlichen Punkte gar nicht behandelte, v.a. dass es überhaupt keine Taktiken und Aussagen, WIE der Klassenkampf geführt werden soll, gab – stattdessen viele Nebenfragen. Zur Staatsfrage wurde z.B. die Kommune (Räteordnung) von Marx nicht einmal erwähnt. 2. schalteten sich Marx und Engels viel zu wenig in die SPD ein und setzten sie zu wenig unter Druck. Ein grobes Versäumnis! Marx lernte stattdessen Dänisch …
        Überhaupt haben Marx und Engels viel zu wenig programmatische Arbeit geleistet, genau wie die SPD. Das Erfurter Programm von 1892 galt noch nach 1914, obwohl es bereits lange vor 1914 – Beginn der imperialistischen Ära – veraltet und unzureichend war. Das hat den Vormarsch der Reformisten stark erleichtert. Auch die Linken um Luxemburg beriefen sich viel zu lange auf Erfurt.
        Bezüglich der „Illusionen in die Sozialdemokratie“ bei Marx: Diese bezogen sich v.a. auf die Lernfähigkeit des Proletariats, weniger auf die ihrer „Lehrer“ in der SPD. Vergessen wir nicht: der „Verrat“ von 1914 ging von der Führung und vom Apparat aus, nicht von der Basis.
        Bezüglich der Wagenknecht-Partei: auch hier ruht die Hoffnung nicht auf den „Apparatschicks“, sondern auf Teilen (!) der Basis und deren antikapitalistischen, kämpferischen und kritischen Potentialen.

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