Wen wählen?

Hannah Behrendt

Die kommenden Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg stehen unter besonderen Vorzeichen und dürften mehr bundespolitische Bedeutung haben als andere Landtagswahlen, obwohl die drei Bundesländer zu den kleineren zählen. Die Besonderheit dieser Landtagswahlen ergibt sich aus mehreren Fragen:

  • sie werden höchstwahrscheinlich krachende Niederlagen für die Ampel-Parteien bringen und könnten evtl. sogar zum vorzeitigen Ende der Ampel beitragen;
  • die AfD könnte so stark werden, dass es schwer wird, eine Mehrheitsregierung ohne sie zu bilden – zudem alle Parteien angekündigt haben, nicht mit der AfD koalieren zu wollen;
  • das BSW tritt (nach der Europawahl) zum ersten Mal in einer innenpolitischen Wahl an;
  • die Frage, wie Deutschland zum Ukrainekrieg steht, spielt eine große Rolle;
  • mindestens genauso wichtig ist Frage der Migration.

Gerade die beiden letzten Fragen berühren zwei strategische Probleme der deutschen Politik. In der Kriegsfrage stehen nur das BSW und die AfD (auch wenn sie der Aufrüstung und der NATO-Mitgliedschaft zustimmt) sowie die LINKE (wenn auch sehr inkonsequent) der Politik der Ampel und der Union gegenüber.

Populismus

In der Migrationsfrage bewegt sich das gesamte politische Spektrum mit Ausnahme der LINKEN nach rechts. Motiviert durch die sich häufenden Messerattacken islamistischer Migranten fordern fast alle Parteien mehr Abschiebungen, weniger Zuzug und ein schärferes Durchgreifen der Polizei. Dabei sind die meisten dieser Forderungen purer Populismus: entweder, weil sie aufgrund verschiedener Gesetze oder aufgrund praktischer Probleme kaum umgesetzt werden können, oder weil es fast unmöglich ist, Tausende potentielle islamische Attentäter zu überwachen und sie zu hindern, weitere Anschläge zu verüben.

Aktuell befindet sich die deutsche Asylpolitik in einem Dilemma. Ab 2015 ließ man weitgehend unkontrolliert Millionen Asylbewerber ins Land. Die Integration dieser Menschen scheiterte aber sehr oft daran, dass es entweder wenig Interesse daran gab, sie in Arbeit zu bringen, oder aber die Bürokratie erwies sich dazu als unfähig. Dass die Entscheidung über den Asylstatus sich oft über Jahre hinzog, hat bei vielen Migranten für Frust oder Verzweiflung gesorgt. Obwohl seit vielen Jahren bekannt ist, dass Islamisten gezielt ihre Kader hierher schicken, um hier politisch und mit Terror zu agieren, nahm man dieses Problem in Kauf oder sah deren „Integration“ gar noch als kulturelle „Bereicherung“ an.

Die ursprüngliche Idee des Asylrechts, politisch, religiös oder aus anderen Gründen Verfolgten Asyl zu gewähren, wurde immer mehr ausgehöhlt, indem massenhaft Menschen hierher kamen, auf die diese Definition gar nicht zutraf. Es war und ist sicher richtig, auch Menschen Schutz zu gewähren, die vor Krieg fliehen, was für die Mehrheit der Asylbewerber zutrifft, doch wenn der Krieg vorbei ist, müssen diese Menschen wieder zurückgeschickt werden. Doch das geschieht z.B. bei den Syrern nicht, stattdessen trägt Deutschland immer noch die Sanktionen gegen das Land mit und blockiert damit den Wiederaufbau, statt ihn zu fördern.

Unabhängig von Rassismus, mangelhafter Integration, Bürokratie usw. ist aber die Zahl der Zuwanderer, noch dazu meist aus kulturell sehr anderen Kulturen, derart groß, dass sie kaum mehr integriert werden können, z.B. was die Kapazitäten bei Sprachkursen, Ausbildung, Wohnungen usw. anbetrifft. Gerade bei Bildung und Wohnen ist es offenkundig, dass die einheimische Bevölkerung die Kosten dieser überzogenen Asylpolitik bezahlen muss (Wohnungsknappheit und auch dadurch steigende Wohnkosten).

Geradezu makaber ist die europäische Asylpolitik, weil es der EU noch nicht einmal gelingt, die Flüchtenden einigermaßen gerecht in Europa zu verteilen. Und nicht anders als verbrecherisch kann man die Politik Brüssels und Berlins nennen, weil sie stets die mörderischen Attacken der USA mitgetragen hat, die viele Länder (Irak, Syrien, Afghanistan, Ukraine usw.) ins Chaos gestürzt und damit für riesige Flüchtlingsströme gesorgt hat.

