Paul Pfundt
Krisen gelten gemeinhin als Stunde der Exekutive, auch die Corona-Krise bestätigt das. Die Umfragen für die regierenden Unions-Parteien gehen geradezu durch die Decke, allerdings profitiert die (mit)regierende SPD wieder einmal nicht davon. V.a. der CSU-Chef und bayerische Ministerpräsident Söder sammelt fleißig Pluspunkte als Corona-Hardliner und positioniert sich als Nachfolger von Kanzlerin Merkel. Das Corona-Management von Bund- und Landesregierungen wird lt. Umfragen von einer klaren Bevölkerungsmehrheit für gut befunden – allerdings mehren sich die Stimmen und Protestaktionen der KritikerInnen der gegenwärtigen Anti-Corona-Politik und der damit verbundenen Einschränkungen. Die Netzaktivitäten und die Demos der letzten Wochen zeigen dabei eine eigenartige Melange aus Rechten, Linken, DemokratInnen und „Verschwörungs-Theoretikern“. Obwohl selbst in den „öffentlichen“ Zentralmedien (TV, Printmedien) verschiedene Meinungen zur Corona-Krise zu Wort kommen, dominiert dort klar die Position der Bundesregierung bzw. ihrer „Ratgeber“, während in den „sozialen Medien“ die KritikerInnen präsenter sind – wie immer.
Eine gefährliche Virusepidemie – um die es sich bei Covid 19 fraglos handelt – stellt natürlich immer ein Problem dar, das nicht sofort zu 100% genau verstanden werden kann. Insofern ist es auch nicht perfekt möglich, die Auswirkungen abzuschätzen und Gegenmaßnahmen festzulegen. Daher wäre es unsinnig und unredlich, Wissenschaft und Politik vorzuwerfen, dass sie nicht immer „optimal“ reagieren. Gerade bei Virus-Epidemien sollte gelten: „Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste“. Das heißt allerdings nicht, dass besonders viel Vorsicht immer besonders viel hilft. Regierung und die „öffentlichen“ Medien tun so, als ob das bisherige Corona-Management insgesamt richtig und angemessen gewesen wäre. Genau das ist aber nicht der Fall – und zwar in mehrfacher Hinsicht!
Chronologie des Versagens
Bereits 2012/13 befassten sich Bundestag und Regierung mit Fragen des Katastrophenmanagements, darunter mit pandemischen Ereignissen. Mit Corona zeigt sich nun, dass (fast) alles, was langfristig hätte getan werden können und müssen, nicht getan wurde: es fehlte zu Beginn der Epidemie an Masken, Schutzausrüstung, Desinfektionsmitteln und Testkapazitäten. Auch von einem einheitlichen Vorgehen gegen die Ausbreitung des Virus war wenig zu merken. Jedes Bundesland führt unterschiedliche Maßnahmen verschieden schnell durch. Sicher sollte je nach örtlichem Epidemieverlauf differenziert werden, doch gerade das geschah oft nicht oder in absurder Weise. Die personelle Ausdünnung und Unterfinanzierung des Gesundheits- und Pflegesektors, die in anderen Ländern noch weit schlimmer ist als in Deutschland, wirkt sich angesichts einer Pandemie noch negativer aus als in „normalen“ Zeiten. Durch Homeoffice und die durch die Schulschließungen notwendig gewordenen digitalen Unterrichtsformen wurde erneut offenbar, dass die Regierung auch beim Ausbau der digitalen Strukturen versagt hat und Deutschland tw. auf dem Niveau eines Entwicklungslandes ist.
