Revolutionäre Politik oder Volksfront?

Hanns Graaf

Dieser Beitrag widmet sich der Revolutionstheorie. Er vergleicht die Position von Marx zur Revolution von 1848 mit der Volksfrontpolitik Stalins ab den 1930er Jahren.

Die Revolution von 1848 war eine bürgerlich-demokratische Revolution, in der das damals noch tw. revolutionär eingestellte Bürgertum die Führung inne hatte. Die kämpfende Basis aber stellte schon damals das Proletariat. Mitte des 19. Jahrhunderts war es aber nach Zahl und Organisation oft noch nicht in der Lage, die Führung der Bewegung zu übernehmen und als eigenständige Kraft zu agieren.

Marx war das – trotz seines grundlegenden revolutionären Optimismus – durchaus bewusst. Der „Bund der Kommunisten“ war nur eine sehr kleine Kaderorganisation, die wenig Einfluss hatte. Marx´ Agieren 1848 hatte v.a. zwei Ziele: 1. sollte das Programm der proletarischen Revolution entgegen den Vorstellungen einer nur bürgerlichen in der Vorhut des Proletariats verbreitet werden. 2. sollte die Arbeiterklasse dazu angeregt werden, sich eigenständig zu organisieren und möglichst viele eigene Positionen zu erringen, um die Revolution bei nächster Gelegenheit unter eigener Regie und mit eigenen Zielen weiterzuführen. Nie hat Marx dafür plädiert, dass die Arbeiter sich den Bürgerlichen unterordnen, auf ihre Ziele verzichten oder gar in eine bürgerliche Regierung eintreten sollen.

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Antwort auf Kritik

Redaktion Aufruhrgebiet

Am 11.6.25 veröffentlichten wir ein Flugblatt zum Völkermord Israel in Gaza

Dieses beginnt mit folgender Passage:

„Beim Angriff der Hamas vom 7.10.23 wurden über 1.000 Menschen getötet und ca. 200 als Geiseln verschleppt. Er traf militärische, aber v.a. zivile Ziele. Daher ist er reaktionär und Menschen verachtend, er dient nicht dem gerechten Kampf der Palästinenser, sondern schadet ihm.“

Die Bewertung der Aktion der Hamas als „reaktionär und Menschen verachtend“ wurde von einigen Lesern kritisiert. U.a. wurde dabei angeführt, dass wir damit den berechtigten Widerstand der Hamas bzw. der Palästinenser insgesamt diskreditieren und in Zweifel ziehen würden.

Wir nehmen sachliche Kritik ernst und wollen deshalb hier darauf eingehen.

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Stoppt den Völkermord Israels in Gaza!

Vorwort: Dieser Text wird als Flyer auf Palästina-Veranstaltungen verteilt. Redaktion Aufruhrgebiet

Beim Angriff der Hamas vom 7.10.23 wurden über 1.000 Menschen getötet und ca. 200 als Geiseln verschleppt. Er traf militärische, aber v.a. zivile Ziele. Daher ist er reaktionär und Menschen verachtend, er dient nicht dem gerechten Kampf der Palästinenser, sondern schadet ihm. Doch die Attacke der Hamas war nur der Anlass, nicht die Ursache für den Terrorkrieg Israels, der schon über 50.000 Tote und ca. 100.000 Verletzte gefordert und Gaza weitgehend zerstört hat. Worum es Israel geht und immer ging, sprach der israelische Politiker Moshe Feiglin gegenüber Al Jazeera schon am 26.10.23 offen aus: „Es gibt nur eine Lösung: Gaza vollständig zerstören, bevor man dort einmarschiert. Und wenn ich von Zerstörung spreche, meine ich Zerstörung wie in Dresden und Hiroshima, ohne Atomwaffe.“

Israels Krieg gegen Gaza ist nur eine neue Gräueltat in einer blutigen Reihe von Attacken gegen die Palästinenser, um sie zu vertreiben und zu unterdrücken.

