Ist die AfD eine faschistische Partei?

Hannah Behrendt

Der folgende Beitrag befasst sich mit zwei Fragen: Ist die AfD eine faschistische Partei? und Wie kann sie bekämpft werden? Dabei beziehen wir uns beispielhaft auf zwei Texte der Gruppe „Revolutionäre Linke“ (RL), die aus der Spaltung von Marx21 hervorgegangen ist (revolinks.de). Die Positionen der RL finden sich so oder ähnlich auch bei vielen anderen linken Gruppen. Alle angeführten Zitate stammen aus dem RL-Artikel zum AfD-Verbot vom 3.5.25 (A) oder aus den FAQs zur AfD (B).

Der Klassencharakter der AfD

Marxisten gehen bei der Charakterisierung einer politischen Formation nicht von verschwommenen Begriffen wie „links“, „rechts“ oder „radikal“ aus, sondern betrachten zuerst, welche Klasseninteressen diese vertritt. Es geht dabei auch um die Führung, das Programm, die Praxis sowie um die Wähler- oder Unterstützermilieus. In der linken Szene ist es üblich, die AfD abzulehnen und zu bekämpfen, weil diese „rechtsextrem“ sei.

Die RL schreibt: „Heute ist die AfD eine Nazipartei.“ (A) Sie stellt zu recht fest, dass sich der Charakter der AfD seit ihrer Gründung gewandelt hat: „Die Partei begann 2013 als diffuses Sammelbecken von Rechten ohne klare Richtung. Vereint waren sie in der Ablehnung des Euro, den sie für soziale Probleme aller Art verantwortlich machten.“ (B) V.a. der wachsende Einfluss des „Flügels“ um Höcke u.a. „extreme Rechte“ und die Verdrängung neoliberal-konservativer Figuren wie die früheren Vorsitzenden Lucke, Petry und Meuthen aus der Partei sieht die RL richtig als Zeichen des Rechtstrends der AfD. Als Beleg für den faschistischen Charakter der Partei wird z.B. darauf verwiesen, dass “2022 (…) auf dem AfD-Bundesparteitag in Riesa Unvereinbarkeitsbeschlüsse mit harten Nazigruppen (…) aufgehoben“ worden sind. (B) Beide Artikel führen als weitere Belege diverse Zitate von führenden AfD-Leuten an, die einen mehr oder weniger starken positiven Bezug zum historischen Faschismus zeigen (sollen).

An wirklichen Beweisen für die These, dass die AfD insgesamt faschistisch ist, fehlt es allerdings. Das ist kein Wunder, denn die AfD ist nicht faschistisch. Um nicht falsch verstanden zu werden: es ist völlig klar, dass die Politik der AfD viele reaktionäre, völkische und rassistische Elemente hat, dass auch Nazis in ihren Reihen sind, dass sie Verbindungen zur Nazi-Szene (Dritter Weg, Identitäre u.a.) hat und auch zu einer wirklich faschistischen Partei werden könnte.

Für Marxisten ist das Attribut „faschistisch“ nicht einfach ein Schimpfwort oder steht für rechtsextrem im Sinne von rechter als und extremer als …., es ist die Kennzeichnung einer besonderen bürgerlichen politischen Formation, die bestimmte Merkmale aufweist und ein besondere Taktik der Arbeiterbewegung erfordert. Zu den Merkmalen des Faschismus gehören u.a.:

  • Orientierung auf Straßenaktionen und Schaffung einer militanten Bewegung wie z.B. die SA;
  • Ablehnung und Bekämpfung von Linken, der Arbeiterbewegung und der bürgerlichen Demokratie;
  • Benutzung pseudo-antikapitalistischer, pseudo-revolutionärer Propaganda, um Lohnabhängige zu gewinnen;
  • aggressive Außen- und Militärpolitik („Volk ohne Raum“ usw.), um durch Expansion, die internationale Stellung des eigenen Kapitals zu verbessern;
  • Durchsetzung eines Führerprinzips.

Wie wir unschwer sehen, trifft derzeit kein einziges dieser Merkmale auf die AfD zu. Der Aktionsraum der AfD ist das Parlament und der Wahlkampf. Irgendwelche Aussagen einzelner AfD-Funktionäre reichen keinesfalls, um den Charakter einer Partei zu bestimmen. Auch das Argument der RL, dass die AfD eine kleinbürgerliche Basis hat, ist zwar korrekt, aber unzureichend, denn nicht jede kleinbürgerliche Partei ist faschistisch.