Das Corona-Virus tauchte bereits im Dezember (!) 2019 in der Provinz Wuhan in China auf. Obwohl China die WHO bereits am 31.12. darüber informiert hatte und manche Firmen ihre MitarbeiterInnen deshalb schon im Dezember und Januar aus China abzogen, reagierte Deutschland nicht. Die ersten offiziellen Statements (auch vom Robert-Koch-Institut, RKI) richteten sich gegen angebliche Corona-Fake-News und spielten das Problem herunter. Doch die notwendigen Maßnahmen, um einer zumindest potentiell gefährlichen Virus-Pandemie zu begegnen, wurden verabsäumt – erst im März erfolgten erste substantielle Schritte. Bis dahin gab es für nach Deutschland Einreisende kaum Kontrollen oder Quarantäne-Anordnungen, auch nicht für die besonders bedrohten Altersheime. Bockbierfeste, Ski-Halligalli und Karnevals-Umzüge fanden immer noch statt.
Die Regierung hat eindeutig viel zu spät reagiert und dadurch zugelassen, dass sich die Corona-Welle hierzulande stärker ausbreiten konnte, als es bei einer schnelleren Reaktion der Fall gewesen wäre. Menschen, die besonders gefährdet sind, Alte, Kranke, Beschäftigte im Gesundheitswesen und in öffentlichen Bereichen wurden oft nicht, unzureichend oder zu spät geschützt.
Der Lockdown
Ab Mitte März wurden verschiedene, tw. drastische Maßnahmen zur Einschränkung des öffentlichen Lebens beschlossen. Sicher waren diese Maßnahmen oft sinnvoll. Doch einerseits wurden sie zu spät, uneinheitlich und inkonsequent umgesetzt (z.B. Maskenpflicht im ÖPNV), andererseits waren viele Maßnahmen völlig überzogen. Anstatt von vornherein klare Bedingungen festzulegen, unter denen ein Weiterbetrieb bzw. eine Öffnung möglich sind (Abstand, Masken, Desinfektion), wurden Läden, Gaststätten u.a. Einrichtungen pauschal geschlossen. Doch warum z.B. Buchläden (in einigen Bundesländern) öffnen durften, andere Läden jedoch nicht, während die großen Baumärkte meist offen blieben, entzieht sich jeder Logik. Kinos und Theater sind immer noch geschlossen, obwohl auch hier die Einhaltung der Corona-Standards meist durchaus möglich wäre.
Völlig übertrieben war auch die Schließung der Schulen. Da wurde wochenlang darüber gestritten, ob Prüfungen durchgeführt werden können oder nicht, obwohl die Prüfungen schon a priori so ablaufen, dass Abstände usw. gewahrt werden. Anstatt wenigstens Unterricht in kleineren Gruppen zu ermöglichen oder z.B. eine Osterferienwoche (in der man ohnehin nicht in Urlaub fahren konnte) für Unterricht zu nutzen, wurde alles auf Null gebracht. Andere Länder, z.B. Dänemark und Schweden haben immer noch oder schon wieder normalen Schulbetrieb, ohne dass dieser zur Corona-Schleuder wurde. Schutzmaßnahmen wie häufigeres Händewaschen kann dort relativ problemlos durchgesetzt werden.
Insgesamt zeigt der Lockdown, dass der Staat – nachdem er es versäumt hatte, schnell zu handeln – dann völlig überzogen reagierte; von einem Extrem manövrierte sich die Regierung ins andere. Der dadurch entstandene wirtschaftliche Schaden ist schon jetzt gigantisch, von den diversen negativen sozialen Auswirkungen für die Bevölkerung gar nicht zu reden. Selbst medizinisch gesehen, fällt die Bilanz des Lockdown nicht unbedingt nur positiv aus. Die Infektionszahlen gingen nicht signifikant nach unten, der berühmte R-Wert lag bereits vor (!) dem Lockdown knapp unter dem Wert von 1. Von den psychischen und physischen Problemen durch den Lockdown und seine tw. dramatischen existentiellen Folgen für viele Millionen ganz abgesehen. Zehntausende verschobene OPs und wegen der Angst vor Ansteckung nicht wahrgenommene Arztbesuche lassen die Mortalitätsrate ebenfalls ansteigen – doch darüber redet niemand und es gibt dafür keine Statistik.
Tödlicher Virus?