Die Unterstützung Israels ist ein zentrales Element der deutschen Außenpolitik, die damit begründet wird, dass „die Deutschen“ eine historische Schuld gegenüber den Juden abzutragen hätten. Tatsächlich wird damit nur verschleiert, dass so die Existenz Israels als eines Brückenkopfes des westlichen Imperialismus in der Region gesichert werden soll. Es geht um die Kontrolle von Ressourcen, es geht um imperiale Interessen, nicht um „Werte“. Die mantraartige Betonung der historischen Schuld „der Deutschen“ – nicht etwa der deutschen Bourgeoisie und ihrer faschistischen Bluthunde – gegenüber den Juden lenkt davon ab, dass Israel und seine westlichen Unterstützer die Hauptverantwortung dafür tragen, dass der Nahe Osten seit Jahrzehnten im Chaos versinkt. Schon durch die Waffenlieferungen ist die deutsche Politik am Völkermord Israels mitschuldig. Zudem wird jede Kritik an Israel als „antisemitisch“ verunglimpft und kriminalisiert.

Historischer Hintergrund

Israel ist kein Ausdruck der Interessen „der Juden“, sondern ein Projekt des Zionismus. Dieser setzte von Beginn an auf den Imperialismus – im Gegensatz etwa zum jüdischen „Bund“, der sich als Teil der Sozialdemokratie auf die Arbeiterbewegung und den Sozialismus bezog. Der Zionismus hält die Juden nicht nur für ein „auserwähltes Volk“, sondern sah die für die Gründung eines jüdischen Staates in Palästina zu vertreibenden Araber als „kulturell minderwertig“ an. Der Zionismus ist daher reaktionär und rassistisch.Der Staat Israel wäre eine Utopie geblieben, wenn er nicht in die Pläne des Imperialismus gepasst hätte. Nach dem Ersten Weltkrieg sicherten sich der britische und der französische Imperialismus mit dem Sykes-Picot-Abkommen (1916) die Vorherrschaft in der Region. Einer der Verbündeten des Imperialismus sollten dabei die jüdischen Siedler sein. In der Balfour-Deklaration von 1917 erklärte Großbritannien, dass es den Aufbau einer „nationalen Heimstatt“ für die Juden unterstützen wolle.

Das Land der Palästinenser wurde den arabischen Großgrundbesitzern oft abgekauft. Die arabischen Pachtbauern wurden dabei vom Land, das ihre Vorfahren Jahrhunderte lang bearbeitet hatten, verjagt. Wenn heute pro-israelische „Linke“ die Landkäufe verteidigen, dann stellen sie das bürgerliche „Recht“ über die realen Lebensinteressen der Bauern. Die Landnahmen und die damit verbundenen Vertreibungen markierten den Beginn des Konfliktes zwischen Palästinensern und den (zugewanderten) Juden. Noch 1939 gehörten nur 5% des Bodens Juden.

Linkszionismus

1920 wurde die zionistische „Gewerkschaft“ Histadruth (Allgemeine Föderation jüdischer Arbeiter) gegründet. Ihr erster Generalsekretär und Gründer Israels war David Ben Gurion. In der Zwischenkriegszeit war sie der israelische Staat in Keimform. Sie organisierte den Ausschluss arabischer Arbeitskräfte und den Boykott arabischer Produkte. Bis 1936 unterstützte London dieses Vorgehen. Den Palästinensern wurde die Anerkennung als Nation verweigert, sie wurden als „Menschen zweiter Klasse“ behandelt.
Die jüdischen Arbeiter stellten von Anfang an eine Arbeiteraristokratie dar. Der Durchschnittslohn bei ungelernten Arbeitern war doppelt so hoch wie der arabischer Kollegen, bei Facharbeitern verdiente der jüdische Beschäftigte 70% mehr. Diese rassistische Spaltung der Arbeiterklasse ist noch heute ein Grundmerkmal Israels.