Ein Blick in die Geschichte zeigt, dass der Faschismus immer dann entstanden bzw. zu einer Massenkraft wurde, wenn es a) eine tiefe Krise der Gesellschaft gab und b) die Arbeiterbewegung stark und potentiell die Gefahr einer Revolution gegeben war. Das ist derzeit nicht der Fall. Trotzki sprach davon, dass der Faschismus v.a. ein „Rammbock gegen die Arbeiterbewegung“ ist. Dieser ist derzeit nicht nötig. Auch eine nationalistische Autarkiepolitik wie nach 1933 ist heute unmöglich, genauso ein militärischer Alleingang Deutschlands.

Die Praxis der AfD ist aktuell auf die Ausnutzung der Demokratie ausgerichtet, nicht auf deren Zerschlagung, wofür die AfD auch überhaupt kein Mittel hat. RL schreibt: „Was alle längst wussten, hat der deutsche Inlandsgeheimdienst nun auch erkannt: Die AfD verfolgt »Bestrebungen gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung«.“ Das entspricht nicht den Tatsachen.

RL führt als Beispiel für die faschistische Orientierung der AfD eine Äußerung von Maximilian Krah an, der meinte, dass im Rahmen einer Remigration 15 Millionen aus Deutschland abgeschoben werden müssten. Krah mag das wollen, doch in der Politik zählt das Wollen allein wenig. Chrupalla und Weidel haben sehr oft dargestellt, was die Asyl- und Ausländerpolitik der AfD wirklich will: Grenzsicherung, Begrenzung des Zuzugs (v.a. von Menschen, die nicht sofort am Arbeitsmarkt verwendbar sind) und mehr Abschiebungen. Sie haben mehrfach betont, dass Massenabschiebungen, wie sie Krah fordert und wie sie der AfD immer unterstellt werden, nicht beabsichtigt sind. Würden 15 Millionen abgeschoben, würden in Deutschland Wirtschaft und soziales Leben sofort kollabieren – falls eine solche Massenabschiebung überhaupt durchgesetzt werden könnte, allein der Versuch würde wahrscheinlich zum Bürgerkrieg führen.

Historische Erfahrungen

Hier zeigt sich, dass RL tw. der offiziellen bürgerlichen Propaganda auf den Leim geht, anstatt eine solide marxistische, auf historischen Erfahrungen beruhende Analyse der AfD vorzunehmen. Aus der Geschichte wissen wir, welch fatale Folgen die Fehleinschätzung des Faschismus hatte. Schon vor 1933 bezeichnete die KPD alle Regierungen als faschistisch. Sie tönte „Nach Hitler kommen wir“. Das war eine Verharmlosung des Faschismus und seines Terrors. Als trotzkistische Organisation sollte RL das eigentlich wissen.

RL schreibt: Björn Höckes „Ziel ist der Aufbau einer Massenbewegung, die den Staat mittels Terror übernimmt.“ (B) Das mag sein (obwohl Höcke eher ein völkischer Rechter ist als ein Faschist). Doch entscheidend ist, ob die AfD diese Strategie praktisch verfolgt. Das ist nicht der Fall, auch weil ihr – she. oben – dazu die Mittel fehlen. Aber gesetzt den Fall, sie würde das versuchen: Schon jetzt, nur durch die Behauptung, die AfD verfolge eine solche Politik, entstand eine Bewegung gegen die AfD, die Millionen auf die Straße brachte.

All das bedeutet natürlich nicht, dass die AfD harmlos wäre; es heißt auch nicht, dass Mobilisierungen gegen die AfD falsch wären. Ja, es bedeutet auch, dass die AfD zu einer faschistischen Partei werden oder eine solche sich aus ihr entwickeln könnte. Doch 1. ist davon wenig zu sehen und 2. würde das mit erheblichen Friktionen oder Spaltungen verbunden sein. Dazu kommt noch, dass die dominierenden Teile der deutschen Bourgeoisie, das Exportkapital, die DAX-Konzerne und das Finanzkapital eine ganz andere Strategie verfolgen als die AfD und sie insofern nicht unterstützen, wie es vor 1933 das deutsche Großkapital mit der NSDAP tat. RL selbst räumt ein: „Die AfD kann die Erfahrung der frühen 30er Jahre nicht einfach wiederholen, da wir heute in völlig anderen historischen Umständen leben.“ (B) Doch was das für die Strategie der AfD bedeutet, sieht die RL nicht.

Immerhin aber konstatiert RL korrekt einen Unterschied zwischen Mitgliedern und Wählern der AfD: „Sind die Wählerinnen und Wähler der AfD auch Faschisten? Nein, keineswegs. Viele wählen die AfD, weil sie völlig abgegessen sind vom herrschenden System und so ihrem Frust freien Lauf lassen.“ (B) Hier wird übersehen, dass die AfD nicht nur vom Frust der Leute lebt, sondern konkrete Alternativen vertritt, z.B. in der Klima- und Energiepolitik und in der Ukrainefrage.