Die Medien bombardieren uns seit Wochen mit Sendungen und Statistiken zur Corona-Pandemie, so dass hier durchaus von Angst-Schüren gesprochen werden kann. Gretas „Ihr sollt in Panik geraten“ ist offenbar zur Ultima ratio der Politik geworden – kein Wunder, hat man die Bevölkerung ja schon seit Jahrzehnten in punkto Klima, Kernenergie, Waldsterben, Stickoxyde usw. in einen Modus permanenter Verängstigung versetzt.
Ein nüchterner Blick auf die Daten dieser Pandemie zeigt, dass das Ausmaß der tatsächlichen oder wahrscheinlichen Gefahr, die vom Corona-Virus ausgeht, deutlich mit dem kollidiert, was uns Politik und Medien einreden. Die folgende Grafik zeigt, dass die Mortalitätsrate von Corona (hier für über 60jährige, der am meisten gefährdeten Gruppe) nicht signifikant höher ist als bei den Grippewellen 2017 und 2018.
Ein ähnliches Bild zeigt die Anzahl der Gesamt-Sterbefälle in der Woche vom 30.3.-5.4. für Menschen bis 80 Jahre:
2016: 8.622
2017: 7.913
2018: 8.637
2019: 8.156
2020: 8.147 (dieselbe Quelle).
Es muss allerdings berücksichtigt werden, dass die Entwicklung seit Anfang April hier nicht enthalten ist. Die aktuellen Daten für diese Zeit zeigen jedoch auch keinen besonderen Ausschlag nach oben. Auch kann niemand genau sagen, wie hoch die bremsende Wirkung des Lockdown war. Doch auch die inzwischen vorgenommenen Lockerungen bewirkten bisher keinen bedrohlichen Anstieg der Infektionszahlen. Schließlich muss bei den Jahresvergleichen berücksichtigt werden, dass die Zahl der Sterbefälle insgesamt ansteigen muss, weil der Anteil sehr alter Menschen an der Bevölkerung ansteigt.
In Deutschland sind bisher 172.000 Infektionen nachgewiesen (lt. ARD vom 15. Mai). Damit sind knapp 0,2% der Bevölkerung als Infizierte erfasst. Die wirkliche Infiziertenzahl liegt natürlich höher, ist aber nicht genau bekannt – u.a., weil man es bisher versäumt hat, umfangreichere Stichprobentests (ähnlich den Wahlumfragen) vorzunehmen. Absicht?? Angenommen, die Gesamtzahl der Infizierten läge 5 Mal so hoch, wären das etwa 1% der Bevölkerung. Bis zum 15. Mai gab es in Deutschland 7.723 Coronatote (gleiche Quelle). Etwa 5% der (offiziell erfassten) Infizierten sterben also. Von diesen wiederum sterben viele mit Corona, jedoch nicht an Corona. Die große Mehrheit der Opfer sind sehr alte Menschen mit einer oder mehreren Vorerkrankungen. Die Zahl der „direkten“ Coronatoten bewegt sich also im Bereich der kaum noch statistischen Nachweisbarkeit. War der Lockdown also, v.a. für so viele Wochen und in dieser Form in Deutschland angesichts einer Corona-Sterberate von 0,001% der Bevölkerung wirklich notwendig? Eher nicht. In Meck-Pomm etwa gibt es fast keine Corona-Fälle, trotzdem wurde alles auf Null gefahren. Schweden hat bisher komplett auf einen Lockdown verzichtet, trotzdem zeigt sich bisher dort keine schlechtere Entwicklung als anderswo (abgesehen von einer hohen Sterberate in Altersheimen, die nicht ausreichend geschützt wurden).
Erst mit dem Ausstieg aus dem Lockdown wurden vernünftigere Kriterien für den Corona-Schutz festgelegt und ein differenziertes, sinnvolles Vorgehen eingeleitet, so etwa die Möglichkeit, auf Corona-Hotspots schnell örtlich und regional zu reagieren. Auch die Festlegung der Zahl von 50 Infizierten auf 100.000 Einwohner als Grenze, ab der die Schutzmaßnahmen wieder intensiviert werden sollten, ist sinnvoll. Genau ein solches „passgenaues“ Corona-Management wäre von Beginn an nötig und möglich gewesen. Dass stattdessen eingetretene soziale und wirtschaftliche Desaster und viele der Toten gehen eindeutig auf Kosten dieser Regierung und des politisch-staatlich-medialen Establishments! Anstatt im Januar/Februar die Frage aufzuwerfen, warum die Regierung nichts tut, platzierten die TV-Medien sachlich unbegründete und fahrlässig abwiegelnde Statements von Regierung und RKI.
