Der (un)aufhaltsame Aufstieg der AfD

Hannah Behrendt

Seit Monaten eilt die AfD von Erfolg zu Erfolg: im Kreis Sonneberg in Thüringen stellt sie ihren ersten Landrat, in einigen anderen Orten den Bürgermeister. In Umfragen legt sie kontinuierlich zu. Derzeit steht sie bundesweit schon bei über 21%, damit liegt sie vor der SPD. Lt. INSA-Umfrage, ist die Zustimmung zur AfD z.B. in Brandenburg in den letzten drei Monaten von 25 auf 28% angestiegen, in Sachsen-Anhalt von 26 auf 29%. In Ostdeutschland ist sie schon die stärkste Partei. Doch der Aufwärtstrend erfasst auch den Westen. Für Nordrhein-Westfalen, wo fast ein Viertel der Deutschen lebt, stieg die Zustimmung zur AfD bis Mitte Juni von 8% auf 13-15% Prozent, was fast eine Verdoppelung darstellt. In Bayern, dem zweitbevölkerungsreichsten Bundesland, stieg sie von 9% Mitte Februar auf 13% Anfang Juli.

Was ist diese Entwicklung zu erklären?

Seit vielen Jahren führt die neoliberale Politik dazu, dass immer größere Teile der Lohnabhängigen und der unteren Mittelschichten sozial nach unten gedrückt werden. Das betrifft Hartz IV-Empfänger, Prekäre und Leiharbeiter, aber auch Selbstständige und Beschäftigte im Dienstleistungssektor. Waren die Merkel-Jahre meist von einer guten konjunkturellen Situation, v.a. für die Exportindustrie, geprägt, änderte sich das Bild zuletzt, v.a. durch die Corona-Lockdowns und aktuell durch die Ampelpolitik. Seit der Finanzkrise 2008 werden ständig riesige „Rettungspakete“ geschnürt, um die Krise zu beherrschen. Dafür wird immer mehr Geld gedruckt und die Zinsen lagen lange bei Null. Mit Corona, der forcierten Aufrüstung, dem Ukrainekrieg und der – fälschlich Putin angelasteten – Energiekrise hat diese Subventions-Orgie inzwischen gewaltige Dimensionen erreicht.

Kurzfristig mag es möglich sein, die Krise zu beherrschen, doch längerfristig wird so die soziale und wirtschaftliche Grundsubstanz Deutschlands – und damit Europas – unterminiert. Das Sozialsystem erodiert, die Infrastruktur zerfällt, in wichtigen Bereichen wie Bildung, Gesundheit, Digitalisierung oder Wohnen finden notwendige Reformen nicht statt. Die Bürokratie nimmt zu, Energiekosten und Lebensmittelpreise explodieren, Abgaben jeder Art steigen. Am Ende der DDR sprach man vom Reformstau – wir wissen, wie er endete. Die wirtschaftliche Dynamik Chinas, Indiens oder der USA ist deutlich höher als die Deutschlands und Europas. Die oft völlig irrationale und US-hörige Politik der Grünen, die das gesamte Establishment vor sich hertreiben, verschlimmert die Lage zusätzlich. Es ist klar, dass dieser Negativtrend das „Modell Deutschland“, welches auf einer innovationsstarken Industrie und auf einer reformistisch gebändigten, aber auch sozial relativ abgesicherten Arbeiterklasse beruhte, zerstört. Beide Grundpfeiler erodieren immer stärker.

Alle Parteien haben sich mehr oder weniger dem US-dominierten neoliberalen und globalistischen Modell angepasst – am stärksten die Grünen. Ohne Zweifel sind sie damit zur Speerspitze dieser Politik und Ideologie geworden.