Weiter meint die RL korrekt: „Aber diese Wählerinnen und Wähler sind mehrheitlich noch keine überzeugten Nazis, sondern wählen die Partei aus Protest gegen den neoliberalen Einheitsbrei aus CDU/CSU, SPD, Grünen und FDP.“ (A)

Mangelhafte Analysen

Zur AfD heißt es: es „gelang (…) der Partei, sich mit nationalistischen Scheinargumenten als Friedenspartei zu inszenieren.“ (A) Sicherlich ist eine Partei, die für Aufrüstung plädiert und die NATO-Mitgliedschaft unterstützt, keine „Friedenspartei“. Doch ihre „Friedenspolitik“ ist keineswegs nur ein „Scheinargument“. Die AfD lehnt die Ukraine-Unterstützung ab und argumentiert dabei deutlich stringenter als etwa Wagenknecht. Diese Haltung der AfD entspricht den Interessen ihres klein- und mittelbürgerlichen Klientels. Dieses hat nämlich von der gegenwärtigen Außenpolitik nichts zu erwarten, noch nicht einmal wie das große EU-Kapital einen Platz am Katzentisch, während die USA sich die Pfründe sichern. Diese Strategie ist dieselbe, die die AfD schon bezüglich der EU und des Euro einnahm. Die Art der Kritik von RL an der „Friedenspolitik“ der AfD ist mangelhaft und geht am Kern der Sache vorbei.

Zur Frage des Faschismus betont die RL, der Aufstieg der AfD „stärkt die Schlägernazis auf der Straße: In ganz Deutschland marschierten während der letzten Monate Tausende Faschisten gemeinsam mit ihren Kameraden von AfD und Querdenkern.“ (A) Diesen Trend gibt es, allerdings ist die „harte“ Nazi-Szene nach wie vor zersplittert, ziemlich klein und nicht zufällig eben nicht Teil der AfD. Der „3. Weg“ hat lt. wikipedia 800 Mitglieder, die NPD (umbenannt in „Heimat“) stagniert bei 2.800. Ja, der Aufstieg der AfD stärkt einerseits die rechtsextreme Szene und bereitet ihr ideologisch den Boden. Andererseits aber wirkt sie auch als Staubsauger und entzieht ihr Potential.

RL stellt die Frage „Wieso konnte sich der faschistische Flügel in der AfD durchsetzen?“ (B) Die Antwort lautet: „Maßgeblich waren dafür rassistische Kampagnen auf der Straße. Angestoßen durch die antimuslimischen und flüchtlingsfeindlichen ›Pegida‹, (…) Diese Bewegung weitete sich massiv aus. Die AfD beteiligte sich federführend an dieser Stimmungsmache.“ (B) Hier übersieht die RL, dass Pegida zwar rechts und rassistisch war, aber zugleich – schon 2014/15 (!) – darauf verwies, dass die deutsche Ukrainepolitik zum Krieg führt und dass die Medien diese Politik unterstützen, weshalb diese zurecht als „Lügenmedien“ gebrandmarkt wurden. Hier war Pegida hellsichtiger als die gesamte Linke. Diese Anti-Kriegs-Position (ob demagogisch oder nicht), die man bezüglich der Ukraine in der linken Szene so klar und so früh vergeblich suchte, brachte den Rechten viel Zustimmung in der Bevölkerung.
Von Pegida abgesehen, ist die Tatsche, dass die AfD eine in Teilen reaktionäre Migrationspolitik betreibt (die Beschränkung der Massenmigration ist an sich noch nicht reaktionär!), ist kein Beweis für die Durchsetzung eines faschistischen Flügels in der AfD. Ansonsten wären ja CDU/CSU, die fast dieselbe Asylpolitik betreiben wie die AfD, auch faschistisch.

Zwar ist die Haltung von Pegida oder der AfD zur Flüchtlingsfrage tw. reaktionär und mitunter rassistisch, doch sie (oder auch Sarrazin) waren es, die als erste darauf hingewiesen haben, dass die Masseneinwanderung, v.a. von Muslimen, Probleme mit sich bringt. Die gesamte Linke und die grüne Multi-Kulti-Szene waren auf diesem Auge blind und haben alle Menschen, die auch nur Bedenken zur Massenmigration geäußert haben, als Rassisten usw. beschimpft.