Keine der „linken“ zionistischen Parteien stellte sich gegen diese rassistische Politik – die Labour-Zionisten waren sogar die Hauptverfechter der Apartheid. Die Histadruth ist eine chauvinistische Arbeitsfront, welche die jüdischen Arbeiter an Staat und Kapitalisten bindet, während sie die Klassenorganisation der arabischen Proletarier verhindert. Sie war immer bemüht, vereinigte Gewerkschaften arabischer und jüdischer Arbeiter zu verhindern. Auch als die Histadruth 1934 eine „arabische Sektion“ zuließ, änderte das ihren reaktionären Charakter nicht.

Mit der Weltwirtschaftskrise 1929 stieg die Arbeitslosigkeit arabischer und jüdischer Arbeiter. Seit der Machtergreifung Hitlers nahm die Einwanderung zu – und damit auch Landkäufe und Vertreibungen. Konflikte zwischen Juden und Arabern nahmen zu. Im Oktober 1936 streikten die arabischen Hafenarbeiter – und wurden durch jüdische Streikbrecher ersetzt. Daraufhin begannen die Palästinenser, Basiskomitees zu bilden – ein Generalstreik begann, der sechs Monate dauerte. Die Streikbewegung wurde zu einer umfassenden Rebellion gegen die Briten. Doch die arabische Bourgeoisie und die Großgrundbesitzer hintertrieben den Kampf, was die Niederschlagung des Aufstands erleichterte. Der britische Terror wurde auch von jüdischen Milizen unterstützt. Schon 1940 waren 10% der Palästinenser vertrieben oder ermordet. Bis heute geht die Errichtung von jüdischen Wehrsiedlungen in der Westbank weiter – und Trump schlägt vor, alle Palästinenser aus Gaza auszusiedeln.

Die Gründung Israels

1945 drängten die Zionisten die USA, die Einwanderung von 100.000 Holocaust-Überlebenden zu erlauben. Aber der britische Imperialismus versuchte, dies zu blockieren und eine Teilung Palästinas zwischen den Zionisten und Transjordanien auszuhandeln, was eine Militärpräsenz Londons gestattet hätte – doch man unterschätzte die neue Allianz aus dem Zionismus und den USA. London erlitt eine Niederlage. Im Mai 1948 zogen die Briten ab.
Nun übernahmen die USA die Rolle der Briten. Sie unterstützten die Gründung Israels – wie auch Moskau. Dieses Kräfteverhältnis war für die Palästinenser katastrophal: sie wurden durch den jüdischen Terror massenhaft vertrieben.
Die Vertreibung und Enteignung der Palästinenser war die Grundlage der Entstehung Israels. Sie war keine notwendige Folge des Holocausts, sondern Teil der Pläne des Imperialismus zur Kontrolle des Nahen Ostens. Das Trauma der Juden im Faschismus konnte nicht „überwunden“ werden, indem man die Palästinenser, die am Holocaust völlig unschuldig waren, unterdrückt und vertreibt. Ein Volk, das andere unterdrückt, sagte schon Marx, kann sich nicht selbst befreien.

1947 wurde der UNO-Teilungsplan für Palästina beschlossen. Er benachteiligte die Araber, weil die Juden, die 33% der Bevölkerung stellten, 54% des Gebietes erhalten sollten: eine Verzehnfachung des Gebietes der Juden. Doch das reichte den Zionisten nicht. Sie schürten Pogrome und führten die Vertreibung weiter. Auch der Krieg von 1948/49 diente der Ausdehnung Israels und der Verringerung der Präsenz der Araber darin. Damals rissen auch die arabischen Staaten, was sie nur erreichen konnten, an sich (Ägypten den Gaza-Streifen, Transjordanien, Ostjerusalem) – den Palästinensern blieb nichts mehr. Israel erhielt 73% des Gebietes, 750.000 Palästinenser wurden in Flüchtlingslager in den Nachbarstaaten vertrieben. Die Mehrzahl von ihnen und ihre Nachfahren hausen noch heute dort. Die Vertreibung ging häufig mit offenem Terror einher. So wurden am 9.4.48 im Dorf Deir Yasin 250 Menschen getötet. Befehlshaber war der spätere israelische Premier und Friedensnobelpreisträger (!) Menachem Begin.