Entstehung und Rolle der AfD

Die AfD gründete sich 2013 in Opposition zur Politik der Union unter Merkel. Das betraf zunächst v.a. deren EU- und Euro-Politik, die zunehmend weniger funktionierte und v.a. für die Export-orientierten Dax-Konzerne von Vorteil war, jedoch weniger für das eher national agierende Klein- und Mittelkapital. Mit der globalistischen, den Interessen der Großkonzerne und des (US)-Finanzkapitals verpflichteten Politik war auch eine „Liberalisierung“ verbunden, die mit dem bürgerlichen Konservatismus tw. über Kreuz lag. Die AfD vertrat demgegenüber eine nationalistischere und traditionell-konservative Politik. Letztere radikalisierte sich mit der Zunahme der Migration ab 2015 deutlich. Die Führungswechsel von Lucke/Stihl zum Duo Petri/Gauland und aktuell zu Weidel/Chrupalla personalisieren diesen zunehmenden Rechtstrend. Im Zuge dessen haben auch die Verbindungen der AfD zu militanten rechten Strukturen zugenommen. Der völkische „Flügel“ um die Zentralfigur Björn Höcke erstarkte. Obwohl man sich – auf Druck von außen und wegen der Gefahr des Verbots – vom Höcke-Flügel halbherzig „distanzierte“, repräsentiert dieser nach wie vor einen erheblichen und wachsenden Teil der AfD-Mitgliedschaft und des Apparats. Das zeigte auch zuletzt der Europa-Parteitag der AfD, der v.a. Flügel-Leute als Europa-Kandidaten bestimmte.

Diese „Rechtslastigkeit“ nahmen Politik und Großmedien zum Anlass, die AfD als rechts-radikal oder gar faschistisch zu framen. Dabei wurde oft bewusst übertrieben, um eine sachliche Auseinandersetzung zu konkreten Fragen zu verhindern. Eine solche hätte nämlich ergeben, dass die Kritik der AfD in vielen Fragen (Klima, Energiepolitik, Kernkraft u.a.) durchaus berechtigt ist und einen realen Kern hat. Das Problem ist nicht, dass die AfD-Positionen alle komplett falsch sind, sondern dass die AfD a) ebenfalls nur systemkonforme Antworten hat und b) rechten und reaktionären Ideen und Handlungen Vorschub leistet. Das Wirtschaftsprogramm der AfD ist weitgehend neoliberal und unsozial. Letzteres kann man u.a. am Abstimmungsverhalten der AfD-Bundestagsfraktion sehen. J. Tiede hat dazu in einem Leserbrief in den „Nachdenkseiten“ eine bezeichnende Auflistung angeführt:

Während die Grünen den pseudo-“linken“ Flügel der Mittelschichten verkörpern, spielt die AfD den rechten Part – bürgerlich, neoliberal und massenfeindlich sind beide. Beide stützen sich v.a. auf die Mittelschicht und vertreten deren Interessen. Die AfD vertritt dabei mehr das Kleinbürgertum und deklassierte Lohnabhängige, die Grünen v.a. die akademische Mitte, die nach 1945 immer größer wurde. Aktuell sind die Grünen einflussreicher und daher gefährlicher als die AfD – erstens, weil sie (mit)regieren; zweitens, weil sie einen starken Einfluss auf die linke Szene haben; drittens, weil ihre Ideologie des neoliberalen Globalismus, der Klimapanik und des Gender-Minderheiten-Rummels die Medien und die Unis dominieren.

Beispiel Klimafrage

Die AfD bezweifelt als einzige Partei die These von der vom Menschen gemachten „Klimakatastrophe“. Die AfD-Position wird fast durchgängig als verschwörerisch, reaktionär und absurd dargestellt. Tatsächlich stützt sie sich aber sehr wohl auf Erkenntnisse und Positionen eines erheblichen Teils der Klimaforschung und auf objektive Fakten. Das ist zwar gut belegt, hindert aber den medialen und politischen Mainstream nicht an seiner absurden, hysterischen und in jeder Hinsicht unwissenschaftlichen Klimapropaganda und ihrem AfD-Bashing. Die sich aus dem Klimaalarmismus ergebende Energiewende-Politik stellt nichts anderes dar als ein Konjunkturprogramm, dass von den lohnabhängigen Massen und den unteren Mittelschichten bezahlt wird. Die Energiewende unterminiert das Energiesystem technisch und verteuert die Energie – von sozialen und ökologischen Schäden abgesehen. Obwohl die Kritik der AfD an der Klima- und Energiepolitik völlig berechtigt ist und von Institutionen in vielen anderen Ländern geteilt wird, klammert sie aber völlig aus, dass diese Fehlentwicklung Ergebnis von kapitalistischen Strukturen und bürgerlichen Kräften ist. Insofern verbleibt ihre Kritik nur an der Oberfläche, sie sieht die Folgen, aber nicht die systemischen Ursachen der Fehlentwicklung der Klimawissenschaft, die selbst wieder nur Ausdruck des zunehmenden Irrationalismus des Kapitalismus ist.