Wir können hier die Politik der einzelnen Parteien in der Asylfrage nicht analysieren und wollen nur soviel dazu sagen: weder die Politik der LINKEN (Für offene Grenzen!) noch die der Ampelparteien und der Union, geschweige denn die nationalistisch-völkische Politik der AfD kann unterstützt werden. Die – ohnehin völlig utopische – Umsetzung der Forderung nach offenen Grenzen würde bedeuten, dass jedes Jahr mehrere Millionen Flüchtlinge nach Deutschland kommen. Demgegenüber ist die Position des BSW, die oft zu unrecht als „AfD-nah“, als „Asyl-feindlich“ oder gar als rassistisch verunglimpft wird, besser und relativ „vernünftig“.

Wen wählen?

Wir möchten uns hier v.a. der Frage widmen, welche Partei Antikapitalisten, Linke und die Lohnabhängigen wählen sollen.

Grundsätzlich sollte klar sein, dass eine bürgerliche Partei nie gewählt werden kann. Das Argument, die AfD sei nicht wählbar, weil sie so rechts ist, geht am Kern der Sache vorbei. In manchen Fragen ist die Position der AfD besser als die anderer Parteien (Energie, Klima, Kernenergie), trotzdem ist sie nicht wählbar – nicht nur wegen ihrer völkischen Elemente und ihrer Verbindungen zur extrem- rechten Szene. Sollte die AfD gewählt werden, müsste sie koalieren, um (mit)regieren zu können. Im Endeffekt wäre der Spielraum für ihre konservativ-neoliberale „Reform“politik aber sehr gering. Innerhalb der „Rechtsstaatlichkeit“ und angesichts der Macht des Kapitals und ihrer politischen, staatlichen und medialen Agenturen ist es unmöglich, grundlegende Reformen im fortschrittlichen Sinne umzusetzen; das gilt aber auch für „reaktionäre“ Reformen. Die Ankündigungen der AfD nach einer „großen Wende“ sind insofern kaum mehr als heiße Luft.

Die Wahl der AfD, ja sogar ihre Regierungsbeteiligung würde in mancher Hinsicht durchaus reaktionäre Folgen haben, jedoch sorgen schon die Ampel-Parteien und die Unions-“Opposition“ selbst schon dafür, die Anliegen der AfD umzusetzen. Ja, in mancher Hinsicht sind Regierungen aus diesen Parteien viel schlimmer als eine mitregierende AfD, z.B. hinsichtlich der Ukraine oder der Energiepolitik.

Kritische Wahlunterstützung

Müssen oder können wir als Alternative aber eine „linke“ Partei wählen? Wahlen sind wichtig als Anzeiger des politischen Bewusstseins der Massen und bieten Linken mehr Möglichkeiten, ihre Politik zu verbreiten, doch wesentliche Änderungen der Verhältnisse bewirken sie nicht – schon deshalb, weil die Macht eben nicht beim Parlament liegt.

Die revolutionäre Arbeiterbewegung hat einst die Taktik der kritischen Wahlunterstützung entwickelt – für Situationen, in denen Revolutionäre zu schwach sind, um selbst zu kandidieren. Die Taktik bezieht sich nur auf linke bzw. Arbeiterparteien und bedeutet erstens, dass deren reformistische oder zentristische Politik offen kritisiert wird und der Wahlkampf genutzt wird, um revolutionäre Positionen zu verbreiten. Zweitens sollen Forderungen an die unterstützte Partei und deren proletarische Basis gerichtet werden, wirklich für die Umsetzung positiver Forderungen zu kämpfen. Werden diese Forderungen umgesetzt – gut, wenn nicht, können die Reformisten entlarvt werden. Die kritische Wahlunterstützung ist daher eine spezifische Form der Einheitsfront-Politik.

Gegenwärtig kann diese Taktik jedoch nicht angewendet werden. Warum?

Zum einen sind BSW und die Linkspartei keine Parteien (mehr), die mit der Arbeiterklasse organisch verbunden sind. Das BSW vermeidet jeden Bezug zur Arbeiterbewegung und agiert eher als Partei der Mitte. Von politischen Vorschlägen, wie man den Klassenkampf entwickeln kann, oder zu den Gewerkschaften keine Spur. Die LINKE hingegen war früher einmal eine Partei, die sich auf die Lohnabhängigen bezog und mit der Arbeiterklasse, wenn auch nur schwach, verbunden war. Im Zuge ihrer Orientierung auf die woke Mittelschicht und „grüne“ Themen und Milieus, durch ihre inkonsequente Position zur Ukraine und ihre fatale Rolle während der Corona-Lockdowns hat sie ihr proletarisches Milieu aber weitgehend verprellt.

Insofern können beide Parteien nicht unterstützt werden. Die Taktik der Einheitsfront scheitert bei beiden daran, dass sie keine proletarische Basis haben, an die man sich wenden und die etwas in der Praxis bewirken und durchkämpfen kann. Wir dürfen auch nicht vergessen, dass beide Parteien die Funktion haben – ob sie sich dessen selbst bewusst sind oder nicht -, linke und oppositionelle Milieus in das kapitalistische System einzubinden. Würden BSW und die LINKE mit oppositionellen und kämpferischen Milieus verbunden sein, könnte eine kritische Wahlunterstützung in Frage kommen, doch das ist nicht der Fall. Denken wir nur an die Rolle der LINKEN bei der Demobilisierung der Bewegung „Deutsche Wohnen und Co. enteignen!“ oder daran, dass die „Friedenspartei“ BSW praktisch überhaupt nichts tut, um eine starke Friedensbewegung aufzubauen.

Die Sozialdemokratie

Die einzige Partei, die noch eine reale Verbindung zur Arbeiterklasse hat, ist tatsächlich die SPD. Wie sieht diese Verbindung aus? Die SPD ist hinsichtlich der Mitgliedschaft wesentlich eine Beamten- (40% der Mitglieder sind Beamte bzw. Staatsangestellte) und Rentnerpartei. Tausende sind Funktionsträger, Abgeordnete und deren Mitarbeiter (Arbeiterbürokratie). Dazu zählen auch viele Gewerkschaftsfunktionäre und Betriebsräte. Über diesen Apparat kontrolliert die SPD immer noch die (gewerkschaftlichen) Kernschichten der Arbeiterklasse, die Arbeiteraristokratie. Diese Verbindung ist die einzig noch verbliebene reale Verbindung der SPD zur Arbeiterklasse – alles andere „Proletarische“ hat sie im Laufe der Jahrzehnte bürgerlich-reformistischer Politik verprellt. Die SPD ist auch nicht (mehr) das kleinere Übel etwa gegenüber der Union oder den Grünen. Im Gegenteil: wesentliche strategische Angriffe auf die Lohnabhängigen wurden gerade von ihr vorgetragen: die Agenda-Reformen, die aggressive Außenpolitik (Balkan, Afghanistan, Ukraine) und gegenwärtig die Aufrüstung. Sie war seit 1998 mit einer Ausnahme Teil aller Bundesregierungen.

Eine wie auch immer geartete kritische Unterstützung der SPD verbietet sich angesichts dessen. Die SPD verkörpert kein Widerstandsmilieu, jede Stimme für sie käme einer Unterstützung der Kriegs- und Rüstungspolitik gleich.

Natürlich gibt es mehrere Kleinparteien wie „Die Basis“, „Die Partei“ oder linke Parteien wie die DKP oder MLPD, die in etlichen Fragen richtige Positionen vertreten und deshalb gewählt werden könnten. Doch sie alle verfügen weder über ein brauchbares Gesamtprogramm noch haben sie eine Verankerung in den Massen, die Widerstand überhaupt ermöglichen könnte.

Ungültig wählen – aber Widerstand organisieren!

Angesichts dieser Umstände gibt es nur eine Möglichkeit, seiner Opposition Ausdruck zu verleihen: indem man ungültig wählt und auf den Wahlzettel ein antikapitalistisches Statement hinterlässt. Zugleich müssen Revolutionäre aber Wahlkampfveranstaltungen nutzen, um ihre eigene Politik darzustellen. Die Verlogenheit der bürgerlichen Demokratie und der reaktionäre Charakter der Politik aller Parteien müssen klar aufgezeigt werden. Viel wichtiger als die Stimmabgabe für eine vermeintlich „linke“ oder „Friedenspartei“ ist es, Aktionskomitees gegen die Kriegs- und Aufrüstungspolitik aufzubauen!

Gerade im Wahlkampf und in der Auseinandersetzung mit anderen Parteien ist es möglich, darauf hinzuweisen, dass eine neue antikapitalistische Partei aufgebaut werden muss, um den Klassenkampf voran zu bringen und letztlich den Kapitalismus zu überwinden, anstatt die SPD, die Grünen, das BSW oder die LINKE zu unterstützen. Denn: Wer glaubt, mit einem dreibeinigen Pferd ein Rennen zu gewinnen, wenn man es nur gut füttert?!

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