Der Klassencharakter Israels

Israel ist ein Gendarm des Imperialismus in Nahost. Ohne diese Unterstützung, v.a. durch die USA, wäre es für Israel schwer oder unmöglich gewesen, sich zu behaupten und zu entwickeln, U.a. durch zinsgünstige Darlehen der USA wuchs Israels Wirtschaft bis 1973 daher sehr schnell. Die Einwanderung und die Finanzhilfen gestatteten eine erweiterte Akkumulation und eine industrielle Modernisierung.

Die Westbank und Gaza sind eine Quelle billiger Arbeitskräfte für Israel und ein Absatzmarkt für die israelische Landwirtschaft. Es erfolgt jedoch kein Kapitalexport in diese Gebiete, um dort eine soziale Entwicklung und Extraprofite zu generieren. Israel ist für den Imperialismus nicht profitabel, aber seine Existenz hilft, die Überausbeutung und Beherrschung der arabischer Halbkolonien in der Region zu sichern.

Inzwischen sind die israelischen Juden eine Nation geworden. Sie haben das Hebräisch als Staats- und Umgangssprache wiederbelebt. Eine nationale Kultur entstand. Ein wesentliches Element des Nationalbewusstseins der israelischen Juden ist ihre chauvinistische Haltung gegenüber den Arabern. Heute ist Israel ein hochentwickeltes, vom Zionismus indoktriniertes, hochgerüstetes und auf permanenten Krieg getrimmtes Land. Neben der rassistischen Unterdrückung und Vertreibung der Palästinenser (Siedlungspolitik) existiert aber auch in Israel selbst ein Klassenkonflikt, v.a. zwischen dem arabischen Proletariat und der jüdischen Bourgeoisie. Die zionistische Ideologie und die Siedlungspolitik haben sich aber bisher als erfolgreiches Mittel erwiesen, um die jüdischen Massen an die Herrschenden in Israel und an den westlichen Imperialismus zu binden.

Perspektive

Die These vom „Recht Israels auf Selbstverteidigung“ bedeutet Verteidigung des rassistischen Regimes, bedeutet Anerkennung der Vertreibung und Unterdrückung, bedeutet Verlängerung des permanenten Krieges. Ein Ende des Konflikts ist nur möglich, wenn dessen Ursachen beseitigt werden: die Unterdrückung und Vertreibung der Palästinenser. Dazu muss der aggressive, rassistische Staat Israel verschwinden und durch ein säkulares, multiethnisches Palästina, in dem Araber und Juden friedlich zusammenleben können, ersetzt werden – ein schwerer, aber der einzige Weg. Eine Zweistaatenlösung würde das rassistische Regime Israels nicht beenden und wirkliche Unabhängigkeit der Palästinenser und eine soziale Perspektive nicht sichern – genau wie „Friedenslösungen“ (z.B. die Oslo-Abkommen) unter der Regie des Imperialismus. Palästinenser und Juden haben nur eine Perspektive, wenn sie ihre Bourgeoisien, Großagrarier, Militärs, Bürokraten und religiöse Eiferer enteignen und entmachten und die Arbeiter und Bauern selbst die Macht mittels eines demokratischen Rätesystems ausüben. Dafür braucht es eine proletarisch-revolutionäre Kraft, welche den Kampf initiiert und führt – keine bornierten bürgerlich-nationalistischen und religiösen Kräfte wie die Hamas, die PLO oder die Hisbollah! Dafür braucht es unsere Solidarität! Dafür braucht es unser Engagement gegen den deutschen Imperialismus, der mitschuldig ist am Elend der Palästinenser!

Ist Russland imperialistisch?

Kim Kumar

„Imperialismus“ ist nicht nur ein Begriff, mit dem die sozio-ökonomische Struktur einzelner kapitalistischer Länder bestimmt werden kann. Weil das nationale Kapital so groß geworden ist, dass es sich nicht mehr nur im nationalen Rahmen verwerten, geschweige denn ausdehnen kann, drängt es bis in den letzten Winkel des Erdballs. Imperialismus bezeichnet ein komplexes globales System und eine ganze Epoche des Kapitalismus. Er ist also letztlich nicht nur als einzelne nationale Agenturen in ihren jeweiligen historischen Formen und als Gesamtprozess zu begreifen. Imperialismus ist eine Totalität, eine ökonomische Struktur und eine Herrschaftsweise, der alles unterordnet wird.

Eine andere Methode der Betrachtung erlaubt gar nicht zu verstehen, was global passiert. Imperialismus ist die reelle Subsumtion des Weltmarktes und der jeweiligen politischen Herrschaftsformen unter die Dominanz der Großmächte. Das Kapital ist global und kennt keine Grenzen, überwindet alle Beschränkungen, ist eine beständige Vernichtungsmaschine, erbebt sich aber immer wieder auch wie Phönix aus der Asche der von ihm angerichteten Zerstörungen. Das Kapital ist per se äußerst dynamisch (was nicht ausschließt, dass es auch viele den Fortschritt hemmende Elemente enthält). Das Kapital ist „schöpferische Selbstzerstörung“. Findet es eine Schranke, so ist das Gewinnspiel verloren. Die eine Schranke ist das Kapital selbst, die andere ist die Konstituierung des Proletariats zum revolutionären Subjekt.

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Was sind Gewerkschaften?

Hanns Graaf

Vorbemerkung: Dieser Text eröffnet eine Reihe von Beiträgen zur Frage, wie die Politik von Revolutionären im Betrieb und in der Gewerkschaft aussehen könnte. Die Beiträge erscheinen in unregelmäßiger Folge. Der folgende Text behandelt taktische Aspekte nur am Rande und betrachtet nicht die Spezifik der deutschen Gewerkschaften, die späteren Artikeln vorbehalten bleiben. Er ist eine allgemeine Darstellung des Wesens von Gewerkschaften. Diese ist schon deshalb nötig, weil gerade jüngere Linke wenig Kenntnis davon haben. Redaktion Aufruhrgebiet

Gewerkschaften sind neben der Partei, den Genossenschaften und Selbstverwaltungsstrukturen sowie der Freidenkerbewegung eine der vier potentiellen Säulen der Arbeiterbewegung. Die Gewerkschaften sind am engsten mit der betrieblichen Basis der Lohnabhängigen verbunden und haben dadurch – außer in revolutionären Krisen – die potentiell höchste Mobilisierungskraft.

Lohnarbeitssystem

Trotz aller Differenzierungen und Spaltungen – abhängig v.a. von der ständigen Umwälzung der Produktivkräfte und der Schwankungen der Konjunktur – ist die Arbeiterklasse (Proletariat) durch drei grundlegende Merkmale geprägt: 1. besitzt sie kein Privateigentum an Produktionsmitteln und muss daher ihre Arbeitskraft als Ware verkaufen. 2. ist sie damit wesentlich vom Lohneinkommen abhängig. 3. hat sie in der Arbeitswelt wie in der Gesellschaft insgesamt eine untergeordnete, unterdrückte, benachteiligte Stellung. Sie hat daher keine wesentlichen Interessen, die sie an den Kapitalismus binden, und ist daher, die – wie Marx bemerkte – „einzig konsequent (!) revolutionäre Klasse“. Ihre Zahl, ihre Konzentration, ihre Verbindung mit der modernen Produktion befähigen sie nicht nur dazu, den Kapitalismus zu überwinden, sondern auch, eine alternative Gesellschaft aufzubauen und auch andere soziale Schichten zu befreien.

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NGOs: Gefangen im System

Hannah Behrendt

Eine Nichtregierungsorganisation (englisch: Non-governmental organization, NGO) oder auch nichtstaatliche Organisation ist ein Interessenverband, der nicht durch ein öffentliches Mandat legitimiert ist, aber z.T. staatlich finanziert sein kann. Im öffentlichen Bewusstsein gelten NGOs als Organisationen, die durch ihre Aktivitäten versuchen, die Interessen von Armen v.a. in der „3. Welt“ zu mildern, die Umwelt zu schützen, soziale Dienste anzubieten oder Entwicklungshilfe zu initiieren. Diese Einschätzung von NGOs wollen wir hier hinterfragen.