Der stufenweise Ausstieg aus dem Lockdown offenbart aber auch ein grundsätzliches Problem. Steigen die Fallzahlen, müssen wieder strengere Maßnahmen her. Doch man kann den Lockdown nicht andauernd hoch- und wieder runterfahren, ohne ein Chaos anzurichten. Dieses ist ohnehin – u.a. wegen des sinnlosen föderalen Systems – schon vorhanden.
Die obigen Daten werden auch durch konkrete Tests bestätigt. So wurden z.B. in Hamburg die Corona-Toten (entgegen dem anfänglichen Rat des RKI, keine Sektion von Corona-Opfern vorzunehmen) pathologisch untersucht. Das Ergebnis: fast alle waren sehr alt und hatten tw. mehrere Vorerkrankungen.
Die Präsentation der Corona-Daten (Zahl der Infizierten, Todesrate, Ansteckungsrate) in den Medien suggeriert, dass man sich bei den Lockdown-Maßnahmen auf exakte wissenschaftliche Erkenntnisse stützen würde. Doch das ist so nicht der Fall! Aufgrund fehlender größerer Tests und den zu selten vorgenommenen pathologischen Untersuchungen ist die Datenlage tatsächlich mangelhaft. Daher ist es auch kaum möglich, qualifizierte Aussagen zur Ausbreitung und zur Gefährlichkeit von Corona zu treffen. Das betonte auch das RKI wiederholt. Alles, was es an solideren Daten gibt, spricht eher gegen die Panikmache – zumindest hierzulande. Zudem sprechen höhere Mortalitätsraten in einigen anderen Ländern nicht unbedingt nur für die Gefährlichkeit von Covid 19, sondern v.a. für schlechte soziale Verhältnisse und ein mangelhaftes Gesundheitssystem.
Erfahrungen
Ein bezeichnendes Merkmal für das Agieren des Quartetts aus Politik, Medien, Wissenschaft und Staat ist ihre „Geschichtslosigkeit“. Pandemien gab es schon immer, der Mensch ist permanent von Viren bedroht und gezwungen, sich dagegen zu schützen, was ihm aufgrund der Veränderung der Viren immer nur partiell gelingen kann. Einerseits wachsen unsere Fähigkeiten, die Spezifik eines Virus zu verstehen und Gegenmaßnahmen zu ergreifen. So konnte binnen weniger Wochen die genetische Struktur von Covid 19 entschlüsselt werden, was früher Monate oder Jahre gedauert hat oder gar unmöglich war. Andererseits wird die Ausbreitung von Viren durch verschiedene (kapitalistische) Wirtschaftsweisen, etwa die Massentierhaltung (Schweinegrippe), mitunter gefördert, v.a. ist die globale Ausbreitung von Viren durch die Globalisierung (Personen- und Frachtverkehr) erleichtert. Letzterer Umstand hätte allein schon Anlass sein müssen, sich ernsthafter mit der Pandemie-Vorsorge zu befassen und konkrete Maßnahmen zu treffen.