Da die Absurdität und Schädlichkeit der Politik der Grünen (aber auch aller anderen Parteien) – nicht nur in der Klimafrage – immer mehr Menschen klar wird und sie befürchten, unter die Räder zu kommen und dass die sozialen und wirtschaftlichen Grundlagen dieses Landes zerstört werden, suchen sie nach einer Alternative – und da ist zur Zeit nur die AfD in Sicht. Doch auch wenn die AfD in einigen Fragen vernünftigere Positionen vertritt als die anderen Parteien, kann das kein Grund sein, sie zu wählen oder zu unterstützen.

Beispiel Ukrainekrieg

Auch in der Frage des Ukrainekriegs erscheint die AfD aktuell als „Friedenspartei“. Hier muss aber angemerkt werden, dass die Position der AfD nichts von einer anti-militaristischen Ausrichtung hat. Im Gegenteil: auch die AfD stimmte für die Erhöhung der Rüstungsausgaben und sie befürwortet die Mitgliedschaft in der NATO. Vom Aufbau einer Anti-Kriegsbewegung durch die AfD kann natürlich auch keine Rede sein. Wie demagogisch und keinesfalls grundsätzlich die „Friedenspolitik“ der AfD ist, würde den Massen auch sofort auffallen, wenn es eine linke, mit der Arbeiterklasse verbundene Organisation gäbe, die ihre Rolle als antiimperialistische Kraft wirklich konsequent wahrnehmen würde. Doch die Linkspartei und der DGB als potentielle Akteure versagen hier auf der ganzen Linie.

Die Linke

Die politische „Linke“ – von der „radikalen“ Linken über die Linkspartei bis zu SPD und DGB – trägt seit Jahrzehnten mehr oder weniger, direkt oder indirekt wesentliche Projekte der neoliberalen Regierungspolitik seit 1998 (von Schröder über Merkel bis zur Ampel) mit, leistet keinen ernsthaften Widerstand dagegen oder bremst ihn, wie die LINKE und der DGB, aus. Selbst Wagenknechts Rolle als Opposition leidet darunter, dass sie in jeder Hinsicht inkonsequent ist. Das zeigte sich schon bei ihrem Versagen, die Bewegung „Aufstehen“ zu führen und aufzubauen; das zeigte sich jüngst bei ihrer Initiative gemeinsam mit Alice Schwarzer gegen den Ukrainekrieg, die eine einmalige Aktion blieb, der keine weiteren Mobilisierungen folgten. Das zeigt sich auch bei dem nun schon monatelangen Hin und Her bezüglich der Gründung einer eigenen Partei. Dieses Herumeiern und Zögern Wagenknechts enttäuscht nicht nur die Erwartungen der Menschen, die auf eine linke Gegenkraft gegen die Ampel, die AfD und das Versagen der LINKEN warten, es führt auch dazu, dass immer mehr Menschen nur die AfD als Alternative ansehen – immerhin hat diese den Vorteil gegenüber Wagenknecht, dass sie als Partei real vorhanden ist.

Die Linke – von radikal bis reformistisch – hat insgesamt als Kraft zur Verteidigung der Interessen der Bevölkerungsmehrheit versagt. Ob es um die Teuerung geht oder um die absurde Klima- und Energiepolitik, ob es sich um das abstruse Gendern oder die islamistische Massenmigration handelt, ob es um den Staatsterror und den Demokratieabbau während Corona geht oder um die Aufrüstung und den Ukrainekrieg: überall trägt die linke Szene mehrheitlich die offizielle Politik mehr oder weniger mit. Damit hat sie inzwischen fast jeden Kredit in der Bevölkerung verspielt.

Dieses Versagen der Linken und die sich kaum bewegende Arbeiterbewegung sind die Hauptursachen dafür, dass die AfD als einzige Opposition wahrgenommen wird. Selbst die Tatsache, dass die AfD reaktionäre, rassistische, völkische und neoliberale Positionen vertritt, wird dabei von Vielen in Kauf genommen. Diese unkritische Haltung der Massen ist v.a. Ergebnis des Versagens des Reformismus und dessen immer stärkerer Anpassung an bürgerliche Ideologien und Strukturen. Das offizielle (und auch von fast allen Linken vertretene) Framing der AfD und auch jeder anderen Art von Opposition als „rechts-offen“, „faschistisch“ oder „verschwörungstheoretisch“ hat die Hinwendung zur AfD eher noch verstärkt, weil immer offenkundiger wird, dass die offizielle Propaganda nicht nur unsachlich ist, sondern häufig ganz einfach lügt. Das führt auch dazu, dass viele Menschen, die an sich weder rechts sind noch Sympathien für die AfD haben, die AfD in Schutz nehmen und sei wählen. Es ist wie immer: der Schlaf der Vernunft bei den Linken gebiert Ungeheuer.

Die Umfragen zeigen nicht nur einen Höhenflug der AfD, sondern auch einen für die Wagenknechtpartei – für den Fall, dass es diese geben sollte. Ohne die Umfragen überbewerten zu wollen, zeigen sie doch, dass es zu verkürzt ist, von einem Rechtsruck in Deutschland zu sprechen. Viel mehr verweisen sie auf eine zunehmende Unzufriedenheit mit der „offiziellen Politik“ – nicht nur der regierenden Ampel-Koalition, sondern auch mit der zahnlosen Opposition in Gestalt von Union und Linkspartei. Sie verweisen auf eine wachsende politische Polarisierung – der aber im Moment auf der linken Seite eine Kraft fehlt, die dieses Milieu organisieren und führen könnte. Die guten Umfragewerte für Wagenknecht sprechen durchaus dafür, dass es einen Bedarf nach einer entschlossenen linken Kraft gibt, die das Etikett „Links“ auch verdient, die eine wirklich kämpferische Opposition im Interesse der Lohnabhängigen und der unteren Teile der Mittelschichten ist und nicht ein zahnloses pseudo-linkes Anhängsel der Regierungspolitik.

Das Problem einer Wagenknecht-Partei wäre allerdings, dass sie höchstwahrscheinlich genau derselben Strategie des Reformismus folgen wird wie bisher die LINKE oder die SPD. Die maßgeblich von Wagenknecht 2018 initiierte Bewegung „Aufstehen“ zeigte das sehr deutlich. Die Gründungserklärung von „Aufstehen“ klammerte nicht nur alle heißen Eisen der Politik der LINKEN und des Reformismus aus, u.a. die Frage des Agierens der Gewerkschaften, die Frage von (General)streiks und die Frage der Regierungsbeteiligung. Sie verblieb letztlich komplett im Rahmen dessen, was die Politik der LINKEN ausmacht. Zudem erwiesen sich Wagenknecht und Co. als unfähig, die Bewegung wirklich strukturell und politisch weiterzuentwickeln. Das Ergebnis war der weitgehende Zerfall der Bewegung, von der nur noch ein (noch dazu gespaltener) Rest existiert.

Ein historischer Vergleich

Von einigen Beobachtern und Teilen der linken Szene wird die AfD als halb-faschistisch bezeichnet. Es ist zwar unbestritten, dass die AfD Rassismus, Nationalismus, völkisches Denken und alle möglichen reaktionären Ideen (z.B. zur Abtreibung) vertritt und Verbindungen zu faschistoiden Milieus hat, doch wir sollten nicht in den Fehler vieler Linker verfallen, alles, was rechts von der Mitte steht, gleich als faschistisch zu bezeichnen.

Der Faschismus zeichnet sich nämlich nicht einfach dadurch aus, dass er rechter ist als andere bürgerliche Formationen. Seine Besonderheit, seine Gefährlichkeit liegt v.a. darin, dass er die durch die Krise verunsicherten und bedrohten Teile der Bevölkerung, v.a. der Mittelschichten und deklassierter Proletarier, zu einer militanten außerparlamentarischen Bewegung formiert. Trotzki schrieb, dass die kleinbürgerliche faschistische Bewegung ein Rammbock sei, um die Linke, die Arbeiterbewegung und die Einrichtungen der Demokratie zu zerschlagen und dem Großkapital eine aggressiv-expansive Politik zu ermöglichen. 1933 freilich war die Situation sehr anders als heute. Deutschland war damals durch die Kriegsniederlage, den Versailler Knebelvertrag und die Weltwirtschaftskrise ab 1929 in einer für alle Klassen desaströsen Lage. Das Kapital drängte nach Revanche und einer Neuaufteilung der Welt. Dazu musste aber zuvor die potentiell starke Arbeiterbewegung (SPD, KPD, Gewerkschaften) zerschlagen werden. Das war mit demokratischen Mitteln unmöglich. Dazu brauchte es pseudo-sozialistische Demagogie, eine Diktatur und offenen Terror, die v.a. von der paramilitärischen SA ausging. Das trifft auf die AfD nicht zu.

Heute existiert (bisher) weder eine so tiefe Krise wie Anfang der 1930er noch gibt es eine Arbeiterbewegung, die dem Kapital (aufgrund ihrer reformistischen Führungen) überhaupt gefährlich werden wollte. Es existiert bis dato auch keine relevante Fraktion der Großbourgeoisie, die hinter der AfD steht. Das dominante Großkapital, das internationale, stark US-basierte Finanzkapital und die primär auf den Weltmarkt orientierten Dax-Konzerne setzen momentan nicht auf einen nationalen Sonderweg Deutschlands, sondern auf eine Einbindung in die EU und das Bündnis mit den USA. Diese Strategie unterminiert allerdings die Grundlagen des „Modells Deutschland“, die innovative und effiziente Industrie und die „Sozialpartnerschaft“, und dient v.a. dem US-Kapital. Insofern könnte sich die politische Strategie des deutschen Kapitals und seiner politischen Organe auch wieder ändern – doch wann und in welcher Form das der Fall ist, bleibt offen.

Die Politik der AfD ist nicht faschistisch – und muss es angesichts der Lage auch nicht sein. Als faschistisch kann aktuell eher die Partei „Der 3. Weg“ bezeichnet werden. Die AfD will „die Demokratie“ nicht abschaffen, sie will sie nutzen. Sie verfügt nicht über eine SA oder eine ähnliche militante Struktur. Ihr rechter Populismus ist in sich sehr widersprüchlich und oberflächlich. Es ist allerdings nicht ausgeschlossen, dass sich bei einer Zuspitzung der Krise aus der AfD heraus eine wirklich faschistische Kraft entwickelt. Angesichts dieser Gefahr bedarf es einer besonderen Taktik im Umgang mit der AfD.

Gegen die AfD – aber wie?

Für Linke sollte es selbstverständlich sein, dass die AfD – wie alle anderen rein bürgerlichen Parteien – nicht gewählt werden können. Wählbar sind nur linke oder Arbeiterparteien bzw. sozial mit dem Proletariat eng verbundene Parteien. Genauso verbieten sich Bündnisse oder Blöcke mit der AfD u.a. bürgerlichen Kräften. Statt einer Volksfrontpolitik mit „demokratischen“ bürgerlichen Kräften gegen die AfD muss die Schaffung von Einheitsfronten bzw. Aktionsbündnissen aus linken und Arbeiterorganisationen angestrebt werden. Insofern ist es also ein Fehler, wenn Linke z.B. Proteste gegen die Politik der Ampel unterstützen, wenn diese von der AfD, den Freien Sachsen oder ähnlichen Gruppierungen organisiert oder dominiert werden. Notwendig sind Mobilisierungen gegen die AfD u.a. Rechte. Sehr wichtig ist es, sich gegen das verlogene, unsachliche offizielle Framing zu stellen, dass alle Proteste – ob gegen die Lockdownpolitik, gegen die Energiepolitik oder die Kriegshetze der Ampel – rechts oder verschwörerisch wären, was u.a. daran erkennbar wäre, dass auch ein paar AfDler oder Reichsbürger mit dabei sind. So verweigert z.B. die LINKE meist jede Kooperation mit den Montags-Protestbewegungen, weil sie „eine Handvoll Rechte“ gesichtet hatte und „die Aktionen zu radikal sind, weil der Rücktritt der Regierung gefordert wird“ oder „Deutschland eine Diktatur genannt wird“ (O-Ton von Funktionären der Linkspartei).

Auf der Ebene der Propaganda reicht es nicht aus, die AfD als „rechts“ zu brandmarken. Die Argumente der AfD müssen konkret und ernsthaft betrachtet und analysiert werden. Dabei müssen etwa deren Positionen zu Klima, Energie oder Kernkraft auf Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse betrachtet werden. Leider ist die Linke dazu nicht in der Lage, weil sie fast durchweg zu einer materialistischen Analyse dieser Fragen unfähig ist und unreflektiert dem „grünen“ Mainstream folgt. Wäre sie hier besser aufgestellt, könnte sie der AfD leicht den Wind aus den Segeln nehmen.

Es ist auch komplett wirkungslos, jede Diskussion mit der AfD zu verweigern. Immerhin ist sie demokratisch gewählt und keine Nazipartei, der man jede öffentliche Plattform nehmen sollte. Im Gegenteil: es ist relativ einfach, die AfD argumentativ zu entzaubern – wenn man sich genau mit deren Politik befasst und nicht selbst dem „grünen“ Obskurantismus aufsitzt, Probleme (z.B. mit islamistischen Migranten) ignoriert und sich mit Obskuranten wie der “Letzten Generation“ solidarisiert. Dass z.B. ein großer Teil der „Klimakritiker“ der AfD folgt, liegt nicht daran, dass diese besonders rechts sind – sie sind mehrheitlich bürgerliche Liberale. Es liegt daran, dass alle anderen Parteien den Klimahype mitmachen, she. aktuell das Dummgeschwätz von den Hitzetoten.

Die Hauptsache beim Kampf gegen die AfD u.a. rechte Gruppierungen ist, dass die Linke und die Arbeiterbewegung anfängt, gegen Staat und Kapital zu kämpfen, deren Propaganda zu entlarven und für die Interessen der Bevölkerungsmehrheit einzutreten. Das Problem dabei ist nun aber, dass die Kräfte, die dafür „zuständig“ wären – die LINKE, die SPD und der DGB – das nicht tun bzw. wie die SPD sogar die neoliberale Offensive anführen. Daher ist es dringend notwendig, ja es ist die Aufgabe der Stunde, ein neue klassenkämpferische antikapitalistische Arbeiterpartei aufzubauen. Eine solche wird nicht die Wagenknechtpartei sein, diese kann jedoch für eine Umgruppierung eine Rolle spielen.

3 Gedanken zu „Der (un)aufhaltsame Aufstieg der AfD“

  1. Enorme Produktivitätszuwächse in den vergangenen Jahrzehnten haben Mehrwertgewinnung aus Lohnarbeit historisch obsolet gemacht — siehe auch bei Marx/Engels unter dem Stichwort „tendentieller Fall der Profitrate“, welcher eben von Produktivitätszuwächsen getrieben ist. Wie die globale Kapitalelite mit diesem Problem umgeht, zeigt der folgend verlinkte sehr ausführliche Beitrag mit geradezu unangenehmer Deutlichkeit:

    https://iaindavis.com/global-empire-unipolar-prison/

    Sehr viel kürzer auf den politisch-ökonomischen Punkt brachte es Volker Pispers am 7.2.2011 bereits in nur 7 knappen Minuten:

    https://youtu.be/knHK1rfBhig?feature=shared

    Eine Partei müßte so denn das Kunststück vollbringen, darzulegen, was bis dato noch niemand wissen will, nämlich daß es 1.) Warenproduktionen auf Basis von Lohnarbeit und Kapital nie wieder geben können wird; und daß 2.) Parteien nicht in der Lage sind, eine neue gesellschaftliche Basis für den Betrieb von Warenproduktionen zu legen. Das kann nur von unten kommen, von Menschen, die ihre Verhältnisse aus einem neuen Selbstverständnis heraus energisch und tatkräftig neu ordnen wollen würden. Epochale Veränderung.

    Schlußendlich sind mit Arbeit und Kapital auch die bürgerlichen Pokitikformen überlebt, mithin auch die Parteien. Ist die bürgerliche Gesellschaft doch bereits übergegangen in einen digitalen Faschismus. Parteien sind allein noch Grüßauguste in vom Großkapital entmachteten Parlamenten.

  2. Die BASIS ist eine links-bürgerliche reformistische Partei, die keine Verbindungen zur Arbeiterbewegung hat. Aber sie ist nicht rechts, wie sie oft von Linken genannt wird. Es gibt Zusammenarbeit der FL – die aus verschiedenen Teilen besteht – mit der BASIS. Dass sich FL-Strukturen der BASIS „angliedern“ sehe ich nicht. In der BASIS sind m.E. auch keine Linken, die sich als revolutionär-sozialistisch verstehen.
    Der Aufbau einer neuen Arbeiterpartei wäre tatsächlich so etwas wie der NAO-Prozess. Wie auch damals bei der NAO wird daran nur eine Minderheit der Linken teilnehmen. Doch im Unterschied zu damals ist die Krise der Linken viel tiefer. Die Zweifel an verschiedenen ideologischen Dogmen (Corona, Klima usw.) wachsen. Insofern gibt es m.E. durchaus ein kleines Milieu in der Linken, mit dem gearbeitet werden kann. Das entscheidende Reservoir für einen neuen „NAO-Prozess“ entsteht aber in den sozialen Protestbewegungen gegen die Ampel oder zum Ukrainekrieg. Die BASIS hat ihren „Zenit“ schon überschritten und wird keine Rolle spielen.

  3. Danke für die ausführliche Analyse! Dass sich rasch genügend Leute bereit fänden, einen zweiten Anlauf zu nehmen zu dem, was mit der Neuen Antikapitalistischen Organisation (NAO) so unglücklich verlaufen ist, eine „Umgruppierung“ marxistisch orientierter Linker, glaube ich nicht.

    Die Schismen in den Fragen des „Klimas“ und der „Pandemie“ beschränken die für ein solches Projekt infrage kommenden Kreis von Personen in einem Maß, dass es vielleicht schon schwierig wäre, einen regelmäßig stattfindenden Stammtisch zu organisieren.

    Damit ist auch schon das Problem angedeutet, dass die Frage, wie die AfD in ihrem Aufstieg gestoppt werden könnte, etwas akademisch klingen lässt…

    Aber ich möchte eine Ihnen eine Frage stellen, die ein Detail betrifft, das ich in Ihrem Artikel vermisse; es ist die Rolle der BASIS.

    Im Unterschied zur AfD spielt die Basis parteipolitisch keine Rolle und wird es auch nicht mehr. Dennoch lässt sich beobachten, dass viele der Linken Elemente, die sich zu Beginn der demokratischen Protestbewegung unter dem Label „Freie Linke“ sammelten, nun in Gliederungen der BASIS agieren. Korrigieren Sie bitte, wenn meine Einschätzung unzutreffend ist, dass die Freie Linke Berlin sich informell der BASIS angliedert.

    Meine Frage(n) nun: Inwiefern ist die Einbindung linker Elemente in die BASIS ein Hemmnis sowohl der Verständigung des Wagenknechtlagers mit den ihm zugeneigten Teilen der Protestbewegung einerseits, sowie andererseits eines für das Zusammenkommen der „Klassenlinken“ in ihr?

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