NGOs sind ab dem letzten Drittel des 20. Jahrhunderts zu einem festen Bestandteil des politischen Milieus geworden. Lt. Google agieren inzwischen weltweit etwa 75.000 NGOs. Neben großen und bekannten Organisationen wie Amnesty International, Greenpeace, Ärzte ohne Grenzen oder dem WWF (World Wide Fund for Nature) gibt es inzwischen tausende, oft weniger bekannte kleinere Strukturen.

Ursprünglich waren NGOs entstanden, weil viele soziale, politische oder Umweltprobleme von den Regierungen nicht gelöst werden wollten oder konnten, aber auch, um ihnen bei der Lösung zur Seite zu stehen. Insofern waren sie immer auch Ausdruck von Kritik und Unzufriedenheit mit der „offiziellen“ staatlichen Politik. Sie waren aber auch Folge des Umstands, dass die reformistisch bzw. stalinistisch geprägte Arbeiterbewegung und die Linke sich bestimmter Probleme (Umwelt, politische Unterdrückung u.a.) oft nicht annahmen. So gingen Aktivistinnen und Aktivisten daran, selbst Strukturen aufzubauen und sich für „progressive Projekte“ zu engagieren. Die NGOs kamen aber oft schnell an ihre Grenzen, v.a. fehlte es an Ressourcen und Geld, so dass ihre Wirkungen oft sehr begrenzt blieben.

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8. Mai: Legenden und Lehren

Hanns Graaf

Die Kapitulation der Wehrmacht am 8. Mai 1945 besiegelte das Ende der Nazi-Diktatur. Der größte Krieg der Weltgeschichte war beendet (in Asien dauerte er noch bis August 1945). Er forderte über 50 Mill. Tote, darunter über 20 Mill. Sowjetbürger und 6 Mill. Juden. Ganze Regionen und Länder, v.a. Polen, die westliche Sowjetunion, Deutschland und Japan, waren verwüstet.

Angesichts der Opfer und Zerstörungen, angesichts der ungeheuren Dimensionen der Inhumanität v.a. des deutschen Faschismus ist es nur allzu verständlich, wenn der 8. Mai als Tag der Befreiung gefeiert wird. Doch die Geschichte wird bekanntlich von den Siegern geschrieben, die ihre eigene Rolle in der Geschichte verklären, ja oft genug umlügen.

In diesem Beitrag gehen wir v.a. auf die Rolle des Stalinismus vor, während und nach dem 2. Weltkrieg ein.

Sieger Stalin

Der Sieg über Hitler-Deutschland hat das Prestige Stalins und der UdSSR gewaltig gesteigert. Das Selbstbild des Führers aus Moskau als Heilsbringer der Welt und „guter Vater der Menschheit“ und die Überlegenheit seines „Sozialismus“ schienen endlich historisch bewiesen zu sein. Viele Länder in Ost- und Mitteleuropa, aber auch in Asien (China, Nordkorea) wurden „sozialistisch“. In den 1950er/60er Jahren schüttelten viele „links-nationalistische“, oft an Moskau orientierte Bewegungen ihr koloniales Joch ab und wurden selbstständig. In Europa und in Asien gab es mehrere Länder, wo zwischen 1944 und 1948 eine (vor)revolutionäre Situation entstanden und der Sturz des Kapitalismus möglich war: z.B. in Italien, Griechenland oder in Vietnam.

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Rede am 1. Mai

Vorwort: Wir dokumentieren nachfolgend die Rede von Hanns Graaf von der Initiative Aufruhrgebiet auf der 1.Mai-Kundgebung der Freien Linken in Berlin. Redaktion Aufruhrgebiet

Kolleginnen und Kollegen, Genossinnen und Genossen!

Wir leben in bedenklichen Zeiten. Die Ampelregierung war so unbeliebt wie keine andere deutsche Regierung nach 1945. Trotzdem gab es kaum Proteste gegen sie. Immerhin gab es Tarif-Streiks der Gewerkschaften gegen die Folgend der Inflation. Doch gegen die Kriegs- und Aufrüstungspolitik, gegen die absurde Klima- und Energiepolitik der Ampel kämpft der DGB nicht. Dagegen protestierten v.a. vom Kleinbürgertum geprägte Bewegungen, die schon gegen die absurde und ruinöse Coronapolitik am aktivsten waren. Warum sie? Weil die Linke und die Gewerkschaften inaktiv waren!

Statt gegen die Ampelregierung gab es Massenproteste gegen „Rechts“. Es ist zwar richtig, sich der AfD u.a. Rechten entgegenzustellen, doch die v.a. von der Antifa, der SPD, den Grünen, den Kirchen, von NGOs u.a. reformistischen Kräften organisierten Aktionen dienten v.a. dazu, den Protest von der Regierung abzulenken und diese als „demokratisch“, „human“ und „fortschrittlich“ hinzustellen. Dafür wurde die AfD zu einer faschistischen Partei hochstilisiert, die sie – zum Glück – nicht ist. Fast alle wesentlichen Merkmale einer wirklichen faschistischen Organisation fehlen ihr.

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Was ist Imperialismus?

Hanns Graaf

In diesem Artikel geht es um die Frage, was Imperialismus ist und welche theoretischen Beiträge die Arbeiterbewegung und v.a. Lenin dazu geleistet haben. Eine stimmige Analyse des Imperialismus ist unabdingbar, um eine korrekte revolutionäre Politik formulieren und umsetzen zu können.

Imperialismus-Diskussion in der Sozialdemokratie

Als Ende des 19. Jahrhunderts der Kapitalismus in sein imperialistisches Stadium überging, gab es verschiedene Versuche von Sozialdemokraten, diese neue Entwicklungsphase zu verstehen. Am bedeutendsten waren dabei die Beiträge Kautskys und Hilferdings, letzterer v.a. mit seinem Buch „Das Finanzkapital“ von 1910. Schon Ende der 1890er hatte Kautsky in mehreren Artikeln in der „Neuen Zeit“ seine Analyse der neuen Phase des Kapitalismus dargestellt. Ökonomisch sah er in der Entstehung großer Kapitalstrukturen (Konzerne, Trusts usw.) und im Finanzkapital wesentliche neue Merkmale des Kapitalismus. Anhand der Zunahme des Kapitalexports zeigte er den Zusammenhang zwischen der Ökonomie und einer besonders aggressiven und global ausgerichteten imperialistischen Politik: „die neue Art der Reichspolitik oder Weltpolitik (ist) eine Folge der Entwicklung des industriellen Kapitals (…), der Zunahme der Bedeutung der hohen Finanz, des Kapitalexports.“ (Kautsky, Die Neue Zeit, 23.4.1915, S. 110.)

In der methodischen Tradition von Marx stehend, folgt für Kautsky Politik aus der ökonomischen Grundstruktur der Gesellschaft, die Interessen imperialistischer Staaten sind letztlich Ausdruck der Verwertungsinteressen des dominanten Großkapitals. Anders als noch im Kapitalismus der freien Konkurrenz ist so viel Kapital akkumuliert und konzentriert, dass es sich nicht mehr nur auf dem nationalen Markt realisieren kann. Es verlangt nach neuen Quellen für Ressourcen, nach lukrativen Investments und Absatzmärkten. Das führt zu verstärkter Aggressivität nach außen, es führt zu Kolonialismus und Neokolonialismus, zu Handelskonflikten und Kriegen und zur permanenten Neuaufteilung der Welt, die für das Kapital keine weißen Flecken mehr hat. Aber auch nach innen wächst die Aggressivität, da Aufrüstung und Krieg Widerstand provozieren, der bekämpft werden muss. Zudem kann eine kriegerische Außenpolitik nur durchgeführt werden, wenn die „Heimatfront steht“.

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