Genauso war es bei den – wie sich v.a. im Nachhinein zeigt – völlig berechtigten Massenprotesten gegen die Coronapolitik. Nicht anders verhält es sich mit der Haltung des Gros der linken Szene zum unwissenschaftlichen Klimaalarmismus und der daraus folgenden absurden Energiepolitik, dem Genderwahn usw. usw. In all diesen wichtigen Fragen stand und steht das Gros der linken Szene auf der falschen Seite der Barrikade! Dieses Versagen der Linken ist ein Hauptgrund dafür, dass die Massen sich nach rechts wenden, statt nach links. In der Analyse der RL fehlt dieser wichtige Aspekt völlig!

Die RL schreibt: „Hinzu kommt, dass SPD und Grüne den rassistischen Debatten um Abschiebungen nichts entgegengesetzt haben, im Gegenteil. Vor den Wahlen zum Europaparlament und den Landtagen in Sachsen und Thüringen überboten sie sich Mitte 2024 vielmehr mit Vorschlägen zum Abschieben von Geflüchteten. Sie haben damit die Kernthese der AfD hoffähig gemacht: Die Lüge, Zuzug führe zu mehr Unsicherheit.“ Das stimmt ganz allgemein gesehen. Doch der letzte Satz offenbart, dass die RL nicht in der Lage ist, die Realität so zu sehen, wie sie ist. Wer nach inzwischen fast täglich stattfindenden Messerattacken und Dutzenden Mordfahrten mit dem Auto in Menschenmassen durch fast ausschließlich muslimische Täter immer noch nicht versteht, dass das Leben hierzulande tatsächlich unsicherer geworden ist, den kann man schwerlich ernst nehmen und man muss sich nicht wundern, wenn sehr viele Menschen von Linken die Schnauze volle haben.

Die Anti-Rechts-Bewegung

Ob Corona, Migration, die Kriegspolitik oder die Aufrüstung: überall versagt die Linke und die reformistische Arbeiterbewegung (DGB, Linkspartei, SPD); sie ist passiv, schweigt oder stimmt der offiziellen Politik sogar zu. Angesichts dessen ist es nicht verwunderlich, dass alle Formen von Protest „bunt“, klassenindifferent und von (klein)bürgerlichen Kräften dominiert sind. Anstatt aber in diese Proteste als Linke einzugreifen und dort antikapitalistische Positionen einzubringen, bleibt man außen vor und beschimpft das Publikum – typisch linkes Sektierertum!

Überhaupt keine Berührungsängste hat man hingegen offenbar, wenn von der Ampel-Regierung u.a. bürgerlichen Kräften (Unternehmerverbände, Kirchen, NGOs) eine Anti-Rechts-Kampagne gestartet wird, die sich im Grunde nur gegen die AfD richtet – nicht gegen wirkliche Nazis. Davon abgesehen, dass diese Proteste die Nazis nicht stoppen können – dafür brauchte es eine militante Bewegung und nicht nur Proteste – war es natürlich richtig, sich als Linke daran zu beteiligen. Dabei hätte man aber sehr deutlich machen müssen, dass die Kampagne v.a. eine clevere Taktik der Herrschenden ist, den Unmut der Massen von der Regierung abzulenken. Die meisten Linken und offennbar auch die RL vergessen, dass die Schuld für Sozialabbau, Aufrüstung, Kriegspolitik, explodierende Mieten, Energiepreise usw. usw. bei der Regierung liegt, nicht bei der AfD, die ja in der Opposition ist. Es ist frappierend: die Ampel war die unbeliebteste deutsche Regierung nach 1945, trotzdem gab es kaum Prostest gegen sie, und wenn, dann aus dem Kleinbürgertum (Handwerkerdemos). Auch für diese Absurdität ist die linke Szene verantwortlich, die, anstatt dem realen Klassengegner entgegenzutreten, einen faschistischen Popanz bekämpft.

Auch hier lohnt sich ein Blick in die Geschichte. Vor 1933 war der Hauptfeind tatsächlich nicht die Regierung, sondern die zur Macht drängende NSDAP. Doch diese war – anders als aktuell die AfD – wirklich nicht nur eine tödliche Gefahr für die Arbeiterbewegung, sondern auch eine Kraft, die zur Eroberung der Macht in der Lage und bereit war, dafür einen Bürgerkrieg zu führen. Heute aber ist der Hauptgegner nicht die AfD, sondern die Regierungen(en) – nicht zuletzt, weil deren Politik die Leute frustriert und in die Arme der AfD treibt.

Die Gefahr falsch einzuschätzen ist die größte Dummheit, die man in der Politik machen kann!