Würde man die aktuelle Corona-Pandemie in einem historischen Kontext betrachten, wäre – nach der anfänglich unvermeidbaren Unsicherheit aufgrund fehlender Daten für längere Zeiträume – inzwischen klar, dass die Corona-Epidemie keine signifikant größere Gefahr als andere Grippewellen der Vergangenheit darstellt. Nicht nur die Spanische Grippe von 1918, die weltweit 20 Mill. Opfer forderte (allerdings bei einer durch den Weltkrieg gesundheitlich geschwächten Bevölkerung und einem wesentlich schlechteren Gesundheitssystem), war weit schlimmer als Corona. Auch die Asiatische Grippe oder die Hongkong-Grippe in den 1950ern und 60ern waren mit jeweils 30.-40.000 Toten in Deutschland eher gefährlicher als die aktuelle Epidemie. Früher hat man keine Gegenmaßnahmen a la Lockdown ergriffen und setzte auf das Abklingen der Epidemie, auf die Durchseuchung und die Entwicklung eines Impfstoffs, der aber meist erst nach Abklingen der Epidemie-Welle zur Verfügung stand.
Die letzten „bekannten“ Epidemien (Vogelgrippe, Schweinegrippe) hatten in Deutschland fast keine Folgen. Gleichwohl gab es darum auch damals schon einen Medienhype. Dieser hatte aber die fatale Folge, dass die Bevölkerung Pandemien nicht ernst nimmt und eher – und nicht ganz zu Unrecht – als Medienenten versteht.
Typisch ist aktuell, dass ARD und ZDF stundenlang Corona-Hysterie verbreiten, um dann gegen Mitternacht auch Mal einen Beitrag zu senden, der genau das Gegenteil vertritt. Während eine sachliche Diskussion von Fachleuten, zu denen fast kein einziger Politiker gehört, in den „Großmedien“ selten oder nie stattfindet, werden wir mit Statements und Talkshows von Nicht-Fachleuten, Prominenten usw. geradezu überschüttet. Diese Art von „Kommunikation“ hat mehr von Indoktrination und geistiger Vermüllung, als dass sie der Aufklärung dient. Was wir seit Jahren bei der Klimafrage erleben, wird auch hier wieder brav durchexerziert. So ist es kein Wunder, dass die massenwirksamen „Großmedien“ zunehmend skeptisch gesehen werden und alternative Angebote oft als seriöser gelten, obwohl sie es nicht immer sind. Dass die Kritik an den „Großmedien“ meist von rechts kommt und nicht von links, sagt einiges aus über den Zustand der Linken hierzulande.
Die fehlende oder (gar bewusste?) Ausblendung der historischen Dimension, wie sie besonders deutlich auch in der Klimafrage hervortritt, bedeutet, ein Phänomen aus dem Zusammenhang zu reißen. Wer aber, um es philosophisch zu sagen, ein Sache nicht in ihrem Zusammenhang kennt, kennt sie gar nicht. Diese „Geschichtsvergessenheit“ ist ein oft anzutreffendes Phänomen der spät-bürgerlichen Gesellschaft – und keineswegs nur in Hinsicht auf die Gesellschaft. So wird auch beim Klima immer nur ein Zeitraum ab 1850 betrachtet, was davor war, wird ausgeblendet.
Aktuell beruft sich die Merkel-Regierung auf die Expertise des RKI. Doch 1. gibt es sehr viele, sehr prominente VirologInnen, die vom RKI mehr oder weniger abweichende Meinungen vertreten, die in den „offiziellen“ Medien wenig auftauchen und oft (auch von der Linken) als dubiose Verschwörungstheoretiker verunglimpft werden. Interessanter Weise sind es aber tw. gerade sie, die mit konkreten Tests und Untersuchungen für mehr Wissen über Covid 19 gesorgt haben (z.B. der Hamburger Pathologe Püschel oder Prof. Streeck). 2. agierte das RKI auch nicht immer seriös und fehlerlos. Das RKI ist in Deutschland immerhin die zentrale Institution in Sachen Epidemien und als solche auch international – zu recht – anerkannt. Wenn sich Deutschland nicht gut darauf vorbereitet hat, so trifft die Schuld daran aber auch das RKI, das auf diese Missstände nicht (genügend) aufmerksam gemacht hat. Auch das RKI hat die Corona-Gefahr trotz der Erfahrungen in China anfangs ohne faktische Grundlage heruntergespielt. Das RKI wandte sich – mit absurden Begründungen – gegen die Leichenbeschau von Corona-Toten. Und es war das RKI, das sich anfangs gegen selbstgebaute Masken aussprach.
Opposition?
Das Versagen des Staates und der Medien ist genauso eklatant wie die Selbstinszenierung der Eliten bisher erfolgreich war. Keine Partei – auch nicht die so oppositionellen Parteien AfD und DIE LINKE – haben auf das Dilemma der erst viel zu langsamen und dann geradezu hysterischen Lockdown-Politik klar hingewiesen oder gar für eine andere Vorgehensweise gekämpft. Erst in den letzten Wochen mehren sich die kritischen Stimmen.
Die Linkspartei (und ähnlich die „radikale Linke“) betonen v.a. – und zu recht – den sozialen Aspekt der Corona-Maßnahmen. Doch das insgesamt schlechte Corona-Management der Regierung(en) wird kaum kritisiert. Die dahinter liegenden systemischen Fragen, warum die Regierung so und nicht anders reagiert bzw. nicht reagiert hat, werden kaum betrachtet. Wie in der Klimafrage und bei vielen anderen Problemen zeigt sich die linke Szene weitgehend unfähig, die Realität materialistisch und historisch-kritisch zu betrachten. Sie sieht oft alles nur innerhalb eines Links-rechts-Schemas.
Sicher muss man Verschwörungstheorien (G5 als Corona-Ursache, China hat absichtlich das Virus verbreitet usw.) entgegen treten. Auch die These, dass Merkel absichtlich die Wirtschaft ruinieren wolle, ist einfach nur Unfug. Immer noch ist jede bürgerliche Regierung zuvorderst ein Instrument des Kapitals. Wenn sie die Wirtschaft schädigt, was sie mit ihrer Corona-Politik zweifellos bewirkt hat, dann ist dass dem Umstand geschuldet, dass die Regierung bzw. das herrschende Konglomerat aus Politik, Staat, Medien und Wissenschaft nicht (mehr) in der Lage ist, rational zu reagieren.
Angesichts des Zustands der Linken verwundert es nicht, dass Kritik und Unmut über den in dieser Form gar nicht notwendigen Lockdown, die Knebelung des sozialen Lebens und die Schädigung der Wirtschaft – und damit der sozialen Lage der Lohnabhängigen und der öffentlichen Finanzen – nicht von linken Kräften ausgehen, sondern von einer Art Querfront aus Linken, Rechten, Demokraten und allen möglichen Verschwörungstheoretikern. Ein Beispiel mag das illustrieren. Die deutliche Minimierung des Autoverkehrs schlägt sich nicht in dem Maße in den Luftmesswerten nieder, wie das erwartet wurde; das verweist darauf, dass Autos (und besonders die Diesel) nicht in dem behaupteten Ausmaß die Luft verschmutzen. Die neuen 6d-Dieselmotoren erzeugen Abgas, das sauberer ist als die angesaugte Luft. Trotzdem wollen die Grünen und die ideologisch hinter ihnen her trabenden Linken die E-Mobilität ausweiten.
Das in allen politischen Fragen wirkende Herrschafts-Konglomerat aus Politik, Staat, Medien und „gleichgeschalteter“ Wissenschaft, die pünktlich die benötigten „Studien“ und „Expertisen“ liefert, wird – auch von den Linken – kaum hinterfragt. Jede noch so unsinnige „Fachmeinung“ der einschlägigen Institute wird einfach akzeptiert und als unumstößliche Wahrheit angesehen, v.a. dort, wo man glaubt, daraus irgendeine Form von Anti-Kapitalismus ableiten zu können. Zwar wissen alle Linken (und vermutlich die meisten Menschen), dass Wissenschaft und Medien im Kapitalismus mehr oder weniger instrumentalisiert werden und bestimmten Verwertungsinteressen unterliegen – doch immer dann, wenn etwas vermeintlich links oder anti-kapitalistisch erscheint, geht der kritische Geist bei den meisten Linken in den Schlafmodus über.
Wie die Corona-Pandemie weiter verläuft, vermag niemand genau zu sagen, Aussagen über eine 2. Welle sind reine Vermutung. Und wenn diese kommen sollte, könnte sich die derzeitige Strategie der Eindämmung der Infektion vielleicht sogar als fatal erweisen, weil eine stärker durchseuchte Bevölkerung besser vor Neuinfektionen geschützt ist. Diesen Weg hat z.B. Schweden beschritten, bis jetzt funktioniert das. Am wahrscheinlichsten ist, dass die Pandemie, wie frühere Grippewellen auch, ausklingt. Sollte eine 2. Welle kommen, müssen die Maßnahmen neu justiert werden. Fest steht aber heute schon, dass die weltweiten Lockdown-Maßnahmen – ob sie notwendig waren oder nicht – zu einer schweren Wirtschaftskrise führen bzw. schon geführt haben, welche die Finanzkrise von 2008 noch übertreffen wird.
Im Angesicht der Krise
Natürlich ist es richtig, dass der Staat Hilfsprogramme auflegt, um die Corona-Folgen zu dämpfen. Und natürlich müssen Linke Forderungen aufstellen, um zu sichern, dass die Masse der Lohnabhängigen und der unteren (Mittel)Schichten so gut wie möglich sozial geschützt wird und nicht Milliarden dem Großkapital zugeschanzt werden. Doch die von einigen linken Gruppen aufgestellte Forderung, dass es keine sozialen Einbußen für die Bevölkerung geben darf, ohne aber dazu zu sagen, wo das Geld dafür herkommen soll, ist keine seriöse Politik.
Jeder Mensch weiß, dass der Staat bzw. die Notenbanken nicht einfach Geld drucken können (was mindestens schon seit 2008 massiv passiert), ohne dass diese Überschwemmung der Märkte mit Geld ohne reale Wertgrundlage Auswirkungen hätte. Dieses „wertlose“ Geld muss dem Kreislauf irgendwann und irgendwie wieder entzogen werden. Das wäre auch in einer nicht-kapitalistischen Ökonomie so (egal, ob diese noch Geld, Arbeitsgutscheine o.ä. benutzt oder nicht). Die Frage ist nun, wer sich auf wessen Kosten „schadlos“ hält? Wie schon in der Krise von 2008 (und in jeder anderen Krise) kollidieren hier die Interessen des Kapitals mit denen des Proletariats. Die Kapitalisten wollen sich auf Kosten der Massen und der Konkurrenz sanieren bzw. ihr Überleben sichern. Das heißt letztlich Sozialabbau, egal in welcher Form. Staat und Politik werden – wie auch 2008 – diesen einerseits umsetzen, andererseits aber darauf achten müssen, dass das „ausgewogen“ erfolgt, d.h. so, dass niemand auf die Barrikaden geht.
Bereits Anfang April wurde eine Studie vom Wissenschaftlichen Dienst des Bundestags mit dem Titel „Verfassungsmäßigkeit einer Vermögensabgabe zur Bekämpfung der wirtschaftlichen Folgen der Corona-Epidemie“ erstellt. Die Finanzämter bereiten sich offenbar schon auf neue Formen von Abgaben und Sondersteuern vor. So ist etwa eine 7,5%ige Vermögensabgabe angedacht (https://www.mmnews.de/wirtschaft/144470-kommt-die-vermoegensabgabe). Schon jetzt müssen die Linke und die Arbeiterbewegung gegen solche Pläne Front machen: Bezahlen sollen das Kapital und die Reichen für die Krise, mit dem Geld, was sie jahrelang den Massen abgepresst haben! Und verantwortlich dafür und für die dramatischen wirtschaftlichen und sozialen Schäden, die jetzt entstanden sind, ist das bürgerliche Establishment und seine bürokratische Unfähigkeit.
Auf Seiten des Kapitals gibt es verschieden Fraktionen – Branchen, Konzerne, Nationen und Staatenblöcke – die heftig darum ringen, sich auf Kosten anderer zu behaupten oder zu vergrößern. So ist z.B. in Deutschland schon jetzt ein Disput darum entbrannt, ob die Energiewende massiv weiter getrieben wird oder aber staatliche Mittel und das Geld der Massen in andere Bereiche fließt und der „Klimaschutz“ ausgesetzt wird.
Von zentraler Bedeutung werden u.a. folgende Fragen sein: Wer dominiert künftig die Weltwirtschaft: USA oder China? Können die EU bzw. die Euro-Zone überleben? Wird genug überschüssiges Kapital (sowohl die spekulativen Finanzwerte als auch die Überkapazitäten im produktiven Sektor) vernichtet, um eine neue Akkumulationsdynamik zu erzeugen? (she. dazu auch: https://aufruhrgebiet.de/2020/03/vor-der-krise/.
Insofern stimmt es, wenn gesagt wird, dass die Welt nach Corona nicht mehr so sein wird wie zuvor, sie wird unsicherer und konfliktreicher sein. Zugleich wird sie aber weiterhin eine kapitalistische Welt sein. Und sie wird tendenziell genau das zeigen, was schon heute auch die Corona-Krise zeigt: Politik und Staat sind unfähig, auf Probleme – egal welcher Art – rational und angemessen zu reagieren. Diese Unfähigkeit besteht aber nicht nur darin, dass die Lohnabhängigen dabei meist den Kürzeren ziehen; die Unfähigkeit besteht auch darin, dass die Problemlösungen noch nicht einmal immer den Interessen des (Gesamt)kapitals gerecht werden.
Wenn Rosa Luxemburg von der Alternative Sozialismus oder Barbarei sprach, so traf sie damit ins Schwarze. Auch Hanns Eisler hatte recht, als er meinte: „Der Sozialismus bedeutet den Einmarsch der Vernunft in die Gesellschaft.“
Sozialismus und Vernunft durchsetzen kann nur das Proletariat, wie auch seine bisherigen Kämpfe und Bemühungen zeigen. Doch es kann diese Aufgabe nur erfüllen, wenn es seine Gegner und deren Vorgehen versteht und Alternativen entwickelt. Das beginnt heute damit, zu verstehen, was das Corona-Krisenmanagement wirklich ist und warum dieses massiv kritisiert werden muss, anstatt es „nur“ mit ein paar linken Forderungen zu „garnieren“.
Die erste Runde in der Corona-Krise ging an Merkel und Co.. Können die Linke und die Arbeiterbewegung die nächste Runde für sich entscheiden?! Wird ein schlagkräftiges Netzwerk, eine Einheitsfront von linken Organisationen, aktiven GewerkschafterInnen u.a. Kräften entstehen, das Staat und Kapital entgegen tritt, oder kocht nur jedes linke Milieu wieder sein eigenes dünnes Süppchen?!
Alles perfekt zusammengestellt. Nur zum Spruch: „Sozialismus oder Barbarei“ hätte ich noch etwas zu sagen. Rosa Luxemburg hat damals nicht sehen können, was die Genossen später daraus gemacht haben. Ich bin 74 Jahre alt, habe noch vor der Wende die DDR verlassen. Durch`s Gefängnis! Das ganze Land war durch den Parteiklüngel runtergewirtschaftet, ökonomisch und sozial. Aber obwohl alles so offensichtlich war, mussten wir in Parteilehrjahren immer noch Hurra schreien. Wer etwas gegensätzliches sagte, hat negative Dinge erlebt. Im Maximalfall sogar Gefängnis. Über die tatsächlichen Fehlleistungen dieses Systems hat man sich dann hinter vorgehaltener Hand unterhalten. Immer in der Hoffnung, dass kein Denunziant dabei war.
Wie sich der damalige Osten und die jetzige Bundesrepublik doch gleichen!
Ihr lieben Linken! Wenn ihr ein besseres System etablieren wollt, dann bitte keine Wiederholung dieses Sozialismus. Lasst euch mal noch ein anderes System einfallen. Und vor allen Dingen: Ihr seid sicher jung. Fragt bitte die Alten, die, die den damaligen Sozialismus mitmachen mussten, was sie besser machen würden.
Freundlichst
U.Eggison