Die RL schreibt: die „AfD gewinnt immer dann, wenn viele Menschen verzweifeln und diffuse Ängste haben.“ (B) Doch hier geht es nicht um diffuse Ängste, sondern um ganz konkrete und begründete Befürchtungen, um Probleme, die zwar nicht durch die Zuwanderung entstanden sind, sich aber durch diese massiv vergrößert haben: Wohnungsmangel und (auch dadurch) Verteuerung des Wohnens, Überlastung der Schulen, Verstärkung von Homophobie, Frauenfeindlichkeit u.a. reaktionären Einstellungen durch Millionen von Muslime, Milliarden an Kosten durch die Migration. Natürlich resultieren diese Probleme in letzter Instanz aus dem Kapitalismus, das darf aber für Linke nicht bedeuten, dass man sie ignorieren und die Menschen auf die Notwendigkeit des Sturzes des Systems vertrösten kann. Wer glaubt, Menschen so überzeugen zu können, hat von Politik nichts verstanden!

Eine Linke, die seit vielen Jahren wesentliche Projekte der Herrschenden unterstützt und bürgerliche, meist „grüne“ Kampagnen unterstützt, kann die Hirne und Herzen der Menschen nicht gewinnen und muss sich nicht wundern, wenn die Leute rechten Rattenfängern folgen.

Verbot als Lösung?

Anders als in der Frage, was die AfD ist, vertritt die RL zur Frage des Verbots der AfD eine überwiegend korrekte Position. Die RL argumentiert so: „Tatsächlich wäre ein solches Verfahren ein fataler Irrweg. Erstens würde es sich jahrelang hinziehen und böte damit der AfD hervorragende Möglichkeiten, Sympathien zu sammeln und die eigene Anhängerschaft abzuhärten. Zweitens würde ein Verbotsverfahren die Schwäche und Hilflosigkeit der AfD-Gegner unterstreichen. Und drittens wäre es schädlich, auf eine Staatsgewalt zu hoffen, die bei jeder Gelegenheit die Linke und deren Aktivitäten attackiert. Ein Verbotsverfahren würde den antifaschistischen Widerstand lähmen, da es die wünschenswerte Eigeninitiative von der Straße ins Leere laufen lässt und in die Hände bürgerlicher Gerichte legt. Eine Steilvorlage für die Staatsgewalt, um im nächsten Schritt linke Organisationen zu drangsalieren und zu verbieten.“ (B)

Als Alternative zum Verbot betont die RL richtig: „Dagegen hilft nur eins: Stärke und Solidarität. Große Klassenkämpfe, die die Lohnabhängigen vereinen und Erfolge bei der Verteidigung des eigenen Lebensstandards geben, machen Mut und schweißen zusammen. Vor allem aber müssen wir die AfD öffentlich und massenhaft konfrontieren, um ihr den Anschein der Stärke zu nehmen.“ (B) Dass aber auch die „radikale Linke“ sich grundlegend verändern, ihre Programmatik und ihre Praxis renovieren muss, sieht die RL jedoch nicht.
Bezüglich des Umgangs mit der AfD schreibt die RL: „Deshalb ist es ein Fehler, wenn sich Sahra Wagenknecht oder andere mit AfD-Größen wie Alice Weidel in Talkshows setzen, um sie argumentativ zu ›stellen‹. In Wirklichkeit verschafft man der Partei und ihrer Hetze lediglich Aufmerksamkeit und den Anstrich von Seriosität. Mit denjenigen, die einen umbringen wollen, sollte man nie über die Gründe dafür diskutieren.“ (B)

Diese taktische Empfehlung ist falsch. Warum? Linke Kritiker der AfD wie Wagenknecht verhelfen der AfD nicht zu „ Aufmerksamkeit und den Anstrich von Seriosität“. Diese erhält sie durch die Medien sowieso schon. Es ist ohnedies eine seltsame und durchaus weltfremde Vorstellung, die Medien ignorieren zu können.

Aufgabe (auch) der RL wäre es vielmehr, die „Kritik“ von Wagenknecht und Co. selbst einer marxistischen Kritik zu unterziehen und eine antikapitalistische mediale Gegenöffentlichkeit zu schaffen. Das kann eine sehr kleine Gruppe wie die RL freilich nicht allein. Dazu – und auch für alle anderen Aufgaben des Klassenkampfes – braucht es die Überwindung der Zersplitterung und der politischen Flachheit der „radikalen Linken“ und den bewussten Versuch, eine starke antikapitalistisch-revolutionäre Partei aufzubauen. Davon ist aber auch bei der RL nicht die Rede. Gerade daran muss sich eine linke Gruppe messen lassen: ist sie Teil des Problems oder Teil der Lösung?

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert